Mobbing (Taschenbuch) / Annette Pehnt Testbericht
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Erfahrungsbericht von LilithIbi
"Von dir ist nichts mehr übrig."
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
_(Zitat, S. 12 - 13)_
Bereits an dieser Stelle hatte ich persönlich mich an den etwas anderen Schreibstil der Autorin Annette Pehnt gewöhnt, während ich hingegen bis zuletzt ein wenig mit der sprunghaften Erzählweise haderte. So richtig deutlich, welcher genaue Zeitrahmen involviert wird, gestaltet sich das 166seitige Buch
===“Mobbing“=== nicht. Im Grunde spielt solcherlei auch keine allzu große Rolle; dennoch kam es vor, dass ich mich immer wieder wunderte, das die quasi Ich-Erzählerin Claudia stetig auf den „heutigen“ Valentinstag zurückkommt. Es fiel mir nicht sonderlich leicht, die ganzen Details rund um Jos erhaltene fristlose Kündigung in einen chronologischen Ablauf zusammenzubekommen; ein Umstand jedoch, der wie gesagt nicht besonders tragisch ist und womöglich ausschließlich mir selbst ein „Problem“ darstellt.
Generell liest man sich in den Roman fluchs ein: der Usus, dass manche Protagonisten lediglich mit ihren Anfangsbuchstaben genannt werden, verstärkt das Gefühl der Authentizität. Besonders hervorzuheben meiner Meinung nach vor allem der Umstand, dass der Leser selbst anfänglich gar nichts sonderlich schlimmes in den einzelnen Entwicklungsdetails sieht. Auf Seite 33 etwa werden Szenarien genannt, die man oft gar nicht als Schikane ansehen würde, eben weil solcherlei Begebenheiten (neuer, wenn auch „niederer“ Zuständigkeitsbereich, abgezählte Briefumschläge, Abmahnung bei Zuspätkommen) tatsächlich Gang und Gebe sind.
Hinzu kommt der Umstand, dass Jo selbst seiner neuer Chefin auch nicht gerade mit Sympathie begegnet, man immer noch den Eindruck erhält, dass das Nicht-mögen beidseitig und somit wenig tragisch ist. Claudias Einwende, dass ihr Mann manches womöglich zu eng oder gar paranoid betrachtet, sind meines Erachtens nach absolut nachvollziehbar ~ und deswegen nicht minder verletzlich für Jo, der sich von seiner Frau mehr und mehr entfernt, weil unverstanden und nicht ernstgenommen fühlt.
Knackpunkt an „Mobbing“ somit mitunter, dass der Leser selbst sich zwiegespalten fühlt. Jo erscheint hier und dort stur, nicht zuletzt nicht völlig schuldfrei an manchen Diskrepanzen.
Selbst ich, die während einer Anstellung schon so einiges (wenn auch „nur“ am Rande) mitbekam, wie eine Auszubildende buchstäblich „entfernt“ wurde, gelangte während der ersten Kapitel der Lektüre zur der Ansicht, das Jo sich zu sehr auf seine imaginäre Kriegsführung verbissen hätte.
Völlig anders verhält es sich sodann ab Seite 40, in der die Eigentümlichkeiten der neuen Chefin verdeutlicht werden ~ Jo sucht mehrfach das Gespräch, wird jedoch stoisch von seiner Vorgesetzten abgewimmelt oder gar ignoriert. Auf einem Firmenausflug wird er beinahe vollständig geschnitten; Informationen zu seiner Arbeit werden ihm vorenthalten, während er gleichzeitig „nur noch Sekretärinnenarbeit“ verrichten darf und mit eben jener Aussage die tatsächlichen Sekretärinnen vergrätzt.
Der Roman „Mobbing“ macht den schleichenden Verfall deutlich, den nicht nur das Opfer, sondern ebenso sein engster Familienkreis zu durchleiden hat. Verständnis hat der Leser hier erstaunlicherweise sowohl für ihn und seinen Rückzug in sich selbst, für die Reaktion seiner Frau als auch für die daraus resultierenden Streitigkeiten und gegenseitigen Anschuldigungen.
Nicht minder thematisch die einzelnen Rückmeldungen der Freunde ~ anfänglich spricht man dem Ehepaar noch Mut zu, während man über die Monate hinweg schlicht und ergreifend erwartet, dass es endlich mal wieder bergauf geht.
Telefonate wie auch Besuche kreisen oft nur noch um das eine Thema; aus der Anteilnahme wird jedoch über kurz oder lang der Vorwurf, dass die Betroffenen sich nur für sich selbst interessieren und überhaupt kein offenes Ohr mehr für die Belange der anderen haben. Dass diese Sicht der Dinge nur die Halbwahrheit ist, macht „Mobbing“ deutlicher als jene vergleichbaren Lektüren, die ich bislang gelesen habe.
