Der Untergang (DVD) Testbericht

ab 5,50
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  • Action:  viel
  • Anspruch:  sehr anspruchsvoll
  • Romantik:  niedrig
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Spannung:  spannend

Erfahrungsbericht von Andreas68

Der Untergang - warum bin ich so bewegt? Eine sehr subjektive Reflexion der Filmhandlung

Pro:

Eine Darstellung dieses Zeitabschnittes, die sich gerade für eine deutsche Produktion erstaunlich um Sachlichkeit bemüht, statt in anzuzweifelnder Einseitigkeit ausschließlich zu verurteilen.

Kontra:

Siegerverbrechen wurden nicht erwähnt, einige historische Details wurden zeitgeistgemäß dargestellt oder weggelassen.

Empfehlung:

Ja

Der Untergang

Gestern Nacht habe ich mir endlich den Spielfilm "Der Untergang" angesehen. Mit der Besprechung richte ich mich zugleich mit der Frage an das Publikum, ob es mir erklären kann, warum mich dieser Film derartig ergriffen und bewegt hat.

Der Film handelt von den letzten Stunden in der Reichskanzlei sowie vom Kampf um Berlin von Ende April bis zum 2. Mai 1945.
Nach meinen Erkenntnissen ist er historisch im Großen und Ganzen wirlichkeitsnah. Allein werden die "Nero-Befehle" Hitlers zu sehr in den Vordergrund gedrängt Diese wurden in verzweifelter Lage und Wut, vielleicht dem Irrsinn nahe, erteilt, mehrfach widerrufen und hatten, bei aller Grausamkeit, durchaus ihren militärischen Sinn. Die Sowjetunion wandte ggü. den deutschen Angriffsarmeen 1941 und 1942 dieselbe, schon gegen Napoleon bewährte, Taktik an:
Überlässt man dem Feind zerstörtes Gebiet, aus dem er sich nicht ernähren kann und dessen Infrastruktur vernichtet ist, wird er allein abhängig von seinen überdehnten Nachschubwegen. Der ohnehin unzureichende Nachschub kann dort zusätzlich noch von den eigenen Fernwaffen gestört werden.
Im Film unerwähnt blieb, dass die deutsche Wehrmacht noch die Kraft besaß, am 2. Mai mit 30000 Soldaten, erbeuteten und eigenen Panzern aus der Stadt auszubrechen und sich durchs russisch besetzte Reichsgebiet bis zur Elbe vorzukämpfen.

Wir alle wissen vom Irrsinn und den Verbrechen des Dritten Reichs. Allein schon das bloße Einsperren von Millionen Menschen aufgrund einer biologisch völlig unzutreffenden Rassentheorie, die Angehörige der eigenen Subspecies (Rasse) zu "Untermenschen" erklärte, wäre schon Verbrechen genug gewesen.
Obendrein kosteten der Raub und das Vernichten solchen Potentials vielleicht sogar den Krieg.
So trägt Böses den Keim seiner Zerstörung in sich.

Deshalb frage ich mich, weshalb ich mich so sehr auf der Seite der Verteidiger fühlte.
Gut, ich war schon immer für die Schwächeren, schon als kleiner Junge. Sie erregten mein Mitleid und meine Solidarität: die kleinere und jüngere Partei bei einer Schneeballschlacht, die Büffel und die Indianer in Wildwestfilmen, die Südstaatler in "Vom Winde verweht" oder in der Schule gehänselte Mädchen.
Damals, 1945, seit 1942, waren wir die Schwächeren.

Aber ich schreibe "wir". Mir ist dieses Gefühl, zu einem Volk zu gehören, eben noch eigen. Nur vorübergehend hatte ich es mir aberziehen lassen. Ich war stets misstrauisch ggü. Lehrmeinungen.
Heute reden uns die Mächtigen ein, es gäbe eigentlich gar keine Völker, sie wären nur Kopfkonstrukte. Gerade Intellektuelle glauben ihnen das und gefallen sich darin als gebildet, augenscheinliche Unterschiede in Kultur, Sprache, Weltsicht, Mentalität, Aussehen, Körperbau, Sprachveranlagung und ihrem ganzen Wesen vorsätzlich zu ignorieren, statt sie in ihrer Vielfalt als Schatz der Menschheit zu begrüßen.
Währenddessen lassen die Mächtigen in ihren Labors ihre Wissenschaftler und Techniker nach ethnisch selektiv wirkenden Waffen forschen ...

