High Fidelity (DVD) Testbericht

D
High-fidelity-dvd-komoedie
ab 32,25
Auf yopi.de gelistet seit 10/2004

5 Sterne
(6)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(1)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von wildheart

Die Leiden des jungen R.

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

„Ich glaube inzwischen, dass mein Bauch nur Scheiße im Kopf hat“, resümiert Rob Gordon (John Cusack) sein Leben, was heißt, vor allem sein Beziehungsleben, irgendwann gegen Ende seines autobiografischen Monologs, den er uns preisgibt. Rob wurde wieder einmal verlassen, von Laura (Iben Hjejle), die sich in einen anderen verliebt hat, sagt sie jedenfalls, den leicht psychopathischen Exoten Ian Raymond oder Ray oder wie er immer auch heißen mag (Tim Robbins), dessen Lustgestöhne Rob und Laura sich vor kurzem noch im Bett anhören mussten, denn Ian wohnte über den beiden. Ja, Rob resümiert, stellt Listen auf, nicht nur mit den besten Songs in der Sparte X oder Y seiner Lieblingsgruppen – Rob verkauft gebrauchte LPs in seinem nicht gerade von Durchgangsverkehr verwöhnten Laden irgendwo in Chicago –, sondern auch mit den Beziehungen seines noch nicht allzu langen Lebens: Sarah (Lili Taylor), Penny (Joelle Carter), Alison (Shannon Stillo) – und einige mehr. Und Rob meint, alle hätten ihn verlassen, obwohl das nicht ganz zutrifft. Charlie (Catherine Zeta-Jones), ja die hat ihn verlassen, weil ein anderer interessanter, agiler, hübscher und was weiß Rob denn war.

Rob leidet. Er hat immer gelitten, wenn es aus war, aber jetzt, da Laura gegangen ist, ihre Sachen in Etappen aus der Wohnung schleppt, leidet er mehr denn je. Er kann es nicht begreifen. Was veranlasst die Frauen, ihn zu verlassen? Laura berichtet ihrer Schwester: A) Als sie schwanger war, sei Rob mit einer anderen ins Bett gegangen, B) Sie habe Rob viel Geld geliehen und nicht wieder zurückbekommen, C) Rob könne über beider Probleme nicht reden. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit.

Rob leidet. Und irgendwann kommt er auf abstruse Schlussfolgerungen: „Habe ich Popmusik gehört, weil es mir schlecht ging, oder ging es mir schlecht, weil ich Popmusik gehört habe?“

Da können ihm auch seine zwei Mit-Verkäufer im Oldie-LP-Laden nicht helfen: Weder der zurückhaltende, schüchterne Dick (Todd Louiso), noch der überkandidelt selbstbewusste Barry (Jack Black, Leadsänger der Gruppe „Tenacious D“). Die kennen sich aus, aber nicht so sehr mit Frauen, eigentlich gar nicht mit Frauen, sondern mit Musikgruppen, Songs, Charts, Klassikern und weiß der Henker was allem, was mit Musik zu tun hat. Besonders Barry wird sauer, wenn irgendeiner daher kommt und ihm erzählen will, dass die Gruppe X besser sei als die Band Y. Da schmeißt er auch schon mal einen Kunden aus dem Laden, wenn er ihn für dämlich hält, was dessen Musikgeschmack oder -kenntnisse betrifft. Eigentlich wollten beide, Barry und Dick, nur ein paar Wochen bleiben. Jetzt sind es schon einige Jahre, die sie in Robs Laden der Kuriositäten verbringen. Was sollen sie auch sonst tun?

Rob erzählt uns seine Geschichte des Scheiterns. Rob ist kein Fanatiker wie Barry und Dick, Rob kennt keinen Fanatismus, Rob wartet nach der letzten Affäre nicht auf die nächste, auch wenn er aus Selbstmitleid nach Lauras Weggang hier und da Sex hat, zum Beispiel mit der hübschen Sängerin Marie (Lisa Bonet). Rob denkt sich aus, wie seine Traumfrau auszusehen hat: „Sie schreibt zu Hause Songs, fragt mich, was ich davon halte, und vielleicht nimmt sie ein paar unserer privaten Späße in ihre Texte auf.“

Im Grunde treibt Rob nur eines: Er will Laura wieder haben. Warum, weiß er selbst nicht so genau. Er fragt seine Verflossenen, was die Frauen dazu treibt, ihn zu verlassen. Eine verlässt wütend den Tisch im Restaurant, weil er es war, der sie verlassen hat, und nicht umgekehrt. Sie wollte nicht sofort mit ihm ins Bett.

