Die Apothekerin (DVD) Testbericht

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ab 7,74
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Erfahrungsbericht von w.gruentjens

Durch Morde zum Glück

Pro:

Rabenschwarze Komödie

Kontra:

deutsch, wenn man das als Nachteil empfindet

Empfehlung:

Ja

Die Apothekerin

Der Traum vom Glück, von Familie, Haus und Besitz, von Liebe, Beziehung, Kindern und Anerkennung – diesen Traum träumt und erfüllt sich die Apothekerin Hella (Katja Riemann). Aber dabei geht es nicht so ganz glatt: Nicht durch Berufserfolg und Fleiß findet sie ihr Glück, sondern durch Gift, Mord und Totschlag; ist doch das Normalste von der Welt, oder?

Wer einmal einen bissigen, sarkastischen, von schwärzestem Humor nur so strotzenden deutschen Film sehen will, dem kann ich die Apothekerin sehr empfehlen. Diesmal finde ich den Film sogar besser als das Buch.


INHALT

Hella, die spätere Apothekerin, war schon als Mädchen anders. Ob sie es einfach war, oder ob sie es durch die komische Erziehung wurde, wird im Film nicht ganz klar. Zwei Szenen werden dazu gezeigt, die das Rätsel aber auch nicht lösen.

In der einen Szene wird gezeigt, wie die Familie, nachdem der Vater Vegetarier geworden ist, in der Zeit seiner Abwesenheit kiloweise Schlachtplatten verdrückt – so übertrieben, dass es schon deutlich wird, dass es sich hier – wie bei fast allem im Film – um eine Übertreibung handelt. In der anderen Szene begeht sie dann ihren ersten Mord, weil sie einem Mitschüler, der ihr die Tür zuhält, dann aber durchs Schlüsselloch sieht, die Tür auf die Schläfe haut.

Ach nein, wie ich das schreibe, ist das alles viel zu ernst, so, als ob es ernst gemeint sei, dabei will die Autorin Ingrid Noll uns doch nur zeigen, wie man auf höfliche Weise als Frau durchs Leben kommt, auch wenn dabei die eine oder andere Leiche den Weg nach oben säumt.


Aber mit ihrer eigenen Eigenschaft – zum Morden zu neigen - ist es nicht genug: Sie trifft auch noch mit Leuten zusammen, die so übertrieben charakterisiert sind, dass der Endknall schon programmiert ist. In vorderster Front steht hier ihr Mann Levin, ein Zahnmedizinstudent, der hinter dem Geld seines Großvaters her ist – welcher aber trotz kleinerer Herzattacken immer noch am Leben bleibt. Levin ist das männliche Gegenstück zu Hella. Träumt sie von Liebe, Kindern, Haus und Familie und ist bereit, dafür auch die eine oder andere Leiche zu produzieren, so ist Levin davon überzeugt, dass das Vermögen seines Opas bei ihm viel besser aufgehoben wäre und dass man dem Großvater nur einen Gefallen täte, wenn man dem Sensenmann etwas auf die Sprünge hilft.

Der bald von Levin ermordete (?) Opa macht aber das Testament so, dass Hella das Geld erbt, damit sein Enkel es nicht verschleudern kann. Das ist Hella dann natürlich nur recht, denn so hat sie schon wieder einen Schritt nach oben gemacht. In einer Nebenrolle kommen auch Hellas Eltern zu Besuch, und sie bringen eine Uhr mit, die ein Geheimfach enthält – wunderbar zur Aufbewahrung von Giftfläschchen.

Auch die Haushälterin des Großvaters – eine hübsche, primitive, geile Person (Isabella Parkinson) und ihr Mann – köstlich: Ritchie Müller als Ex-Knacki Dieter – spielen noch eine bedeutende Rolle. Als Hella in der vielleicht frechsten Szene des Filmes erlebt, wie die Haushälterin Margot und ihr Mann es auf der Carrera-Bahn miteinander treiben, beschließt sie etwas. Und als Helma und die Haushälterin zusammen Fenster putzen, ergibt sich auch eine Gelegenheit. Auch ihr Mann und der Mann der Haushälterin, Dieter (Ritchie Müller) kommen Hella sehr in die Quere, als sie ihr mit einer vorgetäuschten Kautionssache viel Geld entlocken. Und dann gibt es da noch den Stammkunden in der Apotheke, der eine geisteskranke Frau hat, aber eigentlich Hellas Traummann wäre. Mal sehen, was man an der Situation noch ändern kann.


QUALITÄT

Diesen Film habe ich im Kino gesehen und dann noch zweimal im TV, und ich habe den Film, den ich für geistreich und gut gemacht halte, sehr genossen. Wer schon die Reife hat, diesen Film als schwarzen Humor zu nehmen und nicht als Empfehlung, seine ganze Familie umzubringen, der wird hier keine schlechte Wahl treffen.

Wenn ich den Film so lobe, dann liegt das daran, dass er einen so schwarzen Humor liefert, wie es in Deutschland eigentlich eine ausgesprochene Ausnahme ist; aber nicht nur deshalb, sondern auch, weil ich die Veränderungen gegenüber dem Buch, bei dem das Ende doch ein wenig lasch und bürgerlich ist, gut finde. Hier nämlich, im Film, ist es schon so, dass das Ende konsequent den Weg der Hella weiterverfolgt, dass das, was sich schon ankündigt, dann auch letztendlich erfüllt wird, dass das Schwarze in dem Film immer schwärzer wird, das Mörderische immer mörderischer, das Bizarre immer bizarrer.

Die Skurrilität wird oft auch durch Gegensätzlichkeiten unterstrichen. Wenn es um Schlägerei oder Mord geht, dann wird die Musik zum Herzerweichen romantisch – und diese völlige Disproportionalität soll auch dem unerfahrendsten Kinogänger sagen, dass es sich hier nicht um einen ernst gemeinten Kinofilm handelt, sondern um Humor – schwarzen Humor.

Die Regie von Rainer Kaufmann hat die Buchvorlage umgesetzt, nicht wörtlich, sondern verändernd, aber meiner Meinung nach positiv verändernd; man kann darüber aber auch anderer Meinung sein. Er hat es geschafft, mit solider Arbeit und guten deutschen Schauspielern eine rabenschwarze Komödie hinzustellen, die köstlich amüsieren kann und doch die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele offen zu legen weiß.


FAZIT

Rainer Kaufmann hat hier mit guten deutschen Schauspielern eine rabenschwarze Komödie produziert, in der gezeigt wird, wie eine emanzipierte Frau mit soliden mörderischen Mitteln den Weg zum Glück finden kann. Katja Riemann, Ritchie Müller und Isabella Parkinson liefern hier einen köstlich überzogenen mörderischen Film nach der – abgeänderten – Buchvorlage von Ingrid Noll, die sich ja schon öfter mit schwarzem Humor vorgetan hat.

Wer einen deutschen Film ertragen kann und wer schwarzen Humor liebt, der ist hier nicht falsch. Wer allerdings eine künstlerische Romanze oder ein episches Werk sucht, der wird hier nicht fündig werden.

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