Pro:
Der Kasten zeigt, dass Radios keine Magie sondern Technik sind.
Kontra:
Aber das geht auch billiger.
Empfehlung:
Ja
"Jede hinreichend entwickelte Technik unterscheidet sich nicht mehr von Magie." (Arthur C. Clark)
Als ich ungefähr so alt war wie mein bald dreizehnjähriger Sohn, hat mir mein ältester Bruder die Funktionsweise eines Detektor-Radios erklärt. Und nicht nur das: Aus einem elektrischen Widerstand, einer Germanium-Diode, einem Drehkondensator, einer leeren Klopapierrolle, ein paar Metern dünnem isolierten Draht und einem hochohmigen Ohrhörer bauten wir ein solches Radio, mit dem man ohne Stromversorgung starke Mittelwellensender empfangen konnte.
Den Draht (die "exakte Bezeichnung ist: lackisolierter Kupferdraht mit 0,2 mm Querschnitt" lese ich in der "Experimentieranleitung KOSMOS Detektor-Radio Start") durfte ich als Handlanger 200 mal um die Papprolle wickeln und hatte damit eine HF-Spule (HF für Hochfrequenz) hergestellt.
Einen Lötkolben, Lötzinn und Lötfett hatte mein Bruder als alter Elektronikbastler sowieso. Und Bauteile wie Drehkondensatoren, Kondensatoren und Widerstände waren reichlich aus alten defekten Röhrenradios ausgebaut worden und säuberlich in diversen Schächtelchen gesammelt worden. Und weil mein Bruder sich auch noch mit der Theorie auskannte und ausrechnen konnte, welche Kapazität der Drehkondensator und welche Induktivität die Spule haben muß, damit der Schwingkreis des Radios im richtigen Empfangsbereich mitschwingt, war das Detektor-Radio in weniger als einer Stunde fertig. Und es hatte eigentlich nichts gekostet.
Dreißig Jahre später lag für meinen Sohn der Experimentierkasten "KOSMOS Detektor-Radio Start" als Geschenk auf dem Geburtstagstisch. Der Kasten enthält genau die gleichen Bauteile, die wir damals verwendet haben.
Die Spule muss nicht erst gewickelt werden, sondern liegt schon fertig im Kasten. Zusammen mit dem Drehkondensator ("kurz Drehko genannt" vermittelt die Experimentieranleitung Insiderkenntnisse), der Germanium-Diode, einem Widerstand und dem hochohmigen Ohrhörer reicht das schon fast, um ein funktionierendes Detektor-Radio im Kasten zusammen zu stecken:
Sechs metallenen Steckfedern werden an vorbereiteten Stellen in den Styroporkasten gesteckt. Zehn je fünf Zentimeter lange Drähte können als Drahtbrücken verwendet werden, um diese metallenen Steckfedern zu verbinden. Jede dieser Steckfedern hat vier kleine Löcher, in die Drahtanschlüsse der Bauteile oder die Enden der Drahtbrücken gesteckt werden können. So kann ohne jedes Werkzeug ein erstes einfaches Detektor-Radio zusammengesteckt werden. Lediglich ein Schraubenzieher für das Anschrauben eines Drehknopfes an den Drehko und eine Schere für das Ausschneiden einer Skala sollten bereit liegen.
Eine ungefähr drei Meter lange Erdungsleitung, mit der das Radio an einem Heizkörper oder einer Wasserleitung geerdet wird, und eine ungefähr zehn Meter lange Antennenleitung bilden die Stromversorgung des Detektor-Radios.
Obwohl KOSMOS für den Experimentierkasten eine Altersempfehlung ab 9 Jahren angibt, hatte mein Sohn keine Lust, sich alleine damit zu beschäftigen. So starteten wir die ersten Versuche zu zweit. Als wir die zweiunddreissigseitige Experimentieranleitung bis zu Seite elf treulich befolgt hatten, konnten wir auch schon erste Empfangserfolge feiern. Unsere Erdungsleitung hatten wir an einer blanken Stelle eines Heizkörpers befestigt. Der Antennendraht lag auf dem Fußboden aus.
