Tiere Essen (gebundene Ausgabe) / Jonathan Safran Foer Testbericht

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  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  hoch
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Stil:  sehr ausschmückend

Erfahrungsbericht von nebelkraehe

Tiere essen.

5
  • Niveau:  sehr anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  hoch
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Stil:  ausschmückend
  • Zielgruppe:  Männer

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Tiere essen. Das ist eigentlich ganz normal in unserer Gesellschaft. Der Schinken gehört aufs Frühstückbrot, die saftige Wurst gehört zu den Bratkartoffeln und was sind schon Pommes ohne Schnitzel, Currywurst & Co? Heutzutage ist das Mittagessen oft keine richtige und vollwertige Mahlzeit ohne Fleischbeilage; Wurst, Schinken und Salami werden ganz nebenbei über den Tag verteilt gegessen.

Jeder Deutsche isst pro Jahr 4 Kühe oder Kälber, 4 Schafe, 12 Gänse, 37 Enten, 46 Truthähne, 46 Schweine und 945 Hühner. Das sind 1094 Tiere. Durchschnittlich. Hinzu kommen noch unzählige Fische und andere Meerestiere

Wir essen Fleisch. Wir essen Leichen. Das hat die Menschheit schon immer so gemacht. Aber wir essen viel Fleisch. Zu viel Fleisch. Und das hat Folgen, grauenvolle Folgen.

Und von genau diesen Folgen handelt das Buch „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer.

Mal Hand aufs Herz. Woher kommt das Fleisch, das täglich auf dem Teller landet? Wie haben die Tiere gelebt, wie wurden sie geschlachtet?

Ich denke jeder aufgeklärte Mensch weiß, wie die Landwirtschaft heute funktioniert. Tiere werden nicht gezüchtet, sie werden produziert. Immer mehr, immer schneller, und besonders: immer billiger.

Das Bild eines idyllischen Bauernhofs, auf dessen saftige Gräser friedlich Kühe weiden, gruzende und quickende Schweine sich im Matsch suhlen und gackernde Hühner nach Würmern picken ist tief und fest in jedem von uns verankert. Die Kühe heißen Helga, Emma und Berta, der Bauer kennt jedes einzelne Tier genau und ist um sein Wohlbefinden besorgt.

Dass ist nicht mehr so ist, werden wohl die meisten irgendwo wissen. Die Tierhaltung ist industrialisiert, alle Vorgänge – von der Zucht bis zur Schlachtung – maschinisiert. Es geht darum, den Profit zu maximieren. Das Tier an sich ist eine bloße Zahl, kein Individuum. Aber wie funktioniert die moderne Tierhaltung genau? Wie sind die Lebensbedingungen der Tiere? Diese Frage versucht der Autor in seinem Bestsellerroman zu beantworten.

Woher kommt eigentlich das Fleisch her, das mein Kind essen soll? Diese Frage stellte sich Jonathan Safran Foer zu Beginn seiner Vaterschaft. Der Gelegenheitsvegetarier, der sich selber nicht als großer Tierliebhaber bezeichnet, versucht sie in „Tiere essen“ zu beantworten. Und die Antworten sind bitter.

Er zitiert Studien, Zahlen, Fakten – über den Fleischkonsum in Amerika, wie rasant sich die Tierhaltung entwickelt hat und welche ökologischen, ökonomischen und kulturellen Folgen es hat. Er bricht in einer Nacht und Nebel-Aktion in eine Massentierhaltungsfarm ein und schildert eindringlich seine Eindrücke. Er spricht mit Ökobauern, die versuchen, ihren Tieren ein möglichst lebenswertes Leben zu schenken, und vor welchen Herausforderungen sie stehen. Er beschreibt die teilweise fürchterlichen Zustände in Schlachtbetrieben und zitiert (ehemalige) Arbeiter, die den Horror dort hautnah miterlebt haben – von Rindern, die lebendig gehäutet werden und Küken, mit denen Baseball gespielt werden. Eindrucksvoll stellt er die Macht der Lebensmittelkonzerne dar und ihr Bestreben, die Tierhaltung immer weiter zu rationalisieren und kleine Farmer zu verdrängen. Er stellt die verschiedenen Positionen dar – von engagierten PETA-Mitgliedern über fleischessende Bauern und Vegetarier, die Schlachthöhe entwerfen. Er zeigt die Folgen unseres Fleischkonsums auf – für die Tiere, für die eigene Gesundheit und die der Weltbevölkerung.