Ich habe mich wieder einmal verliebt während dieses Films. Es mag albern scheinen, und vielleicht ist es das sogar. Aber was soll ich machen, spüre ich doch dieses Wühlen irgendwo zwischen Magen und Zwerchfell, diese Hingabe. Sie erfolgte diesmal gegenüber dem blonden Mädchen mit den dicken Zöpfen, die kriegsfreiwillig an der Seite ihrer HJ-Kameraden die Straßenbarrikade gegen die Russen verteidigte, bis die Munition verbraucht war.
Als die Verteidiger sich verschossen hatten, überredete dieses wunderschöne Mädchen ihren Kameraden mit glühender Gebärde dazu, sie mit der vorletzten Patrone zu erschießen. Danach erschoss er sich selbst.
Gebannt und jenseits aller Fassung war ich. Tränen steigen mir noch in die Augen, wenn ich nur von dieser Szene schreibe. Der dargestellte Glaube und Idealismus dieser Jugendlichen ließen mich meinen Atem anhalten. Ich bewundere ihn zutiefst und ohne jede moralische Verurteilung. Sie wäre einfach nur anmaßend.
Und ich weiß, ich wäre an ihrer Seite gewesen, und ich fürchte, auch ich hätte den Freitod einem Weiterleben vorgezogen, in der damaligen Situation.

Eine weitere Szene erregte meine Aufmerksamkeit: Der Volkssturm greift an in Berlin! Es ist Ende April 1945, doch in Berlin führen Volkssturmeinheiten einen Angriff durch.
Sie greifen an, wie man nicht angreift, schlecht oder gar nicht geführt: im gruppenweisen Sprung über offenes Gelände, ohne gegenseitige Deckung und ohne Feuerschutz. Gruppenweise fallen die realistisch im Alter von um 50 Jahren dargestellten Männer; sie werden zusammengeschossen, ihr Angriff bleibt sinn- und erfolglos.
Dennoch durchströmte mich etwas bei diesem Anblick. Wer angreift, mobilisiert in sich unbekannte Reserven. Unbewusst wird die Hoffnung eine Rolle spielen, durch den Angriff die Situation zu bereinigen und danach Ruhe zu haben. Nur dadurch wurde und wird immer wieder angegriffen, finden Menschen sich bereit, ins Feuer, in ihre physische Vernichtung zu laufen. Schon in der Übung vermittelt sich einem dieses Gefühl. Ich erfuhr es selbst, mit dem MG aus der Hüfte schießend und in der Überraschung der Ausbilder über das plötzlich aufbrandende "Hurra".

Ich weiß um den Irrsinn des Tötens und Sterbens und der Bereitschaft dazu. Dennoch vermag ich ihn tief in mir zu verspüren und nachzuvollziehen.

Manche werden das einfach als krank abtun. Nun, Massen von Menschen sind so "krank", ohne geheilt werden zu wollen.

Nichts wurde besser durch die selbst verordnete Sterberei. Dem Nachkriegsdeutschland fehlten die auf diese Weise Gefallenen. Uns fehlen ihre Enkel. Ja, ich glaube, dass solche Menschen zu den besten gehörten.
Diese Szenen waren nicht nur Filmdramaturgie. Sie vollzogen sich vielerorts und massenhaft im Deutschland des Jahres 1945. In der eigenen Familie gab es solche Fälle und in deren Nachbarschaft.
So irrsinnig es sein mag: Mich durchströmt tiefster Respekt vor Menschen, die lieber sterben wollen, als ihre Ideale zu verraten. Vielleicht kann solche Haltung viel mehr mit Liebe zu tun haben als mit Hass.

Viele werden jetzt aus dem Abstand des Nichtdabeigewesenseins und ihrer fernen Betrachtungsweise urteilen: Auch diese jungen Deutschen waren Opfer des verbrecherischen Nationalsozialismusses, der sie missbraucht hat.
Mit Verlaub, ich halte diese Einstellung für vereinfacht: Sie waren ebenso sehr Opfer eines "irrsinnigen Vernichtungswillens der Westalliierten" (Graf Schenk von Stauffenberg), der friedensfeindlichen Forderung nach bedingungsloser Kapitulation, der Erfahrungen von Millionen hingeschlachteter und vergewaltigter Deutscher bei Flucht und "Befreiung" und der damals bekannten Kaufmann- und Morgenthau-Pläne.

