Schwipp Office A3S Testbericht

Liebe Community, liebe Sitzgeplagte,

auch wenn ich mich bisher noch nicht an der „Bewertungswut“ im Internet beteiligte, heute möchte ich dies gern einmal tun: Es handelt sich um einen Bürodrehstuhl der Marke Schwipp, genauer um den Office A3S.
Momentan gehe ich einer Tätigkeit nach, die mich Tag für Tag an den Schreibtisch bindet. Immer der Gefahren gewahr, die diese einseitige Belastung bedeutet, versuchte ich bisher mein Möglichstes, Abwechslung in meinen Ablauf zu bringen, den langen Tag durch etwas Bewegung, regelmäßiges Aufstehen und Ähnliches zu durchbrechen. Ich kaufte mir ein Stehpult (was überdies sehr zu empfehlen ist) und verlagerte sogar meinen Schreibtisch etwas höher. Alles mit dem Ziel, mich abends ins Bett zu begeben ohne den angestrengten Rücken zu spüren. Nach einer gewissen Zeit, es mögen drei Monate gewesen sein, musste ich dennoch feststellen: Ich hatte Rückenschmerzen. Es konnte eigentlich nur noch an meinem Stuhl liegen, der mich, obgleich auch er nicht der Billigste gewesen war, eben auch schon seit dem gesamten Studium begleitet hatte. Also begab ich mich auf die Suche nach einem neuen Stuhl, der den Rücken entlastete, durchaus etwas kosten durfte, mein Budget aber auch nicht völlig sprengte. Ich stellte mir etwas um die 500 Euro vor.
Wie wir das alle schon hunderte Male gemacht haben, begann ich also meine Suche in Geschäften, las viele, sehr viele Testberichte und stieß dann irgendwann auf die Seite www.schwipp.de und auf den dort angebotenen Bürostuhl Office A3S. Der Stuhl verhieß „dynamisches Sitzen“ und wurde offenbar schon von Jean Pütz in der „Hobbythek“ angepriesen. Zugegeben, Jean Pütz ist für meine Generation (geb. 1979) nicht mehr unbedingt der Maßstab. Doch immerhin eine Vorstellung im Fernsehen und – soweit der Eindruck zurückreicht – nicht im schlechtesten Genre. Auch der graphische Eindruck der Internetseite war erst einmal eher mäßig ansprechend (im Juli 2010). Doch angeregt von einem anderen Testbericht las ich mich ein, blieb hängen und fand nicht nur das Angebot gut, sondern auch die dahinter stehende „Story“ sympathisch: Der Entwickler, seines Zeichens Physiker, hatte diesen Stuhl für seine Frau entwickelt, die bereits von zwei Bandscheibenvorfällen heimgesucht worden war, und vertrieb den Stuhl nun persönlich. Ich dachte nach: Promovierter Physiker, das klang erst einmal vertrauenserweckend, mit der Wirkung von Kraft und Gegenkraft sollte er sich auskennen. Keine große Firma, sondern eine Art tüftelnder Unternehmer, der sein eigenes Produkt vertreibt, auch dies war eine Vorstellung, der ich etwas abgewinnen konnte. Und ob ich der Vielzahl der positiven Feedbacks auf seiner Seite würde Glauben schenken können, davon wollte ich mir selbst ein Bild machen. Wenn nicht, so konnte ich den Stuhl immer noch zurückschicken.

Preis und Montage: Seinen Preis wert – und mit schwedischem Charme

Ich bestellte den Stuhl in folgender Ausstattung:
- Stuhl im Grundpreis € 419,00,

- Armstützen € 79,00 – Armstützen wollte ich unbedingt, da ich sie gewöhnt war und gern nutze.

- eine extra große Gasdrucksäule, € 5,00 – Dass es überhaupt eine Auswahl entsprechend der Körpergröße gab, erweckte durchaus Vertrauen.

- Versand € 29,00

Da war ich also mit € 532,50 etwas über meiner angepeilten Preisvorstellung. Doch der Hang zum Luxus siegte und ich wechselte noch den Bezug auf schwarzes Nappa-Leder, was nochmals € 66,00 mehr bedeutete. Der Kunde kann aus verschiedenen Bezügen wählen, im Grundpreis ist ein schwarzer Standardbezug aus Wolle bereits enthalten, dann stuft sich der Preis hoch über Mikro-Faser Velours in den verschiedensten Farben, meinem Nappa-Leder bis zu zwei „High-End“-Lederbezügen.
Nun also € 598,50. Man lebt nur einmal, sitzt aber ständig, so dachte ich im Anblick des Preises. Doch war mir noch aus meinen Recherchen bewusst, dass ich auch nicht sehr weit über anderen Angeboten war, die ich mir angesehen hatte. Teurer geht natürlich immer. Also leistete ich die Anzahlung von € 100,00, den Rest sollte ich überweisen, wenn ich den Stuhl behalten wollte.

Der Kontakt war nett, schnell, zuvorkommend – man konnte den Emails auch einen gewissen familiären Ton entnehmen. Und dann kam er: Mein neuer Schwipp-Stuhl. Ich öffnete das Paket, wühlte mich durch das zahlreiche Verpackungsmaterial und holte die Teile raus. Es war alles da: vormontierte Teile wie auch Einzelteile, passendes Werkzeug (ein Schraubenschlüssel, ein Imbusschlüssel), eine Montageanleitung. Unweigerlich fühlte ich mich an ein bestimmtes schwedisches Möbelhaus erinnert. Der Aufbau war recht einfach, der detaillierten Beschreibung war zu folgen, auch wenn vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch etwas an ihr gefeilt werden könnte. Für Lesen und Aufbau sowie für die ersten Einstellungen benötigte ich zusammen circa eine Stunde.

