Camino Francés - der klassische Jakobsweg Testberichte
Auf yopi.de gelistet seit 09/2010
Pro & Kontra
Vorteile
- Kombination: bequeme Studienreise und leichte Pilger-Wanderreise
- Täglich neue Erlebnisse auf dem Weg zu sich selbst und durch Spanien!
Nachteile / Kritik
- Weder eine wirkliche Herausforderung noch eine echte Pilgerreise
- Man muss laufen, sein Gepäck selber tragen und sich um alles selber kümmern!
Tests und Erfahrungsberichte
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Unterwegs in Spanien auf dem Camino Francès
5Pro:
Täglich neue Erlebnisse auf dem Weg zu sich selbst und durch Spanien!
Kontra:
Man muss laufen, sein Gepäck selber tragen und sich um alles selber kümmern!
Empfehlung:
Ja
+*+*+ Bei meinem Bericht handelt es sich mehr um einen Erfahrungsbericht über einen WEG als um ein Produkt. Ich hoffe, er wird trotzdem gelesen!
Viele Menschen haben bereits IHREN Jakobsweg beschrieben. Heute nun sollt ihr von MEINEM Jakobsweg lesen. Ich möchte euch ein wenig an dieser Faszination teilhaben lassen, soweit dies überhaupt möglich ist!
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Vorgeplänkel
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Wie kommt man auf die Idee, den Jakobsweg zu gehen, rund 800 Kilometer, bei Wind und Wetter, mit dem Rucksack von Ort zu Ort, bis nach Santiago de Compostela und noch weiter, bis ans Ende der Welt. Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht!
Unterwegs wurde mir mehrfach gesagt, dass es nichts ausmacht, wenn man nicht so recht ausdrücken kann, warum man den Jakobsweg läuft. „Der Weg findet dich“, hat man mir mehrmals gesagt. Ich denke, es war so. Auf jeden Fall wollte ich einfach meinen Traum verwirklichen, ohne großartigen religiösen Hintergrund. Einmal so eine lange Wanderung machen, viele Tage von einem Ort zum anderen ziehen, das mystische dieses Weges spüren und frei sein, einfach frei sein! Frei entscheiden können, wie weit ich laufe und mit wem ich rede oder gemeinsam wandere.
******* Ja, ihr habt es richtig verstanden: Ich bin allein gewandert! *******
Aber auf dem Weg ist man nicht allein! Man kann gemeinsam gehen oder allein, kann sich anderen anschließen oder wieder abseilen, alles ist möglich.
Die Anreise nach Saint Jean-Pied-de-Port gestaltet jeder nach seiner Art, per Bahn, Flieger oder Auto. In meinem Fall hat mich mein Mann dorthin gefahren und mit mir das Wochenende vor dem Start dort verbracht. Ja, dieses Glück der individuellen Anreise hat nicht jeder und in der ersten Woche musste ich mir viele Witzeleien deswegen anhören.
+*+*+ Erklärend möchte ich noch sagen, dass ich hier nur prägende Eindrücke in Kurzfassung niedergeschrieben habe. Ich verzichte auch darauf, die einzelnen Etappen zu beschreiben, die ich in den sieben Wochen zurückgelegt habe. In diesem Bericht über meinen Jakobsweg soll es lediglich um Empfindungen, prägnante und für mich erwähnenswerte Dinge gehen. Ich werde auf umfangreiche Beschreibungen von Kirchen und Sehenswürdigkeiten verzichten, weil diese überall in Wikipedia zu finden sind und mit Sicherheit schon in vorangegangenen Berichten geschildert wurden.
Eines Tages wird es ein Buch geben. Darin steht dann sicherlich noch mehr persönliches, als auf diesen Seiten. Also lasst es für heute mit rund 8000 Wörtern genug sein und fragt bei mir nach, wenn ihr spezielle Einzelheiten wissen wollt. Mein Mann hat auch meine Tagesetappen auf unserer Homepage dokumentiert, mit und ohne meine Emails oder Fotos, zumindest gab’s täglich eine SMS als Lagebericht.
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Ursprünge und Pilgertum
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+*+*+ Darüber liest man ja überall etwas. Darüber nur von mir zwei/drei Sätze, weil es dazu gehört. Der Jakobsweg ist ein alter Pilgerweg quer durch Europa und wird seit Jahren von engagierten Menschen immer mehr ausgebaut, auch hier in Deutschland. Letztendlich enden alle in Santiago de Compostela, am Grab des Heiligen Apostels Jakobus. Wie der Leichnam des Heiligen dort hinkam, ist in vielfältiger Weise dokumentiert und soll hier auch kein Thema sein. Die legendäre Entstehung des Jakobsweges durch Kaiser Karl den Großen soll auf Geheiß des Apostels geschehen sein. Karl der Große sollte auf seinem Spanienfeldzug den Weg zum Jakobusgrab von den Mauren befreien. Im Mittelalter löste das Pilgertum einen wahren Aufbruch aus. Klöster, Herbergen, Hospitäler, Gasthäuser und Kirchen entstanden am Weg. Für die Orte an den bekanntesten Jakobswegen bedeutete es den wirtschaftlichen Aufschwung und bedeutet es bis heute, eine sichere Existenz.
+*+*+ Der wohl Bekannteste ist der Camino Francès, der von Saint Jean-Pied-de-Port über die Pyrinäen nach Spanien und quer durchs Land dorthin führt. Die Entstehung dieser Route fällt in die erste Hälfte des 11.Jahrhunderts, als „hochmittelalterliche Hauptverkehrsachse Nordspaniens“ bezeichnet.
Die Muschel als Erkennungszeichen der Pilger ist ein sichtbarer Ausweis und wurde schon im Mittelalter als zweckdienliches Hilfsmittel mitgeführt. Man konnte damit zum Trinken Wasser schöpfen und sie auch für kleine Mahlzeiten als „Teller“ nutzen.
Der Jakobsweg ist kein Wanderweg wie jeder andere. Diesen Weg gingen seit dem Mittelalter Millionen von Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen, aber allen war sicher ein Wunsch gemein: Unterwegs zu sich selbst sein!
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Los geht’s mit einer kurzen Einleitung
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+*+*+ Am 12.04.2010 bin ich um 10.00 Uhr von Saint Jean-Pied-de-Port gestartet. Meine erste Etappe wollte ich gemütlich angehen, die in den meisten Pilgerführern ausgeschriebene Strecke bis Roncesvalles entschärfen und nur bis Orison laufen. Völlig untrainiert war mir die Etappe über die Pyrinäen an einem Tag echt zu viel. Am nächsten Tag dann die Wanderung über den Gebirgszug war eigentlich eine sehr schöne Etappe, obwohl ich mir die Berge anders vorgestellt hatte. Grüne Hügel ohne Bäume, das entspricht nicht so meinen Vorstellungen von einem Bergpass. Trotzdem war es eine schöne Etappe. Das Wetter war nicht zu warm und nicht zu kalt. Ich traf ab und an Leute von der letzten Übernachtung und andere Pilger. In der Herberge in Roncesvalles lernte ich Petra kennen und wanderte bis zum 17.04. mit ihr und Maria. Beide verabschiedete ich mit Tränen in den Augen am 18.04., weil ich Probleme mit den Knien hatte und einen Tag pausieren musste. Nach einem Ruhetag humpelte ich, auf meine Stöcke gestützt, drei Tage allein durch die Landschaft. Ich traf dann auf einen Mann, der es gemütlich angehen ließ und scheinbar alle Zeit der Welt hatte. Ich begleitete ihn bis ans Ende der Welt, oder er mich, je nachdem, wie man es sehen möchte. Er war für mich das „Geschenk des Himmels“ und vielleicht die Begegnung und der Sinn meines Weges.
+*+*+ Mein Gepäck hatte mehr als die empfohlenen 10 Kilogramm! Soviel dazu. Aber ich hätte auch nichts weglassen können. Nur Wasser habe ich dann öfters mal eingespart, weil man sich doch an vielen Ecken damit versorgen konnte. Letztendlich gab es (im Nachhinein beurteilt) nur ein Kurzarmshirt und ein Paar Wandersocken, die ich hätte entbehren können. Ich hatte schon gute Wanderklamotten, die natürlich leicht und atmungsaktiv sind, aber trotzdem insgesamt genug Gewicht hatten, um meinen Knien gehörige Probleme zu bereiten. Aber nach zwei Wochen gehörte der Rucksack zu meinem Gesamtgewicht und so war es dann in Ordnung. Der Rucksack saß so gut, dass ich damit überhaupt keine Probleme hatte. Und auch von Blasen blieb ich wieder verschont! Was mir kaum jemand glaubt, aber ich habe so zarte Füße, wie ein „Kinderpopo“, wenn man das mal so vergleichen will. Viele sagen aber, dass gerade solche „weichen“ Füße sehr empfindlich wären. Das mag wohl so sein, aber nicht bei meinen Füßen: Ich hatte noch nie Blasen in meinen Bergschuhen, obwohl diese recht schwer und eben berg- und steigeisentauglichen sind. Sie umhüllen meine Füße ohne Reibungspunkte wie eine „zweite Haut“. Und sie sind schon immer mein Geheimrezept gegen Blasen oder wunden Stellen an den Füßen gewesen. Warum nicht auch in Spanien? Es hat geklappt!
+*+*+ Man muss als Frau schon ganz schön hartgesotten sein, wenn man so etwas unternimmt. Oder aber ich habe mir die falschen Unterkünfte ausgesucht. Auf jeden Fall gab es zwar überall warmes Wasser, aber nicht immer waren die Bedingungen so, dass ich hätte duschen wollen ohne mich zu ekeln, oder aber es waren einfach zu viele Menschen für die Anzahl der vorhandenen Duschen in der Herberge. Außerdem muss man ja mit jedem Gramm geizen, was bedeutet, ich hatte ein Mikrofaserhandtuch für den ganzen Körper, mit Haarwäsche, wenn’s nötig war. Leider bin ich ein Mensch, der sich mit den Mikrofasern nicht so anfreunden kann, weil sie mir nicht so griffig in der Hand liegen, sondern an jedem rauen Hautpartikel oder Schwiele hängen bleiben. Auch ist klar, dass man seine Unterwäsche länger trägt, als im Normalfall zu Hause. Kosmetische Artikel, die jede Frau ausreichend besitzt, müssen auf ein Minimum beschränkt werden. Die Privatsphäre kann man in diesem Fall der Pilgerschaft eher der Relativitätstheorie unterordnen. Darauf sollte man gefasst sein. Wenn man als Frau schon öfters in den Bergen von Hütte zu Hütte unterwegs war, kennt man zumindest die spartanischen hygienischen Bedingungen. Dann fällt es einem sicher leichter.
