Kairouan Testbericht

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Erfahrungsbericht von saida

Bauausschreibung: Ein Meer für Kairouan!! (ein weiterer Teil der Tunesien-Reihe in lockerer Folge)

Pro:

kein Meer vor der Tür *g*

Kontra:

im Sommer extrem heiss...

Empfehlung:

Ja

Meine Tunesien-Reihe findet mit diesem Bericht eine weitere Fortsetzung.
Ich berichte nachfolgend ausschließlich über die Dinge der Stadt Kairouan, die mich persönlich beeindruckt haben.



=== LAGE & REISEZEIT ===

Die Stadt liegt mitten im Sahel - in der Zeit zwischen Juni und September ist in der Mittagszeit von einer Stadtwanderung in dieser Region dringend abzuraten!
Die Luft ist drückend heiß und unwahrscheinlich stickig, man hat das Gefühl, als bewege man sich in einem Grill...

Die Kairouani [k-ru'a:ni] trifft man denn auch eher am frühen Morgen oder späten Nachmittag an, denn im Sommer hält man sich, wenn irgend möglich, im Haus auf. Die Fensterläden (Klappläden) sind meist verschlossen, damit die Hitze nicht eindringen kann. Ähnlich, wie man es von der iberischen Halbinsel (oder auch Mexiko!) her kennt, wird nämlich in der größten Hitze geruht, also "Siesta" gehalten. Nur, wer Geschäfte zu erledigen hat, geht um diese Zeit aus dem Haus! Im Hochsommer haben ja in ganz Tunesien Behörden, Banken, die Post u.ä. an die klimatischen Bedingungen angepasste Öffnungszeiten, denn wo der Tourismus nicht so stark vertreten ist, gibt es oft noch keine Klimaanlagen (und Ventilatoren schaffen hier auch nur wenig Abhilfe)... So kann zur heißesten Tageszeit denn die Stadt wie ausgestorben erscheinen, und man findet hauptsächlich Touristen, die busweise in die Stadt gekarrt worden sind...

Das bedeutet also: entweder, man sucht sich für die Sahel-Zone eine andere Jahreszeit aus, wie etwa Frühling oder Herbst, oder aber man sieht zu, dass man erst am späteren Nachmittag, wenn die Schatten wieder länger werden, dort ankommt. Dann ist ein Gang durch Kairouans Medina aber unabdinglich!



=== SEHENSWERTES - ? ===


+++ In der Medina +++

Ich habe Kairouans Medina mit ihren Souks als sehr ansprechend in Erinnerung.
Ähnlich wie in Marrakesch/Marokko (aber bei weitem nicht so riesig) gibt es ganze Viertel/Straßenzüge, die von jeweils einer Handwerkerzunft dominiert werden.
Vermutlich haben wir damals das Viertel durch das Bab Et-Tounes betreten, denn ein Bild von einem großen Tor ist mir noch im Kopf, und die Atmosphäre hat mich sofort gefangen genommen und begeistert!

Ganz stark im Gedächtnis geblieben sind mir die zahllosen Teppichknüpfereien (Souk de Tapis), denn das ist das traditionelle Handwerk Kairouans. Sollte man an einem Kauf interessiert sein, ist es empfehlenswert, sich zuvor bei einem ONATT-Büro über die Preise zu informieren (abhängig von Muster und Knotenanzahl pro qm) - über diese Behörde läuft auch die Zollabfertigung für die Ausfuhr nach Deutschland, und seriöse Teppichhändler arbeiten selbstverständlich mit ihr zusammen. Aber das weiß ich alles leider nur vom Hörensagen (und Gesprächen mit einigen Teppichhändlern), denn ich muss ja keinen Teppich aus Tunesien hierher bringen, sondern fasse mich in Geduld, bis wir einmal dort leben können. Es gibt schon wirklich hübsche Teppiche dort, das muss ich zugeben...

Das Textilienhandwerk, von Kleidung bis zu Lederwaren (aber auch Schmuck), findet man passender weise in der Gegend um die Rue du Tailleur (*g* hat mir mein Reisführer verraten - oder glaubt wirklich jemand, ich könnte mich auch noch nach Jahren an die Straßennamen erinnern???), und dort haben die Viertel klassisch-orientalisch mit Decken überspannte Gassen. Diese jedoch habe ich nicht so negativ in Erinnerung wie die in Sousse – es muss also doch an der allgemeinen Atmosphäre liegen...

Natürlich gibt es auch alle anderen erdenklichen Waren, zu Festpreisen, oder zum Er-Feilschen, und die Wege führen meistens ebenerdig voran. Alles in allem empfand ich die Medina Kairouans um ein Vielfaches ansprechender als die in Sousse, und ganz bestimmt ist sie auch nicht so überlaufen wie die in Tunis (um die wir bis heute einen großen Bogen geschlagen haben, da ja auch keine Notwendigkeit zu einem Besuch besteht). Auch sind die Händler in Kairouan meist nicht so aufdringlich wie in den Touristenhochburgen.
Ein Besuch lohnt ganz bestimmt, und sei es nur zum Bummeln und Schauen!

