Uhrwerk Orange (DVD) Testbericht

ab 6,14
Auf yopi.de gelistet seit 11/2010
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Summe aller Bewertungen
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  anspruchsvoll
  • Romantik:  sehr niedrig
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Spannung:  sehr spannend

Erfahrungsbericht von atrachte

Uhrwerk Orange

Pro:

düstere Vision Kubrick´s, Malcolm McDowell, Inszenierung, erschreckend und eindrucksvoll zugleich,

Kontra:

nichts,

Empfehlung:

Ja

Wann auch immer Stanley Kubrick einen neuen Film abgedreht hat, war eine öffentliche Diskussion, sowie ein Hagel an Kritik quasi vorprogrammiert. Der wohl kontroverse Film des amerikanischen Regisseurs dürfte dabei sicherlich „Uhrwerk Orange“ sein, ein Film, dem Zeit seines Bestehens eine Banalisierung und übermäßige Ästhetisierung von Gewalt unterstellt wurde, den die katholische Kirche geradezu verteufelte, der in den USA das normalerweise nur Porno-Filmen vorbehaltene X-Rating bekam und der nach der heftigen Kritik in Großbritannien, von Kubrick selbst, gar ganz aus dem Kino genommen wurde und bis zu dessen Tod nahezu unter Verschluss blieb. Und selbst heute, fast 40 Jahre nach der Uraufführung, spaltet der Film die Lager noch immer in zwei Extreme. Grund dafür dürfte, neben der sicherlich zutreffenden, wenn auch im Kontext der Handlung zu verstehenden, Stiliserung von Gewalt, aber vor allem die Tatsache sein, das kein anderer Film der Frage, ob eine Gesellschaft und ihr Justizwesen das Recht dazu haben einen Straftäter den freien Willen zu nehmen um ihn zu resozialisieren, so intensiv nachgeht, wie es „Uhrwerk Orange“ macht.

„There was me, that is Alex, and my three droogs, that is Pete, Georgie, and Dim, and we sat in the Korova Milkbar trying to make up our rassoodocks what to do with the evening. The Korova milkbar sold milk-plus, milk plus vellocet or synthemesc or drencrom, which is what we were drinking. This would sharpen you up and make you ready for a bit of the old ultra-violence.“
- Alex -

Alex (Malcolm McDowell) liebt Gewalt in sämtlichen Formen: Raub, Einbrüche, Schlägereien, Vergewaltigung. Beinahe alles hat der junge Mann, dessen gleichzeitige Liebe zu Beethoven und sein höflicher Auftritt gegenüber seinen Eltern und seinem Bewährungshelfer im krassen Gegensatz zu dem steht, was er beinahe Nächtlich mit seinen „Droogs“ Dim (Warren Clarke), Georgie (James Marcus) und Pete (Michael Tarn) im bizarr anmutenden London der nahen Zukunft abzieht, bereits durch. Eines Nachts, als sich Alex und seine Gang einmal mehr zu einem abgelegenen Haus aufmachen, um eine alleinstehende, alte Frau zu überfallen, kommt schließlich auch Mord dazu. Als Alex, nachdem er die alte Frau erschlagen hat, vor der anrückenden Polizei fliehen will, bekommt er von seinen Doogs obendrein noch die Quittung für seinen autoritären Führungsstil innerhalb der Gruppe statuiert, indem er niedergeschlagen und zurückgelassen wird. Schließlich wird er festgenommen und zu einer 14-jährigen Haftstrafe in einem Zuchthaus verurteilt.

