The Scribbler (DVD) Testbericht

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ab 24,95
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Summe aller Bewertungen
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  durchschnittlich
  • Romantik:  niedrig
  • Humor:  kein Humor
  • Spannung:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von Hindenbook

Wahnsinn oder parallele Wirklichkeit?

3
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  durchschnittlich
  • Romantik:  niedrig
  • Humor:  kein Humor
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Altersgruppe:  ab 16 Jahren
  • Meinung bezieht sich auf:  DVD-Version

Pro:

Überzeugende Hauptdarstellerin.
Schräges Ambiente.

Kontra:

Eher stylish als spannend (oder logisch)

Empfehlung:

Ja

Einleitung

Die schizophrene Suki kämpft nicht nur mit ihren inneren Dämonen, sondern muss sich auch mit der Polizei auseinandersetzen, die sie für eine Serienmörderin hält … - Bis sich die Wahrheit (und die Identität des eigentlichen Übeltäters) klärt, brummt dem mit stylishen Bildern und hektisch geschnittenen Szenen bombardierten Zuschauer der Schädel; dass die Story geradezu simpel ist, bleibt trotzdem nicht unbemerkt: ein bisschen neben der Norm und gut besetzt, aber eher interessant als gelungen.

Weitere Erfahrungen & Fazit

Das geschieht:

Die junge Suki ist in eine in jeder Beziehung verlorene Seele: Als Kind wechselte sie elternlos zwischen verschiedenen Pflegefamilien und der Gosse, bis ihr Geist unter der Belastung dieses elenden Lebens zerbrach. Unzählige Persönlichkeit nisten nun in ihrem Schädel und schreien auf sie ein. Damit kommt sie dem experimentierfreudigen aber nur bedingt moralischen Dr. Sinclair gerade recht. Er ‚behandelt‘ sie mit dem von ihm entwickelten „Siamese Burning“ und brennt die überzähligen Persönlichkeiten buchstäblich aus Sukis Hirn - eine Rosskur nicht ohne beträchtliche Nebenwirkungen.

Dennoch kann Suki die Gummizelle verlassen. Sie zieht in ein verkommenes Übergangsheim, in dem sich beinahe geheilte Geisteskranke auf ein ‚normales‘ Leben vorbereiten sollen. Juniper Tower wird ausschließlich von Frauen bewohnt, unter die sich heimlich der geile aber freundliche Hogan gemischt hat. Er wird Suki zur Stütze, als sich ihre Nachbarinnen eine nach der anderen aus dem obersten Stockwerk in den Tod stürzen.

Sinclair hat Suki mit einer tragbaren Version seines Brenners ausgerüstet. Sie soll privat die letzten Persönlichkeiten tilgen, verliert bei dieser Prozedur jedoch jedes Mal viele Stunden aus dem Gedächtnis und beginnt zu befürchten, für die ‚Selbstmorde‘ verantwortlich zu sein. Zudem fragt sie sich, ob „Suki“ ihre eigentliche Identität darstellt. Möglicherweise ist sie auch der „Scribbler“, ein mit übernatürlichen Kräften ausgestattetes Wesen, dessen Geist so fremdartig ist, dass er nur über Suki mit der ‚normalen‘ Welt kommunizieren kann. Um die ihm lästigen Mitbewohner aus Sukis Schädel zu eliminieren, modifiziert der Scribbler den Brenner und gewinnt stetig an Kraft.

Allmählich wird die Polizei auf Suki aufmerksam. Als die ‚Selbstmord‘-Serie ihren spektakulären Höhepunkt erreicht, nehmen die Detectives Moss und Silk sie in die Zange. Doch die in Gang gekommene Entwicklung können sie nicht mehr aufhalten: Der Scribbler kommt, und niemand kann voraussagen, was er/sie/es nun tun wird …

Kraft ihres (gestörten?) Geistes

„The Scribbler“ ist eine Art „Sucker Punch“ für Arme oder besser: von Armen, da erster Film budgetmäßig meilenweit hinter dem zweiten herhinkt. Ein wenig rätselhaft bleibt, wieso Autor Daniel Schaffer für sein Drehbuch ausgerechnet auf seine Graphic Novel „The Scribbler“ zurückgegriffen hat, konnte er doch mit „Dogwitch“ oder „Indigo Vertigo“ wesentlich mehr Resonanz bei Kritikern und Lesern erzielen.

