Dr. Berndsen Face-Former Testbericht

Wie meine Leser inzwischen wissen, bin ich Logopädin. Da ich meinen Beruf liebe und möglichst gut ausüben möchte, bin ich bestrebt, immer neue Therapieformen und Therapiematerialien kennenzulernen. Auf den Face-Former stieß ich, als ich im Internet neue Therapiemöglichkeiten bei myofunktionellen Störungen bzw. Dysfunktionen suchte. Wer sich dafür interessiert, liest jetzt weiter, wer nicht, überspringt die folgenden Abschnitte.


Wo hat die Zunge ihren Platz?

na klar, im Mund, Aber wo dort? Wenn wir sprechen oder kauen ist sie ständig in Bewegung, wo aber ist sie, wenn wir still sind oder schlafen und gerade nicht essen? Dann sprechen wir (damit meine ich die Logopäden) von der Zungenruhelage. Und die kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein.
Beim Säugling liegt die Zunge unten im Mund, denn nur so kann das kleine Menschlein saugen. Im Gegensatz zum Erwachsenen hat das Baby die Fähigkeit, gleichzeitig zu trinken und durch die Nase zu atmen. Wenn der Säugling keiner mehr ist, und das Kleinkind keinen Schnuller oder Daumen mehr lutscht, und die Nasenatmung nicht durch Polypen, eine schiefe Nasenscheidewand oder (allergischen) Schnupfen behindert wird, stellt sich die "erwachsene" Zungenruhelage ein. Die Zunge liegt wie ein Löffelchen oben am Gaumen, d.h., die Zungenränder liegen am oberen Zahnfleisch hinter den Zähnen an, die Zungenmitte hängt locker durch.

Was passiert, wenn die Zunge ihren Platz nicht findet?

Die Folgen sind teilweise (aus logopädischer und kieferorthopädischer Sicht) dramatisch. Warum?
Bleibt die Zunge aus den oben genannten Gründen (oder auch anderen) unten im Mund liegen, dann haben die Betroffenen ein falsches Schluckmuster. Bei richtiger Zungenruhelage wird oben gegen den Gaumen geschluckt: Die Spucke, das Getränk oder der gekaute Bissen werden auf die Zunge gesaugt, zwischen Zunge und Gaumen entsteht ein Unterdruck, die Zunge wird gegen den Gaumen gedrückt und der Schluck so nach hinten transportiert. An den hinteren Gaumenbögen wird der Schluckreflex ausgelöst, von da ab ist das Schlucken nicht mehr beeinflussbar. Das Schlucken gegen den oberen Gaumen formt diesen, der Gaumen wird breiter und die Zähne haben mehr Platz.
Wenn die Zunge unten liegen bleibt, schlucken die Kinder, indem sie mit der Zunge gegen die Zähne drücken oder sie zwischen den Zähnen durchschieben. Dabei wird jedesmal ein beträchtlicher Druck gegen die Zähne ausgeübt. Da durch die geöffneten Lippen kein Gegendruck erzeugt werden kann, werden die Zähne nach und nach nach vorne geschoben. Im Extremfall entsteht ein lutschoffener Biss, bei dem die Zunge bei geschlossenen Zahnreihen (Backenzähne beißen aufeinander) zwischen den Frontzähnen durchgeschoben werden kann. Der obere Gaumen wird nicht geformt, er bleibt schmal und hoch. Wir sprechen, wegen der hohen, spitzen Form, von einem gotischen Gaumen. An den Zungenrändern kann man die durch das Pressen entstandenen Zahnabdrücke sehen
Dagegen ist das Lispeln, das ebenfalls duch die falsche Zungenlage erzeugt wird, nur ein störender Nebeneffekt, sozusagen ein hörbares Symptom.
Die betroffenen Kinder (und auch die daraus werdenden Erwachsenen) atmen in der Regel durch den Mund, der deshalb meist offen ist. Dies hat, außer für das Schlucken, auch beträchtliche Nachteile für die oberen Atemwege. In der Nase wird die Atemluft gefiltert , befeuchtet und angewärmt und gelangt so "aufbereitet" in die Atemwege. Atmen wir durch den Mund, dann sind wir anfälliger für Erkältungen, die Mundschleimhaut wird trocken, es entsteht ein Hustenreiz. Und so richtig intelligent sehen wir auch nicht aus, wenn unser Mund offen steht, vor allem, wenn dann auch noch die Zunge so richtig schlaff zwischen den Zähnen liegt.
Ach ja, die schlaffe Zunge: Sie wirkt breiter und dicker, fast zu groß für den Mund. Das Zungenbändchen ist verkürzt, da die Zunge sich ja nie nach oben bewegt und dies nach einiger Zeit auch nicht mehr kann. Die Unterlippe wirkt, im Vergleich zur Oberlippe verdickt. Oft werden die Lippen abgeleckt, weil sie durch die Mundatmung austrocknen. Wunde Stellen, vor allem in den Mundwinkeln, sind eine der Folgen. Insgesamt entsteht ein Muskelungleichgewicht in der Mund- und Gesichtsmuskulatur, eine Muskelfunktions- oder myofunktionelle Störung.
Darüberhinaus besteht auch ein enger funktioneller Zusammenhang zwischen dem orofaziale System (Mund-Gesichts-Bereich) und dem Bewegungsapparat. Man kann auch umgekehrt formulieren: Menschen mit einer myofunktionellen Dysfunktion haben oft auch eine schlechte Körperhaltung mit zu geringer Grundspannung der Muskulatur.

