VW Scirocco Testbericht

Der Scirocco um den es hier geht ist die Renaissance eines alten Klassikers der Volkswagen Geschichte aus den 70er und 80er Jahren. Schon damals sehr erfolgreich wurde der Scirocco 2006 wieder aus der Mottenkiste geholt. ALLERDINGS hat das windschnittige Gefährt aus alten tagen wenig mit dem neuen Athleten zu tun. Nicht nur die Karosserie, sondern natürlich auch der komplette Rest, wie die gesamte Technik, Elektronik und Interieur sind up to date.

Aber ich möchte nicht zu weit vorgreifen und euch nun den neuen Scirocco in allen elementaren Aspekten näher vorstellen.

FAKTEN

195 kW (265 PS)
Max. Drehmoment: 350 Nm/ 2500–5000
Turbolader
6-Gang-Schaltgetriebe
Querlenker mit McPherson-Federbeinen und Stabilisator
Quer- und Längslenker mit Schraubenfedern,
Bilder von VW Scirocco 2.0 R (ab 2008)
VW Scirocco 2.0 R (ab 2008) qdqdqdqdqd - VW Scirocco 2.0 R (ab 2008)
VW Scirocco 2.0 R (ab 2008)
Stoßdämpfern und Stabilisator
viersitziges Coupé mit zwei Türen, Luftwiderstandsbeiwert cw 0,34
Spurweite vorne / hinten1569/1575 mm
Radstand: 1569/1575 mm
Maße: 4256 × 1810 × 1400 mm
Top Speed: abgeriegelt bei 250 km/h
Kofferraum Volumen: 312 l
0 - 100 km/h : 5.8 Sek.
Verbrauch kombiniert: 8,1 L Super /100 km
Abgasnorm: Euro 5

DESIGN & IMAGE

Der Scirocco ist wahrhaftig kein biederes Auto, wie man es eigentlich von den meisten anderen Modellen der Wolfsburger Auto Schmiede behaupten kann. Aber aufgepasst, DIESER Scirocco R wird nicht in Wolfsburg gefertigt sondern in der VW Schmiede in Portugal!
Das gesamte Auto ist in sich für mich überaus stimmig und dabei sehr windschnittig und kompakt konzipiert. Die Karosserie ist angenehm abgerundet bis auf die wenigen bewusst bullig gestalteten Akzente, wie das markante Heck und die sportlich aggressiv entworfene Front mit den flüssig eingelassenen Scheinwerfern. Auch fällt auf, dass das Auto auch allein optisch eine extrem sportliche Lage hat. Das Sprichwort: Wie ein Brett auf dem Asphalt hat wohl bei noch keinem Volkswagen so hervorragend gepasst. Auf der Spitze der Motorhaube prangert das VW Symbol in ungewöhnlich großer Ausführung. Auf den ersten Blick ungewöhnlich, aber doch stimmig, da es den edlen Gesamteindruck perfekt abrundet.

Unser Testexemplar kommt zu alledem in einer großartigen Farbe daher, die VW mit dem Namen RISING BLUE versehen hat. Diese Nuance gefällt mir aus der gesamten verfügbaren Palette auch mit Abstand am besten. Der Perleffekt ist großartig und besonders in der Sonne schimmert das kräftige Meeresartige blau energetisch und harmoniert mit der sportlich modernen Charakteristik des Boliden.
Einen typischen Scirocco Fahrer zu definieren, fällt mir nicht leicht. Beim Opel Corsa ist die Zielgruppe schnell erschlossen, aber der Scirocco R spricht diverseste Gruppen an. Nur eins müssen sie alle gemeinsam haben: Zum einen den hang zu sportlichen und schlicht schnellen du starken Autos und natürlich ein angemessenes Budget, denn günstig ist der Scirocco, gerade in dieser R Fassung mit 40.000 € Neupreis gewiss nicht. Aber von nichts kommt nichts. Dieses Fahrzeug ist momentan definitiv das sportlichste VW Konstrukt auf dem Markt…