Der Inhalt des Buches ist also schnell zusammengefasst. Es geht darum, warum wir Tiere essen. Wie wir sie essen. Und wie sie heute produziert, hergestellt, werden. Und welche Alternativen es gibt.

Anfangs habe ich erwartet, ein objektives Buch bestellt zu haben, welches die weitreichenden Folgen unseres übermäßigen Fleischkonsums neutral und unvoreingenommen darstellt. Man mag Jonathan Safran Foer zu Gute halten, dass er stets versucht, verschiedene Positionen darzustellen. Er stellt sich selber als Durchschnittsmenschen dar, der einfach neugierig war, woher das Essen kommt, was er seinem Kind servieren wird – kein fanatischer PETA-Anhänger, der pelztragende Prominente mit Mehl bewirft. Er erzählt aus seiner Kindheit und wie seine Essgewohnheiten geprägt wurden, besonders durch seine Großmutter, welche den Schrecken des 2. Weltkrieges miterleben musste. Das weckt durchaus Sympathien.

Dennoch ist das Buch nicht objektiv. Es ist kein Plädoyer für Vegetarismus und ist es doch. Es gibt wohl Sachen, die kann man nicht neutral schildern – und dazu gehört neben Kindermissbrauch wohl auch die fürchterlichen Umstände der heutigen Tierhaltung.

Massentierhaltung ist falsch, dies ist die wenig überraschende Botschaft, die der Autor seinen Lesern vermittelt. Jeder mitfühlende Mensch, der die Schrecken kennt, die in dem Buch geschildert werden, wird diesem Statement zustimmen. Die Tiere leiden, sehen nie den Himmel und können ihre natürlichen Trieben nicht nachgehen – das endet oft in Verhaltensstörungen bis hin zu Kannibalismus.

Doch auch Fleisch aus ökologischer Tierhaltung ist in mehrerer Hinsicht bedenklich; darauf weißt Jonathan Safran Foer mehrfach hin. So ist z.B. die Kennzeichnung in den USA sehr schwammig – so dürfen Eier „Freiland“ bezeichnet werden, wenn die Hühner theoretisch Zugang nach draußen haben, das Türchen aber abgesperrt ist. Dies ist – so viel ich weiß – zum Glück in der EU etwas strenger reglementiert. Zudem kann man nicht leugnen, dass Tiere aus ökologischer Tierhaltung auch leiden – beim Transport, den viele nicht überleben, bei der Kastration, die ohne Betäubung und bei vollstem Bewusstsein stattfindet und letztlich bei der Schlachtung. Desweiteren ist das Leben für die Tiere ansich oft eine Qual – Grund dafür ist eine immer exzessivere Züchtung, die dazu führt, dass die Tiere sich nicht mehr natürlich fortpflanzen können, ihre Knochen das eigene Gewicht nicht mehr halten können und dass die natürliche Lebenszeit stark begrenzt ist.

Die einzige Lösung – komplett auf Fleisch zu verzichten.

Persönlich und emotional beschreibt Jonathan Safran Foer seinen ganz individuellen Weg zum Vegetarismus. Er tritt als verantwortungsvoller Vater auf, der sich nicht mit gegebenen Erklärungen zufrieden gibt sondern nachfragt. Und Umstände schildert, die bei mir mehrfach für Gänsehaut und Übelkeit sorgten.

Doch er serviert nicht nur einen gelungene Mixtur aus knallharten Fakten, erschreckenden Augenzeugenberichten und verschiedene Rechtfertigungen bezüglich des Fleischkonsums bzw. des Verzicht auf diesen – er geht viel tiefer, appelliert an den Lesern, spricht ihn direkt an, bringt ihn zum Nachdenken. Wie viel Leid akzeptierst du für deine Salami auf dem Toast? Oder leugnest du, dass Tiere Schmerzen fühlen? Warum isst du kein Hund, wo es doch in vielen großen Städten der Erde zu viele davon gibt, die mittlerweile eine Plage darstellen und sinnlos getötet werden? Ist es nicht effizienter, diese zu Fleisch zu verarbeiten? Warum scheust du dich davor, Hund zu essen, wo doch Schweine eine wahrscheinlich höhere Intelligenz aufweisen als der „beste Freund des Menschen“?