Und was bitte, hat das mit dem Schnarchen zu tun?

Um es ganz kurz zu sagen: Nur wer nachts durch den Mund atmet, schnarcht. Die Luft strömt am (schlaffen) Gaumensegel vorbei und bringt es zum Flattern und dies erzeugt das bekannte, für "Mitschläfer" schlafraubende Geräusch. Die betroffenen Schnarcher haben aber auch keinesfalls einen ruhigen, erholsamen Schlaf. Im Extremfall kommt es zur sogenannten Schlaf-Apnoe, Atemaussetzern während des Schlafens. Diese belasten den Schnarcher stark, er wacht müde auf und quält sich durch den Tag. Im Extremfall kann das ein lebensbedrohlicher Zustand sein. Wer Genauere darüber erfahren möchte, kann selber mal googlen. Da ich keine Schnarchexpertin bin, will ich zu dem Thema nicht weiter in die Tiefe gehen.
Ich weiß aus meiner Praxis, dass schon kleine Kinder schnarchen, z.B. wenn sie Polypen haben. Damit eine myofuktionelle Therapie bei ihnen Erfolg haben kann, muss zuerst sichergestellt werden, dass die Nasenatmung nicht mehr behindert ist (z.B. durch Entfernen der Polypen).
Mit zunehmendem Alter erschlafft die Muskulatur im Mund-Rachenbereich immer mehr und das Schnarchen nimmt zu.

Der Face-Former nach Dr. Berndsen

Material und Aussehen
Der Faceformer ist aus einem weichen, blauen Platikmaterial, das, soweit ich weiß, aus der Zahntechnik stammt. Er wird in einer Plastikdose geliefert, die mit Löchern versehen ist. Auf der Abbildung sieht man noch die alte Dose, die neueren sind farbig und kleiner.
Der Face-Former sieht ein wenig aus wie ein Schnuller, der aber umgekehrt in den Mund genommen wird. Der "Mundschild", der ein kleines Loch hat, wird in den Mundvorhof, vor die Zähne genommen; der vorne offene "Nuckel" wird zwischen die Lippen genommen. Man findet auch die Bezeichnung Schnarchschnuller, den ich persönlich aber ablehne, weil ich ihn als albern und nicht angemessen für ein Trainingsgerät für Erwachsene halte.
Größe
"Schild": 8cm lang, in der Mitte 1cm, an den Seiten 3cm breit.
"Mundstück": 3,5 cm lang, ca. 2,5 cm breit und bis zu 2 cm dick
Preis
da kann ich jedem nur raten, sich selber schlau zu machen. Er kostet zwischen 37,45 und 19,76 €, es gibt ihn sogar gebraucht bei ebay, aber dazu würde ich bei einem Gerät, was man in den Mund nimmt, nicht raten, obwohl man ihn gut reinigen bzw. desinfizieren kann.
Im Lieferumfang ist jeweils ein Faltblatt mit Erklärungen und sehr verständlicher Übungsanleitung (kann man auch im Internet herunterladen), sowie ein Übungsplan enthalten.
Reinigung
Der Face-Former kann ausgekocht oder im Geschirrspüler gereinigt werden. In der Praxis lege ich ihn immer in einen Dampfsterilisator, wie man ihn für Babyflaschen nimmt. Das Material ist so robust, dass man bis heute (ich besitze ihn seit etwa 6 Jahren) weder Gebrauchs- noch Abnutzungsspuren sieht.


