Das zweite Gedächtnis. 5 CDs. (Hörbuch) / Ken Follett Testbericht

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Erfahrungsbericht von winterspiegel

Wer bin Ich?

Pro:

Folletts Schreibstil und seine Personenbeschreibungen, der Sprecher

Kontra:

Teils arg vorhersehbarer Handlungsverlauf, klischeehaft, wenig befriedigendes Ende

Empfehlung:

Ja

Wenn man die erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre und Jahrzehnte auflistet, darf er natürlich keinesfalls fehlen. Neben seinen amerikanischen Schriftstellerkollegen wie etwa John Grisham, Michael Crichton, Thomas Harris oder Jeffery Deaver gehört er nicht nur zu den Erfolgreichsten, - sondern auch zu den bekanntesten Schreibern im hart umkämpften Markt der Unterhaltungsliteratur, und da speziell im Bereich von Krimi und Thriller.
Die Rede ist vom Waliser Ken Follett, dessen Neuveröffentlichungen immer wieder von der Lesergemeinde meist mit Spannung erwartet werden.

Leider hatte Follett immer wieder ein Thema im Petto, das bei mir überhaupt keinen Anklang fand oder gar Begeisterungsstürme auslöste. Oftmals drehte es sich bei diesen Geschichten um die Zeit des zweiten Weltkrieges, in der er mittel- oder unmittelbar seine Handlungen angesiedelt hat. Eine Materie der ich einfach nicht die nötige Motivation abgewinnen kann, um mich Seite für Seite durch einen dicken Wälzer durchzuschlagen.
Gleichwohl ist Follett wie ich weiß ein Romancier, der es versteht einen durch seine lebendigen Szenen- und Personenbeschreibungen regelrecht in die Story hineinzuziehen.

Daher musste diesmal das Hörbuch von Folletts Roman „Das zweite Gedächtnis“ herhalten. Eine wohlgemerkt gekürzte Fassung, von der ich mir aber dennoch versprach mir die Quintessenz seiner Erzählung vor Augen führen lassen zu können, ohne dass ich das Drumherum des Zeitgeschehens als allzu störend empfand.



Handlung


In einer Bahnhofstoilette wacht ein Mann aus tiefer Bewusstlosigkeit auf. Er kann sich an absolut nichts erinnern. Weder wer er ist, noch woher er eigentlich kommt. Sein Begleiter neben dem er aufgewacht - ganz offensichtlich ein Penner – lässt erst den weniger Hoffnung versprechenden Schluss zu, dass er auch irgend so ein verwahrloster Obdachloser ist. Doch dann werden allerdings ein paar Details augenscheinlich, die auf seine wahre Identität hinweisen könnten.
Nach und nach findet er mehr über sich selber heraus. Erst einmal seinen Namen und womit er es vermutlich zu tun hatte, bevor er seine Erinnerung verlor. Er heißt Luke und ist anscheinend irgendein Spezialist in der Erforschung von Raketenantrieben.

Es ist die Zeit des kalten Krieges – des Wettlaufs der Supermächte ins All (Stichwort Sputnik), und auch die der Kommunistenverfolgungen in Amerika. Luke kommt schrittweise dahinter, dass er im Besitz von Material – wie auch immer gearteter Brisanz - gewesen sein muss, und deswegen vermutlich mundtot gemacht werden sollte.
Seine Nachforschungen die er anstellt führen ihn immer tiefer in einen undurchsichtigen Sumpf aus Korruption, Ränkespiele der Geheimdienste von FBI, CIA und Politik.

