Tote Mädchen lügen nicht (gebundene Ausgabe) / Jay Asher Testbericht

ab 7,39
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Summe aller Bewertungen
  • Handlung:  langweilig
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  durchschnittlich
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Stil:  ausschmückend

Erfahrungsbericht von LilithIbi

Möglichkeiten der Resignation.

5
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  durchschnittlich
  • Spannung:  sehr gering
  • Humor:  kein Humor
  • Stil:  durchschnittlich
  • Zielgruppe:  jedermann

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

„Es gibt nur ein kleines Postamt in der Stadt. Ich frage mich, ob es diesselbe Angestellte war, die auch die anderen auf der Liste bedient hat – diejenigen, die das Paket vor mir erhalten haben. Haben sie Quittungen als makaberes Souvenir behalten? Sie in ihren Wäscheschubladen versteckt oder an die Pinnwand geheftet? Fast hätte ich es mir anders überlegt. Fast hätte ich gesagt: „Entschuldigung, könnte ich doch die Quittung haben?“ Als Erinnerungsstück. Doch hätte ich ein Erinnerungsstück gewollt, hätte ich ebenso gut die Kassetten überspielen oder den Stadtplan aufheben können. Aber ich will diese Kassetten nie wieder hören. Hannahs Stimme werde ich sowieso nicht mehr loswerden.“
_(Zitat; S. 6-7)


~ Als Mitglied im Bertelsman Club muss ich bekanntlich im Jahr mindestens zwei Produkte kaufen. Im Dezember des vergangenen Jahres war es dann schließlich soweit, dass ich mir den monatelang vorgemerkten Kauf tätigte und mit unter Jay Asher's Roman

==Tote Mädchen lügen nicht==

zulegte. Nachdem das Buch nun eine ganze Weile ungelesen und noch eingeschweißt meinen nicht ganz so kippsicheren Stapel zierte, ist es nun vollbracht: der Klappentextaussage „Dieses Buch wird kein Leser weglegen!“ stimme ich eindeutig zu ~ nur für eine kurze Pause unterbrach ich die Lektüre der rund 280 Seiten.

Die _Story ist so einfach wie eindringlich: die High-School-Schülerin Hannah Baker nahm sich ihr Leben, nachdem sie eine außergewöhnliche Nachricht hinterlassen hat: auf 7 Kassetten erzählt Hannah von den Gründen, die sie zu ihrer Tat bewogen, von den Personen, die sie zu ihrer Entscheidung trieben. Hauptprotagonist ist neben der verstorbenen Hannah hier Clay, der sich die Postsendung anhört ~ um diese nach Beendigung an den nächsten auf der Liste weiterzuschicken.


==Die Umsetzung==

erinnert keineswegs an „Saw“, auch wenn dies mein persönlicher erster Gedanke war, als ich von dem Umstand der Aufzeichnungen hörte.
Der Autor offenbart im Umschlagstext, dass er dank einer Audioführung im Museum zu der Buchidee gelangte; die Stimme empfand er als so eindringlich, so dass der Weg zu seinem recht außergewöhnlichen Erzählweise nicht lang war.

Ein wenig verwirrt es anfänglich noch, sich an die Sprach-„Aufmachung“ zu gewöhnen; die aktuellen Geschehnisse, sprich das, was Clay gerade macht, werden quasi unterbrochen von dem Tonbandinhalt. Oder eher gesagt fast schon andersrum; den Hauptteil des Romans nimmt fast schon eher Clay's Sicht ein; obschon zweifelsohne sich alles um Hannah dreht.

Doof formuliert von mir, vom Autoren jedoch leicht verständlich umgesetzt. Wer einmal intus hat, dass alles kursiv geschriebene vom Tonband stammt und alles andere „lebendig“ ist, der verirrt sich nur noch selten. Mir mag es deswegen ein wenig schwer gefallen sein, weil ich kurz zuvor „Missing“ las, wo – wie gewöhnlich – die Gedanken derartig textlich hervorgehoben wurden.

Wie dem aber auch sei; im Buchladen wurde ich kurz stutzig, dass „Tote Mädchen lügen nicht“ unter der Kategorie „Junge Leser“ einsortiert war. Irgendwo hatte ich mir vorgestellt, ein „erwachseneres“ Werk vorzufinden; wobei der Anspruch hier keinesfalls zu wünschen übrig lässt. Und doch merkt man, dass sich die Veröffentlichung vorrangig an Jugendliche richtet; ohne dabei „zu leicht“ oder gar oberflächlich geschrieben worden zu sein.