Auch erhält der Leser hier einen verstärkten Eindruck darüber, wie die Ehefrau und zugleich zweifache Mutter sich durch die Situation kämpft. Während oftmals eher das Augenmerk auf das eigentliche Opfer gelenkt wird, schildert „Mobbing“ auf eindringlich-berührende Art, welche Konsequenzen die gesamte Kleinfamilie nicht zuletzt selbst in Bezug auf ihren zunehmend bröckelnden Freundeskreis durchleb-leiden muss
„Es ärgert mich, wie Katrin über uns Bescheid zu wissen meint, ihre Bemerkungen geben mir das Gefühl, wir durchliefen eine Fallgeschichte, sie nimmt mir die Einzigartigkeit meiner Verzweiflung.“
_(Zitat, S. 46)_
„Mobbing“ spiegelt eine Art Protokoll eines beinahe gänzlichen Auseinanderbrechens wieder; geht nicht zuletzt auf den Wegschau-Effekt der beteiligten Kollegen weg. Obschon der Gedanke „besser er als ich“ nie ausgesprochen wird, lässt sich jener durch zig Zeilen herauslesen.
Jo betrachtet das Ganze mehr und mehr als Krieg, sieht sich als eine Art Widerstandskämpfer und klagt somit auf Wiedereinstellung.
Mit der entsprechenden Wendung auf S. 124 hätte ich tatsächlich nicht gerechnet; ebenfalls nur bedingt mit den weiteren Entwicklungen sowie der absoluten Auswegs- oder gar Hoffnungslosigkeit.
Bis zuletzt war ich persönlich immer wieder en detail der Meinung, dass ebenfalls Claudia etwas zu stur reagiert, beinahe immun gegen wirklich gut gemeinte Ratschläge der nicht völlig Außenstehenden zu sein scheint. Absolut konform gehe ich somit mit manchen Schlussfolgerungen nicht; während ich gleichermaßen keinesfalls sagen würde, dass Claudia bzw. Jo alles andere als plausibel reagieren.
Annette Pehnt verschweigt in ihrem Buch nicht, welche körperlichen Konsequenzen die seelischen Leiden nach sich ziehen. Schlafentzug, Gereiztheit, Depressionen ~ all jene Folgeschäden machen sich bemerkbar, ohne dass der Roman jene zum zentralen Mittelpunkt erklärt.
Der Punkt, an dem selbst Teilerfolge eher als Niederlage angesehen werden, das Ehepaar sich förmlich in ihrem vermeintlichen Elend einkesselt.... jener mag auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, macht rückblickend betrachtet jedoch das absolut unverfälschte Bild aus, welches die Autorin ihrem Werk verlieh.
Einziges Kritikpunkt meiner persönlichen Ansicht nach die geschilderten Meerschweinchen-Momente:
„Ich schlug gegen den Käfig, aber es half nicht, auch nicht, als ich eines nach dem anderen herausnahm und leicht schüttelte, nicht zu grob, um die zarten Geschöpfe nicht zu beschädigen“.
_(Zitat, S. 153)_
Ohne an dieser Stelle den militante Tierschützer heraushängen zu lassen, habe ich tatsächlich gewisse ethische Probleme mit der verwendeten Sprachwahl ~ trotz des Wissens, dass selbst Tiermord rechtlich gesehene eine „Sachbeschädigung“ darstellt.
===Summa summarum=== stellt „Mobbing“ dennoch ein Werk dar, welches ich mir wie so oft irgendwie anders vorgestellt hatte ~ der Erzählstil, der hier beinahe ausnahmslos auf die direkte Anrede verzichtet, ein wenig sprunghaft agiert und nicht zuletzt fast von voraussetzt, dass Buch an einem Stück zu lesen, um nicht stetig aufs neue langsam das vermittelte Lesegefühl in sich aufkeimen zu lassen.... all dies meine ich jedoch keineswegs negativ; vielmehr schürft die Lektüre dadurch, dass sie eben ist wie sie ist, noch ein wenig tiefer.
Das recht offene Ende erwischte mich als Leser obendrein noch mal eiskalt, hinterlässt einen brutalen Nachgeschmack und zieht unverblümt die Akzeptanz dessen nach sich, dass es in manchen Situationen schlicht und ergreifend kein Happy end gegen kann. Den Protagonisten hätte man für wahr etwas anderes gewünscht; und doch ist jene letzte Buchseite beinahe nur mit diesem Ausgang authentisch, sensibilisierend wie auch nicht zuletzt warnend.
Ein Roman, der in der vielzitierten „heutigen Zeit“ wichtiger kaum sein kann ~ voller Besternung sowie eine eindringliche Leseempfehlung.
27 Bewertungen, 8 Kommentare
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27.06.2011, 17:04 Uhr von tina08
Bewertung: sehr hilfreichViele Grüße ... Tina
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25.06.2011, 16:08 Uhr von goat
Bewertung: besonders wertvollUi, keine Ahnung, warum ich zu diesem Buch noch keinen Bericht verfasst habe. Und da bin ich wieder mit einem BW zurück.
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25.06.2011, 12:47 Uhr von papaonline
Bewertung: sehr hilfreichsh aus wilhelmshaven für dich , lg dirk
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22.06.2011, 14:35 Uhr von anonym
Bewertung: sehr hilfreichLiebe Grüße Edith und Claus
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20.06.2011, 22:36 Uhr von feliciano2009
Bewertung: sehr hilfreichwichtiges Thema...
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20.06.2011, 13:07 Uhr von katjafranke
Bewertung: sehr hilfreichViele liebe Grüße. KATJA
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20.06.2011, 12:47 Uhr von Luna2010
Bewertung: sehr hilfreichich wünsche einen schönen Start in die Woche
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20.06.2011, 12:37 Uhr von sigrid9979
Bewertung: sehr hilfreichNetter Bericht...LG Sigi
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