Die zwanzig Experimente, die außen auf der Verpackung versprochen werden, entpuppen sich als meist kleine Veränderungen am Aufbau des Radios. So können wir erst beim dritten Versuch etwas empfangen, da der zweite Versuch das Anbringen des Antennendrahts und der dritte Versuch das Anbringen der Erdungsleitung an das im ersten Versuch zusammengesteckte Radio ist.
Durch weiteres Hinzufügen von Bauelementen werden Empfangsbereiche verändert, Störungen aus dem empfangenen Signal herausgefiltert oder ähnliches. Dann soll sogar mit dem oben bereits erwähnten "lackisolierter Kupferdraht mit 0,2 mm Querschnitt" um die HF-Spule eine zusätzliche Antennenspule mit 30 bis 40 Windungen gewickelt werden. Der lackisolierte Kupferdraht dafür ist NICHT im Kasten enthalten. Also hätte auch die HF-Spule von vorneherein selbst gewickelt werden können.
"Fertig, aber nichts zu hören?"
Die "Tips zur Fehlersuche", die in der Anleitung auf den letzten Seiten stehen, brauchten wir damals nicht, weil ja was zu hören war. Als ich gestern noch mal schnell ein Radio zusammenstöpselte, war aber nichts zu hören. Ein Glück, dass mir das in einem unbeobachteten Moment passierte. Wahrscheinlich hatte ich das Radio nicht ordentlich geerdet.
Mein Sohn hat den Experimentierkasten - ordentlich und vollständig - im Schrank liegen. Er selbst hat ihn noch nicht wieder hervorgekramt. Sein Interesse für die entsprechenden Fragestellungen ist nach wie vor schwach ausgeprägt. Hintergründe und Erklärungen werden im Experimentierkasten unzureichend geklärt.
So fehlt die Erklärung, wie der Sendefrequenz per Amplitudenmodulation das Signal aufgeprägt wird und wie dieses Signal im Detektor-Radio durch Demodulation wieder herausgefiltert wird. Auch die Funktionsweise eines Schwingkreises aus Spule und Kondensator bleibt im Grunde ein Geheimnis.
Abschließende Empfehlung:
Das "KOSMOS Detektor-Radio Start" ist eine mit knapp über 20 Euro zu teuere aber bequeme Möglichkeit, einem Kind (oder sich selbst) zu demonstrieren, dass Radios Technik sind und keine Magie. Es funktioniert, aber wirklich VERSTEHEN kann man das Funktionsprinzip mit den Informationen aus dem Kasten NICHT.
Um die Funktionsweise besser zu verstehen, empfehle ich z.B. http://www.walter-fendt.de/ph14d/schwingkreis.htm , wo eine Simulation eines elektromagnetischen Schwingkreises zu finden ist.
Und den ganzen Kasten kann man sich sparen, wenn man eine der folgenden Anleitungen befolgt:
http://pws.prserv.net/gruenbauer/ham_radio/crystal_rx.html
http://mfischer.ewfn.org/physik/detector.php
Dort finden sich auch Erklärungen, die bei KOSMOS fehlen.
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A*C*H*T*U*N*G : Auf keinen Fall sollte der Nulleiter (einer Steckdose) als Erde verwendet werde, dies kann zu einem starken Stromschlag führen !!!
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[Quelle: http://mfischer.ewfn.org/physik/detector.php]
Solch eine Warnung fehlt in der Experimentieranleitung des KOSMOS-Kasten übrigens. Und ich gebe zu: ICH wäre schon auf die Idee gekommen diese gefährliche Erdungsmethode zu versuchen, wenn das Erden über den Heizkörper nicht geklappt hätte.
Empfehlenswert ist es, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Aber nur, wer es nicht schafft, das nach Anleitungen aus dem Internet zu tun (sei es aus Zeit- oder anderem Mangel), sollte zum KOSMOS-Kasten greifen.
PS. Gibt es da nicht was von der Hobbythek? weiterlesen schließen
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