Pro:
Große Spielfelder - realistische Grafik - umfangreicher Karteneditor
Kontra:
Tutorial lässt wichtige Fragen offen - Multiplayer funktionierte bei mir nicht - zu wenige Missionen
Empfehlung:
Ja
Ich war ja zunächst skeptisch, als ich in der Vorankündigung las, dass die 3-D-Manie jetzt auch bei der virtuellen Eisenbahn ihren Tribut gefordert hat. Ich bin kein großer Fan von dreidimensionalen Spielen, denn im Zweifel ziehe ich eine gut gemachte 2-D-Grafik einer schlechten und ressourcenhungrigen Vektorlandschaft vor. Wenn ein Spiel superbe visuelle Stimulanz und komplexes Gameplay bietet wie Baldur's Gate, oder Anno 1602 beispielsweise, dann vermisse ich das allgegenwärtige 3-D kein Stück.
Grafik
Anfangs war ich deshalb auch ein wenig enttäuscht von Railroad Tycoon 3. Vor allem in der Eingewöhnungsphase war ich einfach zu beschäftigt damit, den geeignetsten Standpunkt und Blickwinkel zu finden, um die Landschaft genießen zu können. Je leichter mir die Zoomerei fiel, desto mehr Details wurde ich gewahr: Die Gebäude sind aufwändig gestaltet mit Türmchen, Erkern, Veranden, Balustraden, Schornsteinen. Im Stahlwerk wird der Hochofen über ein Förderband beschickt, das Sägewerk zerlegt unermüdlich Baumstämme, über dem Hafen kreist beständig ein Schwarm Möwen - und das alles in echtem 3D.
Dass vor allem die Bäume in der höchsten Zoomstufe doch sehr pixelig wirken, kann man denke ich verzeihen, angesichts der teilweise überwältigenden Größe des Spielfeldes verzeihen. Unnötig und vermeidbar finde ich dagegen, dass die Kamera oft Objekte anschneidet und sie so wie aus bedruckten Papier erscheinen lässt.
Die Bodentexturen sind detailliert und vielfältig, es gibt Dutzende verschiedene Vegetationsformen, Häuser und Berge spiegeln sich in Gewässern, deren Gestade von Wellen umspült werden. Vulkane rauchen bedrohlich vor sich hin, und hie und da zieht ein Schwarm Wildgänse oder ein Passagierjet über die Szenerie. Wer sich eine Verschnaufpause vom aufreibenden Magnaten-Dasein gönnen will, platziert die Kamera auf einen hohen Berg in der Nähe und beobachtet von dort aus sein Imperium und ergötzt sich am Sonnenaufgang in den Tiroler Alpen oder dem Vollmond über der Masai-Steppe. Sogar an Lens-Flaring-Effekte haben die Entwickler gedacht.
Gameplay
Genug geschwärmt. Ist ja alles ausgesprochen nett anzusehen, aber schließlich sind wir nicht zum Vergnügen hier. Ein Imperium soll entstehen. Gleise müssen verlegt, Züge quer über's Land geschickt und Waren transportiert werden. Mit den Schienen fängt es an - die Gleiskörper können sehr frei auf der Karte platziert werden, ohne Kästchenschema, was wesentlich realistischer wirkt als bei den Vorgängern.
Was aber auf dem flachen Land noch gestalterische Freiheit bedeutet, wird in unwegsamen Gelände zur aufreibenden Klickerei nach der Methode "Versuch und Irrtum", denn es gibt keinerlei Hilfestellung für erlaubte und nicht erlaubt Schienenführung. Einmal versehentlich zu früh den Baumodus verlassen, schon gibt es kein zurück mehr und man muss unter Umständen teures Geld dafür ausgeben, teuer verlegte Gleise wieder abzureißen. Das Frustpotenzial hier kann schon mal höher sein als es sich ein Spiel in dieser Liga eigentlich erlauben darr.
