Pro:
Es ist hal ein Hobby was Spaß macht und nebenbei ein bißchen Geschichtswissen vermittelt
Kontra:
Und es kann den Geldbeutel gut belasten *g*
Empfehlung:
Nein
Auf den ersten Blick möchte man meinen, ich bin zwischen 40 und 85, alleinstehend, von mausgrauem konservativem Äußeren und von Beruf etwas irgendwo zwischen Beamter oder Angestellter. So mag für manchen der typische Vertreter der Gattung aussehen, die man "Philatelisten" nennt.
Der Mensch sammelt im Prinzip alles, was ihm unter die Klaue kommt. Bierdeckel, Gemälde, alte Öfen, Automodelle und natürlich auch - Briefmarken.
Was ist denn eigentlich so faszinierend an diesen kleinen Papierstücken mit bunten Bildchen drauf?
Und wie macht man das?
Es beginnt bei den meisten schon in Kindertagen mit einem ersten Album, meist aufm Geburtstagstisch, und einer Tüte mit Kiloware aus dem Kaufhaus für Drei Mark Fünfzig. Wer nicht bald das Interesse daran wieder verliert, schaut jeden Brief im Kasten erstmal genau an und löst die Marke unter warmen Wasser ab. Er geht bei Verwandten schnorren, ob die alte Briefkuverts liegen haben, schaut am Arbeitsplatz im Mülleimer nach und sucht auf alten Dachböden die Korrespondenz der Urgroßeltern auf, um dort Marken aus der Zeit zu finden, als die Regierungschefs noch Kronen trugen. Später mal wird er oder sie sich auf spezielle Dinge konzentrieren: Marken aus einem ganz bestimmten Land. Oder aus einer bestimmten Zeit. Oder mit bestimmten Themata: Der eine stopft sein Album mit Marken zum Thema "Sport" voll, der andere sammelt nur solche, wo Eisenbahnen, holzgeschnitzte Musikinstrumente oder zentralafrikanische Literaturkritiker zu sehen sind. Oder man sammelt Spezialgebiete wie Fälschungen, oder Marken, die eigentlich ungültig waren, aber der Brief trotzdem befördert wurde. Und wieder andere machen daraus ihr Business, mit An- und Verkauf.
Wer halbwegs professionell ein bestimmtes Gebiet sammeln möchte, sollte sich ein möglichst dickes Album zulegen und mit Einsteckzettelchen zumindest Jahreszahlen markieren. Bei meinem Deutschland-Album war das der vernünftigste Weg, und außerdem für jedes Jahr mindestens zwei Seiten vorsehen. Man glaubt kaum, wieviel Platz ein einzelner Jahrgang mit allen Sondermarken und Blocks wegnehmen kann. Und ein extra-Album sollte man für Serien reservieren, also Marken, die in größeren Zeitabständen erscheinen, aber mit ähnlichem Design und unter einem ganz bestimmten Motto. "Parlamente der Bundesländer", oder "Brücken in Deutschland" wären so Beispiele dafür. Solche Marken sollte man getrennt auf eigenen Seiten sammeln, wo sie dann alle zusammen sind.
Lohnend, weil überschaubar, sind abgeschlossene Sammelgebiete, in denen es nichts Neues mehr geben wird: etwa "DDR", "Saarland" oder "Bundespost Berlin".
Spezielle Gebiete wie Fehldrucke, Propagandafälschungen (während des Kriegs durchaus üblich) und ähnliches sind etwas für Leute, die ein großes Portemonnaie haben. Dagegen sind übliche Sammelgebiete wie einfach nur "BRD" oder ein anderes Land relativ preiswert zu haben (und gehen letzten Endes doch ins Geld, weil es zwar billig erhältliche, aber VIELE Markenstücke sind).
Als Profi besitzt man natürlich eine spezielle Markenzange, mit der man die guten Stücke anfassen kann, ohne die Ecken umzuknicken oder seinen Fingerabdruck zu hinterlassen. Eine Wimpernzange aus Mamas Kosmetikkiste tut es da nicht. Wer noch etwas mehr Geld investieren will, legt sich auch eine UV-Lampe zu, um evtl. Wasserzeichen u. ä. erkennen zu können. Nebenbei erkennt man damit schnell Fälschungen, die gelegentlich in den Handel gebracht werden.