Es liegt vermutlich am Schauplatz, der sich auf ein Hochhaus bzw. einige Wohnungen darin beschränken ließ. Dies schonte den schlappen Sparstrumpf des Produzenten bzw. ermöglichte es, die vorhandenen Mittel zu konzentrieren. Das Ergebnis ist beachtlich: Selten hat man (Kulissen-) Wohnräume gesehen, die übler vermüllt, verrottet und gesundheitsschädlicher wirkten. Schon beim Anschauen laufen garantiert Schauer selbst über nicht besonders empfindliche Zuschauerrücken!

Diese Liebe zum Detail geht wie leider so oft mit einer Story einher, die den Schein über das Sein setzt. Sie kreist um zwei ‚grundsätzliche‘ Fragen, die so grundsätzlich längst nicht mehr sind, weil sie dem Klischee nicht nur nahekommen, sondern bereits mit ihm verschmolzen sind. Erstens geht es um die Genese einer Superheldin, die von ihren Kräften nichts ahnt und in ihre neue Inkarnation hineinwachsen muss. Zweitens beschäftigt sich Schaffer ausgiebig mit der Frage, wie sich „Vernunft“ und „Wahnsinn“ definieren.

Ist der ‚Irre‘ vielleicht gar keiner, sondern besitzt zusätzliche Sinne, die ihn (oder in diesem Fall ihr) zum Blick über die Grenze dessen befähigen, was die menschliche Mehrheit als Realität bezeichnet? Eine Antwort fällt naturgemäß schwer, da der ‚gesunde‘ Geist dieser Interpretation weder folgen will noch kann. Folgerichtig landet Anti-Heldin Suki mit dem Stempel „schizophren“ in der Irrenanstalt.

Ansätze ohne Ende

Diese politisch unkorrekte Bezeichnung kommt hier absichtlich zum Einsatz, da auch jene Szenen, die ganz im Hier & Jetzt spielen, comicartig überzeichnet sind. Der sanfte Dr. Sinclair hat viel vom alten Dr. Frankenstein. Er ‚spielt‘ gern und experimentiert mit Menschen, ohne sich um mögliche Nebenwirkungen Sorgen zu machen. Gesetzliche Einschränkungen gibt es offenbar nicht, weshalb er (nicht nur) Suki per „Siamese Burning“ ‚behandeln‘ kann - eine Methode, neben der die berüchtigte Elektroschock-Therapie wie Homöopathie wirkt.

Dem Übertreibungsfaktor gemäß landet Suki nach einiger Behandlungs- oder Folterzeit im Juniper-Tower, den man sich so selbst in den notorisch die vom Schicksal weniger Begünstigten ins Abseits drängenden USA nicht als Wohnstätte für (kranke) Menschen vorstellen kann (oder mag). Natürlich ist dieser Turm ein Symbol; man würde psychisch labile Menschen kaum ausgerechnet in ein Hochhaus einquartieren. (Suki spricht es - ein Meta-Gag - an: Wieso werden behördlich nicht wenigstens die Fenster vergittert?)

Juniper Tower steht für die Isolierung seiner Bewohner in einer Welt der ‚Normalen‘, die sie voller Angst und Misstrauen ausgrenzen. Wirklich verlassen können ihn diese Verlorenen nur, indem sie in die Tiefe springen. Sie gelangen damit womöglich in eine andere, ihnen freundlicher gewogene Welt, in der sie nicht als verrückt gelten: „Juniper“ = Wacholder = althochdeutsch „wechalter“, also „Wachmacher“, galt bereits in der Antike als Pflanze mit magischer Bedeutung: als Lebensbaum und Symbol für das ewige Leben.

Style ohne Weile

Solche Subebenen zieht Schaffer seiner Story quasi im Akkord ein. Regisseur John Suits ist gern bereit, sie in ähnlich vielschichtige Bilder zu verwandeln. Die genießt man zunächst, weil vieles am „Scribbler“ wirklich schräg oder hübsch hässlich gelungen ist. Allmählich beginnt man allerdings auf eine Geschichte zu warten, der diesem Bilderrausch einen Sinn einhaucht. Die gibt es tatsächlich, aber als sie sich im Finale enthüllt, gerät sie enttäuschend simpel und entpuppt sich als reines Transportmittel: Schaffer geht es ausschließlich um das metaphysische Element des Wahnsinns als möglicher Erweiterung der Realität.

