Kir Royal (DVD) Testbericht

„Ich bin dir einfach über.
Gegen meine Kohle
hast du einfach keine Chance.

Begreifst du das denn nicht, mein Junge?
Mensch, Baby, Junge, ich will doch nur
dein Freund sein.

Und jetzt
sag’ Heini zu mir.“

(Klebstoff-Fabrikant Heinrich Haffenloher zu Klatschkolumnist Baby Schimmerlos)



„Wer reinkommt, ist drin“ – aber wer reingekommen ist, war eben schon vorher drin. In der Münchner Schickeria nämlich, und wer drin sein will, muss auch in sein. Nur wer zu den „In People“ gehört, dem öffnen sich auch automatisch die Türen zu den Lokalen, die „in“ sind – und welche gerade „in“ sind, das hängt nicht zuletzt davon ab, ob sie sich in der Berichterstattung der der Münchner Allgemeinen Tageszeitung wiederfinden. Und ob sie „drin“ sind in der „MATZ“, das entscheidet vor allem Gesellschaftsreporter Baby Schimmerlos (Franz-Xaver Kroetz).

Das wird auch Direktor Heinrich Haffenloher (wunderbar: Mario Adorf) schmerzlich bewusst, der in der ersten Folge von Helmut Dietls („Schtonk“) TV-Serie aus dem Jahre 1986 alle Hebel in Bewegung setzt, um selbst einmal in Schimmerlosens Schickeria Klatsch-Kolumne genannt zu werden.

Haffenloher hat es zu etwas gebracht, wie man so schön sagt. Im Laufe eines langen Arbeitslebens hat er sein Unternehmen an die Spitze der Klebstoff produzierenden Industrie gebracht. Nun will er endlich auch einmal die Früchte seiner Arbeit genießen und, wie er sich auszudrücken beliebt, „mal so richtig die Sau rauslassen“. Man ahnt es bereits: Haffenloher ist ein Menschenkind mit gehörig Sinn fürs Bodenständige. Einer, dem ein anständiges Pils eher liegt als das Modegetränk „Kir Royal“, das er nicht einmal dem Namen nach kennt. Mit anderen Worten: ein Provinzheini, der bei den Oberen Zehntausend an der Isar nichts verloren hat.

Da mag Reporter Schimmerlos noch so sehr über seine Verhältnisse leben und Haffenloher noch so sehr mit den großen Scheinen winken, es ändert doch nichts daran, dass man sich in den Dunstkreis von Edelfeder Schimmerlos halt nicht so einfach einkaufen kann. Es hilft ja noch einmal, jemanden zu kennen, der Schimmerlos kennt. Sogar seinen Freund, den Fotografen Herbie Fried (Dieter Hildebrandt), lässt er abblitzen: das Dekolleté irgendeiner dahergelaufenen Blondine ins Blatt hieven? So weit kommt’s noch – da könnte ja wirklich jede kommen! Man muss das verstehen: schließlich wird Schimmerlos auch so schon genügend umschwirrt von irgendwelchen Möchtegern-Adabeis. Freundin Mona (Senta Berger) hat da zwar schon sehr viel weniger Berührungsängste, aber von deren Einwänden, das gute Leben wolle halt auch finanziert sein, will Schimmerlos nichts wissen.

Klebstoff-Fabrikant Haffenloher indes setzt genau hier den Hebel an: Schimmerlos mag sich ja spröde geben – aber vielleicht findet er mit seinem Anliegen ja Gehör bei Friederike von Unruh (Ruth Maria Kubitschek), der die Münchner Allgemeine Tageszeitung gehört? Der lokale Tratsch und Klatsch mag ja die Auflage steigern, aber wer wollte bestreiten, dass die Buchhaltung sich eher fürs Anzeigengeschäft als für Promiklatsch interessieren muss … ?

„Wer reinkommt, ist drin“ ist zwar nur die erste von insgesamt sechs „Kir Royal“-Folgen, aber es ist eben die, die mir auch inhaltlich am besten in Erinnerung geblieben ist: Mario Adorf als rheinische Rohnatur, die mal so richtig was erleben will, habe ich auch in der x-ten Wiederholung noch gern gesehen. Wenn Haffenloher Herausgeberin von Unruh per nächtlichem Anruf unter Druck zu setzen versucht, prallen wirklich Welten aufeinander: „Der Schimmerlos, dat is’ doch Ihr Knecht, oder!?“ knarzt Adorf da zum Beispiel ungehobelt-unverblümt ins Telefon, und Ruth Maria Kubitschek darf erst einmal etwas pikiert dreinschauen.

Wie Adorf, mal jovial, mal drohend, mal Mitleid heischend ums Vorzeigefoto in der Spalte mit den Reichen und Berühmten der Schickeria barmt, ist für mich einer der Höhepunkte der Serie, aber auch die anderen fünf Episoden sind für mich ungetrübtes „Wiedersehen macht Freude“-TV.

Hier stimmen Drehbuch, Regie und Besetzung (die illustre Besetzungsliste, die sich in der Datenbank imdb.com findet, ist wirklich zu umfangreich, als dass eine Wiedergabe an dieser Stelle viel Sinn hätte) – sehr zur Freude eines jeden Zuschauers mit Sinn für galligen Humor.

Wieviel von dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, der uns in „Kir Royal“ begegnet, geradewegs aus der Münchner Szene-Wirklichkeit entlehnt ist, wo lediglich satirisch überhöht worden ist und was frei erfunden sein mag, kann ich zwar nicht beurteilen; aber man muss sicherlich auch nicht zur High Society gehören, um seinen Spaß an der Satire auf die Gepflogenheiten der Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft zu haben.

Ich habe mich jedenfalls über ein Wiedersehen gefreut und mir das Digipack mit der kompletten Serie gleich nach Erscheinen zugelegt. Kléiner Wermutstropfen: Es hat nicht lange gedauert, bis die sechs Folgen neu aufgelegt wurden -- zusätzlich zu den 3 DVDs gibt's in der4 neuen Fassung noch die Musik zum Film als Dreingabe auf einer eigenen Audio-CD; und günstiger als die Erstauflage ist die Box natürlich auch. Ich werde es aber bei meiner Fassung bewenden lassen. Die reicht mir, zumal ich nicht glaube, dass man für die neue Auflage die Qualität des etwas flauen Bildes in die Höhe geschraubt oder die DVds mit erwähnenswertem Bonusmaterial ausgestattet hat.