Außerdem findet sich in der Medina – neben weiteren, bedeutenden islamischen Bauten - die erste Moschee, die auf afrikanischem Boden gebaut worden ist: die Sidi-Oqba-Moschee. Es ist empfehlenswert, sich vor einem Besuch über die Gebetszeiten zu informieren, denn nur außerhalb dieser Zeiten hat man als Nicht-Moslem auch nur die Chance, mehr als den Innenhof besichtigen zu können. Ich habe mal gelesen, man käme ohne Eintrittskarte (vom Fremdenverkehrsamt) – als Nicht-Moslem - überhaupt nicht hinein – ich war leider zur Gebetszeit dort, aber ohne Eintrittskarte, und in Begleitung dreier Tunesier, und so wurde mir immerhin ein kurzer Blick in den auch schon beeindruckenden Innenhof gewährt. An Freitagen sollte man (immer vorausgesetzt, man ist Nicht-Moslem) die Moschee ohnehin ganz meiden, denn das ist der Haupt-Gebetstag, an dem viele Muslime zum Gebet extra die Moschee aufsuchen (ähnlich dem Sonntags-Gottesdienst der Christen).
Auch sollte man sich unbedingt taktvoll kleiden, das heißt, die Beine und Schultern sollten bedeckt sein - immerhin handelt es ich um ein Gotteshaus des Islam, und jeder fremde Glauben hat es doch verdient, dass man ihm zumindest den gebührenden Respekt zollt! Tut man dies nicht, so kann es auch außerhalb der Gebetszeiten passieren, dass einem der Einlass verwehrt wird...
Kairouan gilt als eine der Heiligen Stätten des Islam, und es will sogar die vierte in der Rangliste sein (Mekka natürlich Nr.1). Allerdings existiert eine Rangliste gar nicht wirklich, und so beansprucht zumindest Damaskus denselben Platz wie Kairouan.
Im Übrigen hält sich in etlichen Reiseführern hartnäckig das Gerücht, ein siebenmaliger Besuch dieser Moschee in Kairouan ersetze eine Pilgerfahrt nach Mekka (die Hadj ['ha:dsch - nur gehauchtes "d" und stimmhaftes "sch"!]. Ich habe diese Geschichte auch schon von einem tunesischen Reiseführer zu hören bekommen, jedoch die Normalbevölkerung - selbst wirklich gläubige Moslems! - weiß von dieser Ersatzregelung für die Hadj überhaupt nichts...

Auch einen Besuch wert ist der Kamelbrunnen, wie ich ihn nenne. Richtig heißt es Bir Barouta, und es handelt sich um einen Ziehbrunnen, der im OG eines Hauses ist (Kuppeldach). Als man mich dorthin brachte, konnte man mich den auch fast davon überzeugen, dass das Kamel grade Pause hätte. Ich glaubte die Story nicht, weil es doch im OG war – aber früher soll tatsächlich ein Kamel dort Dienst getan haben – mit verbundenen Augen, und immer im Kreis, das arme Tier. Ich frage mich, ob es wohl immer dort oben leben musste, oder ob es nach getanem Tagewerk die Treppe runter und morgens wieder hinauf steigen musste...
Der Brunnen stammt immerhin schon aus dem 17. Jahrhundert, und die Quelle, die ihn speist, hat angeblich der Stadtgründer und Heilige Oqba zum Sprudeln gebracht, als er an dieser Stelle Anno 671 einen Speer in den Boden gerammt hat. Man glaubt, der Brunnen habe eine direkte Verbindung zur Heiligen Quelle (Zem-Zem) in Mekka, und daher pilgern viele zum Bir Barouta, um an Heiliges Wasser Mekkas zu gelangen...


+++ Außerhalb der Altstadt +++

Außerhalb der Medina möchte ich unbedingt noch den Besuch der so genannten Barbiermoschee empfehlen. Dort liegt ein Weggefährte des Propheten Mohammed begraben, Sidi Sahab (manchen vielleicht auch als Abi Zoma bekannt). Dem Kuppelbau, in dem der Heilige ruht, angegliedert ist eine Medressa, was (Koran-)Schule bedeutet, und Einlass findet man durch den großen Hof, um welchen herum kleine Zimmer zu sehen sind. Wie ich heute weiß, sind das die Pilgerzimmer. Ein Ungläubiger darf wirklich eintreten, und gelangt bis vor die Tür der eigentlichen Grabstätte. Hätte ich den Mund gehalten und wie selbstverständlich meine Schuhe abgestreift, hätte mich der Wächter vielleicht sogar eingelassen. Aber ich wollte ja nicht wirklich einen Toten ehren, sondern war vorrangig von der Architektur des gesamten Bauwerkes regelrecht fasziniert! Schon alleine die Arkaden beim Betreten des ersten Hofes, und die prunkvolle Ornamentik, die schon außerhalb des Kernstückes zu sehen ist, wirklich beeindruckend...
Ach ja, wieso das Bauwerk Barbiermoschee genannt wird, ist mir ein Rätsel, denn soweit ich gehört habe, liegt der Barbier Mohammeds in Gabès begraben. Aber auch das klingt noch seltsam – zwei Gefährten Mohammeds, und beide in Tunesien bestattet - ?

