BenQ-Siemens M65 Testbericht

Wie das bei Neuverträgen mit Providern so ist, durfte ich mir bei Abschluss ein subventioniertes Gerät aussuchen. Meine Wahl fiel auf den Nachfolger des legendären ME45 Outdoor-Knochens: Das M65. Diese Wahl hatte viele Väter, zum Einen hatte ich mit Nokia bislang immer Pech gehabt und die Geräte entweder kaputt gespielt oder verloren, zum anderen hatte ich ganz gute Connections zu Siemens selbst und konnte das M65 daher bereits testen, als es noch weit davon entfernt war, auf den Markt zu kommen. Immerhin 89.- Euro verlangte T-Mobile (selbst mit Vertrag) Mitte 2004 dafür.

[ Überblick ]
Die grausilberne ("cool-grey") Outdoor-Variante mit den ebenfalls eisgrauen Gummierungen ist derzeit ein T-Mobile exclusive, das heißt, in dieser Farbversion ist das M65 nur beim Rosa Riesen zu erhalten (sonst oranger Joystick und Applikationen). Technisch gesehen unterscheidet sich das M65 nur in Sachen der freigeschalteten Software von seinen Brüdern, die von anderen Providern angeboten werden. Die Differenzen betreffen hauptsächlich die Voreinstellungen und das Mapping des jeweiligen Dienstanbieters. Im Prinzip ist das jedoch wurscht - Kleinigkeiten.

Das M65 kann als Triband (GSM 900/1800/1900) auch in Nordamerika verwendet werden, das ist allerdings schon ein etwas selteneres Feature. Immer noch. Die restlichen Ausstattungsmerkmale sind heute fast überall Usus: hochauflösendes 13 cm² Farbdisplay, VGA-Kamera, polyphones Geklingel, Spielchen, SMS/MMS und GPRS/WAP gehören in das Pflichtenheft eines modernen Handys, soll es am Markt erfolgreich sein. Zugegeben: heute muss es auch noch MP3-Files abspielen und Kaffee kochen können - davon ahnte man vor wenigen Jahren noch nicht viel.

[ Featuritis ]
Alle Segnungen eines Mobiltelefons hier verbal mit Handschlag zu begrüßen, ist Unsinn. Ich brauche keinem sagen, wie er eine SMS/MMS (mit oder ohne T9-Wörterbuch) verschickt oder ein Telefon bedient, auf dass man mit dem Gesprächspartner unfallfrei ein Telefonat führt. Viele Funktionen sind auch vom Dienstanbieter und dem individuellen Kartenvertrag abhängig. Das steht alles haarklein in der Bedienungsanleitung, der Website von Siemens und noch mal in dem netten Anschreiben, welches man vom Provider für gewöhnlich zusammen mit seiner SIM und den Vertragsdaten bekommt. Abgehakt.

Vor den Einsatz haben die Siemensianergötter den Schweiß gesetzt. Das Telefon ist in der Outdoor-Variante noch nicht vollständig zusammengebaut, doch keine Panik - Ein Ingenieurstudium der Elektrotechnik ist nicht Voraussetzung, jeder der innerhalb von 2 Minuten den Bausatz eines Überraschungseis schmerzfrei ohne Bauanleitung zusammensetzen kann ist schon qualifiziert. Zum Schummeln gibt’s für Grobmotoriker auch noch eine Step-by-Step Schemazeichnung. Zuerst sind logischerweise SIM und Akku einzusetzen.

Tipp: Achtung Stolperfalle! Die SIM bekommt man so ohne weiteres nicht mehr aus dem Gerät gepult, wenn sie einmal eingesetzt ist. Wer öfter das Handy/SIM wechselt, tut gut daran einen schmalen Tesastreifen auf die Rückseite der Karte zu kleben. Leicht überstehend. Als eine Art Reißleine, ansonsten drohen laute Flüche und abgebrochene Fingernägel und elektronische Bauteile.

Auf die diversen Dichtungen und Stopfen könnte man getrost verzichten (dann stellte sich aber die Frage warum man ausgerechnet das M65 überhaupt erst gekauft hat), bei der Kamera hat man die Wahl zwischen einer Gummiabdeckung und einem Kunststoffring für das offene Objektiv an der Rückseite. Den Aluminium-Rahmen MUSS man jedoch montieren. Erstens sieht das Handy ohne vollkommen bescheuert aus. Zweitens kriegt man ohne ihn den Batteriefachdeckel nicht richtig geschlossen. Der hierfür (selbst) anzubringende Knebel säße zu locker.