Auf die Platzierung von Brücken und Tunneln hat der Spieler übrigens nur indirekt Einfluss, indem er über ein Menü in drei oder vier Stufen die Schwellenwerte ändert, ab denen das Programm die einzelnen Bauelemente verwendet.
Der Fahrbetrieb ist zugunsten der Spielbarkeit und zu Ungunsten des Realismus stark vereinfacht. Mehrere Züge gleichzeitig auf einer eingleisigen Strecke verkehren lassen? Kein Problem! Mit Signalen, Weichen, Stellwerken muss sich der gestresste Eisenbahnmogul gar nicht erst abgeben. Kommen sich zwei Züge in die Quere hält einer von beiden an und der andere fährt alle Gesetze der Physik missachtend durch den ersten durch.
Ist die Infrastruktur errichtet, geht es an's Tagesgeschäft. Expressgüter, Fahrgäste und normale Fracht schickt der Spieler auf die Reise. Um die genaue Bestückung muss er sich keine Gedanken machen, die automatische Verwaltung sorgt dafür, dass ein Zug immer genau die Fracht lädt, die am nächsten Zielbahnhof am gewinnbringendsten verschachert werden kann.
Klingt einfach meint ihr? Es ist eine Erleichterung, aber glaubt mir, man hat schon ziemlich viel damit zu tun die Reiserouten seiner Züge so zu optimieren, dass sie zwischen den Bahnhöfen mit den größten Preisgefällen verkehren. Kontrollfreaks dürfen nach wie vor jede einzelne Waggonladung selbst bestimmen.
Das Wirtschaftsleben ist durchaus komplex. Die Verteilung von Rohstoffquellen und verarbeitendem Gewerbe auf der Landkarte hat ganz erhebliche Auswirkungen auf das Preisgefüge, auch der technische Fortschritt macht nicht halt und zwingt zu der einen oder anderen Routenanpassung. Eine eigene Industrie aufzubauen, ist ratsam und meist auch dringend notwendig für Geldbeutel und/oder Siegkriterien.
Das Handbuch und Tutorial ergänzen sich, auch wenn wichtige Details einfach nicht erklärt werden, zum Beispiel wie man bestimmte Statistiken und Karten liest. Man braucht schon einige Spiele bis man hinter alle Feinheiten gestiegen ist. Hier besteht eindeutig Verbesserungsbedarf.
Die einzelnen Missionen der Kampagne sind ausgesprochen abwechslungsreich. Mag man sich gar nicht vorstellen bei einem Spiel, bei dem einfach nur Eisenbahnen durch die Botanik tuckern. So einfach ist es allerdings nicht. Die Aufgaben reichen vom Verbinden zweier wichtiger Städte über das Scheffeln einer bestimmten Geldsumme bis hin zur Begrünung Grönlands in vier Tagen(!). Außerdem gibt es immer drei Siegbedingungen. Für die Erfüllung der schwersten gibt es eine Goldmedaille, entsprechend Silber und Bronzemedaillen für das Meistern der weniger anspruchsvollen Vorgaben. Eine gute Idee wie ich finde, denn das gibt einen zusätzlichen Motivationskick - die Goldmedaille muss doch zu schaffen sein! Kleine Zusatzquests bieten sich bisweilen an und zeitabhängige Ereignisse stellen den Spieler per Dialogbox vor Entscheidungen, die den weiteren Spielverlauf verändern. Aktienkurs und Schuldenberg halten euch zusätzlich auf Trab, Langeweile kommt da so schnell nicht auf.
Kritikpunkt: Es gibt nur 14 Missionen und alle sind von Beginn der Kampagne an anwählbar. Eine sukzessive Freischaltung wäre in puncto Motivation sicher keine dumme Sache gewesen. Und irgendwas sagt mir, dass wir in naher Zukunft mit neuen Aufgaben rechnen dürfen. Natürlich gegen Extra-Cash...
