Pro:
Schneller, stabiler, übersichtlicher und funktionaler als AOL 5.0
Kontra:
Firlefanz, Alleinherrschaftsanspruch, fragwürdiger Redaktionsteil, Wegfall einer wichtigen Sicherungsfunktion.
Empfehlung:
Ja
Jetzt ist sie also da, die lange angekündigte AOL 6.0 Version. Gottlob lag dieser Tage eine CD-ROM in meinem Briefkasten, denn der Download stieße mit seinen immerhin etwa 32 MB (installiert ca. 45 MB) an die Grenzen meiner Online-Geduld.
Die Installation von CD-ROM dauerte auf meinem Rechner etwa 12 Minuten, ohne anschließenden Computerneustart und automatische Systemaktualisierung wohlgemerkt. Hatte man bisher die AOL 5.0 Version installiert, so werden sämtliche Voreinstellungen wie auch die Marker (Favoriten) und eMail-Adressen daraus automatisch übernommen. Meine anfängliche Befürchtung, man müsse all diese Daten womöglich händisch wieder neu eintippen, war also vollends unbegründet.
Die Installation lief bei mir problemlos ab, nur funktionierte AOL hinterher nicht. Zwar konnte ich eMails empfangen und versenden, doch über die diversen AOL Bildschirme hinaus war es mir nach erfolgter Installation und korrekter Neuanmeldung zunächst nicht mehr möglich, auf das Internet zuzugreifen. Jedweder Seitenaufruf wurde mir mit der Meldung "Die Seite kann nicht dargestellt werden" quittiert. Ein blauer Bildschirm forderte mich sogar dazu auf, mein Windows98 neu zu installieren. Ein klarer Fall für die kostenpflichtige AOL Hotline (24 Pf./Min.).
Nach etwa zehn Minuten Wartezeit und etlichen Weitervermittlungen morgens so gegen 5 Uhr 30, konnte mir tatsächlich weitergeholfen werden. Ein offensichtlich darin schon leidgeprüfter, sachkompetenter und durchweg freundlich ruhiger Callcenter-Mitarbeiter empfahl mir Folgendes: Ich solle in den Ordner C:Windowsaolshare gehen und dort die Datei webutil.exe doppelt anklicken. Ich fragte ihn, um was für ein Programm es sich dabei handelt. Er sagte mir, das sei so eine Art Reparatur-Wiederherstellungsprogramm, welches bestimmte Registry-Einträge bereinigt, überschreibt, kurzum wieder herstellt. Gesagt, getan, und siehe da, ich war wieder DRIN.
AOL ist übersichtlicher geworden, so mein erste Eindruck: Die Farbgebung ist etwas pastellfarbener als bislang und vor allem die großen Icons in der Symbolleiste wurden verkleinert. Diese Verkleinerung war absolut nötig, denn zahlreiche neue Funktionen sind hinzugekommen, die in der Leiste ihren Platz benötigen. Im Folgenden Versuche ich meine Erfahrungen in einer POSITIV/NEGATIV Auflistung darzulegen:
POSITIV:
1.) Der Seitenaufbau ist wirklich schneller geworden. Ich schätze mal nach subjektivem Gutdünken so etwa um die 20 Prozent. Ebenso hat die Telegrammfunktion an Geschwindigkeit zugelegt, wo es in der Vergangenheit immer wieder zu kleinen stotternden Verzögerungen kam.
2.) Der Datendurchsatz bei Up- und Downloads hat sich entsprechend verbessert.
3.) Die gefürchteten AOL-Rausschmisse haben sich deutlich verringert. Ich rechne diesen Umstand mal einer allgemein verbesserten STABILITÄT dieser Software an.
4.) Die Symbolleiste gliedert sich jetzt sehr übersichtlich in die Hauptkategorien KOMMUNIZIEREN, ORGANISIEREN, FINDEN, NUTZEN, MERKEN und EIGENE SHORTCUTS auf. Jede dieser Kategorien gewährt über Pulldownmenüs Zugriffe auf die jeweiligen Unterfunktionen.