Die Tiere leiden in heutiger Massentierhaltung, es gibt unzählige Pannen für die Technik – mit unvorstellbar grausamen Folgen für das Tier. Arbeiter berichten von Defekten der „Tötungsmaschinen“, Tiere werden lebendig und bei vollstem Bewusstsein weiterverarbeitet. Möglicherweise sind das Einzelfälle, wobei man dies nicht mit vollster Sicherheit sagen kann. Doch es gibt sie. Ab wann bist du bereit, auf Fleisch zu verzichten? Wie groß muss der Anteil dieser „Pannen“ sein? 1 von 10? 1 von 100? 1 von 1000?

„Tiere essen“ ist ein Weckruf. Ein Weckruf, der gehört werden sollte. Unwissenheit gepaart mit Ignoranz und Verdrängungsmechanismen führen dazu, dass das Produkt Fleisch nicht mehr mit lebenden Individuum in Verbindung gebracht wird. Oder wer würde freiwillig das süße, knuddelige Lämmchen von der Weide essen, was er eben noch gestreichelt hat und freut sich gleichzeitig im Restaurant über ein zartes Lammfilet?

Unser Essverhalten ist nicht rational. Es ist widersprüchlich, ambivalent, emotional. Auch dies erläutert Jonathan Safran Foer anschaulich in seinem Werk. Wer nur mit Zahlen und Fakten argumentiert stößt auf taube Ohren. Essengewohnheiten sind nun mal geprägt von unseren Erinnerungen aus der frühsten Kindheit, sie sind abhängig vom sozialen Umfeld und von Traditionen. Auch auf diese Problematik wird eingegangen. Doch Gewohnheiten können geändert werden, Traditionen verlieren nicht ihren Wert, wenn man auf Fleisch verzichtet. Und beim gemütlichen Grillen am See mit Freunden gibt es dann eben knuspriges Baguette, Maiskolben mit Kräuterbutter und Gemüse-Tofu-Spieße.

Jeder kann was verändern. Man muss nicht gleich Vegetarier werden, dies möchte Jonathan Safran Foer nach eigenen Worten auch gar nicht erreichen. Er ruft auf, Fleisch bewusster zu genießen. Und zu reflektieren, nicht zu ignorieren.

Ein Buch, das erschüttert, das aufrüttelt, das zum Nachdenken anregt. Dabei wird zwar nicht mit fürchterlichen Horrorberichten aus Schlachthäusern gespart, dennoch hat man nicht das Gefühl, das Werk eines fanatischen, voreingenommenen Tierrechtlers oder „Öko-Spinners“ zu lesen. Er schlägt sich auf die Seite des durchschnittlichen Fleichessers, sein Ton ist nicht vorwurfsvoll, aber direkt, authentisch; "Ich liebe Sushi, ich liebe Brathähnchen, ich liebe ein gutes Steak - aber meine Liebe hat Grenzen." (Jonathan Safran Foer)

„Tiere essen“ ist aus amerikanischer Sicht geschrieben. Die Umstände, Berichte, Zahlen und Fakten beziehen sich größtenteils auf die USA. Leider, kann man dazu sagen. Ehrlich gesagt habe ich öfters beim Lesen gedacht, dass so etwas hier bei uns nicht möglich ist. Ob das stimmt, weiß ich nicht – ich stehe erst am Anfang meiner Recherchen. Aber viel besser wird es nicht sein, da soll man sich nichts vormachen.

Etwas gefehlt haben mir Informationen zum Veganismus. Veganer verzichten nicht nur auf Fleisch und Fisch, sondern auch auf Milch, Eier, Käse und andere tierische Produkte - und das aus gutem Grund. Milchkühe sind heutzutage lebende Gebährmaschinen, für jede Legehenne muss ein männliches Küken sterben, welches ja nur Ballast darstellt, da es keine Eier legen kann. Aber dies hätte wahrscheinlich den Umfang des Buches gesprengt – immerhin geht es um „Tiere essen“ und nicht um „Tierische Produkte essen“.