Zwei Jahre später ist Alex an seine Grenzen angekommen und will nichts sehnlicher, als das Gefängnis verlassen. Als er von einer neuen, von der Regierung unterstützten, Methode, der sogenannten „Ludovico-Technik“, hört, deren Teilnahme es ihm ermöglichen würde bereits nach wenigen Wochen wieder ein freier Mann zu sein, setzt er alles daran, um an dem Experiment teilzunehmen. Tatsächlich entschließt man sich Alex als einen der ersten Probanden mit der neuen Technologie, von der man sich erhofft die hoffnungslos überfüllten Gefängnisse zu entlasten, indem man die Straftäter zu „guten Menschen“ konditioniert, zu behandeln. 14 Tage später wird Alex als resozialisiert und „geheilt“ entlassen. Doch die Folgen sind für ihn verheerend. Denn alleine der Gedanke an Gewalt oder Sex, sowie, unbeabsichtigt herbeigeführt, das Hören von Beethovens 9 Sinfonie, führt bei ihm nun zu einem Gefühl der Ohnmacht, des Schmerzes und der Unfähigkeit. Schließlich fällt die Gewalt auf Alex zurück. Aus dem früheren Täter wird nun das Opfer...

Das „Uhrwerk Orange“ kein einfacher Film, dessen Intention die nackte Unterhaltung seines Publikums ist, wird bereits in den ersten zehn Minuten überdeutlich. Geradezu bizarr arrangiert Kubrick eine erschütternde Montage aus erdrückender und abstoßender Gewalt, die uns in die Welt des Protagonisten Alex entführt. Es wird geschlagen, gequält und vergewaltigt, auf den Gesichtern von Alex und seinen Droogs liest sich die pure Ekstase ab, keinerlei Empfindung von Mitleid oder Unrechtsbeweisstein ist bei den jungen Männern vorhanden. Als krasser Gegenentwurf zu dem visuellen Schrecken spielt im Hintergrund klassische Musik, genauso fröhliche Evergreens wie „Singing in the Rain“ und psychedelische Kompositionen. Der Regisseur inszeniert, wie ihm viele Kritiker sicherlich richtig attestieren, Gewalt wie ein hypnotisierendes Ballett, jedoch nicht zum Zwecke der voyoristischen Ergötzung, sondern um den Alltag von Alex und sein moralisches Empfinden zu verdeutlichen, einen, sicherlich schweren, aber greifbaren Bezug für den Zuschauer herzustellen. Alex spürt kein Mitleid, wenn er einen wehrlosen Obdachlosen drangsaliert, oder mit einer ebenso wehrlosen Frau das „rein und raus Spiel“ zelebriert – dies soll man früh erkennen und verinnerlichen, denn anders, als das man eine frühe Antipathie gegen den Protagonisten entwickelt, kann „Uhrwerk Orange“ nicht funktionieren.

„Goodness is something to be chosen. When a man cannot choose he ceases to be a man.“
- Gefängnis-Pfarrer -

Denn um was sich Kubricks Film, basierend auf dem gleichnamigen Buch von Anthony Burgess, letzten Endes dreht, ist die später aufkommende Frage der individuellen Definition von Freiheit und die Auseinandersetzung eigener Ansichten diesbezüglich. Jeder Mensch will, logischerweise, frei sein und fordert diese ein. Die unangenehme Wahrheit ist jedoch, das auch jemand der Böses tut, dies nur tun kann, weil er frei ist, weil ihn niemand daran hindert, genauso wie jemand nur Gutes tun kann, wenn niemand ihn daran hindert. Nun darf nicht der Fehler gemacht werden dem Regisseur, oder dem Vorlagen gebenden Autor, zu unterstellen, Gewalt als solches gut zu heißen. Nein, die Frage nach der Freiheit bezieht sich eben darauf, ob man einen „schlechten“ Menschen das demokratische Recht auf eine eigenständige Entscheidungsfreiheit nehmen soll, um damit schlechtes Verhalten vorzubeugen bzw. dafür zu sorgen, das es nie wieder zu solchen Taten kommt. Es geht um die Frage, ob es vertretbar ist, einen Menschen zum mechanisch funktionierenden Subjekt umzuprogrammieren, womit man zwar verhindern kann, das er weiterhin schlechtes tut, jedoch ihm gleichzeitig der freie Wille genommen wird. Der Soziologe Dahrendorf sagte passenderweise einmal: „Freiheit gibt es nur jenseits der Gesellschaft, jenseits der Rollenerwartungen.“

