Röthlein, Brigitte Schrödingers Katze Testbericht

Roethlein-brigitte-schroedingers-katze
ab 11,70
Auf yopi.de gelistet seit 12/2006

5 Sterne
(1)
4 Sterne
(0)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von magnifico

Wenn Mögliches wahrscheinlich wird

Pro:

gute Darstellung, angenehm zu lesen und leicht verständlich

Kontra:

nichts

Empfehlung:

Ja

Sie ist weltbekannt und gleichsam nicht wenigen ein Rätsel. Der Alptraum eines jeden Katzenfreundes und Tierschützers, jedoch ebenso der Graus der klassischen Naturwissenschafter: Schrödingers Katze. Vorab zur Beruhigung aller, die von der „Anektode“ aus dem Reich der Naturwissenschaft noch nie etwas gehört habe oder aber dem bösartigen Gerücht Glauben schenken, dass der Physiker Erwin Schrödinger, in Wien 1887 geboren und 1961 gestorben, tatsächlich ein reales Experiment mit einer Katze durchgeführt hat, dem sei versichert, dass es sich nachweislich alleine um den Versuch einer Veranschaulichung gehandelt hat, für die Schrödinger nun mal eben eine Katze – in der Vorstellung seiner Zuhörer im Hörsaal ebenso wie in seiner eigenen Phantasie – in einen undurchsichtigen Kasten setzte, indem sich unter anderem eine Phiole Gift befindet. Diese sollte durch eine Mechanismus dann zerbrochen werden. Als auslösendes Ereignis wählte Schrödinger den Zerfall eines isolierten Atoms eines fiktiven Elements, dessen Halbwertzeit genau eine Stunde beträgt. Kommt es zum Zerfall, registriert, so Schrödinger, die Messapparatur im Mechanismus dies und zerbricht die Phiole, woraufhin die Katze stirbt.

Klingt für viele wahrscheinlich pervers – pervers im originären Wortsinn: entartet, widernatürlich; zunächst auch nur verdreht, verkehrt) und unnütz zugleich, denn wenn Halbwertszeit bedeutet, dass nach ihrem jeweiligen Ablauf die Hälfte aller Atome mit ebendieser Halbwertszeit einer bekannten Menge M zerfallen sind, so muss, wenn nur ein Atom vorhanden ist, (scheinbar zwingend) auch dieses nach eben jener einen Stunde zerfallen und die Katze gestorben sein. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, wie Schrödinger mit seinem Gedankenspiel zeigte, wobei dies noch mit der Frage verkompliziert wurde, was denn mit der Katze vor Ablauf der einen Stunde sei, solange man nicht den Kasten öffne, um nachzusehen. Schrödingers Antwort war die „Superposition“, die lebende und gleichzeitig tote Katze, die erst mit dem Nachsehen – dem Messen – endgültig in den einen oder anderen Zustand übergeht.

Klingt bizarr und mehr nach „abgefahrenem“ Science-Fiction oder Fantasy, ist tatsächlich aber ein Bereich – und zunehmend ein Problem – der modernen Naturwissenschaft und auch Technik, der gemeinhin mit „Quantenphysik“ umschrieben wird. Und eben in diesen schwer vorstellbaren Raum des Allerkleinsten, wo alles möglich, vieles wahrscheinlich, wenig absehbar und nichts messbar ist – den jede Messung beeinflusst hier das Ergebnis – führt Brigitte Röthlein mit ihrem Buch „Schrödingers Katze“ ein. Erschienen ist das Werk beim dtv-Verlag als Taschenbuch mit 128 Seiten, ISBN 3423330384, für 8,- € in der Reihe „Naturwissenschaftliche Einführungen“. Die Autorin führt geschickt, gut verständlich und gleichwohl weder langweilend noch überfordernd in eine Welt ein – und aus der Alltagswelt mit ihren scheinbaren Gewissheiten heraus – die selbst im Physik-Abitur weitgehend ausgeblendet und bestenfalls gestreift wird.