INTERIEUR & KOMFORT

Den Spagat zwischen knallhartem Sportsmann und komfortabler Limousine schafft beinahe kein Auto ohne Abstriche. Da schlägt sich der Scirocco R wirklich mehr als passabel. Nehmen wir in ihm platz, so sind ein paar Eindrücke zunächst einmal dominant. Zunächst einmal: Man sitzt wirklich tief. Gerade wenn man stets mit einem klassischen Familienfahrzeug oder einem gewöhnlichen Kompakt Wagen unterwegs ist, wird man diese von Werk aus sehr niedrige Fahrwerks Einstellung deutlich spüren. Des Weiteren stechen die Schalensitze hervor. Diese sind definitiv kompromisslose Sportsitze, die ihren Dienst erfüllen. Links und rechts werden dem Insassen deutlich die physikalischen grenzen aufgezeigt, was bei schneller Fahrt durch Kurven die Sitzhaltung stabilisieren und für Sicherheit und Stabilität sorgt. Dabei wäre es aber unfair zu behaupten, man säße hier nicht bequem. Auch bei längeren Fahrten über die Autobahn hatte ich nicht das Gefühl, dass meine Sitzhaltung unangenehm wäre oder beim Aussteigen der Rücken schmerzt. Dennoch - machen wir uns nichts vor: Die Ambition des Scirocco R ist nicht das wohlige Sitzgefühl einer S-Klasse oder eines 7er BMWs. Wer den R kauft, will darauf in der Regel auch gar nicht hinaus.
Die Armaturen und das Design des Cockpits kann man zusammengefasst als sportlich, elegant bezeichnen. Die Armaturen sind dezent in Alu gefasst und das Cockpit wirkt generell sehr aufgeräumt und funktional. Alle Knöpfe und Regler sind nicht nur leicht zu erreichen, sondern erwecken auch den Eindruck einer überaus guten Verarbeitung. (Beispielsweise die Drehregler der Klima Anlage, die solide in der hand liegen und sich mit gleichmäßigem und anständigem widerstand betätigen).

Kleine Abstriche müssen wir jedoch ebenfalls machen. Die Halterung der Teppichböden ist bei unserem Exemplar ein wenig locker gewesen. Kein Beinbruch, aber es sollte in einem Detailbericht nicht fehlen. Auch die Auskleidung des Kofferraumes weist bei näherer Betrachtung kleine Unsauberkeiten auf. Ich vermute, dies ist der Preis den man dafür zahlt, dass dieses Fahrzeug ein Import ist, welches wie erwähnt in Portugal gefertigt wurde.
Die schweren rahmenlosen Türen kann man als Plus oder auch Minus auslegen. Eindeutig sind sie solide und formschön, jedoch durch ihr hohes Gewicht auch entsprechend schwerer zu bewegen… Mich hat es nicht gestört.

Der Kofferraum ist nicht wirklich groß, aber reicht für einen Koffer oder zwei Sporttaschen sicherlich aus. Ich denke nicht, dass überhaupt die Ambition bestehen wird, einen Familien Urlaub im Scirocco R zu absolvieren :-)

MOTOR & PERFORMANCE

Ich habe beinahe schon auf diese Kategorie gewartet, denn alles zuvor erwähnte ist im Grunde mehr eine Art Einführung. Der Scirocco R ist ein Vollblut Sportler! Performance steht ihm sinnbildlich auf die Stirn geschrieben. Mit 265 PS geht der Scirocco R in unter 6 Sekunden von 0 - 100 km/h.
Wenn man schneller sein möchte, braucht man mindestens 300 PS und 60.000 € in der Portokasse. Aber gehen wir etwas mehr ins Detail.

Gerade wenn man ein Kaliber dieser Art nicht gewohnt ist, wie ich bei meinen ersten Fahrten, ist es verblüffend, welche Kraft sich bereits beim ersten antippen des Gaspedals entfaltet. Direkt zieht der Turbo an und das Auto beschleunigt rasant! Auf freier Strecke, wenn der Fuß mal eine längere Zeit auf dem Gas verweilen kann, wird man förmlich in den Sitz gepresst. Dabei fiel es mir teilweise schwer, das Gas in diesen Dimensionen noch akkurat zu verteilen. Aber das alles ist eine Frage der Gewohnheit.

