Waking Life (DVD) Testbericht

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ab 16,74
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Erfahrungsbericht von dalia

Die Realität eines Träumers

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

So nun habe ich endlich Zeit gefunden über den beeindruckendsten Film dieses Jahres zu berichten – die meisten von euch werden ihn wohl leider verpasst haben als er vor einigen Wochen leider auch nur für einige Wochen in viel zu wenigen Kinos lief. Wahrscheinlich hätte aber den meisten von euch dieser Film auch nicht wirklich gefallen. Ich bin dennoch davon überzeugt, dass WaKiNg LiFe gerade auf DvD oder Video viel intensiver zu erleben ist, als wenn man ihn wie ich , von 22 bis ca. 1Uhr versucht einem Film zu folgen, dessen philosophischer Background einen manchmal zu erschlagen droht.

Na ja wenigstens war mein Kino recht schnuckelig. Das kleine Räumchen hatte sogar Theaterqualitäten – einziger Makel : fast alle Besucher waren wohl eher da um endlich mal in schummerig weinroter Umgebung einen romantischen kino.brunch zu veranstalten. Zumindest kann ich mich noch gut daran erinnern das ¾ der Leute gegessen haben und 100% davon neben mir saßen, aber dennoch nichts für mich abfiel - dies war natürlich der Hauptgrund warum ich nach einiger Zeit ziemlich entnervt war :)

Vorweg erzähle ich am besten etwas zur Machart von WaKiNg LiFe - über großartige Animationen wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Zuerst wurde dieses Werk auf Digital Film aufgenommen , unter anderem wälzen sich auch Stars wie Ethan Hawk und Julie Delphy vor der Kamera ( gibt auch einen Kurzauftritt von Steven Soderbergh und Linklater selbst ).
Als das Material komplett war wurde er am Computer mit dem sogenannten Rotoskopie-Verfahren* verfremdet. Und wenn ich v e r f r e m d e t sage, dann mein ich das auch genau so. Alle Szenen wirken wie große impressionistische Gemälde – alles wurde detailreich „übermalt“ . Die Darsteller werden zu Comicfiguren – die Hintergründe verschwimmen, verflüssigen oder verformen sich. Dadurch ist der ganze Film sehr nennen wir es mal bewegt – keine Minute wo sich das strapazierte Auge des Zuschauers ausruhen könnte.

Im ersten Moment war ich davon überzeugt dass ich meiner Sitznachbarin auf ihre Tupper.dose kotze, wenn ich WaKiNg LiFe wirklich bis zum Ende anschaue. Man fühlt sich wie in einem Film der mit Handkamera aufgenommen wurde, dadurch etwas verwackelt zu seien scheint. Ich habe zwar keine Kopfschmerzen bekommen - diese FilmArt ist aber definitiv dafür prädestiniert um solche Schmerzen hervorzurufen. Mir wurde dann nur kurzzeitig schlecht als das Mädschen neben mir fröhlich kleine Fische aus einer Konservendose in sich reinschaufelte :/

So und nun wird ich mal versuchen den Film inhaltlich zu beschreiben. Oder besser gesagt zu umfassen, da man nicht wirklich sagen kann das eine lineare Geschichte von Anfang bis Ende durchgezogen wird. Richard Linklater hat mit WaKiNg LiFe einen Film erschaffen, der sich vorrangig um die Story eines jungen Mannes dreht, der in seinen Träumen gefangen zu sein scheint. Dies alles erlebt er jedoch sehr bewusst - träumt davon endlich wieder aufzuwachen, aber auch die Sequenzen wo scheinbar der Wecker klingelt und er in die Realität zurück gefunden hat sind nur Illusion. Die Grenze zwischen Sein und Schein verschwimmt sowohl für den Darsteller als auch für den Zuschauer.

Während seiner Odyssee trifft der junge Mann auf die verschiedensten Leute und Charaktere, die sich mit seiner Situation mehr oder weniger befassen, fast immer jedoch über Traum und Realität philosophieren. Sowohl Fremde als auch gute Freunde trifft er in Bars, Cafes und auf der Strasse – manche wirken real manche scheinen auch körperlich zu verblassen. Der Film beinhaltet viele Zitate von berühmten oder mir total unbekannten klugen Köpfen der Geschichte ( unter anderem von Plato, Aristoteles, Friedrich Nietzsche und Thomas Mann ) , aber auch Alltagsweisheiten oder scheinbar banale Redewendungen haben ihren Platz in WaKiNg LiFe .

