Kanzlerkandidat Edmund Stoiber Testbericht

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Erfahrungsbericht von Swinja

Edi will nach oben: der Schuster und seine Leisten

Pro:

Nun gut, er ist vielleicht ein besserer Kandidat als Angie.

Kontra:

Aber ich halte ihn für einen Kleingeist, den der Ehrgeiz nach oben gepackt hat.

Empfehlung:

Nein

Ich kann mich noch gut an ihn erinnern. Wie ein Monument aus der Urzeit stand er, ein Bulle von einem Mannsbild, hinter seinem Rednerpult, hieb mit den Fäusten auf die Tischplatte und zerhieb „die in Bonn“ mit rhetorischen Vorschlaghämmern in kleine Stücke. Die Rede ist von Franz Josef Strauß, der damals – 1978 – unbedingt Bundeskanzler werden wollte.
Wohl selten hatte sich soviel Einsatz so wenig gelohnt. Der derbe krachlederne Wahlkampfstil verschreckte viele Wähler, und Gewinner war stattdessen die mit moderaten Tönen auftretende FDP.
Nachdem sich der weißblaue Löwe die Wunde geleckt und trotzig erklärt hatte, er werde auch weiter an der Macht in Bayern bleiben, war das Thema auf Jahre hinaus nicht mehr aktuell. In Bonn sollten bis auf weiteres Nichtbayern regieren.
Dass sich „Edi“, der Mann mit dem Charme eines Rasiermessers und der Gemütlichkeit eines Aufnahmesaals der Gerichtspathologie, nun versucht, ist ein hochriskantes Spiel. Gut, er hat einige Trümpfe im Ärmel. „Sein“ Bundesland ist etwas, was man vorzeigen kann – die Eckdaten in Sachen Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Finanzen, innere Sicherheit sind sehenswert. Und daß ein bayrischer Ministerpräsident seit Jahren schon mit „absoluter Mehrheit plus X“ regiert, ein bissel stolz darauf sein kann er ja auch.
Die Frage ist eher, ob ein Dampfschiffahrtskapitän vom Chiemsee auch den Strumfluten des Blanken Hans gewachsen ist. Und ob man Deutschland so regieren kann wie eines seiner Bundesländer. Der Unterschied liegt ja nicht nur in der Größe. Es ist ein offenes Geheimnis, daß in der faktischen Einparteienherrschaft Bayerns Opposition etwas anders funktioniert als auf Bundesebene. Und daß die politische Arbeit hinter den Kulissen ebenfalls anders läuft. Will sagen: wer Bayern gut regieren kann, kann in NRW oder Niedersachsen grandios scheitern. Für Deutschland, das sogar noch etwas komplexer ist als nur die Summe aller Bundesländer – schließlich betreibt ein Bundesland keine internationale Außenpolitik - gilt das erst recht.
Abgesehen davon, dürfte es seitens der Wählerschaft ganz leichte Vorbehalte gegen „Fallbeil-Ede“ geben. Die Erinnerung an den derben polternden Kanzlerkandidaten FJS ist nur ein Teil davon. Aber die meisten bisherigen deutschen Regierungschefs waren nun doch eher Personen, die auf eine diffuse Art als „gesamtdeutsch“ empfunden werden konnten – abgesehen vielleicht von Helmut Schmidt, der in Person, Benehmen und Sprache eher wie ein Symbol seiner nach Salzwasser riechenden Heimat wirkte. Ein bayrischer Politiker dagegen – und das hängt mit dem betonten Partikularismus Bayerns auch ein bißchen zusammen – wird im Rest der Republik zuallererst als Bayer empfunden, und erst in zweiter Linie als jemand, der auch irgendwie zur Gesamt-BRD gehört. Berechtigt oder nicht, aber daran kann der immer etwas hölzern wirkende Mann aus München letztendlich scheitern.
Auch wenn man die bevorstehende Wahl mit Blick auf die Parteien bewertet, bleibt ein eher schales Bild. Gut, die Regierung hat nicht viel gehalten von dem, was sie versprach. Allerdings ist die Union die Partei, die vorher 16 Jahre lang regierte, und eigentlich eher derjenige ist, der die Suppe eingebrockt hat, die in Berlin gerade ausgelöffelt wird. Warum ausgerechnet die Union in vier Jahren Opposition die Eier des Kolumbus gefunden haben soll, ist mir persönlich schleierhaft.

Insgesamt habe ich den Eindruck, daß sich die Union mit diesem Kanzlerkandidaten keinen rechten Gefallen getan hat. Und er sich selbst eigentlich auch nicht. Wo immer dieser Mann hinpaßt: das internationale Parkett, auf dem er in Berlin landen wird, ist es nicht.

Meine Prognose für die Wahl (das ist nicht mein persönliches Wahlverhalten): Verluste für die Grünen, wenig Auftrieb bei der Union, Punktgewinne bei FDP und PDS. Und Schröder, der bessere und gewandtere Medienmann, bleibt Kanzler. Knapp, aber ja.

23 Bewertungen, 6 Kommentare

  • LosGatos

    07.06.2002, 21:33 Uhr von LosGatos
    Bewertung: sehr hilfreich

    hoffentlich hast du recht :-)

  • Testfuchs

    12.03.2002, 06:27 Uhr von Testfuchs
    Bewertung: sehr hilfreich

    Genau meine Meinung... Besonders gut gefällt mir: Gemütlichkeit eines Aufnahmesaals der Gerichtspathologie *g*

  • maertens

    12.03.2002, 00:11 Uhr von maertens
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gottseidank besteht die Republik nicht nur aus Bayern, sonst würde ich auswandern. Und Eddi ist einer der scheinheiligsten Politiker, die ich je sah.

  • Irve71

    08.03.2002, 21:11 Uhr von Irve71
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hi, genau, lass uns bei Schrödi bleiben! Liebe Grüße, Irve

  • anonym

    08.03.2002, 21:07 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Na, hoffentlich gewinnt die CDU/CSU die Wahl nicht, wenn ich nur schon dieses scheinheiligen Affen sehe ...

  • AliAsAliAs

    08.03.2002, 21:02 Uhr von AliAsAliAs
    Bewertung: sehr hilfreich

    is nicht so ganz mein Fall. gruß vom alias