Die wird verkörpert durch den „Scribbler“, jene Kreatur, die in Sukis Hirn haust und sich nur schriftlich sowie in Spiegelschrift artikulieren kann. Einen sinnvollen Grund gibt es dafür nicht, aber es sieht im Comic wie im Film eindrucksvoll aus, wenn Suki Wände, Schranktüren u. a. Flächen mit kryptischen „Scribbler“-Botschaften bedeckt.

Ansonsten bedient sich Schaffer ausgiebig der „Biomechanik“, wie H. R. Giger oder David Cronenberg sie in die Populärkultur eingeführt haben: Der „Scribbler“ ‚verschmilzt“ den Hirnbrenner mit anderer Technik zu einem Portal in die kosmische Realität. Wer sich wie Suki oder Hogan in das System einklinkt, kann die irdischen Fesseln abschütteln. Das ist als Idee durchaus interessant, wie überhaupt Sukis Evolution bereits als Plot tauglich wäre.

Doch Schaffer und Suits trauen sich bzw. ihrem Publikum nicht. Vorsichtshalber mischen sie der non-linear aufgebrochenen Handlung eine simple Kriminalstory unter bzw. stülpen sie dieser als Rahmen über. Suki sitzt zwei Beamten (guter Cop: Eliza Dushku, böser Cop: Michael Imperioli) gegenüber und erzählt in Kapiteln ihre Geschichte, die zusätzlich durch eingeblendete, vieldeutig gemeinte Überschriften gegliedert wird.

Des Wahnsinns hübsche Beute

Für „The Scribbler“ konnten Suits und Schaffer eine beachtliche Besetzung rekrutieren. Schauspielerisches Unvermögen bleibt noch in der kleinsten Nebenrolle angenehm außen vor. Sogar einige (TV-) Prominenz konnte verpflichtet werden. Außer Dushku und Imperioli sind dies Michelle Trachtenberg, Gina Gershon und Kunal Nayyar („Big Bang Theorie“). Für ein wenig Anrüchigkeit sorgen Ex-Pornostar Sasha Grey sowie Ashlynn Yennie, die ihre Haut buchstäblich zu Markte sowie schwer an der Last trägt, in beiden „Human-Centipede“-Filmen die weibliche Hauptrolle übernommen zu haben.

Mit Katie Cassidy („Arrow“) als Suki können Suits und Schaffer hochzufrieden sein. Sie schont sich in keiner Weise in ihrer manchmal strapaziösen Rolle und bleibt selbst im üblichen Trommelfeuer flackernder, rasant geschnittener, stroboskopisch-konfuser Bilder präsent. Dafür kann man ihr dankbar sein und ist es auch.

Wenn nach dem Finale das neue Superwesen endgültig schlüpft, bleibt neben dem Wunsch, ihm alles Gute zu wünschen, die Furcht vor einer Fortsetzung. Die dürfte freilich der nur bescheidene Erfolg dieses Films verhindern; selbst die comicaffine Fraktion des Publikums war in der Mehrheit nicht bereit, die allzu beliebige Holperstory zugunsten assoziativer Bilderwogen zu verzeihen.

Daten

Originaltitel: The Scribbler - Unzip Your Head (USA 2014)
Regie: John Suits
Drehbuch: Dan Schaffer
Kamera: Mark Putnam
Schnitt: Mark Lowrie
Musik: Alec Puro
Darsteller: Katie Cassidy (Suki), Garret Dillahunt (Hogan), Billy Campbell (Dr. Sinclair), Eliza Dushku (Jennifer Silk), Michael Imperioli (Moss), Gina Gershon (Cleo), Ashlynn Yennie (Emily), Michelle Trachtenberg (Alice), Sasha Grey (Bunny), Kunal Nayyar (Karem), T.V. Carpio (Satomi), Richard Riehle (Officer O'Reilly) u. a.
Label: Splendid Film (www.splendid-film.de)
Vertrieb: WVG Medien (http://wvg.com)
Erscheinungsdatum: 30.10.2014
EAN: 4013549062855 (DVD)/4013549061711 (Blu-ray)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1, anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch, Niederländisch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 86 min. (Blu-ray: 89 min.)
FSK: 16

DVD-Features

Außen den allgegenwärtigen Werbetrailern gibt es keine Extras, was in diesem Fall besonders schade ist, da Hintergrundinformationen über Daniel Schaffer und seinen „Scribbler“ wichtig und interessant wären.


(Copyright 12.12.2014/Dr. Michael Drewniok)

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