+*+*+ Mit der Mentalität und Lebensweise der Spanier muss man sich einfach arrangieren, weil es so ist! Die Spanier sind schon vernünftig, was die Mittagshitze angeht. Da ziehen sie sich zurück und halten Siesta. Das würde man als Pilger auch gerne tun, allerdings schafft man dann nicht allzu viele Kilometer. Und nach der Siesta nochmal losziehen, ist auch blöd, weil man dann recht spät in den Herbergen ankommt. Es konnte einem schon mal passieren, dass die angesteuerte Herberge voll war, dann ist guter Rat teuer, meistens auch die nächste Herberge. Aber andererseits war dann abends die Siesta wieder total in Ordnung, weil dann, wenn der Pilger sich regeneriert, frisch gemacht und etwas erholt hat, die Geschäfte wieder auf machen und man sich nicht hetzen muss, um noch eine Sehenswürdigkeit anzuschauen, die Kathedrale zu besuchen oder aber einzukaufen. Alles wie immer: jedes Ding hat zwei Seiten!
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Der Weg
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+*+*+ Ich will mal fast behaupten: Verlaufen unmöglich! Aber es kann trotzdem vorkommen, dass man manchmal nach Wegmarkierungen suchen muss oder aber unaufmerksam ist und dadurch vom Weg abkommt.
Seit dem letzten Jahrhundert hat der Jakobsweg als Pilgerweg an Bedeutung zugenommen und wurde zunehmend sicherer. Die Popularität kam in den letzten Jahren wohl auch durch die Veröffentlichungen in den Medien, sei es nun ein Buch eines bekannten Menschen (und hierbei möchte ich nicht unbedingt Hape Kerkeling erwähnen *grins*) oder Reportagen über berühmte Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben. Doch bevor der Medienrummel begann, sorgte bereits ein Geistlicher dafür, dass der Weg für die Wanderer sicherer wurde, indem er für die bessere Markierung des Weges sorgte. Elias V. Sampedro war Pfarrer in O Cebreiro (Galicien) und arbeitete gezielt an der Wiederbelebung der Jakobswallfahrt. Er führte in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts die Kennzeichnung des Weges mit gelben Pfeilen ein, die heute genauso populär und überall anzutreffen sind, wie die gelbe Muschel auf blauem Grund. Aber auch die Muschelzeichen sind mittlerweile so bunt und vielfältig geworden, dass es einfach überall Muscheln gibt. Hier sind der Fantasie und der Kreativität der Regionen und Städte keine Grenzen gesetzt. Man findet Muscheln auch im Pflaster, auf Straßen, auf Gullideckeln, an Laternenmasten und als Zusatz auf Schildern und Wegweisern. Aber auch Privatpersonen schmücken ihre Häuser, Mauern und Zäune auf vielfältige Art und Weise. Komplettiert werden diese Markierungen mit Kilometersteinen, Hinweistafeln, Wegweisern und massenhaft gelben Pfeilen. Wegkreuze und Skulpturen vervollständigen das Bild. Jede Region hat da so ihre bestimmten Vorlieben.
+*+*+ Hinzu kommen die unterschiedlichsten Pilgerführer und Karten, die einem den rechten Weg zeigen sollen. Hier gibt es sicher qualitative und inhaltliche Unterschiede, die aber nur eine untergeordnete Rolle spielen. Hier bleibt es dem Nutzer überlassen, welches Material er sich in den Rucksack steckt. Eine gute Ergänzung zu dem Streckenverlauf und den Etappenvorschlägen sind die geschilderten Sehenswürdigkeiten und die Beschreibungen der Landschaften in solchen Reiseführern. Also kann man sich gut ausstatten. Und wenn man dann mit offenen Augen durch die Landschaft zieht, kommt man auch ohne Verirren ans Ziel.
+*+*+ Man durchwandert hügelige Gegenden, Wein- und Getreideanbaugebiete, Hochebenen und flache Landstriche. Die Wege sind so unterschiedlich wie die Regionen selbst. Mal geht es durch herrliche Landschaften, auf Feld-, Wald- und Wiesenwegen und mal wird man entlang oder auf Nationalstraßen geführt. In manchen Regionen hat man es sogar übertrieben und Wanderwege in Wald und Flur gepflastert! Hier sei wieder der Hinweis auf das Heilige Jahr erlaubt. Aber besonders neue Streckenführungen, die durch Straßenneubau entstanden, sind unattraktiv und oft noch Baustelle. Auf Asphalt- und Pflasterstraßen, besonders auch durch Ortschaften ist dies natürlich den Füßen nicht gerade zuträglich, vor allem nach mehr als 20 Kilometern hätte ich mich manchmal einfach hinschmeißen können. Gewerbegebiete zu durchwandern, so vor Burgos (10km) oder vor und hinter Leon, ist einfach nur nervig! Aber zum Glück ist das ja nur ein verschwindend kleiner Teil an Kilometern, wenn man die gesamte Strecke von rund 900km sieht.
+*+*+ Viele Blumen und Pflanzen habe ich fotografiert, bei denen ich von manchen weder Gattung noch Namen wusste, um zu Hause dann „Experten“ zu fragen, was das für hübsche Blumen sind. Insgesamt war die Vegetation am Wegesrand weiter als bei uns. Kornfelder, fast reife Süßkirschen und Blumen, die bei uns erst vier Wochen später blühen waren für mich der Beweis.
+*+*+ Insgesamt geht die Strecke bergauf und bergab, so wie im Leben auch! Wer was anderes erwartet hat, wird wohl enttäuscht sein. Zuerst geht es über die Pyrinäen und danach noch über mehrere Pässe. Doch dort, wo es bergauf geht, muss man auch wieder hinab, was für die Knie nun auch nicht gerade ein Kinderspiel ist. Letztendlich sind die Höhenmeter, die man im Laufe der Zeit überwindet, vollkommen unwichtig, da es nie so steil geht, als würde man Bergwandern oder Klettern in den Bergen. Man muss es einfach langsam angehen, dann kommt man überall hin, so meine Devise. Natürlich möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich eher zu den „Pilgerschnecken“ zählte, die andere Pilger nur überholt, wenn diese Pause machen!
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Eindrücke
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Ich glaub, das wird ein langes Kapitel! Wie auch anders, wenn man so lange unterwegs ist und von einem Ort zum anderen zieht, einer geschichtsträchtiger als der andere. Ich werde versuchen, mich auf die wichtigsten zu beschränken.
+*+*+ Da sei zunächst Mal die Mentalität der Einheimischen genannt, die mir (mehr oder weniger) begegnet sind. Da ich eigentlich still sein und meine Ruhe haben wollte, zudem kein spanisch kann, konnte ich weniger mit Menschen reden, dafür um so mehr ihr Entgegenkommen und ihr Aufeinander-Zugehen beobachten und einschätzen. Allen Menschen, denen ich die Chance gegeben habe, mit mir in Kontakt zu kommen, haben mich nicht enttäuscht. Immer haben sie mit Händen und Füßen versucht, mich zu verstehen und mir bestimmte Dinge verständlich zu machen. Sie haben ihr Englisch und Deutsch hervorgekramt, um sich mit mir zu unterhalten. Ich hatte keine Probleme, mit meinem minimalen Wortschatz an spanisch und englisch alles zu erreichen. Nicht schlecht staunte ich über die Aufmerksamkeit der Einheimischen. Blieb ich stehen und schaute mich suchend um, bekam ich gleich die Richtung gezeigt, wo der Weg entlang führt oder wurde angesprochen, was ich suche. In den Geschäften und in den Herbergen und Bars war es ebenso. Überall hatte ich das Gefühl, dass man sich rührend um mich und mein Wohlergehen bemühte. Jetzt könnte man ja ketzerisch sagen, dass die Menschen unmittelbar am Weg auch von dem Weg, schlichtweg von den Pilgern leben, was ja auch stimmt. Aber nehmen wir doch mal Geschäftsleute hier in Deutschland, die ja auch von ihren Kunden leben. Nicht immer merkt man, dass man derjenige ist, der zahlt.
+*+*+ Auf meiner Wanderung habe ich mich allzeit als gern gesehener Gast gefühlt. Oftmals bei meinen Einkäufen in den Geschäften wurde ich gut beraten, wurden mir preisgünstige Artikel gezeigt, zum Tetrapack Rotwein gleich Becher kostenlos dazu gegeben oder eine Plastikgabel zur gekauften Büchse Salat gereicht. In einer Kirche nahm mich eine Frau mit hinauf auf die Empore, weil ich von dort besser sehen und fotografieren könnte. An anderen Orten kam gerade in dem Moment, als ich mich verärgert von der verschlossenen Kirche abwenden wollte, ein Einwohner, Pfarrer oder Passant, der mir aufschloss oder aber jemanden herbei rief, der „schlüsselgewaltig“ war. Zwei Mal führte man mich sogar durch eine Hintertür hinein.
In einem anderen Fall durfte ich eine Kirchenruine betreten, in der gerade archäologische Grabungsarbeiten durchgeführt wurden. Der Fußboden war ca. 40cm tief ausgehoben und ein tolles Pflastermosaik freigelegt und in einer anderen Ecke wurde gefegt und Wände abgestrahlt. Ich war beeindruckt, zumal ich vorher innerlich gemault hatte, wegen dem Umweg durch die Landschaft. Wo man doch weiter die Straße entlang direkt auf die Stadt hätte zugehen können. Eine schöne Entschädigung und wieder mal ein Beweis für mich, dass alles seinen Sinn hat, wenn man ihn auch erst später erkennt.