Er stößt schließlich völlig überraschend auf seine Frau, sowie alte Freunde aus der Vergangenheit. Doch der noch immer Gedächtnislose stellt auch bald fest, dass nicht alle Bekanten von früher, die sich ihm gegenüber als gute Freunde ausgeben Wohl gesonnen sind - ganz im Gegenteil. Als Luke immer mehr Teile des Puzzles seiner Vergangenheit zusammenfügt, ergibt sich für ihn allmählich ein Bild, dass ihn das Schlimmste befürchten lässt. Mehr denn je steht er für gewisse Leute auf der Abschussliste, die sich nicht leisten können, dass er abermals hinter ihre dunklen Absichten kommt…



Kritik


Ken Folletts Agententhriller spielt gewissermaßen auf zwei parallel verlaufenden Zeitebenen. Zum einen werden die ereignisreichen 50er Jahre (1958 um genau zu sein) dazu benützt, um die Konkurrenzsituation von USA und UdSSR der damaligen Zeit wieder aufleben zu lassen und sie dementsprechend in eine spannende Erzählung einzubetten. Zum anderen wird die Epoche der 40er und des zweiten Weltkriegs dazu hergenommen, die Vorgeschichte der Personen die in der Story eine Rolle innehaben vorzustellen, - ihre Bezüge zueinander herzustellen und somit genauer zu erklären.

Der Autor hat seine Protagonisten - sehr stimmig wie mir scheint - in das damalige von Krisen und Aufbruchstimmung geprägte Weltgeschehen eingeflochten, - ihnen eine lebensechte Biographie auf den Leib geschrieben und ihren Gefühlen und Sehnsüchten mit gekonnten schriftstellerischen Mitteln Ausdruck verliehen. Somit ist ein eintauchen in dieses wendungsreiche Geschehen schon mal garantiert, mit der der Autor immer nur so viel von dem Aufhänger - oder dem Geheimnis preisgibt, das der dreh- und Angelpunkt dieser Agentenstory ist.
Der Leser schnappt gierig die Happen auf, die der Verfasser ihm Stück für Stück zuwirft, achtet aber im gleichen Moment sorgsam darauf, dass er dabei nicht übersättigt wird. Das gelingt ihm dann auch vorzüglich, etwa durch die immer wiederkehrende Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart, die einen ein- ums andere Mal zu packen versteht.
Das kann Follett wie fast kein Zweiter, dort liegen seine wirklichen Stärken und sein wahres Talent.

Doch neben dem schon erwähnten zweiten Weltkriegs, Geheimdienst, und Spionagethriller Krimskramses - dem ich halt nicht so viel abgewinnen konnte - hat mich vor allem das etwas hausbackene und fast völlig voraussehbare Handlungsschema beim Lesen – Pardon - Zuhören gestört.
Die Geschichte ist im Grunde wie ein alter schwarz-weiß Agentensteifen wie zum Beispiel Hitchcocks „Der Unsichtbare Dritte“, „Der zerrissene Vorhang“ oder „Topas“ aufgebaut. Die Schreibweise von Follett im eher Klassischen Stil tut sicher seinen Teil noch dazu bei, sodass alles zwar nicht gerade angestaubt, aber sicherlich doch etwas gesetzter wirkt.
Zwar funktioniert dadurch das ganze Szenario – nimmt man die gute Recherchearbeit des Autors noch hinzu - höchst glaubwürdig, er lässt es aber auch gleichzeitig hin und wieder an ein wenig Witz, oder zumindest etwas Esprit fehlen, die der Erzählung sicher ganz gut getan hätte.

Leider ist auch das von Follett so hervorragend konstruierte Erzählgerüst gegen Ende beinahe noch mächtig ins wanken geraten, da die Auflösung, der man mit einiger Spannung entgegenfiebert, halt nicht ganz das ist, was wohl die meisten Leser hier erwartet – oder zumindest erhofft hatten. Nämlich ein furioses Finale, das mit einem Platzregen von überraschenden Einfällen aufwartet, und die Geheimniskrämerei die die ganze Zeit über zelebriert wurde, zu einem gebührenden Abschluss gebracht wird.
Doch außer einem routiniert- fast belanglos eingefädelten Schlusspunkt, in der die handelten Personen Filmreif zwar, aber jederzeit vorhersehbar agierten, lassen auch die letzten Sequenzen des Hörbuches ein gutes Stück an Faszination vermissen, die man (zumindest ich) fast bis auf die letzte Sekunde noch erwartete und die sich bis zum Schluss einfach nie richtig einstellte.



