30 Seconds To Mars - 30 Seconds To Mars Testbericht

Jared Leto: Der Kopf von 30 Seconds To Mars. Eigentlich: Hollywood-Schönling. Hat in Filmen wie Fight Club, American Psycho, Requiem For A Dream und Panic Room mitgespielt. Gerüchten zufolge war er sogar schon mit Britney Spears im Bett. Sprich: Eigentlich hat er alles erreicht, was man sich so wünschen kann. Aber das alles war ihm wohl nicht genug. Jared ist ganz sicher kein Schauspieler, der nebenher singt. Jared ist Musiker, der nebenbei Filme dreht, weil er für einen Musiker viel zu gut aussieht. Trotzdem hat es erst jetzt zu einer Platte gereicht.

Wenn man mit „30 Seconds To Mars“ konfrontiert wird ist es wichtig, dass man nicht falsch an die Scheibe rangeht. Sonst wird’s nichts mit dem Marsausflug. Und das wäre jammerschade, denn dieses Album ist so wunderbar.

Was ich erwartet habe: Eine unterhaltsame Scheibe mit spacigem Touch. Eingängig. Vollgestopft mit Single-Hits im Drei-Minuten-Format. Modern – vielleicht sogar Nu Metal. Ein wenig Alternative noch mit rein. Und fertig wäre das Scheibchen gewesen, dass mich glücklich gemacht hätte. Eine weitere typische Nu Rock Ami-Band mit guten Songs. So wie es Tausende gibt. Am besten so wie Cold, denn die sind cool.

Was kam? Kein einziger Single-Hit. Kein Song, der sofort ins Ohr geht. Spaciger Touch? Latent verhanden. Wenigstens. Aber sonst? Nichts großartiges. Da rein – hier raus. Nichts, was meine Gelüste befriedigen würde. Oder sagen wir: Nicht das, was ich erwartet habe. Und auch generell nicht toll. Also: Beiseite damit.

Komisch, dass man deratige Soundgeschenke einfach überhören kann. Nachdem ich es durch Zufall noch ein paar Mal mit der Scheibe probiert hab, wurde mir klar, was das darstellen soll. „30 Seconds To Mars“ gab sein Geheimnis preis. Die Songs zündeten – und auf zum Mars!

Das Album ist verdammt sperrig. Oh ja. Doch dann entpuppt sich als wahres Geschenk: Neo-Prog in Vollendung. Anspruch, den man einem vermeintlichen Hollywood-Star niemals zutrauen würde. Nichts Banales. Tiefgang – und verdammt tolle Songs. 30 Seconds To Mars schlagen die Brücke zwischen Rush, Brain Eno, Tool und den göttlichen Vauxdvihl (R.I.P.) in ihrer Spätphase, um ein paar Eckpfeiler zu nennen. Hier und da wird noch ein wenig mit A Perfect Circle abgeschmeckt – und fertig ist die Gottplatte. Dazu noch die Stimme von Jared. Ein wenig Maynard James Keenan ist drin, deshalb fallen die Paralleln zu A Perfect Circle und Tool auch auf. Ansonsten: Schwer zu beschreiben, aber angenehm. Jedenfalls kann Jared das Orchester durch seinen Gesang wunderbar dirigieren.

Doch Mr. Leto hat „30 Seconds To Mars“ nicht nur eingesungen und den Rest der Verantwortung abgegeben, sondern das Ding im Alleingang komponiert, produziert und abgesehen vom Schlagzeug (das hat er seinem Bruder Shannon überlassen) auch allein eingespielt. Damit sollten sich die letzten Vorurteile endgültig im Weltall verlieren. Jared ist ein Könner – und ein Talent. Ein Künstler.

Jeder der elf Songs ist für sich ein kleines Meisterwerk. Man kann nicht eindeutig sagen, welches Stück man favorisiert, weil alle ihre Besonderheit haben. „Oblivion“ fällt durch seine Tiefe auf, in der man sich verliert. „Buddha For Mary“ weil die Lyrics so gut ausgefallen sind und der Song durch sein Arrangement und den hypnotischen Mittelpart im Ohr bleibt. „Welcome To The Universe“ und vorallem „End Of Beginning“ entpuppen sich als die lockeren Hits, die man am Anfang verzweifelt gesucht hat. Kurze Songs mit großen Refrains – trotzdem bleibt genug Platz für ungewöhnliche Strukturen. „Year Zero“ wartet mit vertrackten Drum-Beats und einer Refrain-Endlosschleife auf, die die Scheibe gebührend zum Schluss bringen. Wunderbar.
30 Seconds To Mars verschlagen einen in futuristische Städte, die aus Blade Runner entsprungen sein könnten (incl. Dauerregen). In Reisen, die tatsächlich den roten Planeten zum Ziel haben. Oder einfach nur im luftleeren Raum schweben. Völlig schwerelos. Losgelöst. Glücklich.

Das Album schlägt die Brücke zwischen Kunst und Kommerz. Auch wenn ich nicht glaube, dass Linkin Park-Hörer wirklich ihre Freude an dem Gemisch haben werden. Wer der Platte eine ernsthafte Chance gibt und mit den oben genannten Acts etwas anfangen kann, der wird vielleicht reich belohnt, wenn er „30 Seconds To Mars“ ancheckt.

Am besten beschreibt die Platte allerdings Leto selbst in „Echelon“: „It Took A Moment Before I Lost Myself In You.“ – wie wahr. Aber dann richtig.