Aussehen und Funktionalität: „Form follows Function“

Da stand er nun, mein Schwipp-Stuhl. Mir wurde bewusst: Was ich bekommen hatte, war ein Stuhl, kein Designobjekt. Gegenüber anderen Stühlen vermag der Schwipp-Stuhl sicher nicht durch eine ausgefallene Optik zu bestechen. Er ist ein funktionaler Stuhl – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und der Funktionalität wegen hatte ich ihn schließlich bestellt.

In schwarz gehalten, besitzt der Stuhl unten ein großes Drehkreuz mit angemessen großen Teppichrollen. Die Gasdruckfeder ist silbern. Alles andere ist wieder in schwarz gehalten, abhängig natürlich von der gewählten Farbe des Bezugs. Die Armlehnen sind aus Kunststoff. Der Winkel, der zum Halten der Rückenlehne dient, ist aus beschichtetem Metall und wird mit der Mechanik unter der Sitzfläche fest verbunden. Der von mir ausgesuchte Nappa-Lederbezug ist qualitativ hochwertig, passgenau und angenehm in der Optik wie auch bei Berührung.

Und was heißt nun „dynamisches Sitzen“?

1. Was zuerst auffällt: Die Sitzfläche ist beweglich. Sie ist montiert auf einer Gummilagerung, das heißt, je nachdem, in welche Richtung sich das Becken bewegt – die Sitzfläche verändert ihre Neigung nach allen Seiten.

2. Der Stuhl hat verschiedene Einstellungsmöglichkeiten:

- Höhenverstellung ist Standard. Das kennt man schon von fast allen Bürostühlen. Wie schon beschrieben, kann man aber bereits bei der Bestellung je nach Körpergröße Einfluss auf die Sitzhöhe nehmen. Es gibt verschieden hohe Gasdruckfedern.

- Spezifischer wird es schon bei den Armlehnen: Entgegen der Lehnen vieler anderer Modelle sind die extra zu bestellenden Armlehnen einzeln in der Höhe zu verstellen. Außerdem kann der Winkel der Armauflagefläche zum Körper je nach Wunsch verändert werden.

- Die Sitzfläche, sowieso schon beweglich gelagert, kann nochmals in der generellen Neigung nach vorn bzw. hinten beeinflusst werden, um den Winkel zur Rückenlehne zu verändern.

- Die Rückenlehne ist an zwei Gelenken befestigt.
a) Am oberen Gelenk, direkt in der Mitte der Rückenlehne, wirkt im Idealfall und bei guter Einstellung das Prinzip einer Wippe. Das heißt, lehnt man sich mit der Schulterpartie an die Lehne an und drückt diese damit im oberen Bereich nach hinten, so stützt der untere Teil die Bandscheibenregion.
b) Das untere Gelenk, an dem die Lehne über einen Metallwinkel mit der Mechanik verbunden ist, dient dazu, das Sitzen noch mehr zu „dynamisieren“. Man kann die Rückenlehne über dieses Gelenk aus der Arretierung lösen, sodass sie frei – je nach Rückenlage – vor und zurück schwingt. Egal welche Sitzneigung, die Lehne stützt die Wirbelsäule, je nachdem was sich persönlich gerade anbietet, welche Tätigkeit anliegt oder in welcher Stellung der Wirbelsäule man sich wohl fühlt.

- Und aus meiner Sicht kommt hierzu ein wirkliches Highlight: In dieser Einstellung, in der die Rückenlehne vor und zurückschwingen kann, hat man nun zusätzlich die Möglichkeit, den Grad einzustellen, wie stark die Rückenlehne den eigenen Rücken stützen soll. So kann man höchst individualisiert, seinen eigenen Bedürfnissen und den Fähigkeiten der eigenen Rückenmuskulatur gemäß, den idealen Andruck der Rückenlehne bestimmen.

Sitzkomfort und Fazit: Sehr empfehlenswert für Rücken-Leidende, Vielsitzer, Entspannungssuchende und Gesundheitsbewusste

Ich habe den Stuhl jetzt seit circa einer Woche und mittlerweile ist er bezahlt. Es hat etwas gedauert, bis ich meine ideale Einstellung gefunden hatte. Die ersten beiden Tage hatte ich den Stuhl noch in der „starren“ Position, das heißt, die Lehne war noch arretiert. Jetzt bin ich auf die „dynamische“ Sitzweise umgestiegen und vollends zufrieden. Das Sitzen ist sehr angenehm und auffallend ist tatsächlich, dass sich der Körper viel mehr bewegt – einfach, weil es geht. So bietet der Stuhl aus meiner Sicht die Möglichkeit, diejenigen Bewegungsabläufe zu vollziehen, die der Körper in der sitzenden Position sowieso ausführen würde. Doch braucht es dazu eben eine Sitzgelegenheit, die dies auch ermöglicht. Die Lehne drückt in jeder Position an meinen Rücken, der Bandscheibenbereich wird gestützt. Ohne Übertreibung kann ich sagen: Nach nunmehr einer Woche sind die Rückenschmerzen weg. Der Stuhl wirkt sich damit nicht nur positiv auf mein Wohlbefinden aus, sondern ebenso, während des Sitzens, auf mein Konzentrationsvermögen. Zugegeben, das sind alles individuelle Eindrücke. Von manchem wird vielleicht „dynamisches“, d.h. bewegliches Sitzen nicht als so angenehm empfunden, anderer Leute Rückenschmerzen kommen vielleicht von anderen Ursachen, sodass sie meine Erfahrung nicht teilen werden. Doch für mich möchte ich schließen: Dieses Geld war wohl investiert.