Im Film geschieht dieser „Raub“ der Entscheidungsfreiheit in Form von klassischer Konditionierung. Alex befindet sich an einem Stuhl fixiert, die Augen werden zwangsweise durch Klammern offen gehalten. Nachdem man ihm ein Serum verabreicht hat, welches zu Übelkeit führt, werden ihm immer und immer wieder Filmausschnitte gezeigt, von alledem, was bei ihm zuvor Erregung hervorgerufen hat, sprich Vergewaltigung, Überfälle usw. Das, durch das injizierte Serum, aufkommende Gefühl der Übelkeit wird mit den brutalen Filmszenen gekoppelt. Das Resultat: wann auch immer Alex alleine nur den Gedanken verspürt, in seine alten Muster zurück zu fallen, bricht er unter Schmerzen und schwerer Übelkeit zusammen. Die einen werden sagen „Gut so, er ist geheilt und daran gehindert, weiterhin schlechtes zu tun“. Aber besitzt eine Gesellschaft bzw. ihre ausführendes Rechtssystem wirklich das Recht, einen Menschen umzuprogrammieren, nur um ihn in die Normen der Gesellschaft einzuführen? Wäre diese Gehirnwäsche nicht Diktatur?

Den Höhepunkt findet „Uhrwerk Orange“ schließlich, wenn er seinen Täter zum Opfer werden lässt, das nun nicht nur Gewalt am eigenen Leib erfährt, sondern auch von sämtlichen Seiten als Instrument für die jeweiligen Ansichten benutzt wird. Die Regierung nutzt ihn als Vorzeigemodell, für den Erfolg der „Ludovico-Technik“, die Kritiker dieser Technik, darunter auch ein früheres Opfer von Alex, welches ihn am liebsten Tod sehen will, instrumentalisiert ihn ebenfalls, nur eben als Beweis dafür, das man in einem totalitären und menschenverachtenden Regime lebt, das sich seine Bürger zurecht schneidert. Am Ende steht Alex schließlich wieder da, wo er angefangen hat. Doch betrachtet man es genau, hat er sich eigentlich nie geändert. Denn sein Denkmuster vor, während und direkt nach der Behandlung ist das selbe, nur mit dem Unterschied, das er eben nicht anders kann, als mit Abscheu auf sein gewolltes, aber unterdrücktes, Verhalten zu reagieren.

„Uhrwerk Orange“ beraubt sich aufgrund seiner sehr schweren Thematik und der unausweichlichen Aufforderung nach einer Auseinandersetzung mit dem Stoff, jegliches Recht als Unterhaltungsfilm. Trotzdem gilt er heute als absolutes Kultobjekt, was in erster Linie weniger der Geschichte, als Kubricks brillanter, geradezu skurril-bizarrer Inszenierung zu verdanken ist. Vor allem Visuell besticht der Film mit einem geradezu grotesken, vollkommen deplatziert wirkenden Stil. Da finden sich typische 70er Jahre Accessoires wie weiße Plastikmöbel und kunterbunte Tapeten, einige Frauen, unter andere auch Alex´ Mutter, tragen metallisch farbig Perücken, gesprochen wird ein seltsam anmutender Slang aus Englisch und Russisch und den Kick für die Nacht, in dieser geradezu grotesken Zukunftsvision, holt man sich nicht mehr durch Alkohol, sondern in einer Milchbar, deren Getränke jedoch mit allerhand Substanzen angereichert sind. Als genauer Gegenentwurf erscheint da der verwendete Score, welche sich zwar auch elektronischen Klängen hingibt, in der Mehrzahl aber klassische Stücke spielt. Und trotz dieser, sicherlich eher heiter anmutenden Beschreibung, und dem typisch zynischen Humor des Regisseurs, der jedoch weitaus weniger, als in seinen anderen Werken einsetzt, hat „Uhrwerk Orange“ etwas sehr kühles und bedrückendes an sich.