+*+*+ Dass viele Kirchen verschlossen waren, hat mich schon sehr gestört. Aber ich konnte nichts daran ändern. Es ist halt nur schade, denn so schnell komme ich dort nicht wieder hin. Im Reiseführer stand zwar, dass in den meisten Ortschaften jemand ist, der einem die Kirche aufschließt. Aber welcher Pilger nimmt sich schon die Zeit, durch den Ort zu laufen, bis er jemanden mit dem Kirchenschlüssel gefunden hat, um dann wieder zurück zur Besichtigung der Kirche zu gehen.
+*+*+ Die lebenden Hühner, besser gesagt, ein Hahn und ein Huhn, in der Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada fand ich schon kurios, ebenso wie die dazugehörige Legende. Nach dieser sollen Hühner, die bereits gebraten und für den Richter zum Verzehr bereit standen, wieder Federn bekommen haben und rumgelaufen sein, als Beweis, dass der Sohn einer Pilgerfamilie unschuldig war. Leider war das Fotografieren in den Kirchen echt schwierig, da es meistens verboten war, Aufnahmen mit Blitzlicht zu machen. Die Lichtverhältnisse waren in den Kirchen nicht immer die Besten, so dass ich mich im Nachhinein schon geärgert habe, dass viele Fotos unscharf geworden sind.
+*+*+ Die berühmte achteckige Kirche in Eunate war auch so ein Erlebnis. Ich machte mit noch einer Pilgerin an meiner Seite extra den Umweg von rund vier Kilometern, um diese Kirche zu besuchen, die leider nicht direkt am Weg liegt. Wir erreichten sie kurz vor 15.00 Uhr und mussten enttäuscht feststellen, dass sie erst um 16.00 Uhr wieder zur Besichtigung aufmacht. Nicht zum ersten Mal verfluchte ich die „Siesta“-Zeit! So lange unsere kostbare Zeit dort zu verbummeln schien uns unmöglich, schließlich warteten noch rund 8km auf uns. Als ich um 15.30 Uhr schon mal aufbrechen wollte, da ich langsamer unterwegs war als meine Mitpilgerin, wollte ich nicht einfach unverrichteter Dinge von dannen ziehen. Ich ging in die kleine Herberge bei der Kirche und fand einen Mann beim Abwasch. Ich plauderte mit meinem gebrochenen Englisch drauf los, ob er nicht wüsste, wer den Schlüssel für die Kirche hat und ob es nicht möglich sei, mal vor 16.00 Uhr aufzuschließen. Schließlich sei ich extra den Umweg gegangen, um sie zu besuchen und sei jetzt traurig, dass ich weiterziehen müsse, ohne sie besichtigt haben zu können. Dann wollte ich noch sagen, dass mein der Weg noch weit ist bis Puente la Reina, meinem heutigen Tagesziel und dass ich aufbrechen muss. Dass ich nicht länger warten kann sagte ich dann auf Deutsch, weil mir dafür die passenden englischen Worte fehlten. Da sagte der Mann: „Ich komme und schließe dir auf.“ Wir lachten beide! Ich hätte ihn ja fragen können, ob er deutsch spricht, bevor ich mich mit meinem mageren Englisch blamiere. Noch weitere Pilger freuten sich über die vorzeitige Öffnung der Kirche und ich konnte dieses Erlebnis mehrmals zum Lachen zum Besten geben.
+*+*+ An einem sehr heißen Tag arbeitete ein Mann in einem Garten. Er ließ sich nicht davon abhalten, zu fragen woher ich komme, wie lange ich unterwegs sei und wie weit ich heute noch wolle. Er sprach gebrochen deutsch und schien alles zu verstehen, was ich antwortete. Das Lustige ist, ich weiß gar nicht mehr, was wir uns unterhalten haben, denn es war dermaßen heiß, dass ich während dem ganzen Gespräch nur auf einen geeigneten Moment wartete, dass ich weiter ziehen konnte, um irgendwann Schatten zu erreichen.
+*+*+ Unterwegs habe ich mehrere Frauen getroffen, die an einer Studie der Sporthochschule Köln teilnehmen, in der es darum geht, inwieweit Frauen nach erfolgreicher Brustkrebsbehandlung und dann nach Absolvierung des Jakobsweges eventuell ein geringeres Risiko haben, wieder an Brustkrebs zu erkranken. Und zu meiner Schande habe ich mir nicht viel mehr dazu erklären lassen, nur, dass bereits vor zwei Jahren schon solch eine Studie durchgeführt wurde. Sechs verschiedene Frauen aus dieser Gruppe habe ich an verschiedenen Orten wieder getroffen und war erstaunt, was sie so alles auf sich nehmen. Ich habe sie allerdings nie darauf angesprochen, ob es ihnen, mit der hinter sich liegenden Behandlung ihrer Brustkrebserkrankung schwerer fällt, die Strecke zu bewältigen, als jedem anderen Menschen auf dem Weg, oder ob es einfach nur eine körperliche Belastung ist, die jedem Pilger bevorsteht, der sich auf den Weg macht. Klar spielen die Psyche, Glaube und Hoffnung eine große Rolle, aber ich fragte nie, ob ihnen das hilft, diese Strapazen zu ertragen. Jeder hat ja sein Motiv, warum er den Jakobsweg geht und jeder verspricht sich etwas davon. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder etwas über die Schicksale dieser Frauen erfahren werde, aber sie haben in mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und als ich fünf dieser Frauen am so genannten „Ende der Welt“ wieder traf, habe ich mich einfach nur für sie gefreut und ihnen alles Glück der Welt gewünscht.
+*+*+ Es gab mehrere Menschen, die gerne mitteilten, auch ungefragt, warum sie unterwegs waren und noch mehr Menschen, die mich danach fragten. Ich habe mir vieles angehört, aber meistens ohne näher darauf einzugehen. Die Unterhaltung war dann meist auch nur einseitig und nicht allzu lang. Ja, es hört sich egoistisch an, wenn ich jetzt sage, dass ich keine Seelsorge betreiben wollte. Ich wollte einfach nur die Wanderung, die Sehenswürdigkeiten und die Auszeit genießen und keine Probleme anderer Leute lösen. Ansonsten gab es auch sehr anregende Unterhaltungen, wenn ich bereit war, zuzuhören und zu reden. Oftmals erzählten mir auch Mitpilger über Schicksale und Ereignisse von anderen Pilgern, die sie miterlebt oder aber getroffen hatten.
+*+*+ Eines Morgens in Hontanas, ich hatte bereits mit meinem Pilgerkameraden rund 8km zurückgelegt und die Uhr zeigte neun, da ließen wir uns in einer Bar nieder, besser gesagt, draußen vor der Bar in der Morgensonne, um zu frühstücken. Gegenüber liegen die Kirche und ein Hostal/Pension. Als wir gemütlich saßen und picknickten, schaute ich mir unser Gegenüber genauer an und nahm den Transporter, der dort mit offener Heckklappe stand zum ersten Mal richtig wahr. Und davor, fast verdeckt, steht ein Polizeiauto. Und der Rest ist schnell erzählt: Einige Zeit später kamen Polizisten und zwei Männer mit einer Trage aus dem Hostal, schoben die Bahre mit einem abgedeckten Körper in den Transporter. An dem nachfolgenden Mann mit zwei Rucksäcken erkannten wir, dass es sich bei dem Toten um einen Pilger oder Pilgerin gehandelt haben muss. Der Pilgerkamerad musste nun sicher mit zur Polizeistation fahren, um dort alle Formalitäten zu klären. Schon ein komisches Gefühl, so in der Morgensonne zu sitzen und den Tag zu genießen, während ein anderer Mensch nur bis hierher gekommen ist. So unvermittelt mit der Endlichkeit unseres Daseins konfrontiert zu werden hat mich schon betroffen gemacht. Danach wanderten wir lange still durch die Landschaft.
+*+*+ Am Ortseingang von Burgos hatten wir an einer riesigen, mehrspurigen Kreuzung eine große Menschenansammlung. Als wir näher kamen, erkannten wir, warum. Es hatte einen Unfall gegeben. Eine Frau war von einem PKW angefahren worden und lag nun in stabiler Seitenlage, vollkommen unbeweglich auf dem Asphalt, während sich Sanitäter und wohl auch Ärzte an ihr zu schaffen machten. Ein großes Aufgebot an Sanitätsfahrzeugen und Polizei war vor Ort. Da standen wir nun, schauten die Frau dort an, den eingebeulten Wagen eine ganze Ecke entfernt und waren einfach nur fassungslos, auch ohne den Unfall gesehen zu haben. Langsam machten wir einen großen Bogen um die Unfallstelle und gingen still weiter, jeder hing seinen Gedanken nach.
+*+*+ Eine Geschichte ganz anderer Art ereignete sich in der Ortschaft hinter Burgos. Wir wollten gerne Picknicken und hatten ja unseren Einkauf dafür dabei. Auf einem Platz in der Mitte des Ortes befand sich eine Verkehrsinsel mit Bäumen und Pflanzen. Bänke luden uns direkt zum Verweilen ein. Also packten wir unser Essen aus und ließen es uns gut gehen. Wir hatten einen tollen Platz, weil sich das ganze Leben und der Verkehr hier um diesen Platz zu drehen schienen. Aber das tollste war, dass uns gegenüber ein LKW anhielt, die Laderampe öffnete und in Nullkommanichts war ein kleiner Markt mit Obst, Gemüse und Getränken aufgebaut. Wir staunten nicht schlecht. Nur hatten wir leider Vorräte mitgeschleppt, gerade aufgegessen und waren satt. Der hätte ja auch mal ne halbe Stunde früher kommen können, nicht wahr! Aber so saßen wir halt in der „ersten Reihe“ und hatten Unterhaltung während unserer Rast.