Die Länge der Missionen reicht von 4 Tagen bis hin zu 35 Jahren, was in Spielzeiten zwischen 15 Minuten und 3-4 Stunden bedeutet, je nach eingestellter Geschwindigkeit. Das kann man meist gut in einem Rutsch durchspielen. Kürzere Sitzungen sind aber dank Speicherfunktion jederzeit möglich. Aber einfach zwischendurch mal eben ein paar Züge auf's Gleis schicken zu wollen endet oft damit, dass man sich unversehens am Missionsende wiederfindet. Ups, schon wieder 30 Jahre rum?
Musik
Nur so viel: Liebhaber von Country und Dixieland kommen voll auf ihre Kosten. Menschen, die einem anderen Musikgeschmack frönen, löschen einfach alle Musikdateien im entsprechenden Verzeichnis und ersetzen sie durch eigene. Und fortan spielt das Programm brav die ihm untergeschobenen Stücke.
Extras
Wer die Kampagne und alls Szenarien duchgespielt, oder einfach keinen Bock auf den Leistungsdruck als Eisenbahntycoon hat, darf auch spielen ohne sich um den schnöden Mammon zu kümmern und die Alpen mit Tunneln löchern oder eine Trasse durch die Wüste Gobi legen. Ihr wollt Papua Neuginea die Zivilisation bringen? Wladiwostok mit Neu Delhi verbinden? Aber sicher! Für Bastlernaturen gibt es einen kompletten Karteneditor mit dem im Handumdrehen aus einer mitgelieferten Höhenkarte des ganzen Globus kleine 3-D-Ausschnitte erzeugt werden, in der der Landschaftsgärtner nach Belieben wüten darf. Ein tolles Feature, auch wenn ich glaube, dass es wesentlich länger dauert, mit dem mächtigen Editor ein wirklich gutes Szenario zu entwerfen, als selbiges durchzuspielen. Da warte ich doch lieber, bis andere sich die Mühe machen. Mit einer Flut von Selbstgestricktem ist wohl demnächst zu rechnen.
Als kleines Bonbon für die wahren Eisenbahnfans und jene die auf wirklichkeitsgetreue Fahrphysik setzten ist im Lieferumfang die Vollversion des vor einiger Zeit als eigenständiges Programm verkauften "Modelleisenbahn Simulator" enthalten.
Computergegner
Hier haben die Programmierer richtig gepatzt. Die Compis dümpeln nur vor sich hin. Wenn die mal drei Städte verbinden, dann ist es schon viel. Abhilfe soll ein Patch schaffen, den ich aber noch nicht installiert habe.
Multiplayer
Eine Katastrophe! Wegen technischer Probleme kann ich den Multiplayer leider nicht beurteilen. Ob es daran lag, dass soviel mein Spielpartner (danke zomtech für's testen) als auch ich selbst hinter einem Router sitzen, es war uns jedenfalls weder möglich ein Spiel zu hosten, noch einem solchen beizutreten. Vermutlich muss man spezifische Ports forwarden - welche das sind, verraten aber weder Handbuch noch Website. Woran es letztlich gelegen hat, kann ich nicht sagen, ich ziehe dafür einen ganzen Wertungsstern ab.
Fazit
Ein würdiger Nachfolger für die beiden ersten Teile des Kultspieles. Das Gameplay ist gut, um einen für ein paar Stunden vor den Rechner zu fesseln, mit der Langzeitmotivation sieht es aber eher mau aus. Vielleicht ändert sich das sobald neue Karten und Szenarios erscheinen und ein Patch den müden Computergegnern auf die Sprünge hilft.
Grafisch finde ich es ansprechend, auch wenn durch die 3-D-Technologie viel Zeit für Scrollen und Zoomen drauf geht. Meiner Ansicht nach hätte man auch den Einstieg durch ein besseres Handbuch/Tutorial erleichtern können, die sich beide über wichtige Detailfragen ausschweigen.
Lasse ich den Kultfaktor des großen Namens mal außer acht, bleiben leicht enttäuschte 3 Sterne. weiterlesen schließen
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