Der Umstand, dass Hannah „vorgesorgt“ hat; auf den Kassetten behauptet, es würde eine Sicherheitskopie existieren, die im Falle des Nicht-Weitergebens des Paketes an die Öffentlichkeit gelangen würde, wirkt ein wenig wie ein kindlich-naiver Versuch des Autoren, dem Leser verständlich zu machen, warum Clay und Konsorten sich tatsächlich die 7 Bänder anhörten. Meiner Ansicht nach ist diese „Rechtfertigung“ völlig unnötig; denn mal ehrlich: wer wäre nicht neugierig genug gewesen? Gut möglich, dass Jay Asher die Bemerkung der Leser vermeiden wollte, dass die Post-Empfänger die Sendung genauso gut nach einmaligem Anhören fort werfen könnten ~ um sich selbst und den Rest der betreffenden Personen auf den Bändern zu schützen.... doch irgendwie komme ich nicht drumherum zu bemerken, dass diese Vorsorge ein wenig zu gesteltzt daherkommt.

Ferner befremdete mich der Umstand, dass Hannah auf ihren Bändern auf ein Gedicht eingeht, welches sie einstig schrieb ~ und welches seitens eines Mitschülers in die Schülerzeitung gesetzt und wochenlang lächerlich gemacht wurde. Einige Seiten, bevor sie jenes schließlich vorliest, erwähnte sie noch, dass sie sich eben dieses sparen würde, weil es ja doch jeder gelesen hätte.

Einerseits finde ich es nur gut, dass auch ich als Leser jenes Gedicht zur Kenntnis nehmen konnte; räume auch ein, dass Hannah es sich einfach anders überlegt haben könnte... gleichzeitig jedoch hinkt hier einfach etwas in der Umsetzung.

~ Wer jetzt denkt, dass „Tote Mädchen lügen nicht“ somit eher ein Reinfall gewesen sein wird, der irrt. Absolut. Denn über jene Aspekte hinaus gibt es hier rein gar nichts zu beanstanden; die Lektüre ist nicht nur durch die Bank spannend; sondern berührt ungemein, schockt, verstört und erinnert an seine eigenen Erlebnisse bzw. das, was man selbst zumindest am Rande immer wieder miterlebt.

Der Autor sieht davon ab, Hannah als Opferprinzessin hinzustellen; vielmehr lässt er an ihr Seiten erkennen, wo nicht nur Protagonist Clay, sondern ebenfalls der Leser sich fragt, wieso um alles in der Welt Hannah so agiert hat, wie sie es tat. Stellen, an denen man sich an den Kopf packt, an denen man das Übel kommen sieht und am liebsten in die Geschehnisse eingreifen würde finden genauso intensiv ihren Platz wie die Momente, bei denen man nicht wüsste, was zur Hölle man denn eigentlich selbst gemacht hätte.
Die Hoffnung, der gute Glaube sowie die Zuversicht, die Hannah hier und dort an den Tag legte ist im Grunde längst nicht so naiv wie man im ersten Moment denkt ~ in jenem Moment, wo man eben bereits weiß, dass Hannah schlussendlich nichts mehr am Leben hält.

Bitter-süß geht Hannahs persönliche „Abschiedsrede“ unter die Haut; Zeilen wie

„Jessica, Schätzchen, ich wüsste zu gern, ob du dich dazu aufgerafft hast, zu meiner Beerdigung zu kommen. Hast du die Narbe gesehen, falls du dort warst? Und ihr alle – habt ihr die Narben gesehen, die ihr geschlagen habt? Nein, bestimmt nicht. Denn die meisten sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen.“
_(Zitat; S. 70-71)

berühren, erklären und geben darüber hinaus in ihrem weiteren Kontext, eingebettet in die Beschreibung Clays, Aufschluss über das, was jener bei diesen Worten fühlt. Überhaupt fragt man sich als Leser, platzt beinahe vor Ungeduld um zu erfahren, welche Tat oder welches Wegsehen Clay auf jene Liste brachte. Als die Offenbarung schließlich erfolgt, schwappt das Ohnmachtsgefühl, welchem Clay ausgeliefert ist, regelrecht auf den Leser über.

Habe ich bereits angedeutet, dass das Buch schlicht und ergreifend großartig ist?

