Pro:
Möglichkeit, in längst vergangene Zeiten zu versinken
Kontra:
Smetana und Rilke wurden durch Touristen ersetzt
Empfehlung:
Ja
Wer zu Besuch in Prag ist, der sollte es auf keinen Fall versäumen, eines der zahlreichen schönen Kaffeehäuser zu besuchen, denn hier ist österreichische Lebensart und ein Hauch der k.u.k-Monarchie am allerbesten Sinne zu verspüren. Als die beste Ehefrau von allen samt ihrem Gatten und einem befreundeten Paar jüngst die Moldau-Metropole besuchte, stand natürlich auch ein entsprechender Besuch auf dem Programm, wobei wir zunächst im wohl bekanntesten Prager Café, dem Slavia, unsere Heißgetränke, Eisbecher und Mehlspeisen zu uns nahmen. Und davon soll hier nun die Rede sein.
Der Ort des Geschehens
Die Kavarna Slavia ist direkt am Moldauufer zu finden, am Ende der Nationalstraße (Narodni). Zu Fuß sind das nur etwa zehn Minuten vom Wenzelsplatz. Die Anschift: Kavarna Slavia, Smetanovo nabrezi 1012/2, Praha 1, Telefon (00 42) 02 24 21 84 93, Internet: www.cafeslavia.cz (Seite ist in tschechisch, englisch und deutsch verfügbar). Das Slavia ist Montags bis Freitags von 8 bis 24 Uhr, Samstags und Sonntags von 9 bis 24 Uhr geöffnet.
Das Versprechen (Homepage des Cafés)
Wir sind ein traditionelles Café im historischen Zentrum von Prag. Wir servieren tschechische und internationale Speisen. Im Menü fehlen keine Salat-, Fisch- oder Fleischspezialitäten, die Sie einschließlich mit unserem Frühstückmenü schon ab 8 Uhr, wann unsere Cafe Slavia öffnet, bestellen können. Wir sind uns der Historie, die uns von allen Seiten umsteht, bewusst - das Nationaltheater, Karlsbrücke und die Prager Burg. Es ist möglich, alle diese Sehenswürdigkeiten direkt vom Tisch mit einer Tasse heißen Kaffee oder einem Glas guten Wein zu sehen. Mit Respekt zu unserem herkömmlichen Betrieb des Cafés bieten wir diese exklusiven Räume für verschiedene Veranstaltungen an. Wir kommen auch den anspruchsvollsten Klienten gegen. Unsere Kapazität ist 680 Plätze, davon 450 zum Sitzen, wenn alle Betriebe des Cafés Slavia, Restaurants Parnas, Jihoceska Restaurants und der Bierstube u Lazanskych verbunden sind. Jeden Tag freut sich unser professioneller Klavierspieler auf Sie, der immer von 17 bis 23 Uhr live spielt. Gerade mit diesem Programm werden wir Rarität.
Das Äußere
Das Café ist im Erdgeschoss eines Jugendstilgebäudes untergebracht und bietet äußerlich rein optisch zunächst wenig. Viele Fenster mit roten Markisen darüber aber machen schon deutlich, dass der Blick aus dem Café ein besonderer sein muss, denn der Restaurationsbetrieb liegt direkt an der Moldau und bietet freie Sicht bis hin zum Hradcin bzw. zum Nationaltheater.
Das Innere
Hier fühlt sich der Besucher in vergangene Zeiten zurück versetzt, denn irgendwie wirkt das Café so, als habe es all die gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte nie gegeben. Viele Lampen sorgen für ein nicht zu grelles Licht, Gemälde an den Wänden ziehen die Blicke auf sich, gemütliche Ledersofas oder Polsterstühle an kleinen Tischen laden zum Verweilen ein. Die Kellner tragen natürlich ein weißes Hemd und Fliege, die Kellnerinnen Rock. Die sanitären Anlagen sind im Untergeschoss zu finden und wirkten zur Zeit unseres Besuches enorm sauber, wobei es auch entsprechende Einrichtungen für Behinderte gibt, die allerdings womöglich Probleme haben, die nur über eine Treppe zu erreichenden Räumlichkeiten überhaupt aufsuchen zu können. Und natürlich gibt es im Café den oben beschriebenen Flügel, an dem des Abends musiziert wird.
