Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (Taschenbuch) / Christiane F. Testbericht

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ab 7,49
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Summe aller Bewertungen
  • Handlung:  spannend
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  durchschnittlich
  • Spannung:  hoch
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Stil:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von Tweety30

... vom Weg abgekommen ...

Pro:

total ergreifend

Kontra:

---

Empfehlung:

Ja

Mitte der 80er Jahre sah ich im TV den Film "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Ich war etwa 15 und der Film nahm mich ganz schön mit. Ich war ein Teenager in der DDR und obwohl ich doch in den Fernsehnachrichten von den ganzen Drogentoten in West-Berlin gehört hatte, war das doch für mich eine ganz andere Welt. Die armen Westdeutschen, die hatten keine Perspektive und konnten dermaßen tief abrutschen, bloß gut, dass es so was bei uns in der DDR nicht gab...

Nach der Wende bekam ich dann das Buch, inzwischen habe ich es schon mehrere Male gelesen und es ist immer wieder so packend, dass man es nicht mehr aus der Hand legen will.

Das Buch wurde 1978 geschrieben. Stern-Reporter trafen die damals 15-jährige Christiane F. bei einem Gerichtsprozess und führten mit ihr ein Interview. Aus den Tonbandprotokollen entstand ein ganzes Buch.

Christine war 6, als sie mit ihren Eltern und ihrer 1 Jahr jüngeren Schwester nach Berlin zog. Vorher lebten sie in Hessen auf dem Land, wo es für die Kinder wunderschön war. Jetzt versprach sich der Vater die große berufliche Karriere in Berlin, was aber völlig schief ging. Die Familie landete in einer kleinen Wohnung in der Gropiusstadt. Die großen weißen Hochhäuser fand ich, vom Osten Berlins gesehen, immer so toll. Wie blöd es dort vor allem für die Kinder war, erzählt Christiane in dem Buch sehr ausführlich.

In Berlin herrschen andere Regeln als auf dem Land. Hier zählt nur Stärke und eine große Klappe. Das lernt Christiane schnell und freundet sich mit dem stärksten Mädchen ihrer Klasse an, Kessi. Diese nimmt sie mit in das "Haus der Mitte". Eine Einrichtung des evangelischen Zentrums, wo die Eltern glauben, ihre Kinder wären gut behütet. Aber dort machen schon die ersten Drogen die Runde, es wird Hasch geraucht und Pillen genommen, die vom öden Alltag ablenken.

Dann eröffnet in Berlin das "Sound", die modernste Discothek Europas und obwohl Christiane erst 13 ist, schminkt sie sich und kommt ohne Probleme rein. Dort lernt sie Detlef kennen, der schließlich ihr Freund wird und viele andere Leute, bei denen sie irgendwann merkt, dass eigentlich alle Drogen nehmen.

Christiane bleibt mit 13 schon nächtelang von zu Hause weg und eigentlich fragt man sich, wieso die Eltern das erlauben. Der Vater, frustriert durch seine Arbeitslosigkeit, begann die Kinder regelmäßig zu verprügeln. Die Mädchen hatten total Angst vor ihm und waren froh, wenn er abends weg war. Somit versuchte auch Christiane, so viel wie möglich von zu Hause wegzubleiben. Die Mutter wurde als Kind von ihrem Vater total eingeengt und wollte ihrer Tochter nun die Freiheit bieten, die sie nie hatte. Als sie sich schließlich von ihrem Mann trennt, geht sie von Früh bis Abend arbeiten, um Christiane etwas bieten zu können, deren Schwester irgendwann zum Vater zieht.

Das mit den Drogen war noch recht neu in Berlin, der Markt fing gerade erst an, richtig zu blühen. Somit hatten die Eltern und Behören noch keinerlei Ahnung, was man dagegen tun könnte und die Eltern dachten ja auch keinen Augenblick daran, dass ihr Kind so was nehmen würde.

Zunächst nimmt Christiane nur irgendwelche Aufputschmittel und raucht mal einen Joint. Bald jedoch bringt das nicht mehr den richtigen Kick und als sie merkt, dass Detlef bereits H (Heroin) spritzt, will sie es auch versuchen. Es passiert schließlich nach einem David Bowie - Konzert, da snieft sie das erste Mal H, da sie sich noch nicht traut, die Spritze zu setzen. Das ist 1 Monat vor ihrem 14. Geburtstag.

Sie ist bereits im Teufelskreis gefangen, es geht nur noch abwärts. Sie schläft in dreckigen, stinkenden Fixerbuden und Detlef geht für beide auf den Strich am Bahnhof Zoo. Christine geht nach der Schule auch immer dort hin, bringt ihren Freunden was zu Essen mit und will doch eigentlich nur mit Detlef zusammen sein.
In der Schule schläft sie meistens. Seit sie auf die Gesamtschule geht, kümmert sie sowieso kein Lehrer mehr um den Einzelnen. Die Anwesenheit wird nur morgens kontrolliert, dann fällt es nicht mehr auf, wenn man abhaut.