+*+*+ Kurz vor Logrono macht eine ältere Dame seit vielen Jahren von sich reden. Dona Maria setzt das Werk ihrer Mutter fort, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, die Pilger mit Essen und Trinken zu versorgen. Ihr Stand vor dem Haus war verweist, weil sie an diesem Tag die Pilger alle wegen dem unsicheren Wetter in ihr Haus bat. An dem langen Tisch saßen viele Pilger und machten immer wieder neu Ankommenden Platz. Es gab Kaffee, Tee, Milch, Baguettescheiben, Honig, Marmelade, Käse und süßes Gebäck. Sie machte kein Aufhebens um ihr Tun, schaute ab und an zur offenen Tür hinaus um Pilger herein zu bitten, setzte immer wieder Kaffee an und schaute, dass alles auf dem Tisch vorhanden war. Nebenbei zählte sie die Pilger, die vorüber zogen. Man bekommt einen Stempel von ihr, der etwas ganz besonderes darstellt. Ein Feigenblatt, Wasserkrug und ein Herz schmücken ihren Stempel und stellen Feige, Wasser und Liebe dar. Sie verlangt nichts, aber wer will, kann eine Spende in die kleine Schale auf dem Tisch legen. Eine tolle und lange Frühstückspause genossen wir bei dieser Frau in ihrer guten Stube.
+*+*+ Ein anderes Mal waren wir auf dem Weg nach Astorga und durchwanderten eine Hochebene, zwei Stunden ohne Brunnen, Haus, Bar oder Sitzgelegenheit, 8 Kilometer lang. Dann sahen wir so was wie eine Scheune vor uns und unser Weg führte geradewegs daran vorbei. Als wir näher kamen erkannten wir schon weitem ein riesiges Schild mit roten Herzen, die jedem Wanderer sofort als erstes ins Auge stechen mussten. Was war das? Ein Puff? Entschuldigt bitte, aber die Frage stellte sich ganz einfach, so wie das aussah! Als wir dann davor standen übersetzte mir mein Begleiter die Worte auf dem Schild. Eine Frau bot hier den Pilgern alles, was man brauchte, um wieder aufzutanken. Sie hatte ganz einfach ein Herz für die Pilger, nichts anderes sollte dieses Schild mit den vielen Herzen bedeuten! Sie hatte auch einen Stempel, der natürlich ein rotes Herz drauf hatte, den wir uns gerne in unseren Pilgerausweis drückten. Die Frau hatte einen Stand in diesem halb verfallenen Gebäude aufgebaut mit allen Köstlichkeiten, die man sich in einem Fünf-Sterne-Hotel auf dem Frühstücksbuffet vorstellt. Da gab es ausreichend Kaffee, Milch, Tee, Säfte, Wasser, dazu Gebäck, Obst, Nüsse, Rosinen, Schokolade und viele andere Naschereien. Sie begrüßte uns sofort mit Kuchen. Aber trotzdem konnte ich nicht glauben, was ich da sah: Inmitten einer Ruine stand ein prall gefüllter Wagen mit Essen und daneben zwei Couchen zum setzen. Ich durfte mich gar nicht umschauen, so schlimm sah die Umgebung aus, die keinesfalls zum Essen einlud. Und doch schüttete ich mir ein Glas Kaffee voll, mampfte Kuchen, Plätzchen und Studentenfutter, schlürfte ein zweites belebendes Glas Kaffee und verputzte noch Banane, Nektarine, eine dicke Pflaume, Kekse und Weintrauben, goss mir danach noch Multivitaminnektar ein, um mich wirklich zu stärken. Gemütlich saß ich auf einer Couch, die so aussah, als würde sie „leben“, aber das war mir egal. Ich wollte bei diesem fürstlichen Mahl nicht stehen, konnte es wohl auch fast nicht mehr. Und so überwand ich meine Abscheu vor dem Schmutz und stärkte mich im Sitzen, schaute anderen Pilgern zu, die sich das wohl nicht trauten und vorbei liefen. Mir war das egal. Es war eine so erquickende und belebende Pause, dass ich dieser Dame mit Herz einfach nur unendlich dankbar war. Ein kleines Kästchen für Spenden hatte sie am Wagen befestigt. Dafür gab ich gerne ein paar Euros. Noch lange redeten wir über den vermeintlichen Puff am Wegesrand.
+*+*+ Solche kulinarischen Überraschungen erwarteten uns noch einige Male. Ein einfacher Stand mit Obst, Wasser und Gebäck zum selbst bedienen gegen eine Spende war ebenso gern gesehen wie ein Mann mit heißem Kaffee, Gebäck und Obst hinter einem Tisch in freier Landschaft, oder mit Obst und Wasser am Wegesrand sitzende Menschen. Brunnen in den Ortschaften waren durchweg gekennzeichnet, damit man wusste, welches Wasser man unbedenklich trinken konnte. Gab es lange Strecken keine Wasserquellen, waren mitunter Getränkeautomaten aufgestellt, einfach auf freien Plätzen in den Ortschaften oder am Wegesrand, wo sich die Gelegenheit einer Stromquelle für den Automaten bot.
+*+*+ Essen gab es in allen Bars und in jedem zweiten Ort gab es einen Laden, klein oder groß, das war egal, man konnte sich versorgen. Fast überall bot man abends in den Bars oder auch in den Herbergen Pilgermenüs an, die sehr reichhaltig waren und immer mindestens drei Gänge beinhaltete plus Getränk (Rotwein oder Wasser, manchmal beides). Anfangs habe ich mit meinen beiden Begleiterinnen abends Pilgermenü gegessen, das zwischen 8,50€ und 10,00€ kostete. Später dann habe ich mich mehr auf Baguette, Tomate, Käse, Oliven und/oder Kochschinken beschränkt, meist mit Rotwein aus dem Tetrapack ergänzt, der gerade für zwei müde Pilger als Schlaftrunk ausreichte. In manchen Herbergen wurde gemeinsam gekocht und gemeinsam gegessen, meistens für eine Spende.
+*+*+ Nun noch einige Worte zum Wetter. Ich hatte unterwegs in den sieben Wochen jede Wetterlage außer Schnee und Gewitter. Es gab Nachtfröste mit Raureif in den frühen Morgenstunden, unerträgliche Hitze in den Mittagsstunden. Den überwiegenden Teil der Wanderung hatte ich schönes Wetter, teilweise habe sogar ich geschwitzt, und das will was heißen!
Es gab auch Regen, aber nie so andauernd, dass es von morgens bis abends geregnet hätte. 4-5 Tage hatte ich mal den Regencape und den Rucksacküberzieher in Benutz, aber wie gesagt, immer nur für Schauern. Direkt auf dem O Cebreiro, die Grenze zu Galicien, hätte ich eine schöne Sicht auf die Landschaft gehabt, die aber leider der Nebel vereitelte. Gleiches passierte am „Ende der Welt“ am Kap Finisterre. Als wir dort ankamen, zog Nebel auf und wir hatten nur teilweise schöne Lichtverhältnisse zum Fotografieren der untergehenden Sonne.
+*+*+ Doch das allerschlimmste Ereignis war ein Sturm, der fast drei Tage anhielt und besonders in den frühen Morgenstunden saukalt war. Und das war genau in der Meseta, da konnte der Wind so richtig über das flache Land hinweg pfeifen. Das war eine Schau: Wenn man sich gegen den Wind gestemmt hatte, der fast die ganze Zeit von der rechten Seite blies, hörte er plötzlich kurzzeitig auf und man kam ganz schön ins Schwanken. Setzte er dann unvermittelt wieder ein, schubste er mich in die andere Richtung. So bin ich recht strauchelnd gelaufen, wie ein Betrunkener halt. Aber es erging allen Pilgern so und letztendlich haben wir nur noch gelacht, über uns selbst und manchmal auch über andere vor uns, wenn es sie fast in den Graben geschmissen hätte.
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Herbergen
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+*+*+ Ja, über jede einzelne Herberge könnte ich eine ganze Seite schreiben, möchte mich aber kurz fassen. Kurz vor dem Abmarsch in Saint Jean-Pied-de-Port bekam ich im Pilgerbüro noch eine Broschüre zugesteckt, die mir die Kehle zuschnürte: Informationsmaterial über Bettwanzen. Wenn ich da nicht schon den Rucksack auf dem Rücken gehabt hätte, wäre ich wieder mit nach Hause gefahren. Das darf es doch nicht geben, oder? Ich war entsetzt. Mein erster Weg führte in die Apotheke, um mir was zum Einsprühen gegen Wanzen zu kaufen.
Es gab vier Herbergen, in denen die Betten so eklig schmutzig waren, dass ich die Matratze, meinen Schlafsack und mich vollständig eingesprüht habe, um mich vor Ungeziefer zu schützen. Zum Glück war ich immer so geschafft, dass ich trotz Wanzenungewissheit schlafen konnte. Und zum Glück hat mich keine Wanze auf dem ganzen Weg angebissen!
+*+*+ Es gab Unterkünfte für jeden Geldbeutel und jeden Geschmack, von der Massenherberge bis hin zum Einzelzimmer im Hotel, privat oder gemeindlich/kirchlich betrieben, neu gebaut umgebaut oder in historischen alten Mauern. Jeden Tag musste ich mich überraschen lassen, was mich erwartete. Ich wollte bescheiden wandern, essen und auch übernachten. Also fiel die Auswahl als erstes immer auf die kirchliche-, gemeinde- oder städtische Herberge. Nur in Ausnahmefällen übernachtete ich in einer privaten Herberge und nur ein Mal in einer Pension in einem richtigen Zimmer mit Bad, WC und richtigem Bett mit Bettwäsche, als würdiger Abschluss am „Ende der Welt“. Ansonsten gab es fast überall Mehrbettzimmer oder Schlafsäle, mit Doppelstockbetten die lediglich ne Matratze und ein Kissen besaßen. Einige boten noch eine Wolldecke dazu, aber eher weniger. Das wichtigste Schlafutensil war eben der eigene Schlafsack. In der Region Galicien gab es in jeder Unterkunft einen Überzieher für Matratze und Kissen, den man selbst aufziehen und am nächsten Morgen wieder abziehen musste. Dies barg zumindest ein wenig Gewissheit, nicht unmittelbar mit der Matratze in Berührung kommen zu müssen und erzeugte etwas mehr Wohlgefühl.