Die bremsen bilden das andere Extrem. Muss man bei einem Familienwagen tief in die Ölwanne steigen, so greifen die Bremsen extrem schnell und effektiv. Das sorgte bei meiner Jungfernfahrt für leicht ruppiges Stehenbleiben an der ersten Ampel. Dennoch… es bedufte nur einiger Erfahrungskilometer, bis auch dieses Auto und seine Handling Eigenschaften immer mehr in Fleisch und blut übergingen. Ich bin generell ein (so hoffe ich) vernünftiger Fahrer und so habe ich den Wagen nicht durch die Innenstadt geprügelt. Doch konnte ich ihm an angemessener Stelle ordentlich die Sporen geben. Dabei fällt auf, dass der Scirocco tendenziell eher übersteuert… wenn überhaupt, denn er bleibt wirklich sehr lange neutral, was beeindruckend hohe Kurvengeschwindigkeiten ermöglicht. Aber Vorsicht: WENN, dann bricht die Traktion sehr plötzlich ab. Gerade für unerfahrene "Piloten" ein hohes Risiko Potential. Der beeindruckende Durchzug wird, klischeegerecht von einem wirklich knackigen, kernigen Motorsound unterstützt, der zwar in ruhigen Geschwindigkeitsbereichen dezent verstummt, aber im entscheidenden Moment, beim Beschleunigen auf der Autobahn zum Beispiel, richtig Spaß macht!

Ich habe den Scirocco R in keiner Disziplin an sein absolutes Limit gebracht, denn ich finde, dazu muss man ein RENNFAHRER auf einer RENNSTRECKE sein, aber dennoch macht er massiven Spaß. Dass die Top Speed bei 250 km/h abgeriegelt ist, ist eine sinnvolle Sache. Bei halbwegs verantwortungsbewusster Fahrweise wird man selbst die kaum erreichen.

Bei so viel Output darf natürlich auch der Aspekt Input in Form von Benzin nicht fehlen. Angegeben sind laut VW 8,1 L, aber lasst es euch gesagt sein… das ist unrealistisch. Bei einem Mix aus sportlichem und besonnenem Fahren (und den wird jeder Scirocco R Fahrer mehr oder minder haben) steigt die Verbrauchsanzeige schnell über die 10 L, in meinem Fall auf stattliche 13, 14 Liter. Das geht bei den aktuellen Spritpreisen durchaus ins Geld und erfordert leider ein häufiges nachtanken bei ca. 50 Litern Fassungsvolumen. Allerdings denke ich ist klar, dass dies kein Auto für Sparfüchse ist. In dieser Größenordnung an Power und PS bewegt sich der R noch durchaus im moderaten Bereich.

PREISLEISTUNG & FAZIT

Im Grunde klingt diese abschließende Überschrift eher nach der finalen Bewertung eines Lippenstiftes oder Traubensaftes, aber dennoch: Der VW Scirocco R bietet für vergleichsweise kleines Geld ein wirklich atemberaubendes Sportwagen Erlebnis, ohne dabei klotzig und unpraktisch zu sein. Die wahrlich beeindruckende Power trifft auf elegantes Design und ein mehr als annehmbares Maß an Komfort und Luxus. Wie bereits erwähnt… in dieser Preisklasse kann man ansonsten höchstens Autos finden, mit denen man vom Scirocco R nur noch eine Staubwolke sieht. Einzige Konkurrenz ungefähr auf Augenhöhe wäre da wohl der Rivale aus dem Hause VW, der Golf R, aber ansonsten Fehlanzeige. VW bietet eine erschwingliche Portion Freude am fahren mit dem Biss eines Tigers um noch ein wenig in Klischees zu schwelgen. Ich jedenfalls bin in meiner Testzeit voll auf den Geschmack gekommen, und das Feeling beim Widereinstieg in die Formel "Opel Corsa" muss ich wohl kaum beschreiben, aber was soll's… lieber der Spatz in der hand als der Tiger auf dem Dach, oder wie war das…?

(c) by Scottmaster
von mir alias "Juke" auch auf Ciao veröffentlicht