Die Aufgabe, die sich die Autorin gesetzt hat, war und ist nicht leicht zu erfüllen, denn das hier dargelegte sperrt sich mehr als viele andere wissenschaftliche Erkenntnisse gegen das, was man sich gemeinhin vorstellen mag. Zunächst erfolgt daher auch eine eher als historisch zu bezeichnende Einführung, bei der neben Namen wie Heisenberg, Bohr, Einstein, Planck und eben Schrödinger auch dankenswerter Weise die Probleme und Bedenken, das eigene Zaudern und Widerstreben der „Väter der Quantenphysik“ dargelegt werden. Der Lesende erfährt weiterhin mehr über das Schlagwort „Welle-Teilchen-Dualismus“, ohne gleich mit zeilenlangen Integral- und Differentialgleichungen erschlagen zu werden. Auch setzt kein „Niagarafall“ als Fachausdrücken ein, den nur derjenige überlebt, der schon das Vordiplom Physik hat. Es geht eher um eine behutsame Einführung in eine hochinteressante und keineswegs fernab jeglicher Bedeutung liegende Sparte der Physik, mit der etwa zunehmend die Hersteller von PC-Chips in Berührung geraten. Denn mit der fortschreitenden Verkleinerung von Chips und deren Schaltelementen gewinnen eben jene Phänomene, die Röthlein beschreibt und in der Physik – von einigen nur zähneknirschend – anerkannt, Bedeutung, die zum Abbruch jeder, nach unserer Vorstellung geordneten, Funktion führen.

Der Inhalt des Buches scheint auf den ersten Blick harte Kost zu sein und so mancher wird sich fragen, ob hier nicht in Wirklichkeit eine Einführung in die Philosophie – existiert die Welt nur, weil wir sie wahrnehmen? – erfolgt. Gleichwohl kann ich jedem versichern, dass sich das Buch einerseits sehr angenehm und ohne Anstrengung an einem Nachmittag durchlesen lässt, zum anderen aber auch das Verständnis und die Nachvollziehbarkeit nicht davon abhängen, dass die (Quanten-)Physik bereits langjähriges Steckenpferd des Lesers gewesen ist. Zugegeben, mit Leistungskurs Physik kommt man der Sache schon etwas näher und hat nicht unbedingt eine generelle Ablehnung gegen das, was Albert Einstein – „Gott würfelt nicht – ein Greul und Nils Bohr – „Hör auf, Gott vorzuschreiben, was er zu tun hat“ – eine Notwendigkeit gewesen ist. Trotzdem oder auch gerade deshalb habe ich an einem Nachmittag vor einigen Monaten – und mehr als vier Jahre nach der letzten Physikunterrichtsstunde – viel Neues, einiges an Bekanntem, aber nicht an Unverständlichem in dem Werk vorgefunden, das deshalb auch gut geeignet ist, den eigenen Horizont für ein paar Stunden zu übersteigen und offen für Fragen zu sein, die tatsächlich nicht mehr nur rein naturwissenschaftlicher Art sind.

Empfehlen lässt sich das Buch zunächst natürlich allen Physikinteressierten, die nicht bereits fest mit beiden Beinen in dieser Disziplin stehen und mit einem dann doch eher oberflächlichen Werk gelangweilt wären. Weiterhin könnten auch diejenigen, die gerne auch mal Sachbücher lesen und keinen humoristischen oder storyhaften Aufhänger benötigen, mit dem Buch Einblicke in eine andere Sicht der Welt gewinnen, die sich dabei allerdings zunehmend als mathematisch nachvollziehbar und experimentell beweisbar abzeichnet. Abraten würde ich schlussendlich allen, die schon beim Wort „Physik“ – vergleichbar dem „Hassfach Nummer Eins“, der Mathematik – das „kalte Grausen“ kriegen. Wer überhaupt keinen Bezug zur Naturwissenschaft hat und entsprechend wohl auch kein Interesse, wird hinter dem klangvollen Titel aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine Enttäuschung vorfinden – wobei auch das Gegenteil nicht so unwahrscheinlich ist, dass es unmöglich wäre…

15 Bewertungen