Weiter empfehlen viele Reiseführer die Aghlabiden-Becken. Ich persönlich finde die nun wiederum nicht so beeindruckend, da ich halt Wasserbecken inmitten von einer Art Park nicht wirklich etwas abgewinnen kann. Da mögen diese zehnmal aus dem 9. Jahrhundert stammen und damals über 36 km aus den Bergen gespeist worden sein! Vielleicht war es früher beeindruckender, aber ich habe nur die restaurierte Version zu Gesicht bekommen. Da imponieren mir die Aquädukte selbst erheblich mehr – die stehen einfach noch im ganzen Land verteilt (hauptsächlich Region Zaghouan – Tunis) herum und sehen aus, als trotzten sie der Ewigkeit. Aber so zwei Wasserbecken – nein, nicht wirklich. Im Sommer wird der Ort wohl am ehesten von der Bevölkerung selbst frequentiert, im Ersuchen nach ein wenig kühlerer Luft...
Ich denke, wenn man diesen Punkt in Kairouan überspringt, dann hat man aber nicht wirklich etwas verpasst!



=== CONCLUSION ===


Ich war nur zwei Mal recht kurz in Kairouan:
Einmal im Rahmen einer dreitägigen Jeepsafari (habe darüber schon berichtet), und beim zweiten Mal privat mit tunesischen Bekannten, für einige Stunden - an einem grässlich heißen Junitag. Die Zeit hat aber ausgereicht dafür, dass ich gerne noch einmal hin möchte. Dann aber bitte, wenn es kühler ist, und wenn möglich, gleich für zwei oder drei Tage, und dann auch nur mit meinem Männe. Er kennt diese Stadt nämlich noch gar nicht!

Einige werden sicher Tipps von mir zur Verköstigung erwartet haben – aber zum Essen dort war ich von Privat eingeladen, weiß also wirklich gar nichts dazu zu berichten. Einzig in ein Café hat man mich geschleppt, welches absolut gar nichts Besonderes an sich hatte. Nur, dass es dort einen Ventilator gab, der etwas Kühlung verschaffte *lach*

Alles in Allem ist eine Stadtbesichtigung Kairouans wohl an einem Tag zu schaffen, an zweien aber bestimmt, falls man sich nicht jede noch so kleine Heiligengedenkstätte usw. anschauen möchte. Und da liegt denn wohl auch der Hund begraben, will sagen, der Grund dafür, dass der Tourismus bisher im Wesentlichen an Kairouan vorübergegangen ist. Es kommen halt meist nur Ausflugsbusse durch, und die wenigsten bleiben bestimmt zum Übernachten dort.

Einerseits ein Segen, denn so ist vieles ursprünglicher als dies in den Badeorten der Fall ist. Aber andererseits auch ein Fluch, denn somit zählt die Gegend um Kairouan auch als eine der ärmsten Tunesiens, und Unzählige versuchen in den Touristenhochburgen ihr Glück bei der Arbeitssuche...

©saida/20.02.2004
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P.S.: Das mit der Überschrift stimmt – die Bewohner sollen einmal tatsächlich eine Eingabe gemacht haben, es sei ungerecht, dass sie in dieser Klimazone ohne Meer leben müssten, und ob man da nicht eines bauen könne... *schmunzel*

[Wer ansonsten Lust verspürt, mehr über Land und Leute zu erfahren, und zwar Dinge, die man eher selten in Büchern findet, und die auch nicht unbedingt jeder Reiseleiter weiter gibt, der wird beim Durchstöbern meiner Berichte ganz bestimmt fündig! :o)]

11 Bewertungen, 2 Kommentare

  • m0gli

    14.01.2007, 15:49 Uhr von m0gli
    Bewertung: sehr hilfreich

    ich habe ja Kaioruan nur auf dem Rückweg von der Wüstentour besucht und da reichte die Zeit nur um von einer Dachterrasse ein Blick auf die Moschee zu werfen. Daher sehr interessanter Bericht für mich

  • MissyEllie

    06.12.2005, 12:40 Uhr von MissyEllie
    Bewertung: sehr hilfreich

    Du hast Dir sehr viel Mühe bei dem Bericht gegeben. Ich war auch schon zweimal in Kairouan und finde es ist immer einen Besuch wert. <br/> <br/>Vielleicht kennst du ja auch die Geschichte von der Moschee die angeblich der Prophet Mohamed für seinen Friseur