Wer seiner Vernichtung entgegensieht, ohne Gnade erwarten zu können, hat keinen Grund zu kapitulieren!
Kein Mensch kann auf eine bedingungslose Kapitulation eingehen:
Man stelle sich vor, man würde überfallen und zusammengeschlagen werden. Man verteidigt sich, will sich schließlich ergeben, doch der Angreifer sagt: "Nur, wenn ich danach mit dir machen kann, was ich will." Durch die Art seines Angriffes oder seine vorherigen Erklärungen wurde deutlich, dass man damit rechnen müsse, von ihm getötet oder als Frau vergewaltigt zu werden. Widerstand zu leisten solange man kann, wird in dieser Situation ja fast zur menschlichen Pflicht!

Diese Jugendlichen sahen damals ihrer physischen Vernichtung nach der Kapitulation entgegen, zumindest der Vernichtung ihres Volkes, das sie liebten und als dessen Teil sie sich zurecht sahen.
Sie hatten vielleicht Eltern, Geschwister, Freundinnen und Freunde, Geliebte, durch den Bombenterror, auf der Flucht oder bei den Massakern während der Befreiung verloren.
Sie konnten nicht wissen, dass es weniger schlimm kam, dass sie eine Chance gehabt hätten, wenn auch eine geringe. Gerade die Kriegsfreiwillige wäre vom "Befreier" vielleicht nicht gerade mit großzügiger Siegergeste anständig als Kriegsgefangene behandelt worden ...
Von ca. 250000 deutschen Soldaten, die in Stalingrad gefangen genommen wurden, kehrten ca. 6000 aus der Gefangenschaft zurück.
Der Film endete mit der Darstellung der Schicksale im Filme vorgestellter Persönlichkeiten: 1953 aus Kriegsgefangenschaft entlassen, 1955 aus Kriegsgefangenschaft entlassen! Viele kamen noch später zurück, noch nachdem ich geboren wurde!
Es gibt kein moralisches und es gab kein geschriebenes Recht in dieser Welt, so mit Gefangen, Unterlegenen, dem besiegten Feind umzugehen, ihn jahrelang, teilweise über 10 Jahre, in Gefangenschaft und Zwangsarbeit zu halten.
Die wenigen kriegsfreiwilligen Frauen, soweit bei Volkssturm und Werwolf kämpfend, besaßen nicht einmal das formale Recht auf Gnade. Sie wurde ihnen den wenigen Beispielen nach, die mir bekannt sind, auch nicht zuteil.
Welchen Grund also hätten sie gehabt, zu kapitulieren oder auch nur weiter zu leben, um sich ermorden (oder mit dem Tode "strafen") zu lassen?
Hier wäre es dem im Namen der Menschenrechte kämpfenden Gegner, dem "Befreier", möglich gewesen, durch besseres Beispiel und anständige Bedingungen, Leid, Tod und übers Leben hinaus reichenden Widerstandswillen zu verhindern!

Aus dieser Geschichte sollte man gelernt haben. aber man hat es nicht. Selbstmordattentäter, so unverständlich sie uns erscheinen, mögen Leid erfahren haben, das ihnen das Weiterleben als nicht wünschenswert erscheinen lässt.

Es muss schon viel Schlimmes geschehen oder geschehen sein, um Menschen so weit zu treiben. Normalerweise will der Mensch lieber irgendwie weiter leben als gar nicht. Der Überlebenswille von Verstümmelten und Behinderten spricht Bände.

Heute hört man von vielen Menschen und in den Medien schon oft: "Selber schuld!" Denen, die sich so äußern, oftmals diejenigen, die sonst gerne von Menschenrechten faseln, rufe ich entgegen: "Verzeiht mir bitte, dass ich eure Menschenverachtung, eure Arroganz, euren unerträglichen Zynismus nicht teile, und sicherlich bin ich deshalb für euch `menschenverachtend´!"
Wer die Menschen nicht kennt, nicht versteht und wer die Völker nicht achtet, ist ihnen wirklich ein schlechter Anwalt!