Die Preise lagen zwischen 3,00€ und 10,00€ pro Nacht. Und wie gesagt, gab es auch fünf Herbergen, in denen man für eine Spende übernachten konnte.
In vielen Herbergen gab es eingerichtete Küchen, wo man sich selbst Speisen zubereiten konnte. Allerdings waren sie in der Region Galicien nur noch spärlich mit Geschirr ausgerüstet, so dass wir vorher immer erst die Einrichtung inspizieren mussten, ob wir überhaupt alle Utensilien zum Kochen und anschließendem Verzehr da hatten. Meistens haben wir uns aber auf unseren Einkauf beschränkt und spartanisch gegessen.
Ich möchte hier jetzt aber nicht die einzelnen Herbergen aufzählen, weil da würde es mir wie mit den Ortschaften ergehen: Erzählen könnte ich über jede was.
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Unterwegs
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Es gab viele sehenswerte Ortschaften. Leider ist es mir unmöglich, in diesem Rahmen ausführlich und umfangreich zu berichten. Darum nur kurze Statements dazu. Größere Etappenziele hatten natürlich immer ihren ganz besonderen Reiz, so zum Beispiel:
+*+*+ Pamplona, die erste größere Stadt auf dem Weg. In dieser Stadt beeindruckte mich die Straße, in der jedes Jahr der Stierlauf stattfindet. Hier entlang zu laufen hatte schon was besonderes, auch wenn man für diese Art von Hobby überhaupt kein Verständnis hat. Aber auch Hemingway, der nicht nur als Büste vor der Stierkampfarena thront, rief Erinnerungen wach.
+*+*+ Burgos, eine wunderschöne Stadt mit einer ebenso bewundernswerten Kathedrale, blieb mir deutlicher im Gedächtnis als Leon. Sicherlich sind hierfür viele kleine Details in ihrer Summe schuld, dass es so ist. Unsere Herberge in Burgos lag direkt hinter der Kathedrale. Wir flanierten durch die Stadt, genossen Cafè con leche und Bier in Straßencafes und ich machte viele Fotos. Denn Burgos war die Stadt, die mit Abstand die meisten Skulpturen auf Plätzen und in Straßen stehen hatte, die mich immer wieder den Fotoapparat zücken ließen.
+*+*+ Portomarin, die Stadt, die einem Stausee weichen musste, bestand ursprünglich aus kleinen Ortsteilen. In den 50er Jahren wurde die Ortschaft terrassenförmig an den höher gelegenen Hängen aufgebaut und das alte Portomarin verschwand in dem steigenden Wasser des neuen Stausees. Nur wenige Gebäude wurden Stein für Stein abgetragen und in dem neuen Ort wieder originalgetreu errichtet. Am Gebäude der Kirche San Nicolas kann man noch die Nummerierung der Steine erkennen. Portomarin verließen wir über eine schmale, recht hohe Fußgängerbrücke, die ein tolles Fotomotiv abgab.
+*+*+ Leon beeindruckte mich eigentlich durch seine teilweise wieder restaurierten Stadtmauerteile. Aber auch hier war die Kathedrale der Anlaufpunkt vieler Menschen. Diese monumentalen Bauwerke beeindrucken mich mehr von außen, als von innen. Für den Innenraum bräuchte man eigentlich eine Führung, um ein wenig über die Fülle der architektonischen Meisterleistungen und massenhaften Kunstschätzen zu erfahren. Ansonsten spaziert man durch, fotografiert das, was einem als Betrachter gerade interessant erscheint. So ein Gebäude in ein bis zwei Stunden zu besichtigen, ist aufgrund seiner Größe kaum möglich. Als Pilger müsste man dann jeweils einen Tag in der Stadt beleiben, um nennenswerte und bleibende Eindrücke von den Sehenswürdigkeiten mit nach Hause zu nehmen. Auch in Leon gab es einige Skulpturen, so zum Beispiel ein sitzender Riese, auf dessen Handteller ich genügend Platz zum Sitzen hatte. Und der Architekt Antoni Gaudi saß höchstpersönlich seinem markanten Bauwerk (Casa Botines) gegenüber auf einer Bank und schaute in seine Unterlagen. Ich leistete ihm Gesellschaft und schaute ihm dabei über die Schultern.
+*+*+ Astorga erreichten wir erst um 17.30Uhr nach über 30 Kilometern, vollkommen ko! Allein dadurch erklärt sich schon, dass ich kaum noch was weiß, von dieser Stadt. Nur anhand meiner Fotos kann ich mich recht erinnern, wie die Stadt aussah. Natürlich habe ich auch die Kathedrale noch besichtigt, denn ohne dem geht es wohl nicht. Aber viel mehr hat mich auch hier Gaudis Bauwerk, der Bischofspalast begeistert. Wie ein verträumtes Märchenschloss steht er da und stiehlt meiner Ansicht nach der Kathedrale die Schau.
+*+*+ Puente la Reina, eigentlich bekannt durch seine faszinierende Brücke über den Rio Arga, kann ich auch kaum beschreiben. Es ging auf 18.00 Uhr zu, als ich vollkommen erschöpft mit Maria durch den Ort zog. Maria unterhielt sich sogar noch mit einigen Pilgern, die wir von unterwegs kannten und kaufte ein. Ich wollte nichts mehr sehen und hören und zog stoisch die, sicher recht attraktive Altstadtstraße mitten durch den Ort, um so schnell wie möglich zur Herberge zu kommen. Am Ende des Ortes kam dann die Brücke, für die ich aber doch noch umhergeschlichen bin, um sie von allen Seiten zu fotografieren. Doch am nächsten Morgen erst kam ich zu wunderschönen Aufnahmen von dieser Brücke, als wir sie aus der Entfernung hervorragend mit den Spiegelungen im Wasser fotografieren konnten.
+*+*+ Logronò war eine Stadt, die mir wegen dem neuen Stadtteil am Ende der Ortschaft in Erinnerung geblieben ist. Und ein überdimensionales Würfelspiel in der Nähe der Kirche San Pedro erweckte mein Interesse. Auf ihm waren die bekanntesten Stationen des Jakobsweges als große Platten gepflastert, mit Gänsen dazwischen, welche die Spieler je nach gewürfelter Augenzahl bis hin nach Santiago de Compostela, dem Ziel, führten. Aber dazwischen warteten noch Hindernisse wie der Tod als Reitersmann auf dem Pferd, ein Gefängnis oder aber Leitern, die die Spieler nicht vorwärts, sondern zurück führten. Schade, dass dieses ganze Areal nicht auf ein Foto passte.
+*+*+ Foncebadon, ein Ort unterhalb des Cruz de Ferro, mit wohl drei Herbergen und einer Bar, aber ohne ersichtliche Einwohnerschaft, so wie die Häuser dort aussahen. Wir hatten uns zum Glück am Tag zuvor entschlossen, in Rabanal del Camino zu übernachten. Diese Ortschaft hatte im Grau des Nebels bei strömendem Regen etwas Unheimliches und Gespenstisches.
+*+*+ Das Cruz de Ferro erreichten wir danach, immer noch im Regen, von dem ich vollkommen enttäuscht war. Ich hatte mich nicht großartig auf die Sehenswürdigkeiten vorbereitet, die mir unterwegs begegnen würden und hatte somit das Kreuz auch noch nie auf einer Abbildung gesehen. Dass jeder Pilger einen Stein von zu Hause mitnehmen und dort als Symbol ablegen soll, das wusste ich und tat es auch. Aber der Steinhaufen erinnerte mich eher an ein Sammelsurium von Dingen, die Pilger los werden wollten. Für mich hatte dieser Ort nichts mystisches oder symbolträchtiges. Ich legte meinen Stein ab, fotografierte ihn und ließ mich neben dem Pfahl mit dem kleinen Eisenkreuz am Ende der Stange fotografieren, dann ging es weiter.
+*+*+ Manjarin, das wir einige Zeit später erreichten, war dagegen für mich schon viel interessanter. Die Hospitaleros sollen die letzten Templer sein, hört, hört! Gerade dort hörte es nach dem verregneten Aufstieg über Foncebadon zum Cruz de Ferro dann auf zu regnen. Als wir eigentlich noch mit Fotografieren der Außenanlagen beschäftigt waren, kamen plötzlich zwei Männer mit weißen Kapuzengewändern vor den Garten, um sich zu verneigen und um dann wieder, wie auf ein geheimes Zeichen, in den Innenhof zu marschieren. Genau da kam ein „Leibwächter“ oder „Bewacher“ und zeigte mit eindeutigen Gesten, dass Fotografieren nicht erwünscht war. Nachdem wir unsere „Corpus delikti“ verstaut hatten, durften wir auch in den Innenhof treten und würdevoll hinter den beiden, vor einer Muttergottesstatue betenden „Templern“ Aufstellung nehmen, um ebenfalls dieser ehrwürdigen Frau zu huldigen, oder zumindest respektvoll zuzuhören. Nach dieser Zeremonie durften wir dann wieder fotografieren, auch die beiden „Templer“, die sich dafür vor der Statue postierten. Ich muss allerdings sagen, dass mich die gesamte Szenerie eher an ein Panoptikum, als an eine heilige Handlung erinnerte. Außerdem war der Innenhof, wenn man ihn so bezeichnen möchte, eine Ansammlung von Nippes und Tand, gekrönt durch einen Tresen mit Andenken. Und trotzdem hatte das Ganze etwas Magisches, das mich festhielt an diesem Ort. Letztendlich war es die Zeit, die uns drängte, weiter zu ziehen, aber den Kopf schüttle ich noch heute über diese Inszenierung.
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Am Ziel
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+*+*+ Genau nach 37 Tagen Wanderung und 38 Tagen Unterwegssein traf ich mittags in Santiago de Compostela an. Nach dem Einchecken in der Pilgerresidenz, ca. 3km vor dem Zentrum, wanderte ich mit meinem Pilgerkameraden in die Altstadt, um unsere Ankunft dort zu genießen und zu feiern. Erst als ich vor der Kathedrale stand, mindestens einmal drumherum gewandert und sie von allen Seiten im strahlenden Sonnenschein fotografiert hatte, konnte ich es fassen: Ich/wir waren angekommen!