[ Gehirnwäsche ]
Nach der Montage und der PIN-Eingabe ist das M65 einsatzbereit, aber zumeist noch nicht auf den neuesten Stand. Er funktioniert natürlich, doch ein paar Bugs sind sicher noch drin, daher ist ein Update eine gute Idee. Muss man das machen? Nein – wer keine Probleme feststellt oder wem das zu knifflig ist, der lässt die Finger davon. Never touch a running system. Um sich dennoch anzeigen zu lassen, welche Softwareversion aufgespielt ist (und weitere Eckdaten über das Telefon zu erfahren), ist im Bereitschaftsmodus folgende Tastenfolge einzugeben:

[*] [#] [0] [6] [#]
(In Worten: Stern – Raute – Null – Sechs – Raute)

Nach Eingabe der letzten Raute öffnet sich das Menü mit den internen Telefon-Informationen automatisch. Mit der Option "Mehr" erscheint eine ganze Latte mehr oder weniger interessanter Internals, wie IMEI, Produktionsdatum, genauer Telefontyp mit Revisionsnummer, Softwareversion, deren Datum und einiger anderer Angaben, die aber für den User nicht so von Bedeutung sind. Jedenfalls für Nicht-Programmierer.

Von Belang ist die Softwareversion, die Telekom lieferte bei Modellen mit Produktionsdatum bis einschließlich Juli 2004 das M65 noch mit der uralten 06er-Version aus. Meins auch. Aktuell ist jedoch derzeit mindestens die 14er oder die 16er Version. Ein Update sollte vorgenommen werden, denn die ältere Software hat diverse, kleinere Bugs. Man kann es selbst machen, doch ist das nicht ganz ohne, denn man kann sich das Telefon bzw. das Betriebssystem damit ganz erstklassig zerschießen. Oder man dackelt vertrauensvoll zu seinem Provider – die Telekom etwa erneuert die Software ihrer Kunden in jedem qualifizierten T-Punkt. Mittlerweile ist dieser Service leider kostenpflichtig.

Wer es dennoch selbst wagen will, sei darauf hingewiesen, dass das Handy a) einen randvollen Akku hat b) Ein Datenkabel vorhanden sein muss c) die erforderliche MPM-Software auf dem PC installiert ist d) allebisherigen Daten zuvor als Backup auf dem PC gesichert werden. Nach Start der Datenübertragung heißt es: Finger weg! Bis der Computer meldet, dass das Update erfolgreich gelaufen ist und man das Gerät nun wieder benutzen darf. Das dauert bis zu 20 Minuten! Es kann unter Umständen sein, dass persönliche Einträge allesamt gelöscht wurden – also sind diese nach dem Update vom (dringend anzuratenden!) PC-Backup wieder aufs Handy zu überspielen.

[ Kraftwerk ]
Serienmäßig wird eine 750 mAh Lithium-Ionen Batterie ausgeliefert, das ist löblich, auch wenn NiMH-Powerpacks heutzutage qualitativ sehr gut sind, so ist ein Li-Ion immer noch das Maß aller Dinge. Besonders dann, wenn ein Handy viele stromfressende Spielereien aufzuweisen hat. Die vollständige Ladung ist nach 2 Stunden erreicht und hält trotz des ganzen schnickschnacks recht lange vor. Siemens gibt eine reine StandBy Zeit von 220 Stunden an - etwas hochgegriffen, doch locker eine Woche hält das Teil im reinen Bereitschaftsdienst doch aus.

Die Gesprächszeit ist mit 4 Stunden angegeben. So lange telefoniere ich ehrlich gesagt nie. Fakt ist, dass Gespräche, GPRS-Verbindungen oder der Einsatz der Kamera die Laufzeit bis zur nächsten Aufladung - je nach Netzempfang - drastisch verringern können (und mit Sicherheit auch werden). In Zeiten mit vermehrtem Handyeinsatz liege ich persönlich im Schnitt bei einer Aufladung alle 3 bis 4 Tage. Ich bin allerdings ein ziemlicher Handymuffel, sollte ich fairerweise dazu sagen.

Tipp: Das Screensaverbildchen und der ganze Animationskram schlucken ne Menge Strom, mittels der "Energiesparfunktion" (Einstellungen --> Anzeige --> Screensaver) lässt sich die StandBy-Zeit um das Dreifache erhöhen (!), wenn man sie einschaltet.

[ What you see is what you get ]
Um Nina Hagen zu zitieren: "Alles so schön bunt hier!". Stolze 13 (in Worten: Dreizehn) Quadratzentimeterchen kann das Mäusekino vorweisen. Bei einer Auflösung von 132 x 176 Pixeln und einer Farbtiefe von 64k. Die Eckdaten der Kamera sind 480 x 640 Px, falls nun einer nölen sollte ich hätte die VGA-Auflösung der eingebauten Kamera unterschlagen, der hat hiermit hochoffiziell bewiesen, dass er den Text nicht gelesen, sondern nur abgeklickt hat (Ich bin ein Schwein, ich weiß! Doch ich bin es gern).

