Velorex 562 Seitenwagen Testbericht

Velorex-562-seitenwagen
ab 20,11
Auf yopi.de gelistet seit 09/2003

5 Sterne
(0)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von Allgäuer

Das dritte Rad ist das billigste

Pro:

preiswert, komfortabel

Kontra:

Verbesserungen beim Fahrwerk dringend anzuraten.

Empfehlung:

Ja

Als ich mich Mitte der 90er um ein Motorradgespann bemühte war mir, als junger Familienvater klar, dass dieses Hobby nicht viel Geld kosten darf. Ich suchte mir also Informationen zusammen über alles was mit Motorradgespannen und Seitenwagen zu tun hatte. In den Preisregionen in denen ich suchte kam man damals am tschechischen Velorex 562 nicht vorbei. Mit einem Einstiegspreis von unter 1500 DM war der Velorex der billigste Beiwagen auf dem Markt. Wegen seines geringen Leergewichtes ist er ideal für kleinere und mittlere Motorräder, also genau meine Kragenweite. Dazu hatte er eine gefällige Form und es gab eine annehmbare Zubehörpalette. Der große Bruder, der Velorex 700 bot etwas mehr Kofferraum und ein geschlossenes Wetterverdeck, dafür war er optisch eine Beleidigung für den Betrachter

Als komplettes Gespann gab es den optisch adretten Tschechen zusammen mit der Jawa TS 350 zum Scnäppchenpreis von rund 5500 DM. Dafür bekam man ein Gespann mit einem Zweitakt-Twin der mit seinen 17 KW Leistung aus 350 cm³ eine Höchstgeschwindigkeit von fast 110 km/h erreichen sollte. Heute gibt es den 562 an der MuZ und an der Kanuni MZ als Gespann zu kaufen. Der marktanteil hält sich allerdings in sehr überschaubarem Rahmen.

Ich entschied mich aber lieber für eine fast 10 Jahre alte Honda XBR 500 mit einem drangehängten Verlorex 562 zum selben Preis. Das ideale Gespann um das Fahren zu lernen, denn es war kippelig, zeigte heftige Lastwechselreaktionen und erforderte einen enormen Kraftaufwand im Arm- und Schulterbereich. Alles Dinge die nicht dem Seitenwagen angelastet werden können, sondern nur der sehr billigen Bauweise des Gespannfahrwerkes ohne Nachlaufverkürzung.

Wie kompliziert und schwierig das Gesapnnfahren ist habe ich bereits in einem eigenen Bericht geschrieben. Bei meiner ersten Fahrt zitterten mir so nach etwa 5 (im Worten: fünf) Kilometern die Hände, mir brannten die Muskeln im Schulter- und Nackenbereich und ich wollte nur noch absteigen. Auf was hatte ich mich da eingelassen? Aber keine Bange, mit etwas Übung ist das alles kein Problem.

Nun aber zur Technik:

Der Velorex ist ein gefälliger Seitenwagen mit einem GFK-Boot. Die Sitzbreite beträgt ca. 55 cm, es war eine hohe Winschutzscheibe montiert und am Heck blitzte ein verchromter Gepäckträger. Das Seitenwagenrad ist üblicherweise über einen Seilzug mit der Fußbremse des Motorrades verbunden und konnte so mitgebremst werden. Das Speichenrad mit der Bereifung 3,50 x 16 unterstreicht den oldtimerähnlichen Auftritt des Gespannes. Die mitglieferte Spritzdecke verhindert Wassereintritt beim leeren Seitenwagen.

Über den günstigen Preis vergißt man leicht die Nachteile des Velorex. Die einfache Bauweise und die knappe Kostenkalkulation lassen keinen Spielraum für eine Kofferklappe im Heck. Der kleine Stauraum ist nur zugänglich wenn der Passagier ausgestiegen ist und so die Sitzlehne nach vorne geklappt werden kann. Das kann auf Touren ganz schön nerven. Ablagemöglichkeiten existieren nicht und die Beleuchtung, die an einem Prügel auf der rechten Seite des Beiwagens befestigt ist, hat den Charme eines Vorschlaghammers. Das als Zubehör lieferbare Regenverdeck gleicht einer zerknüllten Tüte aus der die Frühstückssemmeln schon vor Jahren entfernt worden sind.