Hervorzuheben ist vor allem der bereits erwähnte Umstand, dass Clay hin und wieder Hannahs Aufnahme widerspricht; Dinge widerlegt oder ganz einfach erkennt, dass die jeweils Beteiligten nicht unbedingt erkennen konnten, was sie in ihrer Mitschülerin auslösten.

„Tote Mädchen lügen nicht“ stellt sicherlich im großen und ganzen eine Art Wachrüttelungsprozess dar, eine Aufforderung, sein Handeln und dessen Auswirkungen zu überdenken, gibt gewisse Denkanstöße und warnt auch irgendwo.
Der Satz

„Die Anzeichen waren überdeutlich... für alle, die sie hätten sehen wollten“

auf S. 231 stellt quasi die Hauptaussage des Romanes nebst eigentlichem Knackpunkt der heutigen Gesellschaft an sich dar.

Jay Asher erzählt nicht einfach ein Highschooldrama; vielmehr greift er das auf, was mitunter „Die Selbstmordschwestern“ sowie„An american crime“ als Kernaussage involvierten: wegzuschauen ist mitunter das schlimmste, was man einem Mitmenschen antun kann.

Gleichso sieht der Autor davon ab, die Szenerie in „Gut“ und „Böse“ zu teilen; Hannah machte sich ebenso mitschuldig an der Vergewaltigung einer Mitschülerin und stellt darüber hinaus jene dank dieser Kassetten regelrecht bloß.

Natürlich kann man sich darüber streiten, warum es einem Vergewaltigungsopfer eigentlich peinlich sein sollte, als solches erkannt zu werden, da diese Personen sich im Grunde nichts vorzuwerfen haben... und doch sieht es in der Realität leider oftmals anderes aus.

Wie dem aber auch sei; Fakt ist, dass „Tote Mädchen lügen nicht“ ein eher beklemmendes Buch ist; so spannend geschrieben, das man es in der Tat kaum aus der Hand legen mag ~ obschon fast jede Zeile, die man aufnimmt, weh tut.


//Ergo//

Ob die Lektüre sich nun vorrangig an „junge Erwachsene“ richtet oder nicht; mich persönlich hat diese derartig intensiv angesprochen, so dass ich sie am liebsten als Pflichtlektüre ab der Mittelstufe einführen würde ~ wobei mir durchaus bewusst ist, wie „beliebt“ Zwangslektüren für die meisten sind.

Da es jedoch unumstößlicher Fakt ist, dass die einzelnen Dinge, die Hannah widerfuhren, erst in der Summe betrachtet „schlimm“ wurden und sich demnach keiner der Mitschüler großartige Gedanken über die andere Seite seines Verhaltens machte, ist es mehr als an der Zeit, Menschen mit solchen Büchern zu konfrontieren.

Nicht, dass ich wirklich glauben würde, dass auch nur eine handvoll Leser daraufhin längerfristig ihr Verhalten ändern würden.... da bislang jedoch noch niemanden etwas wirksameres eingefallen zu sein scheint, um die Welt wieder mehr zum Miteinander zu bewegen, wäre es einen Versuch vermutlich allemal wert.







„Einerseits will ich es ignorieren. Will so tun, als sei ich bis zum Beginn der zweiten Stunde sehr beschäftigt. Doch Skye geht denselben Flur hinunter, auf dem ich Hannah vor zwei Wochen verschwinden sah. Damals ist Hannah einfach in der Menge untergetaucht und hat es vorgezogen, sich auf den Kassetten zu verabschieden.“
_(Zitat, S. 282)

32 Bewertungen, 7 Kommentare

  • hjid55

    28.01.2010, 22:55 Uhr von hjid55
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreich und liebe Grüße Sarah

  • Bunny84

    28.01.2010, 20:34 Uhr von Bunny84
    Bewertung: sehr hilfreich

    Klasse Bericht. Wünsche dir einen schönen Abend und liebe Grüße von Bunny84

  • cleo1

    28.01.2010, 20:05 Uhr von cleo1
    Bewertung: sehr hilfreich

    Eine wirklich prima Buchpräsentation. LG cleo1

  • morla

    28.01.2010, 19:51 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    winterliche grüße aus berlin lg. petra

  • sigrid9979

    28.01.2010, 19:45 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße...Sigrid.

  • liebes35

    28.01.2010, 17:24 Uhr von liebes35
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gut berichtet, LG Steffi

  • kongostar

    28.01.2010, 16:38 Uhr von kongostar
    Bewertung: sehr hilfreich

    Einfach Klasse. Gerne mehr davon.:)