Der Sprecher:

Zu einem gelungenen Hörbuch ist natürlich ein Vortragskünstler erforderlich, der diesem Namen auch gerecht wird. Frank Glaubrecht, den die meisten wohl mit der Synchronstimme von „James Bond“ Piere Brosnan verbinden, und der unter anderem auch Al Pacino, Jeremy Irons oder Richard Gere die deutsche Sprache in den Mund legt, ist solch ein Rezitator, dem man von Anfang an, an den Lippen zu hängen pflegt. Dass die sehr angenehme Sprechstimme von Glaubrecht mich über so manche Schwachstelle des Romans hinwegsehen ließ, dieses Kompliment sollte er sich ganz ohne falsche Scham an sein eigenes Revers heften.
Er versteht es einfach allein durch den Zauber seines - auch in Ansätzen nicht -langweilig werdenden Vortrags, der ungeteilten Aufmerksamkeit seines Publikums gewiss zu sein, und den Zuhörer geradezu in der Geschichte versinken zu lassen. Mir fiele jedenfalls keiner seiner Kollegen ein, der es hätte besser machen können.

Seit der in einer Jugendrolle in Bernhard Wickys „Die Brücke“ bekannt gewordene Künstler, sein Unwesen auch noch in der beliebten Hörspielreihe „Geisterjäger- John Sinclair“ treibt und sich dort gegen die dunklen Mächte stellen muss, gehört er sowieso zu meinen absoluten Favoriten in dieser Branche.



Fazit


Folletts eigentlich geschickt aufgebautes Agenten und Spionageunternehmen, mit sehr viel Herz-Schmerz - manchmal etwas zu dick aufgetragenem Patriotismus, vielen Drehungen und Wendungen, ist im Wesentlichen ein sicher gut durchdachtes Stück Unterhaltung. Die dargebotene Form des Vortragens in der nach und nach mit der Sichtweise des Helden der Wahrheit auf den Grund gegangen wird, ist auch bei diesem Hörbuch mitunter teils Spannend erzählt.
Ideenlosigkeit und Klischeehaftigkeit ist allerdings das große Manko, dass sich durch die gesamte Lesung zieht, und meiner Meinung nach leider einen nicht unerheblichen Teil des Vergnügens nimmt.
Frank Glaubrecht, der mit seiner markanten Stimme sicher einen Glanzpunkt innerhalb der 5 Audio CDs setzt, bügelt hier zwar noch einiges aus, ein gelegentliches Abfallen in eine gewisse Mittelmäßigkeit, kann er aber auch nicht ganz verhindern.

Wer Ken Folletts „Die Säulen der Erde“ - dass er selbst in einem Playboy-Interview als seine wohl beste Arbeit bezeichnet hat (und da kann ich ihm nicht widersprechen) - gelesen, oder die vorzügliche Hörspielbearbeitung davon kennt, der wird sicherlich zur Erkenntnis kommen, dass sich hier der Autor zwar sichtlich bemüht hatte, es ihm aber nicht gelang genanntes Werk an Genialität auch nur anzukratzen.

Im Grunde war ich beinahe schon froh, dass die Geheimdienst-Klamotte und die sich doch teilweise arg ziehenden 348 Minuten irgendwann zu Ende waren. Und ich wüsste auch beim besten Willen nicht, wie eine vollständige Lesung von Folletts Buch meine nicht unerheblichen Kritikpunkte etwas abmildern hätte können.

© winterspiegel für Ciao & Yopi




Ken Follett

Das zweite Gedächtnis

Hörbuch

Gekürzte Romanfassung

5 CD´s

Lübbe Audio

Gesamtspielzeit: 348 Minuten

Preis: Zurzeit bei Amazon für ca. 12 Euro

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