Wir stellten uns in die Schlange der Wartenden, die durch die Heilige Pforte ins Innere der Kathedrale und zum Heiligen Jakobus gelangen wollten. Ich umarmte ihn und schwups- war ich wieder draußen. Wir suchten das Südportal, den Seiteneingang, um uns noch im Innenraum umzusehen und fotografierten uns mitsamt der Kathedrale und die die Null-Meile auf dem Vorplatz mit und ohne uns. Ich fühlte mich wie berauscht und so weit entfernt von zu Hause, mental, psychisch und physisch. Ich war happy, aber so richtig lässt sich dieses Gefühl gar nicht beschreiben. Ich war so lange weg von zu Hause, dass ich ein Eigenleben entwickelt hatte und trotzdem das tiefe Verlangen hatte, alle daran teilhaben zu lassen. Einfach unvorstellbar, dass ich 800 Kilometer gelaufen war, fünf und eine halbe Woche. Was fängt man an mit dieser Tatsache?
+*+*+ Als nächste Aktion folgte der Besuch des Pilgerbüros in der Rua Nova Nr. 1, um uns die Pilgerurkunden ausstellen zu lassen. Der Pilgerpass wurde kontrolliert, ob auch von wichtigen Etappenzielen die Stempel vorhanden sind und auch die Anzahl so ungefähr mit einem Marsch über diese Distanz mit den dazugehörigen Übernachtungen übereinstimmte. Dann gab es die Compostela, die Pilgerurkunde in Latein, selbst mit dem Namen latinisiert. Um dieses wertvolle Dokument zu schützen, kaufen wir uns gleich für 1,00€ eine stabile Rolle mit Deckel dazu und hatten somit fast alles erreicht. Nun fehlte uns nur noch die Pilgermesse, hoffentlich mit Schwenken des Weihrauchfasses.
+*+*+ Wir saßen lange auf der Praza de Quintana, beobachteten Pilger und redeten immer wieder über den Erfolg. Als wir im letzten Tageslicht hinaus zur Pilgerresidenz zogen, sei es der Siesta gedankt, dass wir in einem offenen Tante-Emma-Laden noch Wein kaufen konnten. In der Herberge machten wir es uns auf der Terrasse unterm Sternenhimmel gemütlich und genossen unseren Sieg mit Rotwein bis weit nach Mitternacht.
+*+*+ Den nächsten Tag genossen wir auch noch in der Innenstadt, trieben uns in der Nähe der Kathedrale rum, saßen in Cafes, schwatzten mit Pilgerfreunden und besuchten die Pilgermesse. Und da 2010 ein Heiliges Jahr ist, wurde tatsächlich am Ende der Messe das Weihrauchfass geschwenkt. Ein unglaubliches Erlebnis! Ich hab’s gefilmt
Abends schliefen wir in einem Hostal nicht weit von der Kathedrale und wanderten in der Nähe der Porta Camino hinauf auf einen Berg mit herrlicher Aussicht auf die Kathedrale. Wir machten es uns gemütlich, genossen Rotwein und schauten der untergehenden Sonne zu. Einfach einmalig diese Ankunft und der Genusstag in Santiago de Compostela.
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Am Ende
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+*+*+ Um ans Ende der Welt zu kommen absolvierten wir noch drei schwere Tage. Wir wollten es einfach in drei Tagen schaffen, weil danach schlechtes Wetter prophezeit wurde und wir mit diesen drei Etappen am Pfingstsonntag in Finisterre ankommen würden. Ist doch ein guter Termin, oder?
+*+*+ Es war heiß, und nicht immer kühlte ein laues Lüftchen. 24km, 32km und 31km bis Finisterre, dazu noch die rund drei Kilometer bis zum Kap, eine beachtliche Leistung! Mir sind diese drei Tage sehr positiv in Erinnerung geblieben, weil sie einfach erfolgten, nachdem man eigentlich schon den Erfolg in der Tasche hatte. Was soll’s? Jetzt konnte doch nichts mehr passieren! Selbst, wenn man den Weg nicht zu Fuß schaffte, macht das überhaupt nichts mehr. Und wenn wir nicht in drei Tagen da waren, dann eben in vier oder fünf! Das machte doch auch nichts mehr, denn ich hatte immer noch eine ganze Woche übrig!
+*+*+ Der Weg führte durch schöne Landstriche, kleine Ortschaften, über viele Hochebenen und am Ende entlang vieler Buchten, die uns letztendlich bis in den Ort Finisterra brachten. Dort trafen wir am Pfingstsonntag um 17.30 Uhr ein. Die Gemeindeherberge hatte noch Plätze für uns, wir bekamen die Urkunde für die Erreichung des Kaps und ruhten uns aus.
Ich war unterwegs schon auf die Idee gekommen, diese Nacht einfach am Kap sitzen zu bleiben. Wer sollte uns daran hindern? Schlafen war doch nicht wichtig, sondern einfach das Gefühl genießen, alles erreicht zu haben, was auf diesem Weg möglich ist – und das so lange wie möglich!
+*+*+ Mein Kamerad war sofort dabei und Feuer und Flamme von der Idee! Wir packten alles Unnötige aus unseren Rucksäcken und deponierten es in unseren Betten der Herberge. An einem Kiosk kauften wir Wein, Gebäck fürs Frühstück und in der nächsten Bar Bocadillo mit Käse (mit Käse belegtes Baguettebrötchen) zum Abendbrot. Und so zogen wir nach 19.00 Uhr los, dem Kap entgegen. Leider zog kurz vor unserem Ziel Nebel auf und meine Stimmung sank ein wenig. Doch kurz vor dem Leuchtturm, am Kilometerstein „0,000km“, trafen wir auf bekannte Pilgerfreunde. Dann kamen noch Frauen aus der Kölner Gruppe hinzu, so dass wir ein bunt gemischter Haufen waren, die sich laut und lachend unterhielten. Einfach einmalig und unvergesslich! Gemeinsam zogen wir zur Feuerstelle, verbrannten Kleidungsstücke, machten Fotos, prosteten uns zu, bestaunten und fotografierten die Lichtverhältnisse trotz Dunst und kamen dann allmählich zur Ruhe. Ein toller Felsenplatz diente uns als Couch. Von ihm aus beobachteten wir das bunte und ausgelassene Treiben hier am Kap und ich fotografierte, was das Zeug hielt.
+*+*+ Plötzlich war alles beendet – so dachte ich zuerst! Wie gesagt, es war ja diesig und Nebel zog übers Wasser. Und so setzten plötzlich um zehn die Nebelhörner ein und taten ihren Dienst, der uns zur Flucht trieb. Wir saßen ja genau unter dem Leuchtturm. Ein fürchterliches Geräusch! Genau nach einer Minute Stille setzte das erste Nebelhorn ein und trötete 10 Sekunden, dann fünf Sekunden Stille, bevor das zweite Nebelhorn für weitere 10 Sekunden mit seinem Ton die Nacht durchschnitt. Wieder eine Minute Ruhe, dann das gleiche akustische Schauspiel, bis zum Morgengrauen gegen 6.3 0Uhr am nächsten Morgen.
Allerdings haben die Nebelhörner nicht ausgereicht, um uns vom Kap zu verscheuchen, wir haben uns lediglich weiter ins Hinterland verzogen, ca. 100 Meter hinter dem Leuchtturm. Dort machten wir es uns auf einem Felsen bequem. Ich wusste, dass es mir meine Familie nie glauben würde, dass ich im Freien übernachte, aber ich habe es getan. Und es war ein einmaliges Erlebnis. Zwar hat das Nebelhorn ständig getutet, aber ich war unterm Sternenhimmel (wenn Wolken und Nebel mal kurzzeitig den Blick auf diese freigab!), am Ende der Welt!
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Rückkehr
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+*+*+ Nach der Nacht am Kap picknickten wir noch am Kap und wanderten dann in der Stille des Morgens, gegen 8.00 Uhr zurück nach Finisterra. Der Tag am Atlantik war einfach toll und wir verbrachten ihn mit Strandgängen, Baden im Atlantik (ich nur mit den Füßen!), Muschelsuchen, Karten schreiben und Gesprächen mit anderen Pilgern. Abends machten wir uns wieder auf den Weg zum Kap, um noch einmal diesen grandiosen Eindruck auf uns wirken zu lassen. Und dieses Mal ohne Nebelhorn, aber noch weniger Sonnenuntergang als am Tag zuvor. Was soll’s?
Mit dem Bus kehrten wir dann nach Santiago zurück und verbummelten einen Tag in Santiago de Compostela. Ich verabschiedete mich dann von meinem treuen Pilgerkameraden und verbrachte noch drei Tage Urlaub allein in der Stadt, bis mich am 29.05.10 ein Flieger von Rayn Air nach Deutschland zurück brachte. Diese Zeit bis zum Heimflug war sehr wertvoll, weil ich da schon einen Teil meines Pilgerdaseins in Ruhe abschließen konnte. Zwar wanderte ich jeden Tag die 3km rein ins Zentrum der Stadt und wieder hinaus in die Pilgerresidenz, aber ansonsten genoss ich die Ruhe und das Ankommen und die damit verbundene Freude anderer Pilger.
+*+*+ In Deutschland dann wurde ich von einem Teil meiner Familie mit Blumen und Transparent am Flughafen abgeholt. Kurz vor meinem Heimatort standen dann Freunde und Verwandte mit Sekt bereit, um mich zu begrüßen und mich zu Fuß die restlichen drei Kilometer nach Haus zu begleiten. Das war ein Spaß. Meine Enkel hatten quer durch die Landschaft Muschelzeichen angepinnt, die ich alle finden und einsammeln musste, damit ich mich auch selbständig wieder heim finde. Natürlich hatten sie auch ein Wägelchen mit Trinken und Essen mit, so dass wir unterwegs auch picknicken konnten. Musste ich doch wirklich noch drei Kilometer zu Fuß zurück legen! Aber Freunde haben meinen Rucksack getragen, den ich dann erst wieder am Ortseingangsschild aufsetzen musste, um wirklich als Pilger in Diedorf anzukommen.