Ich ernähre mich nun seit einigen Monaten komplett vegetarisch. Schon vorher habe ich auf Fleisch als Brotbelag und „Tierbabys“ wie Lamm und Kalb verzichtet, seit Anfang des Jahres kann ich es nicht mehr mit meinem Gewissen verantworten, Tiere zu essen. Das Buch hat mich in meinem Lebensstilwechsel bestärkt. Am Anfang war der Verzicht schwierig, doch mittlerweile ekel ich mich regelrecht vor Fleisch und erfreue mich an neu entdeckten Köstlichkeiten wie geräucherter Tofu oder Falafel. Letzte Woche kamen die Ergebnisse meines Bluttests – kerngesund, noch nicht mal ein Eisenmangel liegt vor, obwohl dieser eigentlich immer leicht vorhanden war. Langfristig möchte ich mehr und mehr auf vegane Ernährung umsteigen.

Manche haben mich gefragt, ob ich denn kein Fleisch mag und darum keins esse. Sie waren verwundert, dass ich Fleisch mag – eine Salamischeibe auf heißem Toastbrot mit geschmolzener Butter oder ein leckeres Kotelett vom Grill – lecker! Aber ganz ehrlich – für diese kurzen Genussmomente muss kein Tier grausame Qualen erleiden.

Mich persönlich hat das Buch bewegt. Es ist nicht umsonst ein Bestseller. Es ist ehrlich, authentisch und ergreifend.

87 Bewertungen, 21 Kommentare

  • anonym

    17.09.2011, 05:52 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    Liebe Grüße und einen schönen Samstag

  • sloga

    24.07.2011, 22:14 Uhr von sloga
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gefällt mir. Lg Denis.

  • yeppton

    13.07.2011, 06:32 Uhr von yeppton
    Bewertung: sehr hilfreich

    prima berichtet, Mfg Markus

  • mimaus

    01.07.2011, 18:47 Uhr von mimaus
    Bewertung: sehr hilfreich

    Grüße von mimaus.....

  • tina08

    27.06.2011, 22:15 Uhr von tina08
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele Grüße ... Tina

  • Cheesco

    07.06.2011, 15:21 Uhr von Cheesco
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr gut geschrieben. thx freu mich über gegenlesung.

  • Lothlorien

    07.06.2011, 15:06 Uhr von Lothlorien
    Bewertung: sehr hilfreich

    Guter Bericht, ich freue mich über jede Lesung.

  • paula2

    05.06.2011, 00:35 Uhr von paula2
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe Grüße

  • ThomasKu

    01.06.2011, 22:58 Uhr von ThomasKu
    Bewertung: sehr hilfreich

    Guter Bericht! Würde mich über Gegenlesungen freuen!

  • uhlig_simone@t-online.de

    01.06.2011, 14:08 Uhr von [email protected]
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe grüße aus halle von simone, schau doch auch mal bei mir vorbei

  • cleo1

    01.06.2011, 13:08 Uhr von cleo1
    Bewertung: sehr hilfreich

    Einen schönen Mittwoch und LG cleo1

  • sigrid9979

    01.06.2011, 11:23 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße aus Holland

  • racheengel65

    01.06.2011, 09:49 Uhr von racheengel65
    Bewertung: besonders wertvoll

    wie gut, dass ich schon lange Vegetarierin bin^^

  • morla

    01.06.2011, 02:25 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg. ^^^^^^^^^^^^^petra

  • Lale

    01.06.2011, 01:25 Uhr von Lale
    Bewertung: sehr hilfreich

    Allerbesten Gruß *~*

  • Baby1

    01.06.2011, 01:00 Uhr von Baby1
    Bewertung: sehr hilfreich

    .•:*¨ ¨*:•. Liebe Grüße Anita .•:*¨ ¨*:•.

  • monchichi14

    31.05.2011, 23:43 Uhr von monchichi14
    Bewertung: sehr hilfreich

    Toller Bericht,Lg Sonja

  • wolli007

    31.05.2011, 23:21 Uhr von wolli007
    Bewertung: besonders wertvoll

    prima, lg

  • feliciano2009

    31.05.2011, 22:57 Uhr von feliciano2009
    Bewertung: sehr hilfreich

    Vielleicht sollte man lieber radikale Tierschützer unterstützen als dieses Buch kaufen...

  • katjafranke

    31.05.2011, 22:55 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele liebe Grüße von der Katja

  • bigmama

    31.05.2011, 22:32 Uhr von bigmama
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Anett