Gerade das ist für mein Sammelgebiet wichtig geworden. Seit Jahren füllt sich mein Album mit der Aufschrift "Sowjetunion 1922 bis 1991" (das ist mein Lieblingssammelthema) immer mehr, und hin und wieder tauchen zu Diskountpreisen Marken aus den Zwanziger Jahren auf - von Profis aus Osteuropa schon mal in größeren Mengen gedruckt und in Umlauf gebracht. Da man damit keine Briefe frankieren kann, interressiert sich die Post auch nicht für diese Sorte von Betrug.
Und weil wir jetzt bei meinem Sammelthema sind: WARUM ist das so interessant?
Nun, ich bin recht geschichtsinteressiert, speziell für die Sorte Geschichte, die sich zwischen Witebsk und Wladiwostok, zwischen Kaliningrad und Karaganda in den letzten 100 Jahren abspielte. Und hier sieht man, daß Briefmarken auf eine recht subtile Weise Zeugen der Geschichte sind. Wenn sie doch nur reden könnten. Meine wertvollsten Stücke aus der Zeit Lenins, dreckig und zerknittert, aber mit Stempel, hätten genauso Stories zu erzählen wie eine in georgisch beschriftete Marke aus der Zeit des Bürgerkriegs. Ebenso wie die späteren Marken, die ab Ende der 20er Jahre plötzlich nur noch recht martialische Motive zeigen, obwohl die Zeit vordergründig noch friedlich war - aber die Sowjetunion hatte heimlich und leise mit der Aufrüstung begonnen. In der subtilen Propaganda dieser kleinen Bilder schimmert die Politik und das Zeitgeschehen durch.
Der Währungswechsel, der eben erfolgt ist, findet sich ebenfalls auf Marken verewigt wieder.
Allerdings. Reichtümer macht man sich keine. Glücksfälle wie Funde von wertvollen alten Marken aus Omas Nachlaß sind eine Seltenheit. Und Alter heißt auch nicht gleich "viel wert". Wertsteigernd sind oft nur zufällige Ereignisse: politische Umbrüche etwa, oder exotische Umstände der Ausgabe, oder derartiges. Oder Mischfrankaturen, die einen ganzen Brief interessant machen, auch wenn die Marken alleine für sich gar nicht so aufregend sind.
Manchmal sind es sogar die alltäglichen, die später mal was wert sind. Die "Posthorn"-Serie, etwa, die allerersten Freimarken der BRD. Oder ein Markensatz aus den Endtagen der DDR, ungebraucht fast geschenkt, aber gebraucht und echt gelaufen teuer. Oder, ein ganz extremes Beispiel: Nach der Kapitulation 45 wurden deutsche Marken in den von den alliierten eroberten Gebieten weiterverwendet - allerdings mit einem dicken Tuschefleck auf dem Gesicht des Diktators. Allerdings - einige Briefe liefen mit den "alten" Marken, auf denen der Braunauer noch stolz und siegessicher dreinblickte, auch nach dem Ende weiter - und sind heute vierstellig dotierte Sammlerstücke. Wer einen Brief von 1945 mit Adolfs Gesicht auf der Briefmarke findet - unbedingt auf das Datum des Stempels schauen. Wenn der Absendeort zu der Zeit schon "den anderen" gehörte - aufheben, unbedingt. Und Echtheit prüfen lassen, eventuell.
Wer sich, um keine Ausgabe zu verpassen, ein Markenabo zulegt, wird sich bald fragen: soll ich ungebraucht oder gestempelt (der Phila-Service der Deutschen Post stempelt dann sehr sorgfältig werksseitig ab) sammeln, was ist wertvoller? Das kann man kaum sagen. Ich persönlich halte ungebraucht für schöner, gestempelt nur dann sinnvoll, wenn echt gelaufen. Aber das ist Geschmacksfrage.
So, das war jetzt mal ein kurzer Blick auf eines meiner Hobbys. Vielleicht hat es ja jemand auf den Geschmack gebracht... weiterlesen schließen
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