Dennoch wirkt nix in diesem Film zufällig, alles fügt sich zu einem einzigartigen großen Kunstwerk zusammen, auch wenn man fast jede einzelne Minute von der „Story“ vollkommen verwirrt wird, eben nicht immer versteht was einem WaKiNg LiFe vermitteln will - ich glaube aber auch das Linklater gar nicht wollte, das sein Film für jeden sofort greifbar ist.

Ich bin mir nicht sicher ob man diesen Film als einen solchen bezeichnen kann – denn eine wahrhafte Story die einen „normalen Film“ kennzeichnet konnte man ich in den 100 Minuten nicht wirklich erkennen.
WaKiNg LiFe vermittelt eher Ideen - Ideen über das Leben, die Realität und vor allem über das Träumen. Nicht verwunderlich ist das Linklater ( \"Slacker\", \"Dazed and Confused\" und \"Before Sunrise\" gehören ebenfalls zu seinen Arbeiten ) bei der ersten Vorführung seines Machwerks das Publikum fragte „wie viel sind von euch stoned?“ „dieser Film ist für euch“ . Und ich muss zugeben dass das auch mein erster Gedanke war – WaKiNg LiFe ist wie ein großer DrogenTrip, man glaubt nicht nur selber etwas genommen zu haben ( und ich bin mir sicher das nix in meinen Kakao war - dies sei an dieser Stelle erwähnt :) sondern auch das die ganze Filmcrew nur vollkommen bekifft am Drehort erscheinen durfte.

WaKiNg LiFe vermittelt das Gefühl des Träumens – die Ungreifbarkeit dieses Themas versucht Linklater so gut er kann erlebbar zu machen. Ich habe immer geglaubt, dass diese Emotion von keiner Kunstform der Welt wirklich eingefangen werden könnte. Dieser Regisseur hat einen Versuch gestartet, der den man durchaus als gelungen bezeichnen kann – der Betrachter schwebt durch diesen Film wie der namenlose Hauptdarsteller durch seine eigenen traumhafte Welt.

Wenn es jemand noch nicht bemerkt hat : Ich liebe diesen Film – werde sobald er auf DvD rauskommt – mir vorher natürlich erst mal nen DvDPlayer zulegen :) und dann WaKiNg LiFe Minute für Minute erneut erleben. Trotz der Gedankenschwere und den philosophischen , eigentlich nie wirklich leicht verständlichen Überlegungen, hat der Bilderrausch in den einen WaKiNg LiFe versetzt eine Leichtigkeit die den Zuschauer sanft durch die ganzen 100 Minuten führt.

Nicht umsonst erhielt dieser Film in Venedig den \"Spezialpreis für das Kino der Zukunft\" . WaKiNg LiFe ist einfach anders als alles was vorher da gewesen ist , sicherlich kein Mainstream und auch wahrhaftig anstrengend ( vor allem wenn man versucht ihn nachts zu konsumieren ) aber ich finde dass jeder diese surreale Reise mit dem Hauptdarsteller wagen sollte.
Einfach ein psychedelischen Meisterwerk, dass immer wieder überraschen kann und mir in keiner Minute langweilig geworden ist. Ein verspielter Experimentalfilm für neugierige Wesen die das Risiko eingehen möchten von vollkommen neue Ideen und Blickweisen begeistert zu werden.

Es ist einfach schwierig WaKiNg LiFe zu beschreiben, am treffendesten ist wohl der Dialog zwischen zwei Charakteren im Film selbst :
\"Was schreibst du da?\" fragt der eine
\"Einen Roman\", lautet die Antwort,
\"aber es gibt keine Geschichte. Er handelt von Menschen, Gesten, Momenten, von Leidenschaft und Emotionen. Kurz, die größte Geschichte, die jemals erzählt wurde.\"

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„Was, wenn sich dein Traum als Realität herausstellen sollte? Oder die Realität als Traum?“

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*Rotoskopie-Verfahren (1914)

Eine reale Person wird während einer Bewegungsabfolge gefilmt und anschließend Bild für Bild auf eine matte Glasscheibe projiziert. Der Zeichner kann so den schematischen Bewegungsablauf abpausen
(Auszug aus dem Trickfilmlexikon auf http://www.br-online.de/ )

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