Artemide Tizio X30 Testbericht

Neben Stühlen sind Lampen wohl die Einrichtungsgegenstände von Mobiliar und Interieur, an denen sich die meisten Designer ausgiebig ausleben können. Kein Wunder, denn Lampen können eindrucksvoll Ästhetik und Funktionalität miteinander verbinden. Genau dies ist auch bei der Lampe Tizio der Fall. Sie gehört neben Bauhaus-Leuchten von Christian Dell, Marianne Brandt, Kurt Schröder oder Curt Fischer auch zu meinen persönlichen Favoriten und hat daher seit meinem Umzug nach Wohlstandswestdeutschland auch einen festen Platz auf meinem privaten Arbeitsbereich. Die typisch regional ausgeprägte Sparsamkeit – wie sie vorsichtig ausgedrückt von vielen ausgelebt wird – lässt zwar kein Budget als Lampe im eigenen Büro zu, doch man kann eben nicht alles haben.


Erfahrungen:
Die Tizio ist in verschiedenen Ausführungen erhältlich. Ich selbst besitzt die Tizio 50, es gibt sie aber auch als kleinere Varianten „micro“ und Tizio 35. Der besondere Clou der Tizio ist wohl ohne Frage der frei schwenkbare Leuchtenkopf, sodass man schnell und präzise die jeweils relevante Stelle auf dem Arbeitsplatz ausleuchten kann. Obwohl es sich bei der Lampe Tizio um eine Schreibtischleuchte handelt, so ist sie doch sackschwer. Dies liegt am besonders schweren Lampenfuß, der für die jeweilige Stabilität sorgen muss. Denn aufgrund des Mittelgelenks, kann der zweiteilige Lampenarm sehr ausladend, aber auch schmaler, dafür weit in die Höhe ragend eingestellt werden. Durch die ausgeklügelte Gegengewicht Mechanik, lässt sich jede Lampenposition schnell realisieren, die jeweilige Position bleibt aber auch gleichfalls erhalten.


Durch zwei verschiedene Schalterstufen, kann man die Lichtwirkung einstellen und so an die momentan gewünschte Ausleuchtung anpassen. Die Tizio wurde im Jahre 1972 von Richard Sapper entworfen.

„Richard Sapper begreift Design als soziale und politische Aufgabe. Er wollte immer „der Form einen Sinn geben“ und stellte sich damit deutlich gegen das funktionalistische Leitmotiv „form follows function“.
Quelle: http://prediger.de/shop/artemide-tizio-50.html


Diesen Ausführungen kann ich mich nur vollends und uneingeschränkt anschließen. Die Lampe hat zwar je nach Variante mit einem Neupreis von 250 Euro aufsteigend fürstlich erscheinende Kosten, hier investiert man aber gleichzeitig in wirklich erstklassiges, zeitloses Design und eine qualitätvolle Umsetzung aus dem Mailänder Haus Artemide. Auch bei ebay bekommt man die Tizio 50 gebraucht selten unter 100 Euro. Oft läuft sie zwischen 100 und 150 Euro aus, jedoch gibt es aufgrund des relativ großen Angebotsverhältnisses immer mal wieder Ausreißer nach unten. Mit etwas Sniper-Hilfe kann man sie aber wie bereits angedeutet, auch öfter günstig abschießen. Aufgrund der Fülle an Tizios, die im Umlauf sind, lohnt es sich also geduldig zu sein.

Die Tizio ist trotz ihrer filigranen Form sehr gut verarbeitet und die zwei Lampenarme können durch stabile aber dennoch leicht voneinander zu lösende Gelenke demontiert werden. Der Schwachpunkt der Lampe ist in der Befestigung des Leuchtmittels anzusiedeln. Dieses zu wechseln ist ein Geduldspiel. Je nachdem, ob man eine frühe oder junge Ausführung der Tizio sein eigenen nennen kann (man erkennt es unter anderem an den unterschiedlichen Stufenschaltern), ist leider ein Leuchtmittelwechsel unumgänglich.
Durch die qualitätvolle Ausführung erntet die Tizio auch bei Designlaien schnell Aufmerksamkeit. Intuitiv erkennt man die guten Proportionen, die man hier vorfindet. Es ist so ähnlich wie mit dem goldenen Schnitt: Auch wenn man nicht Hintergrundwissen zu Ästhetik hat, so empfindet man als Betrachter von Kunstwerken gewissermaßen diese Harmonie, auch wenn man sich nicht wissenschaftlich damit auseinandergesetzt hat.
Die Tizio gibt es in verschiedenen Farbausführungen: schwarz, weiß und grau. Mein persönlicher Favorit ist die klassische schwarze Variante, für die es auch den dazu passenden Bodenstandfuß gibt, sodass sie auch frei im Raum postiert werden kann.


Die Tizio hat auch schon in vielen namhaften Filmen Verwendung gefunden. Der wohl prominenteste Einsatzort war dabei der Film American Psycho, der vor Designklassikern ja nur so überflutet war. Dass der Besitz dieser nicht zwangsläufig glücklich macht, zeigt ja der Film auf seine Weise. Neben den klassischen Kommissar-Leuchten der Bauhaus-Ära, die in nahezu jedem Tatort anzutreffen sind, zählt die Tizio zu meinen unangefochtenen Schreibtischlampen-Favoriten.

Damit man sich sicher kein kann, auch ein Original gekauft zu haben, ist der Blick auf die Lampenfußunterseite der eindeutige Beweis richtig gehandelt zu haben. Dort ist nämlich zum einen der italienische Hersteller Artemide durch eine Profilprägung sowie der Designername Richard Sapper wieder zu finden.


Die Lampe ist bereits vielfach publiziert worden und beispielsweise aus Standardwerken wie 1000 Lights nicht mehr wegzudenken. Man sollte zudem auch beachten, dass es bis heute viele Schreibtischleuchten auf dem Markt gibt, die allesamt stilistisch an die Tizio herankommen möchten, was aber in der Regel der Wunsch bleibt. Ich kenne auch Sammler, die ihre Tizio schon seit den 70er bzw. 80er Jahren besitzen und ebenfalls mit ihr noch vollauf zufrieden sind. Welche Schreibtischleuchte mit einer so filigranen Ausführung kann das schon vorweisen? Gerade in Bezug auf die Tizio zeigt sich einmal mehr, dass wenn man billig kauft, man mindestens zweimal in die Geldbörse greifen muss.

Insgesamt kann ich eine uneingeschränkte Empfehlung für die Tizio 50 aussprechen. Eine schlichte, elegante, stilvolle Lampe. Der Entwurf ist durchdacht aber gleichzeitig so simpel. Das hat mich von Anfang an sehr beeindruckt und zum Kauf der Tizio 50 bewegt.


Hersteller: Artemide
Designer: Richard Sapper
Fassung: GY 6,35
Leuchtmittel: max. 1 x 50W/12V Halogenlampe