Aufgrund des geringen Gewichtes und der geringen Spurweite meines Gespannes waren zunächst besonders die Rechtskurven ein Problem. Ohne Ankündigung stieg der Seitenwagen und verlangte somit die volle Konzentration des Fahrers. Mit Passagier oder Gewicht auf dem Sitz wurde dem aufstrebenden Seitenwagen ein wenig mehr Gutmütigkeit verliehen. Nach einiger Übung machte das Fahrzeug wirklich Spass und konnte auch ohne Ballast flott bewegt werden. Und genau das ist es was die Faszination Gespann ausmacht.

Durch die hohe Scheibe und des bei Fahrt dahinter entstehenden Unterdrucks zog es langsamer Fahrt die Abgase des Motorrades in den Seitenwagen. Abhilfe konnte ich dadurch schaffen, dass auf dem Heckgepäckträger ein relativ großer Alukoffer montiert wurde, der den Luftstrom veränderte. Dadurch konnte auch das Kofferraum- und Ablageproblem gelöst werden.

Über den Komfort hat sich noch nie ein Passagier in meinem Velorex beschwert. Die für diese Größenordnung größzügigen Platzverhältnisse und der Federungskomfort fanden allgemein Anerkennung bei meinen Beifahrern. Der serienmäßige Sitz ist nicht besonders hochwertig, aber durchaus für einen 2-stündigen Aufenthalt geeignet. Das Regenverdeck ist von mir nicht getestet worden, weil ich diese mützenähnliche Konstruktion keinem Auge zumuten wollte.

Das Fahrwerk des Velorex ist wohl sein Schwachpunkt. Im Gegensatz zu dem 4-Punktanschluß, der eigentlich keine Wünsche offen läßt, geben Achsstärke und Radlager Anlaß zu bedenken. Nicht dass das Gespann nicht sicher auf der Straße liegen würde, aber hier ist genügend Raum für Verbesserungen. Es müssen ja nicht unbedingt die toleranzen an der alleruntersten Grenze angesiedelt sein. Aus diesem Grund, und natürlich weil der Osteuropäer im Prinzip eine gute Basis zum Aufbau eines Gespannes ist, werden von verschiedenen Firmen eine ganze Menge von Verbesserungen angeboten. Verstärkte Achsen, Kegelrollenlager, eine nachträglich eingebaute Einstiegsklappe, Scheibenbremse, Überrollbügel, usw. machen den Velorex besser, sicherer, schöner und auch für etwas stärkere Motorräder geeignet. Die Verarbeitung läßt in manchen Punkten trotzdem zu wünschen übrig. So kann es im Hinblick auf den sehr günstigen Preis als gerade noch akzeptabel gelten, wenn die Lackqualität nicht gerade erstklassig ist.

Fazit:
Der Velorex ist mit den 44 PS des XBR-Gespannes an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Das Gespann ist in dieser Konstellation extrem agil und wendig. Die gespanntypischen Reaktionen können hervorragend gewinnbringend eingesetzt werden.

Trotz des günstigen Preises ist der kleine Tscheche bis auf ein paar Kleinigkeiten eine gute Basis zum Aufbau eines einfachen Gespannes, wenn Kompromisse nötig und möglich sind. Seit meinen ersten 5 erschöpfenden Kilometern auf einem Gespann habe ich feststellen können, dass es schönere, bequemere, komfortablere, luxuriösere und auch größere und vor allen Dingen teurere Seitenwagen gibt, dass allerdings sündteure Luxusseitenwagen nicht automatisch mehr Spass machen.

33 Bewertungen