Was die Darsteller von „Uhrwerk Orange“ angeht, so ist vor allem ein Name hervor zu heben: Malcolm McDowell („Caligula“, „Rob Zombie´s Halloween“), der nie wieder so gut wie hier gespielt hat und zweifelsohne die Vorstellung seines Lebens gibt. Dabei hat es McDowell wirklich nicht leicht, so etwas wie Sympathie hervorzurufen, denn seine Figur Alex ist alles andere, als ein angenehmer Zeitgenosse. Trotzdem, und wenn dies eintritt, funktioniert der Film schließlich auch in vollem Umfang, kann man sich als Zuschauer einer Gewissen Identifizierung kaum entziehen, worin schließlich auch der Reiz des ganzen liegt. Alex ist der geborene Anti-Held, der vom Täter zum Opfer wird, und wieder zurück. An der hervorragenden Performance von McDowell reicht in „Uhrwerk Orange“ kein anderer Name heran, womit man zu guter Recht von einer One-Man Show des Briten reden darf. Für einen überdreht-überzeichneten Auftritt sorgt außerdem noch Michael Bates („Patton – Rebell in Uniform“, „Frenzy“) als Gefängnisaufseher, sowie der fast schon krankhaft auf Rache versessen wirkende Patrick Magee („An einem trüben Nachmittag>“, „Barry Lyndon“) als eines von Alex´ Opfern.

Original Filmtitel:
A Clockwork Orange (1971)

Länge des Filmes:
Ca. 131 Minuten

Darsteller:
Malcolm McDowell...Alex
Patrick Magee...Mr Alexander
Michael Bates...Chief Guard
Warren Clarke...Dim
Adrienne Corri...Mrs. Alexander
Carl Duering...Dr. Brodsky
Paul Farrell...Tramp
...

Regisseur:
Stanley Kubrick

FSK:
Ab 16 Jahren

\\\\ Fazit ////
In meinen Augen ist „Uhrwerk Orange“ der Höhepunkt des filmischen Schaffens von Stanley Kubrick. Kein anderer seiner Filme, regt so sehr zur Auseinandersetzung an, lässt sich in so viele Richtungen interpretieren und ist dabei selbst heute noch so aktuell, wie zu dem Tage seiner Erstaufführung. Natürlich ist er auch jener Film, aus der Filmografie des Amerikaners, der bis heute am meisten aneckt und so wird es wohl immer die Befürworter und die Gegner dieser bitter-bösen, wie genialen Gesellschaftssatire geben.

10/10 Punkte für „Uhrwerk Orange“ und somit fünf Sterne als Wertung.

36 Bewertungen, 9 Kommentare

  • Steinbock78

    05.03.2010, 09:11 Uhr von Steinbock78
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ganz liebe Grüsse Steinbock78

  • morla

    13.02.2010, 18:13 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    wünsche dir ein schönes wochenende lg. petra

  • topfmops

    13.02.2010, 17:54 Uhr von topfmops
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW mit dem Unterschied, dass Du recht hast mit der Einschätzung, das sei kein "Unterhaltungsfilm", das ist ein PFLICHTFILM!!

  • Tweety30

    13.02.2010, 13:49 Uhr von Tweety30
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW und einen schönen Samstag!

  • tipsi3

    13.02.2010, 12:36 Uhr von tipsi3
    Bewertung: sehr hilfreich

    Einen schönen Samstag wünsche ich dir ! Liebe Grüße tipsi3

  • rainbow90

    13.02.2010, 12:30 Uhr von rainbow90
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein super Bericht. LG

  • cleo1

    13.02.2010, 12:28 Uhr von cleo1
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht. Ein schönes Wochenende und LG cleo1

  • XXLALF

    13.02.2010, 12:16 Uhr von XXLALF
    Bewertung: besonders wertvoll

    öh, das ist aber auch ein starker film, den ich mal im fernsehen gesehen hab. und bericht ebenso und deshalb ein bw und ganz liebe grüße

  • sigrid9979

    13.02.2010, 11:31 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht...LG Sigi