Speisen und Getränke
Natürlich gibt es im Slavia all die schönen Kaffeespezialitäten, die dereinst aus Wien den Weg an die Moldau fanden - und sie sind sogar bezahlbar: Der Espresso schlägt mit 39 Kronen (etwa 1,60 Euro) zu Buche, der Latte Macchiato mit 58 Kronen (etwa 2,40 Euro). Natürlich sind auch all die herrlichen Süß- und Mehlspeisen verfügbar, für die Böhmen bekannt ist. Eisbecher und Torten runden das Angebot ab. Aber auch ein Budweiser Bier (0,4 Liter für 45 Kronen) darf genossen werden. Und die Hungrigen erfahren Sättigung: Prager Schinken gibt's für 119 Kronen (etwa 4,80 Euro), Suppen für 43 Kronen (1,70 Euro), Rindergulasch mit Knödeln für 160 Kronen (6,40 Euro), Spaghetti mit Lachs für 169 Kronen (6,80 Euro) oder große Salatteller für 149 Kronen (etwa 6,00 Euro). Die Speisekarte indes ist noch viel umfangreicher - das hier Aufgezählte soll nur als Beispiel dienen.
Meine Meinung
Wer die an der Nationalstraße liegend und über ein paar Stufen zu erreichende Eingangstür zum Café Slavia passiert hat, der ist plötzlich in einer anderen Epoche. Hier strahlt alles von alter Glückseligkeit, und niemand mag bezweifeln, dass Bedrich Smetana hier dereinst komponierte, während am Nebentisch Rainer Maria Rilke Gedichte schrieb. Es ist ein typisches Kaffeehaus, das seine Grundsätze bis heute nicht verraten hat: Wer sich hier auch über mehrere Stunden an einer Tasse des dunklen Gebräus festhält, wird nicht schief angeschaut oder gar zum Gehen aufgefordert. Natürlich liegen Zeitungen parat - das gehört ja einfach zum Kaffeehaus. Das Art-Deco-Interieur und die Aussicht sorgen für ein Glücksgefühl, das nur noch durch den hervorragenden Kaffee und die verführerischen Mehlspeisen gesteigert werden kann.
Als wir das Slavia betraten, war es sehr gut besucht. Es fiel zunächst nicht leicht, einen Tisch für vier Personen zu ergattern, gelang dann letztlich aber doch. Kaum saßen wir, hatten wir allen Stress des Touristen-Daseins abgelegt und genossen nur die einzigartige Atmosphäre sowie den aufmerksamen, aber nie aufdringlichen Service. In Ruhe durften wir überlegen, was es denn genau für uns sein sollte, ehe die Bestellung aufgenommen wurde. Die wiederum wurde recht zügig umgesetzt, und auch Sonderwünsche unsererseits stellten für das Service-Personal kein Problem dar. An allen Tischen wurde gegessen, getrunken und geredet - auch an unserem. Das war herrlich, wir hatten einen Ort gefunden, der soziales Leben förmlich einforderte. Das wurde auch durch den Klavierspieler nicht gestört, der ganz dezent den Tasten Töne entlockte, der natürlich (auch) Smetana spielte, wobei schon der Verdacht aufkam, er habe den großen tschechischen Komponisten womöglich noch selbst gekannt.
Der Service war bestens, der Kaffee außerordentlich schmackhaft und auch unsere kleinen Speisen (bitte unbedingt die Pfannkuchen probieren!) mundeten perfekt. Was will der Kaffeehaus-Besucher denn noch mehr? Ich wollte mehr. Dennoch gehöre zur aussterbenden Gattung der Raucher. Und ich fühlte mich im Slavia wie daheim, denn im hinteren Teil des Lokals, an dem wir unseren Tisch gefunden hatten, durfte sogar geraucht werden. Das war wirklich perfekt für mich. Und so bedauerte das westfälische Quartett nach rund einer Stunde, dass er die k.u.k.-Zeit wieder verlassen musste, versprach sich aber gegenseitig noch, dass ein Besuch im Slavia auf jeden Fall wieder zum Programm gehören soll, wenn es demnächst möglicherweise ein weiteres Mal in die tschechische Hauptstadt geh weiterlesen schließen
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