Zwischendurch, in den Ferien, fährt Christiane mal mehrere Wochen zu ihrer Oma aufs Land. Da wird sie wieder richtig zum Kind, spielt mit ihren alten Freunden mit den Tieren und im Wald. Könnte sie für immer dort bleiben, wäre alles gut geworden, aber sie muss wieder zurück nach Berlin, zur Schule, zu Detlef, zum Bahnhof Zoo.

Christiane ist eigentlich schon ein körperliches Wrack, als die Mutter endlich merkt, was mit ihr los ist. Zusammen mit Detlef machen sie einen Entzug in Christianes Kinderzimmer. 14 Tage, und die Mutter war froh, dass endlich alles vorbei ist. Tja, so leichtgläubig waren die Eltern damals, weil es noch keine Infos gab und niemanden, der über Drogen aufklärte.

Christiane und Detlef, total froh, dass sie es geschafft hatten, erst mal hin zu den Kumpels und voller stolz vom Entzug erzählt. Und zur Feier des Tages gab es erst mal einen Druck. Und alles war beim Alten.

Irgendwann reichte das Geld nicht mehr aus, das Detlef beim Anschaffen verdiente und Christiane musste selbst mit ran. Alles drehte sich nur noch um H. Immer wieder standen Berichte in den Zeitungen mit den neuesten Drogentoten, immer wieder Leute, die Christiane kannte. Irgendwann sogar ihre Freundin Babsi, sie war erst 14.

Christiane wird öfters wegen Drogenbesitzes von der Polizei verhaftet, macht etliche Entzüge, lässt sich sogar freiwillig in eine Irrenanstalt einliefern, aber sie landet immer wieder beim H.
Manchmal hat sie klare Momente, in einem solchen erkennt sie, dass ihre Träume vom Leben mit Detlef ohne H nur Quatsch sind, dass sie niemals davon loskommt und sie beschließt, sich den letzten, den "Goldenen Schuss" zu setzen. Doch ihr Plan misslingt, sie überlebt.

Die Eltern schicken sie zu Verwandten auf ein Dorf in der Nähe von Hamburg, dort geht sie zur Schule, macht ihren Abschluss, lebt ohne Drogen. So endet das Buch.

Zwischendurch wird Christiane´s Geschichte immer wieder unterbrochen, dann kommen die Mutter und andere Kontaktpersonen zu Wort. Sehr interessant finde ich die Meinung der Mutter, die doch ziemlich hilflos war, obwohl sie sich an alle möglichen Institutionen und Behörden wandte. Man hatte zu wenig Erfahrungen, die Wartezeit für einen Therapieplatz war immer viel zu lang und auch nur für Leute, die es wirklich Ernst meinten.

Ich hätte euch so gerne noch mehr Einzelheiten erzählt, das Buch ist so fesselnd.
Aber wenn ihr Interesse habt, kauft es euch lieber selber. 1981 hat Bernd Eichinger das Buch auch verfilmt, im Film wurden aber viele wichtige Details weggelassen.

Hier noch einige Details zum Buch:
Taschenbuch
Bei Amazon 9,90 Euro
Sprache: Deutsch
Broschiert - Stern-Verlag
Erscheinungsdatum: 2004
ISBN: 3570023915
324 Seiten

Meine Ausgabe (die 37.) ist aus dem Jahre1994, daher noch in der alten Rechtschreibung verfasst und trotzdem noch mit einigen Rechtschreibfehlern. Einmal ist auch eine Jahreszahl falsch angegeben. Ansonsten sehr fesselnd in der damaligen Ausdrucksweise der Jugend geschrieben. Da lernt man z.B., dass es damals, in den 70ern, Teenie-Bopper-Musik gab, aber David Bowie viel cooler war, und dass Anziehsachen nicht Klamotten, sondern "Zeug" hießen. Bei Entzugserscheinungen sind sie "auf Turkey", was auf Deutsch eigentlich Truthahn heißt und wenn ein Truthahn erregt ist, flattert er.

In der Buchmitte findet ihr mehrere Fotos von Christianes Freunden und Bekannten, Bilder vom Bahnhof Zoo und vom "Sound".

Aber wie ging es mit Christiane nach dem Buch weiter?
Im Internet hab ich folgenden Text gefunden:
Nach turbulenten Jahren in den USA und in Griechenland lebt Christiane Felscherinow als Buchbinderin in Berlin-Neukölln und ist nach vielen Entzügen und Rückfällen von ihrer Drogensucht geheilt. Sie hat einen Sohn, Jan-Niklas (* 1996).
Christiane wirkte außerdem in den Filmen Neonstadt (1981), einem Film über das Großstadtleben von Absolventen der Münchner Filmhochschule, und Decoder (1983) mit. Letzterer behandelt Musik und Töne als Hauptthema
Durch das Buch wurde sie reich, sie bekam Millionen dafür. Aber von den Drogen kam sie nicht los.