„High Fidelity“ hat im Grunde keine Handlung. Stephen Frears („Mein wunderbarer Waschsalon“, 1985; „Gefährliche Liebschaften“, 1988; „Fish & Chips“, 1996) setzt auf Charaktere, die er wunderbar und mit einem ordentlichen Schuss Humor in Szene setzt. Den Ort der Geschichte verlegt er von England (so in der Romanvorlage von Nick Hornby) nach Chicago. Und auf seine Besetzung konnte sich Frears hundertprozentig verlassen. „High Fidelity“ ist die Zustandsbeschreibung eines Mannes, der nicht weiß, was er will, was ihn begeistert, welche Leidenschaften er hat. wo er sich verorten soll. Oder genauer: Er sucht in sich selbst danach. Er weiß nicht, was ihn an Laura wirklich fasziniert, warum er sie zurück haben will. Das erkennt er erst am Ende seines Leidensweges, den John Cusack mit einer starken Portion Humor füllt. Man hat Mitleid mit diesem Typen, der gerade um die Ecke wohnen könnte, aber man lacht auch über ihn. Cusack wird von einer gut gelaunten und exzellent spielenden Crew begleitet. Besonders Jack Black und Todd Louiso tragen zum Gelingen und zur Komik bei. Iben Hjejle überzeugt als enttäuschte Laura, und auch die Nebenrollen sind bestens besetzt.

„High Fidelity“ enthält wunderbare Szenen, etwa wenn Ian zu Rob in den Laden kommt, um „Konfliktlösung“ zu betreiben wegen Laura. Rob phantasiert diverse Reaktionen auf Ian – bis hin zur brutalen Schlägerei.

Rob ist Neurotiker, Dick und Barry sind Neurotiker – liebenswürdige Menschen, wie wir sie so oder ähnlich fast alle kennen. Frears gelingt es, mit seinen Hauptdarstellern dies überzeugend zu vermitteln. Aber Rob durchläuft auch eine Art „Genesungsprozess“: Seine Neurose nimmt ab, er kommt dahinter, warum er Laura wieder haben will. Und Laura? Film ansehen.

„High Fidelity“ ist eine moderne Mischung aus eingebildetem Kranken und Leiden des jungen Werther – allerdings ohne tragische Verwicklungen – , und Assoziationen zu Filmen von Woody Allen sind nicht von der Hand zu weisen. Filme wie „Soloalbum“ (2003) von Gregor Schnitzler wären nicht möglich ohne „High Fidelity“. Sie funktionieren, weil eine unmittelbare Nähe zu den Charakteren gegeben ist und die Figuren in Mimik, Gestik und Dialogen (oder oft Monologen) genau dafür sorgen, dass „Feeling“, Milieu, Mentalität, wie man es kennt, über die Kinoleinwand huschen. Der moderne, noch jugendlich, fast pubertär wirkende Großstadtneurotiker, hier nicht im jüdischen Milieu wie bei Allen, entfaltet in „High Fidelity“ seine ganze Kraft, um wenigstens ein bisschen erwachsen zu werden.

Wertung: 10 von 10 Punkten.

High Fidelity
(High Fidelity)
USA, Großbritannien 2000,113 Minuten
Regie: Stephen Frears

Drehbuch: D. V. DeVincentis, nach einem Buch von Nick Hornby
Musik: Liz Phair, Howard Shore, Bruce Springsteen
Director of Photography: Seamus McGarvey
Schnitt: Mick Audsley
Produktionsdesign: David Chapman, Thérèse DePrez, Larry Lundy
Hauptdarsteller: John Cusack (Rob Gordon), Iben Hjejle (Laura), Todd Louiso (Dick), Jack Black (Barry), Lisa Bonet (Marie DeSalle), Catherine Zeta-Jones (Charlie Nicholson), Joan Cusack (Liz), Tim Robbins (Ian Raymond), Chris Rehmann (Vince), Ben Carr (Justin), Lili Taylor (Sarah Kendrew), Joelle Carter (Penny Hardwick), Natasha Gregson Wagner (Caroline Fortis), Shannon Stillo (Alison Ashmore), Drake Bell (Rob Gordon)

Internet Movie Database:
http://german.imdb.com/Title?0146882

Weitere Filmkritik(en):
„Chicago Sun-Times“ (Roger Ebert) (4 von 4 Punkten):
http://www.suntimes.com/ebert/ebert_reviews/2000/03/033102.html

„Movie Reviews“ (James Berardinelli) (3 von 4 Punkten):
http://movie-reviews.colossus.net/movies/h/high_fidelity.html


© Ulrich Behrens 2003 für
www.ciao.com
www.yopi.de
www.dooyoo.de

36 Bewertungen, 1 Kommentar

  • XXLALF

    24.08.2010, 11:35 Uhr von XXLALF
    Bewertung: besonders wertvoll

    ich glaub die dvd haben wir auch, zumal mir der titel so bekannt vorkommt. nur gesehen hab ich den film bis dato noch nicht. ganz toll geschrieben, bw und ganz liebe grüße