Die zweite Szene, die mir so unter die Haut ging, dass ich kaum von ihr zu schreiben vermag, war die Vergiftung der Goebbels-Kinder.
Ich weiß nicht, ob ich meiner Tochter diesen Film zumuten kann.
Das Schicksal dieser wunderbaren, gläubigen, vertrauensvollen, wunderschönen Kinder, die nach dem, was ich darüber las, durchaus wirklichkeitsgerecht dargestellt wurden, mit ansehen zu müssen, war mehr, als ein mitfühlender Mensch ertragen kann.
Ich hatte die Selbsttötungen der Nazi-Größen nie verstanden. Erst nach dem Studium des Nürnberger Prozesses konnte ich ihre Entscheidungen nachvollziehen. Aber ich empfinde sie als feige. Sie hätten im Kampfe fallen müssen, wären sie sich selbst treu gewesen. Im Verwundungsfalle hätten sie ihre Giftkapseln immer noch anwenden können.
Die Entscheidungen gegen das Leben der eigenen Familien und Kinder entziehen sich aber gänzlich der Nachvollziehbarkeit meines Verstandes und Gefühls.
Waren sie schlicht unnötige Verbrechen? Waren sie Verzweiflung? Mit welchem Schicksal hatten die Täter für ihre Kinder gerechnet? Was hat sie bewegt? Die mir bekannten Erklärungen aus Tagebüchern, ihnen ein Weiterleben unter den neuen Umständen nicht zumuten zu wollen, befriedigen in keiner Weise. War es nur wahnsinniges Verbrechen oder wussten die Eltern Dinge, die sich unserer Kenntnis entziehen, die sie nicht einmal aufgeschrieben haben, oder erfahren wir einfach nur nichts davon?
Ich konnte es mir nicht vorstellen, dass Frau Goebbels lustvoll das Verbrechen der Ermordung ihrer Kinder beging.
Den Film zeichnet es aus, dass ihre Taten nicht etwa politisch-korrekt so dargestellt wurden, sondern als verzweifelt und - hier muss ich bitter eine Pause machen - tatsächlich in Liebe zu ihren Kindern.

Hier tritt etwas ein, was mir nur selten geschieht: Das Niederschreiben der Worte, das Analysieren versagt, ich bleibe unfähig, meine Gefühle in Gedanken zu fassen und diese als Worte niederzuschreiben. Man muss diese Szene gesehen haben, über Sensibilität verfügen, keine Abwehrhaltung gegen einem ähnliche Kinder haben und wahrscheinlich sein Volk, das zu wenige solcher Kinder hat, lieben wie ich, um nachvollziehen zu können, was mich bewegt. Beschreibungen werden dem nicht gerecht.


Für das Lesen dieses lang gewordenen Aufsatzes bedanke ich mich. Ausgangspunkt war mein Unverständnis für meine eigenen Gefühle, meine Traurigkeit und mein Hoffen während des Ansehens dieses Films. Im Vergleich zu anderen verstehe ich meine Haltung, hier scheinbar `auf der falschen Seite zu stehen´ nicht mehr. Es gelingt mir nicht, Kriegsverbrechen oder das Böse einseitig zu sehen, es gelingt mir nicht, Menschen, die von ihren Idealen und ihrem Handeln bis zum Tode überzeugt waren, zu verurteilen. Es gelingt mir aber auch nicht, Hass für die eine oder andere Seite zu empfinden.

Wohl erfüllen mich Wut und Traurigkeit, denke ich an deutsche Verbrechen gegen die Menschlichkeit, an den Versuch, ein Volk oder Teile des eigenen Volkes auszurotten und über den deutschen Umgang mit ursprünglich freundlich gesinnten Völkern wie Balten, Ukrainern und Bretonen.
Doch empfinde ich gleichermaßen Wut und Traurigkeit über die Verbrechen des Bombenterrors, der sich gezielt gegen die Zivilbevölkerung richtete und bei den Verbrechen der Morde, Vergewaltigungen und Verstümmelungen während der Befreiung, bei der Flucht und der späteren Vertreibung.

Fast verzweifeln lassen mich die Aussagen Deutscher, wonach ihr Volk dieses Unrecht verdient hätte. Von den ehemaligen Feinden habe ich ein so verächtliches Aufrechnen noch nicht vernommen.
Kein Verbrechen rechtfertigt ein anderes.

Doch für die Jungs und Mädchen, die aus ihrer tiefsten inneren Überzeugung ihr Leben gaben, empfinde ich nichts als Mitleid, Nähe und Sympathie.
Das will ich mir von heutigen, selbstgerechten Besserwissern nicht in Zynismus umwandeln lassen.

18 Bewertungen, 2 Kommentare

  • morla

    26.11.2005, 19:25 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    schöner bericht

  • Dreamengelchen

    27.08.2005, 19:25 Uhr von Dreamengelchen
    Bewertung: sehr hilfreich

    wirklich ein toller Bericht.. er hat eigentlich noch mehr verdient als ein "sehr hilfreich" Ich hab den film damals im Kino gesehen, durch mein junges alter kenne ich die Zeit nur vom erzählen meiner Oma, aber das es wirklich so "sch