Das Buch sollte jeder mal gelesen haben. Es zeigt so richtig krass den Verfall eines Menschen auf, der drogensüchtig ist. Auch wenn es heute andere Drogen sind, an denen die Leute kaputt gehen, so gibt es doch garantiert einige Parallelen.
Ich war stellenweise auch erstaunt, wie sehr sich Christiane an einzelne Details erinnern konnte. Und wenn sie das soziale Umfeld erläutert, in dem sie lebte, kann man ihren Absturz auch irgendwie nachvollziehen.

Ich glaube, mein Bericht ist diesmal ganz schön lang geraten. Ich danke allen, die ihn trotzdem bis zum Schluss durchgelesen haben.

Einen suchtfreien Tag wünscht euch

Tweety30___

122 Bewertungen, 28 Kommentare

  • Modelunatic

    22.01.2015, 09:50 Uhr von Modelunatic
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH & liebe Grüße

  • anonym

    04.10.2011, 18:55 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sollte Pflichtlektüre in der Schule sein !

  • misscindy

    10.01.2009, 17:39 Uhr von misscindy
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr schöner Bericht, lg Sylvia

  • frankensteins

    31.12.2008, 22:29 Uhr von frankensteins
    Bewertung: sehr hilfreich

    Kultgeschichte meiner Jugend, dass mich vor dem Drogenkonsum bewahrt hat lg

  • wolli007

    24.12.2008, 11:46 Uhr von wolli007
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe Grüße, Wolli

  • Mondlicht1957

    16.06.2008, 17:34 Uhr von Mondlicht1957
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreich Dein Bericht, liebe Grüsse von Pet

  • paula2

    30.12.2007, 23:55 Uhr von paula2
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe Grüße

  • anonym

    11.08.2007, 14:33 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Damaris

  • anonym

    16.04.2007, 21:48 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Es grüßt die Leseratee.

  • panico

    20.01.2007, 16:53 Uhr von panico
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg panico:-)

  • MatthiasHuehr

    16.08.2006, 19:38 Uhr von MatthiasHuehr
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ciao Matthias

  • Volker111

    24.07.2006, 17:56 Uhr von Volker111
    Bewertung: sehr hilfreich

    Inzwischen ein Klassiker ;-)

  • Fantomiss

    11.07.2006, 21:07 Uhr von Fantomiss
    Bewertung: sehr hilfreich

    toller bericht! das buch hat mich auch total mitgenommen...

  • honeymaus

    10.07.2006, 09:25 Uhr von honeymaus
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH & LG, Manuela

  • Estha

    22.05.2006, 16:59 Uhr von Estha
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh... @};----..lg susi

  • anonym

    20.05.2006, 17:40 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh! ..... LG, Marianne ;o)

  • Zuckermaus29

    28.04.2006, 22:10 Uhr von Zuckermaus29
    Bewertung: sehr hilfreich

    "sh" von mir für Dich :o) <br/>Liebe Grüße <br/>Jeanny

  • lana80

    25.04.2006, 13:39 Uhr von lana80
    Bewertung: sehr hilfreich

    echt gutes Buch. LG lana

  • Mogry1987

    23.04.2006, 19:30 Uhr von Mogry1987
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH ;) LG Stefanie :)

  • iii

    11.04.2006, 14:19 Uhr von iii
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreich

  • Sarah1509

    24.03.2006, 14:53 Uhr von Sarah1509
    Bewertung: sehr hilfreich

    Muss man sich echt mal angucken!

  • Connector

    16.03.2006, 13:34 Uhr von Connector
    Bewertung: sehr hilfreich

    Danke für deine Lesung und zur Belohnung folgt auch gleich eine Gegenlesung. LG an Dich!

  • Nathalie

    05.03.2006, 18:13 Uhr von Nathalie
    Bewertung: sehr hilfreich

    Danke für deine Bewertungen.Liebe Grüsse Nathalie

  • Flute

    18.12.2005, 17:28 Uhr von Flute
    Bewertung: sehr hilfreich

    Lg. Dunja

  • campimo

    23.10.2005, 13:03 Uhr von campimo
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich finde es absolut gut, wie du deine perönliche Sichtweise - damals aus der DDR - in den Bericht einbringst. <br/>Mit dem Kiffen und den Trips hatte sie schon im Haus der Mitte angefangen, und sogar sehr viel genommen. Im Sound kam sie dann auf H. Die Mu

  • mannhal

    17.09.2005, 12:14 Uhr von mannhal
    Bewertung: sehr hilfreich

    liegt dieses Buch und auf Grund deines Testberichtes werde ich es mir auch mal zu Gemüte führen, denn ich denke, es zahlt sich aus...

  • topfmops

    01.09.2005, 20:43 Uhr von topfmops
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr gut, als film........

  • Schnuffelinchen

    01.09.2005, 18:50 Uhr von Schnuffelinchen
    Bewertung: sehr hilfreich

    ...wenn es um eine die Geschichte eines drogenabhängigen Mädchens geht. Toller Bericht. LG, Schnuffelinchen