Vollkommen ausreichend also, um die ganzen Piktogramme und Texte darzustellen, die man damit auf den Schirm zaubern kann. Für die mitgelieferten (und selbstverfreilich auch für downloadbare) Spiele gilt das Gleiche: Hübsch anzusehen und gestochen scharf das Ganze. Lieder bringt ein verhältnismäßig großes und gutes Display nicht nur Freude. Es frisst Strom und ist durch seine Fläche potentiell kratzergefährdet. Schon kurios bei einem Outdoor-Handy...

Die Menüs lassen sich in Grenzen anpassen, was Themen angeht. Themen heißt in diesem Fall das gleiche, wie beim Windows-PC: Man kann sich aussuchen, welches Schema die Oberfläche haben soll. Änderungen betreffen das Ein-/Ausschaltlogo, Screensaver, die generelle Farbgestaltung und teilweise bezieht das auch die Auswahl an Klingeltönen mit ein. 3 Themenpacks sind vorinstalliert, logischerdingens kann man das auch alles über den Haufen werfen und sich sein eigenes Look & Feel zusammenpfuschen oder man greift über das Internet auf weitere vorkonfigurierte (und oft kostenpflichtige) Themen-Downloads zurück.

Der Phantasie sind hier nur durch die Telefonrechnung Grenzen gesetzt. Das gilt natürlich auch für Klingeltöne oder Bildchen bzw. Logos. Um das Zeug aufs Handy zu schaufeln bedarf es entweder GPRS (an Bord - kostet aber pro heruntergeladenem Kilobyte) oder man kauft ein Datenkabel für den PC. Alternativ ein Dongle, dass Infrarot am heimischen Computer möglich werden lässt. Das M65 ist mit IrDa ausgestattet - Bluetooth glänzt (leider) durch Abwesenheit.

[ Das Runde drückt auf das Eckige ]
Ohne Tastatur läuft ja nix. Auch beim Handy nicht - dessen ist man sich jetzt auch bei Siemens bewusst und hat oben drauf einen Joystick fürs vereinfachte Navigieren gepackt. Das erleichtert so manche Eingabe immens und degradiert die eigentliche Tastatur für Grundfunktionen, Telefonie oder SMS. Trotzdem hat man bei diesem Modell - im Gegensatz zu früheren - seine Hausaufgaben besser gemacht. Die Tastatur lässt sich leicht und bequem bedienen - das war nicht immer so bei Siemens.

Die erhabene Form der Tasten sorgt dafür, dass man sie auch blind ertasten kann und endlich (!) haben die Knöppe auch mal einen vernünftigen Druckpunkt. Die üblichen Softkeys unter dem Display sind erhalten geblieben und ändern ihre Belegung nach Kontext. Dummerweise lassen sie sich nicht frei belegen, das ist aber nicht Siemens‘ Schuld, sondern das Branding von T-Mobile, dass die Umprogrammierung softwaremäßig nicht vorsieht. Inwieweit das Betriebssystem das erlaubt, variiert von Provider zu Provider.

[ Discographie ]
Schon lange bimmelts nicht mehr monoschrill sondern nicht weniger nervig polyphon. Das M65 weiß zwar mit MP3 nichts anfangen und auch ein Radio ist nicht eingebaut, doch immerhin kann man es mit WAV und MID Dateien füttern, die es zuhauf im Web für Lau abzugreifen gibt. Es muss nicht immer ein kostenpflichtiger Download per GPRS oder SMS/MMS sein. Empfehlenswert sind Stücke mit niedriger Sampling-Rate oder sehr kurze Tondateien, der Speicher des Telefons ist arg begrenzt. Zudem besteht die Möglichkeit mittels Voice Recorder Aufnahmen zu machen - quasi als kleines Diktiergerät – mit erstaunlicher Abspielqualität.

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen hat Siemens auch noch ne Lichtorgel spendiert. Richtig gelesen! "Dynamic Light" nennt sich diese Funktion (zwei rote Dioden seitlich unter der Oberschale). Kann man aber ganz abschalten oder nur für bestimmte Anlässe aktivieren (etwa: Netzsuche, Anruf/SMS etc.). Als stiller Alarm sicherlich brauchbar, doch als (voreingestellter) Dauerzustand geht einem das ständige Geblinke dann doch rasch auf den Senkel.

[ Summa Brimborium ]
Sehr stabiles, qualitativ hochwertiges und zudem hübsch anzusehendes Allroundgerät, dass kaum Wünsche offen lässt. Schade nur, dass kein Headset im Basis-Lieferumfang enthalten war, das hätte die Serienausstattung sinnvoll ergänzt. Optional gab es auch mal ein Bike-O-Meter und diversen anderen Kram dazu, den niemand wirklich braucht. Alles in allem macht man mit dem M65 sicher nichts falsch, sofern man nur telefonieren will. Verzichten muss man bei diesem Outdoor-Gerät natürlich auf allerhand moderne Segnungen in Sachen Multimedia. Keine externe Speicherkarte, kein MP3, kein Bluetooth - also definitiv nix für Leutchen, die immer das Aktuellste haben müssen.

So Long

Der Falsch-Verbunden-Pharao