Und dann haben wir meine Rückkehr bis in die Nacht hinein gefeiert. Es gab echte Thüringer Bratwurst vom Grill, mein Leibgericht. Das war eine Wiedersehensfreude!
So schön kann ANKOMMEN sein!
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Fazit
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Nun bin ich schon ein viertel Jahr wieder zurück, stehe aber immer noch unter dem Eindruck des Weges. Was er mir gebracht hat? Was erbewirkt hat? Das kann ich ebensowenig genau beschreiben, wie den Grund, warum ich ihn überhaupt gegangen bin!
******* ABER ER WAR WERTVOLL! *******
Wertvoll in vielerlei Hinsicht:
+*+*+ Das allerwichtigste war die Erkenntnis, dass das Leben eigentlich und wirklich nur aus drei Grundbedürfnissen besteht, die erfüllt/befriedigt sein wollen. Daraus resultiert alles im Leben und wie das jeder gestaltet, hängt von ihm selber ab. Das Leben stellte sich für mich sieben Wochen lang folgendermaßen dar: ARBEITEN, ESSEN und SCHLAFEN! So profan ist das Leben, daraus ergibt sich alles andere! Meine Arbeit war das aufstehen, Klamotten packen und Laufen. Die nächste wichtige Frage, wo kann ich was einkaufen, was esse und trinke ich. Und als Letztes, wo kann ich schlafen, ein Dach überm Kopf. Und wie ich das gestalte, liegt an mir. Es hat keinen Zweck, über alles nachzudenken und Vorausdenken zu wollen. Planen ja, aber nicht alles und nicht jedes Ding bis ins Detail. Man muss vieles hinnehmen, ohne großartig Einfluss darauf haben zu können, so auf dem Weg und im Leben. Man kann sehr wohl bescheiden, einfach und ohne großes Aufhebens um seine Person oder andere profane Dinge zu machen, durchs Leben gehen. Es funktioniert auch jetzt noch!
+*+*+ Denn man darf sich selbst nicht so wichtig nehmen. Es gibt viel wichtigere Dinge, wie andere Menschen, die Natur, das Erleben, Hören, Fühlen und Denken. Viele Menschen habe ich beobachten können (selten verstanden, weil ich nur einwenig englisch kann!), die mit Schmerzen und Problemen, Blasen und anderen Widrigkeiten zu kämpfen hatten. Auch Menschen in großer seelischer Not, Menschen, die den Weg aus Dankes- oder Bittgründen gingen. All das begegnet einem unterwegs und das eigene Befinden wurde ganz klein gegen den großen „Schmerz“, der hier unterwegs war. Um so mehr fielen Menschen auf, die so anders waren, die nicht zur Ruhe kamen, die wenig Zeit hatten, die zwar viel wissen oder aber mitteilen wollten, aber noch nicht gelernt hatten, still zu sein und zuzuhören.
+*+*+ Man muss einfach nur dankbar sein, dass es so läuft, wie es läuft, denn es könnte viel schlimmer kommen (meine Knie, tagelanger Dauerregen, Hitze ohne Wind). Ja, man wird einfach nur dankbar, wenn es einem gut geht. Und es ging mir gut, selbst meine „schweren“ Tage, die ich auf Stöcke gestützt, humpelnd durch das Land zog. Sie gehören dazu, wie auch im richtigen Leben. Man muss sich mit Krankheiten rumschlagen, Schicksalsschläge ertragen und immer wieder das Beste daraus machen. Wenn es überstanden ist, muss man einfach nur dankbar sein und die Freude darüber möglichst lange im Herzen tragen. Das Leben sorgt dann schon für das nächsten „kleine Chaos“, das es zu bewältigen gilt und man dann wieder das dankbare Gefühl auffrischen kann.
+*+*+ Dieser Weg ist für mich eine Erfahrung, die ich nie wieder hergeben möchte. Man kommt an seine Grenzen, klar. Aber auch das ist gut so! Ich denke auch, dass jeder Mensch ihn gehen kann, aber nicht unbedingt muss. Denn was wäre, wenn alle durch Spanien wandern wollten? Wäre wohl ein bisschen eng *grins*! Deshalb ist es einfach nur wichtig, sich mal eine Auszeit (ohne Luxushotel) zu nehmen, sich darauf besinnen, was eigentlich das eigene Leben bestimmt. Sollte man dann feststellen, das es so, wie es läuft, nicht zufriedenstellend ist, muss man handeln und sich Wege ausdenken, um etwas zu ändern. Nichts anderes passiert auf dem Jakobsweg.
Und der Jakobsweg ist überall, wo Menschen den Menschen neben sich und die Welt um sich herum bewusst wahrnehmen, aus ihrem Lebenswandel Zufriedenheit schöpfen, Dankbarkeit empfinden können und anderen eine Quelle der Freude sind. Hört sich jetzt sehr pathetisch an, aber so ist es!
******** Dem möchte ich jetzt auch nichts mehr hinzuzufügen! *******
Picassoweiblich grüßt mit einem „Buen Camino“, einem –Guten Weg-!
....leider passen nicht mehr Bilder hierher :-( weiterlesen schließenProduktfotos & Videos
Vor uns der Ort Cirauqui, herrlich auf einem Berg gelegen... von picassoweiblich
am 29.09.2010Die Wallfahrtskirche Eunate, bei der ich auch hätte deuts... von picassoweiblich
am 29.09.2010Kommentare & Bewertungen
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Wanderungen auf dem Jakobsweg (organisiert von GeBeCo)
Pro:
Kombination: bequeme Studienreise und leichte Pilger-Wanderreise
Kontra:
Weder eine wirkliche Herausforderung noch eine echte Pilgerreise
Empfehlung:
Ja
Bericht einer Wander-Erlebnisreise / Studienreise
Reiseveranstalter: Gebeco (27.9.2007 - 6.10.2007)
Auf den ersten Tagen wird unsere Gruppe begleitet von einem NDR-Fernsehteam, das unsere Reise für die Sendung "Hanseblick" am 2. Weihnachtstag 2007 aufzeichnet. Uns begleitet auch eine ausgezeichnete und sympatische Reiseführerin: die Schwäbin Renate.
Diese Reise ist keine wirkliche Pilgerwanderung. Wir verdienen und erhalten auch keine Compostela-Urkunde. Stattdessen lernen wir die Stationen des Jakobsweges kennen und studieren aber die kulturellen und religiösen Zentren weitaus intensiver als ein normaler (und nach der Tagesstrecke übermüdeter) Jakobspilger das normalerweise bewältigen kann.Reiseprogramm: (27.9.2007 - 6.10.2007)
Tag 1: Anreise nach Bilbao
Tag 2: Pamplona am Fuße der Pyrenäen
Tag 3: Pamplona -> Logrono
Tag 4: Logrono -> Burgos
Tag 5: Burgos -> Leon
Tag 6: Leon -> Ponferrada
Tag 7: Ponferrada -> Sarria
Tag 8: Sarria -> Santiago de Compostela
Tag 9: Romanische Bauten in Santiago
Tag 10: Rückflug von Santiago nach Madrid und von dort nach DeutschlandReisenotizen
Tag 1: Anreise über Madrid nach Bilbao (27.9.2007)
Wir fliegen mit Iberia nach Madrid. An Bord sind die Brötchen ziemlich teuer (10 Euro), aber wir meinen: Nun ja, es ist eine Pilgerreise und vielleicht sollten wir bereits im Flugzeug zur Einstimmung mit einer Buße und Enthaltsamkeit beginnen...
Eine weitere Prüfung steht uns aber noch bevor: Am nagelneuen Flughafen Madrids müssen wir umsteigen und verirren uns in eine heillose spanischen Beschilderung der Pfadführung. Als wir uns verzweifelt an eine Empfangsdame wenden, ist sie so mürrisch wie ich bereits lange Zeit keine Frau gesehen habe. Eine der Mitreisenden, denen es ähnlich zumute ist, meint aber: "Wenn Sie diese Frage heute bereits 223 Mal gehört hätten, würden Sie auch so aussehen".
Nach der Landung in Bilbao zuerst eine Stadtbesichtigung, insbesondere in der direkten Umgebung der Guggenheim-Museums mit der eigenwilligen Metall-Konstruktion und kunstvollen Plastiken.
Weiterfahrt nach und Stadtbesichtigung Pamplonas, Hauptstadt von Navarra.
Besuch des berühmten Café Iruña mit der bronzenen Statue eines lebensgrossen Hemingways.
Das allererste "Café Iruña" wurde aber nicht in Bilbao, sondern in Pamplona aus der Taufe gehoben, im Jahr 1888. Pamplona heißt auf Baskisch Iruña, und wo sonst sollte es daher ein Café namens Iruña geben?Tag 2: Pamplona am Fuße der Pyrenäen (28.9)
Fahrt nach Roncevalles, das allgemein als Einstieg in die Französische Jakobspilgerstrecke gilt.
Auf dem Programm stehen:
* das Augustinerkloster
* das Kloster San Salvador / Leyre
* Die Kirche Sta. Maria la Real / Sanguesa
In Roncevalles befindet sich die Silo de Carlomagno mit den Knochen vieler Verstorbenen. In der Nähe soll eine berühmte Schlacht aus der Rolandssage stattgefunden haben. In Wirklichkeit haben sich wohl die Einheimischen erfolgreich gegen Rolands Raubzüge gewehrt und ihn geschlagen...
Der Blick in Richtung Frankreich läßt erahnen welche Mühe der Anstieg für die "echten" Pilgern machen wird. Auf der Paßhöhe steht eine Glocke, die von jedem Pilger mit dem Pilgerstock angeschlagen werden kann.
Im Wald blühen riesige Herbstzeitlosen und reifen die Brombeeren.Tag 3: Pamplona -> Logrono (90 km)
Wanderung zu Puerto de Perdon, wo man schlimmstenfalls bereits einen vollen Ablaß verdient hat. In der Ferne liegen schneebedeckte Gipfel. Auf der Paßhöhe befindet sich ein imposantes Monument einer metallenen Pilgerschar. Wir begegnen unseren ersten echten Pilger, der sofort vom Fernsehteam zum Interview eingeladen wird.Tag 4: Logrono -> Burgos (145 km)
Klosterbesichtigung Sta. Maria la Real.