Das Übungsprogramm

Das Übungsprogramm für den Face-Former ist in einem beiliegenden Faltblatt anschaulich erklärt. Dieses Faltblatt kann man auch im Internett anschauen, außerdem gibt es bei you-tube zwei Filme zum Face-Former-Training: www.youtube.com/watch?v=fA05S3wwQlw
Wichtig ist die Übungsfrequenz (3 mal täglich). Der Zeitbedarf wird mit 25 Minuten pro Tag angegeben, was wirklich nicht viel ist, wenn man dadurch auf Dauer schnarchfrei wird.
Es werden bei jedem Durchgang zwei Übungen gemacht. Für diie
Grundübung,
die jedesmal gemacht wird, wird der Schild des Face-Formers vor die Zähne in den Mundvorhof eingesetzt. Mit den Lippen wird nun der Lippenkeil zusammengedrückt, die Spannung wird 6 Sekunden gehalten, dann wird 6 s entspannt. Das Ganze wird 20 mal wiederholt.
Zusätzlich wird eine
Zugübung
(auch 20 mal, je 6 s An- und Entspannung) gemacht, bei der zusätzlich ein Unterdruck im Mund- und Rachenraum erzeugt wird. Diese Übung hat deutliche Wirkung auf das Gaumensegel. Gezogen wird mit zwei Fingern am Lippenkeil, entweder nach vorne, nach oben oder nach unten.
Wichtig für die Durchführung aller Übungen ist, dass die richtige Zungenruhelage eingenommen wird und der Nacken gestreckt ist.
Wenn sich nach zwei bis drei Wochen die Nasenatmung deutlich gebessert hat (auch erkennbar am Mundschluss), soll der Face-Former auch nachts getragen werden (der Hersteller empfielt für mindestens 6 Monate).

Meine Erfahrungen mit dem Face-Former

Ich empfehle den Face-Former schon seit Jahren den Patienten, die aufgrund einer myofunktionellen Schwäche oder Dysfunktion im Mund- und Gesichtsbereich zu mir kommen. Ich empfehle ihn bei Kindern und Jugendlichen ab etwa 10 Jahren. Meine Empfehlung ist abhängig vom Störungsbewußtsein der Patienten. Je höher dieses ist, desto größer ist die Bereitschaft, etwas zu verändern und die täglichen Übungen durchzuführen.
Die besten Erfolge hatte ich bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die auf Grund einer Zahnfehlstellung vom Kieferorthopäden zu mir geschickt wurden. Wie ich im zweiten Kapitel ausführte, können die Kieferform und die Zahnstellung durch ein falsches Schluckmuster ungünstig beeinflusst werden. Durch Umstellung des Schluckmusters und der Zungenruhelage durch logopädische Übungen in Kombination mit dem Face-Former-Training konnten fast immer gute Ergebnisse erziehlt werden. Es ist wissenschaftlich belegt, dass mit diesen kombinierten Übungen die besten Erfolge erziehlt werden, mehr, als nur mit logopädischer Therapie oder Face-Former-Training alleine. Oft konnte sogar eine Versorgung mit Zahnspangen vermieden werden, bzw, nach einer Zahnspangenbehandlung ein erneutes Verschieben der Zähne dauerhaft verhindert werden.
Man kann den Face-Former auch bei kleineren Kindern anwenden. In dem Fall kann man den Mundschild mit einer Schere einfach verkleinern. Ich will an dieser Stelle aber nicht näher auf die Anwendungsmöglichkeiten bei Kleinkindern und Kindern mit Behinderungen eingehen, das würde den Rahmen sprengen.
Der sichtbarste Erfolg ist fast immer, dass der Mund in Ruhe geschlossen ist. Sobald die Zunge nicht mehr gegen die Zähne drückt, können die Lippen, deren Muskulatur ebenfalls stark trainiert wurde, einen Gegendruck auf die Zähne ausüben und in manchen Fällen kann so ein lutschoffener Biss korrigiert werden.
Es gibt eine wissenschaftliche Studie, deren Ergebnisse bestätigen, dass ein
Zusammenhang zwischen myofunktionellen Übungen und einer Beeinflussung der Körperhaltung besteht. Ein myofunktionelles Training mit Hilfe des Face-Formers kann innerhalb von 6 Monaten eine Aufrichtung des Rumpfes bei Patienten mit orofazialen Dysfunktionen bewirken.
Der größte Erfolg für die Betroffenen ist aber, dass sie nachts ruhig schlafen können, ohne Schnarchen und Atemaussetzern. Auch dieses wird im Internet durch viele Erfahrungsberichte und Studien belegt.
Für mich als Logopädin steht natürlich der Mundschluss, das richtige Schluckmuster und die unbehinderte Nasenatmung im Vordergrund, aber wenn das alles gegeben ist, hört das Schnarchen in den meisten Fällen komplett auf oder wird zumindest sehr stark reduziert.
Nochmal zur Erinnerung: Wer durch die Nase atmet und, auch im Schlaf, den Mund geschlossen hat und dessen Zunge die richtige Ruhelage einnimmt, schnarcht nicht.

Fazit

Der Face-Former ist einfach in der Anwendung und für das, was er bewirken kann, wirklich nicht zu teuer.
Noch eine Anmerkung: Ich habe darauf verzichtet, aus dem internet zu zitieren und die passenden links hier einzustellen. Ich denke, das kann jeder selber tun. Ich habe mich ausschließlich auf mein berufliches Wissen und meine Erfahrung sowie auf die Angaben im Faltblatt bezogen.
Ich kann jedem Schnarcher den Face-Former nur empfehlen und vergebe 5 Sterne.
Vielen Dank fürs Lesen und Bewerten, ich hoffe, ich habe die Zusammenhänge auch für Laien verständlich erklärt.