Erfahrungsbericht von Swinja
Edi will nach oben: der Schuster und seine Leisten
Pro:
Nun gut, er ist vielleicht ein besserer Kandidat als Angie.
Kontra:
Aber ich halte ihn für einen Kleingeist, den der Ehrgeiz nach oben gepackt hat.
Empfehlung:
Nein
Wohl selten hatte sich soviel Einsatz so wenig gelohnt. Der derbe krachlederne Wahlkampfstil verschreckte viele Wähler, und Gewinner war stattdessen die mit moderaten Tönen auftretende FDP.
Nachdem sich der weißblaue Löwe die Wunde geleckt und trotzig erklärt hatte, er werde auch weiter an der Macht in Bayern bleiben, war das Thema auf Jahre hinaus nicht mehr aktuell. In Bonn sollten bis auf weiteres Nichtbayern regieren.
Dass sich „Edi“, der Mann mit dem Charme eines Rasiermessers und der Gemütlichkeit eines Aufnahmesaals der Gerichtspathologie, nun versucht, ist ein hochriskantes Spiel. Gut, er hat einige Trümpfe im Ärmel. „Sein“ Bundesland ist etwas, was man vorzeigen kann – die Eckdaten in Sachen Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Finanzen, innere Sicherheit sind sehenswert. Und daß ein bayrischer Ministerpräsident seit Jahren schon mit „absoluter Mehrheit plus X“ regiert, ein bissel stolz darauf sein kann er ja auch.
Die Frage ist eher, ob ein Dampfschiffahrtskapitän vom Chiemsee auch den Strumfluten des Blanken Hans gewachsen ist. Und ob man Deutschland so regieren kann wie eines seiner Bundesländer. Der Unterschied liegt ja nicht nur in der Größe. Es ist ein offenes Geheimnis, daß in der faktischen Einparteienherrschaft Bayerns Opposition etwas anders funktioniert als auf Bundesebene. Und daß die politische Arbeit hinter den Kulissen ebenfalls anders läuft. Will sagen: wer Bayern gut regieren kann, kann in NRW oder Niedersachsen grandios scheitern. Für Deutschland, das sogar noch etwas komplexer ist als nur die Summe aller Bundesländer – schließlich betreibt ein Bundesland keine internationale Außenpolitik - gilt das erst recht.
Abgesehen davon, dürfte es seitens der Wählerschaft ganz leichte Vorbehalte gegen „Fallbeil-Ede“ geben. Die Erinnerung an den derben polternden Kanzlerkandidaten FJS ist nur ein Teil davon. Aber die meisten bisherigen deutschen Regierungschefs waren nun doch eher Personen, die auf eine diffuse Art als „gesamtdeutsch“ empfunden werden konnten – abgesehen vielleicht von Helmut Schmidt, der in Person, Benehmen und Sprache eher wie ein Symbol seiner nach Salzwasser riechenden Heimat wirkte. Ein bayrischer Politiker dagegen – und das hängt mit dem betonten Partikularismus Bayerns auch ein bißchen zusammen – wird im Rest der Republik zuallererst als Bayer empfunden, und erst in zweiter Linie als jemand, der auch irgendwie zur Gesamt-BRD gehört. Berechtigt oder nicht, aber daran kann der immer etwas hölzern wirkende Mann aus München letztendlich scheitern.
Auch wenn man die bevorstehende Wahl mit Blick auf die Parteien bewertet, bleibt ein eher schales Bild. Gut, die Regierung hat nicht viel gehalten von dem, was sie versprach. Allerdings ist die Union die Partei, die vorher 16 Jahre lang regierte, und eigentlich eher derjenige ist, der die Suppe eingebrockt hat, die in Berlin gerade ausgelöffelt wird. Warum ausgerechnet die Union in vier Jahren Opposition die Eier des Kolumbus gefunden haben soll, ist mir persönlich schleierhaft.
Insgesamt habe ich den Eindruck, daß sich die Union mit diesem Kanzlerkandidaten keinen rechten Gefallen getan hat. Und er sich selbst eigentlich auch nicht. Wo immer dieser Mann hinpaßt: das internationale Parkett, auf dem er in Berlin landen wird, ist es nicht.
Meine Prognose für die Wahl (das ist nicht mein persönliches Wahlverhalten): Verluste für die Grünen, wenig Auftrieb bei der Union, Punktgewinne bei FDP und PDS. Und Schröder, der bessere und gewandtere Medienmann, bleibt Kanzler. Knapp, aber ja.
23 Bewertungen, 6 Kommentare
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07.06.2002, 21:33 Uhr von LosGatos
Bewertung: sehr hilfreichhoffentlich hast du recht :-)
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12.03.2002, 06:27 Uhr von Testfuchs
Bewertung: sehr hilfreichGenau meine Meinung... Besonders gut gefällt mir: Gemütlichkeit eines Aufnahmesaals der Gerichtspathologie *g*
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12.03.2002, 00:11 Uhr von maertens
Bewertung: sehr hilfreichGottseidank besteht die Republik nicht nur aus Bayern, sonst würde ich auswandern. Und Eddi ist einer der scheinheiligsten Politiker, die ich je sah.
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08.03.2002, 21:11 Uhr von Irve71
Bewertung: sehr hilfreichHi, genau, lass uns bei Schrödi bleiben! Liebe Grüße, Irve
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08.03.2002, 21:07 Uhr von anonym
Bewertung: sehr hilfreichNa, hoffentlich gewinnt die CDU/CSU die Wahl nicht, wenn ich nur schon dieses scheinheiligen Affen sehe ...
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08.03.2002, 21:02 Uhr von AliAsAliAs
Bewertung: sehr hilfreichis nicht so ganz mein Fall. gruß vom alias
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