Danach Wanderung nach Azofra und weiter nach Sto. Domingo de la Calzada, wo in der Kathedrale der stolze Hahn mit seinen Hennen des Hühnerwunders in einem Käfig in der Kathedrale gehalten werden. Die Tiere haben auch eine zweite Garde, die in einem Schichtwechsel ausgetauscht werden.
Nach Besichtigung der Kathedrale Weiterfahrt nach Burgos.
Am Strassenrand reifen über weiten Strecken Rioja-Trauben, die aber oft mit giftig-gruner Farbe gespritzt sind. An den Häusern wird Knoblauch zum Trocknen gehängt.
Es gibt immer wieder genug Möglichkeiten zum Gespräch mit den Pilgern und Reiseteilnehmern.Tag 5: Burgos -> Leon (180 km), 1.10.2007
Stadtbesichtigung von Burgos, insbes. der überaus reich verzierten Kathedrale Bei der Stadtbesichtigung regnet es ordentlich.
In der Stadt befindet sich auch das Monument für El Cid.
Kurze Wanderung zum Antoniterkonvent bei Castrojeriz.Tag 6: Leon -> Ponferrada (150 km), 2.10.2007
Spaziergang zur Kathedrale und zur Stiftskirche Sto. Isidoro.
Wanderung von Hospital de Obrigo bis nach Astorga.
Hier begegnen wir eine alte englische Lady, die auf halbhohen Hacken auf dem holprigen Belag der ewig langen Brücke herumstolpert. Sie gehört zu einer St. James-Pilgergruppe aus England.
Ponte Ferrada, Wanderung Rabanal -> Foncebadon.
In Leon begegnen wir nun einen "echten" Pilger mit Pilgermantel und ein Pilgerkreuz, an dem die Socken zu trocknen geklammert worden sind. Er rät uns das Gewicht für den Rucksack unbedingt auf 10 Kilo zu begrenzen.
Am Cruz de Ferro befindet sich ein riesiger Müllberg mit dem Überflüssigen, das die Pilger hier zurücklassen sollen. Jeder hat Überflüssiges: es gibt eine vielfältige Auswahl von der Mütze über alten Wanderstiefeln bis zu den liebevoll bemalten und beschrifteten Steinen.Tag 7: Ponferrada -> Sarria (110 km)
Über den Pedrafita-Pass erreichen wir Galicien und das Dorf O Cebreiro mit der Keltensiedlung. Anschließend Weiterfahrt nach Samos. Besichtigung des Benediktinerklosters in Samos und wanderung bis Sarria. Wir bestaunen das zauberhafte Kastell der Tempelritterorden.
In O Cebreiro ist es kalt und regnerisch. Es gibt aber ein warmes Mahl in der Herberge, wobei mit viel Alkohol und Zaubersprüchen ein flammender keltischer Zaubertrunk zubereitet wird.
Im Kloster versucht der Abt uns einen kunstvoll geschnitzter Stab meistbietend zu versteigern, aber das Angebot aus unserer Pilgergruppe gefällt ihm dann doch nicht.Tag 8: Sarria -> Santiago de Compostela (130 km).
Wir besuchen die Wehrkirche von Portomarin. Anschließend eine Wanderung bis zum Ort Leboreiro.
Am Wegesrand bewundern wir den Getreidespeicher mit der Absicherung gegen Nagetiere.
Im Wald überqueren wir eine uralte Brücke mit Steinplatten.
Kurz vor Santiago sehen wir am Monte do Gozo zum ersten Mal die Kathedrale und nehmen mit einem Kuchen der Marke Tartas Ancano Abschied von unserem getreuen Busfahrer, der die ganze Reise von Liebeskummer geplagt wurde...Tag 9: Romanische Bauten in Santiago
Besichtigung der Altstadt. Einkauf der Gagat-Souvenirs.
Die letzten hunderten Metern der Pilgerreise wandert der Pilger in der Rua da Acibecheria vorbei an zahlreichen Souvenirgeschäften, die den Acebach (Deutsch Gagat = schwarzer Bernstein) oder auch den normalen gelbroten Succinum-Bernstein als Schmuck oder in religiösen Pretiosen verkaufen.
Nach der Pilgerreise betritt der Pilger die Kathedrale und besucht dort die Pilgermesse, die für viele Anwesenden heftige Emotionen auslöst. Besonders emotional ist der Gesang, der von einer katholischen Schwester intoniert wird. Sie hat eine wunderschöne Stimme, die an den Gesang der keltischen Sängerin Enya erinnert. Wir fragen im angrenzenden kirchlichen Verkaufsladen für Pilgerpretiosen nach einem Tonträger, werden aber belehrt, dass man diese Musik nicht kaufen kann...
Auch während der Messe umwandert eine nicht enden wollende Pilgerschar die geschmückte Jakobsstatue am Altar und umarmt die Statue von hinten.
Santiago ist vielleicht die beliebteste Pilgerstätte der Katholischen Kirche, denn im Vergleich zu Jerusalem und Rom bietet Santiago den Pilgern sogar sehr häufig (etwa alle 6 Jahre) durch einen reinen Besuch an die Stadt Santiago die Option für einen vollständigen Sündenerlass.
In und um der Kathedrale Santiagos darf nicht Renate, muß aber ein örtlicher Reiseführer uns begleiten. Ich frage ihm, woher denn der Gagat stammt. Er antwortet mir dann, dass Gagat nicht in der Nähe Santiagos gefunden wird, wohl aber in Nordspanien einige Fundstellen existieren. Früher haben jedoch deutsche Pilger Gagat mitgenommen aus Mitteldeutschland. Der Gagat wurde dann in Santiago bearbeitet zu Souvenirs für die Pilger. Die Gagatbearbeitung war zu dieser Zeit ein Monopol der Stadt Santiago de Compostela.
Die Kathedrale wurde über Jahrhunderten gebaut. Daran haben die besten Künstler und Architekten Europas mitgewirkt. In der Architektur wurden viele Neuheiten erprobt und in der Bauhütte an allen Beteiligten weitergereicht. So hat die Kathedrale wesentlich zur Befruchtung des Künstler- und Bauwissens beigetragen. Alle Kathedralen im Norden Spaniens sind unermeßlich reich geworden durch Spenden und Beiträgen der Pilgerschar. Das reiche, mittelalterliche Königshaus dieser Gegend bildet die Grundlage für den europäischen Adel.
An der Decke der Kathedrale haben die Baumeister (Freimaurer ?) dasselbe All-sehende "Gottesauge" befestigt, das ich auch der Decke des alten mexikanischen Parlements und auf der Dollar-Note wahrgenommen habe. Vor dem Gottesauge befindet sich die Befestigung des Fumaderos, d.h. für das riesige Weihrauchgefäß, das im Mittelalter geschwenkt wurde (nicht zuletzt auch um die Ausdünsungen der mittelalterlichen Pilger zu übertönen...).Tag 10: Rückflug von Santiago nach Madrid und von dort nach Deutschland
Der Rückflug mit der Iberia verlief problemlos. Die Organisation durch Gebeco, die Hotels und Restaurants, der Service und die Zusammensetzung der Reisethemen waren einwandfrei.Randbedingungen
Für geübte Wanderer ist diese Jakobsreise leicht. Da jedoch in jeder Reisegruppe aber auch bis zu 10% ungeübte und schlecht vorbereitete Gäste teilnehmen können, die über schlechtes Schuhwerk (von Stöckelschuhen bis Badelatschen) verfügen, kann es gelegentlich zu harmlosen Stürzen in den wenigen schlammigen, abschüssigen Wegen kommen. Jeder Teilnehmer soll auf dieser Reise wenigstens Wanderstiefel, einen Hut, eine Sonnenbrille und vielleicht auch einen Wanderstock mitnehmen. Grosse Steigungen oder Strapazen sind auf den Wanderungen dieser Reise aber nicht zu befürchten. Das Alter der Teilnehmer (zu 80% Teilnehmerinnen) bewegte sich zwischen 40 und geschätzten 80 Jahre.Zielvorgabe erfüllt?
Wir haben diese Reise gewählt zur sorgfältigen Studie der Schätzen auf dem Jakobsweg und als Schnupper-Reise zur echten Jakobsweg-Wanderung, die wir in einigen Monaten auf den letzten 100 km erleben wollen. Dazu ist die Gebeco-Reise bestens geeignet.Fazit
Bestens geeignet zur Denkmalstudie und zur Orientierung auf dem JakobswegSouvenirs
In Santiago kann man schöne Schmuckstücke aus Gagat (schwarzer Bernstein) oder Succinit (gelber Bernstein) kaufen, die nach alter Tradition in Santiago de Compostela hergestellt werden.
In Klöstern werden handgefertigte Rosenkranze (aus dunkelroten "Rosenblättern" gedrehte Kügelchen, aufgereiht auf einem Kranz ->> daher der Name "Rosenkranz") angeboten.Kosten, Anreise, Unterkunft und Verpflegung
Für zwei Personen haben wir für diese Reise 2416 Euro bezahlt bei Unterbringung in einem Doppelzimmer. In diesem Preis sind allerdings bereits 20% Expedientenermäßigung enthalten, die den Mitarbeitern eines Reisbüros und deren Partnern eingeräumt werden. Im Preis sind die Linienflüge von Frankfurt/Main (jeweils über Madrid nach Bilbao, bzw. von Santiago) und eine Rail & Fly-Karte enthalten.
Die Unterkünfte waren normale Hotels der Mittelklasse, wie diese in den Orten am Jakobsweg verfügbar sind. In den Hotels gab es auch die Frühstückbuffets und Abendessen, die ich als "gut" einstufen möchte.
Zur Mittagszeit hat jeder Teilnehmer sich in der Regel einzeln mit Tapas versorgt. weiterlesen schließenKommentare & Bewertungen
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barbu, 30.05.2008, 14:52 Uhr
Bewertung: besonders wertvoll
finde das interessant.... schön das du auch hier so aktiv wirst.LG
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