5.) Ein ganz großes Plus sind die neuen ORGANIZER-FUNKTIONEN. Die Verwaltung von empfangenen und versendeten eMails kann jetzt sehr intuitiv und systematisch zugleich vorgenommen werden. In einem Explorer-ähnlichen Verzeichnisbaum können Mails nach Datum oder Name sortiert werden, und eine Abspeicherung kann in selbsterstellte Ordner, zum Beispiel nach Namen unterteilt, erfolgen. Das ist wirklich sehr gut durchdacht worden. Eine übersichtlichere Strukturierung kann ich mir nicht vorstellen.
6.) Ganz hervorragend gelungen ist die Speicherfunktion für ALLE Organizer Daten. Egal, ob man nur eine einzelne eMail, sagen wir auf Diskette, sichern möchte, oder alle eMails samt Aufbewahrungsverzeichnissen: ein Rechtsklick auf die jeweilige Ordnerdatei genügt, und schon lassen sich sämtliche Organizerdaten exportieren. Sie werden in einer einzigen pfc-Datenbankdatei abgespeichert, und können jederzeit auch wieder importiert werden. Auf diese Funktion habe ich bei AOL lange gewartet und werde sie fortan bestimmt nie mehr missen wollen. Dieser ungeheure Zugewinn an Funktionalität springt einem nicht sofort ins Auge, da er eher unscheinbar, ganz ohne bunten Iconbutton, sein Lichtlein unterm Scheffel verborgen hält. Dem AOL Programmierer, der diese Funktion ermöglicht hat, ein dreifach demütiges
DANKE, DANKE, DANKE.
7.) Die eMail Funktionen wurden optimiert. Das direkte Einbinden von Tönen und Bildern in das Mailfenster klappt jetzt ebenso einwandfrei wie das Erstellen und Einbinden von Hyperlinks. Was sich noch erweisen muss, das ist die Kompatibilität mit anderen Mailprogrammen. Wurde die Mailfunktion von AOL bisher stiefmütterlich vernachlässigt, so hat sich der Entwicklungsaufwand an dieser Stelle wirklich gelohnt.
8.) Völlig neu hinzugekommen ist ein ADRESSBUCH. Es gab zwar bereits in der 5er Version die Funktion "Adressen", aber diese Funktion wurde jetzt zu einer regelrechten Adressbuchdatenbank ausgebaut. Es können neben eMailadressen nun auch SMS und FAX daraus verschickt werden sowie weitaus mehr Einträge getätigt werden, als dies bisher der Fall war. Sehr übersichtlich und funktional gestaltet. Direkt aus einer eMail heraus können Adressen mit einem Klick in das Adressbuch übernommen werden. Das ist sehr praktisch und bedeutet zumindest in diesem Bereich das Aus für copy-paste. Das Adressbuch ist auch Offline zugänglich und kann sogar von einem anderen Computer aus, Passwort vorausgesetzt, aufgerufen werden.
9.) Ebenso neu ist die Betaversion eines Kalenders, der allerdings nur im Onlinebetrieb zugänglich ist. Eine feine Sache für den, der's braucht. Ich verlasse mich bei meinen Terminen jedoch NIEMALS auf den Computer, sondern ziehe nach wie vor den schnöden Schreibblock vor. Der fällt vielleicht mal vom Schreibtisch, aber er stürzt nicht ab.
10.) Auf der Buddyliste kann man sich jetzt mit einem Klick und einem vordefinierten, frei wählbaren Text als "abwesend" verdünnisieren. Wird man während der eigenen Abwesenheit von einem anderen AIM-Teilnehmer antelegrammiert, so bekommt dieser im Telegrammfenster den voreingestellten Abwesenheitstext zu lesen.
GONE FISHING.
Natürlich kann man einzelne User, wie auch schon in der Vorgängerversion, ganz sperren, was Spammern, Penetranzlingen, Nervensägen, Betrügern und -Innen den Spaß an der Freud verderben dürfte.
Wir müssen leider draußen bleiben.
11.) Eine zweite bundesdeutsche Einwahlnummer (0193748001) steht nun allen AOL-Usern zur Verfügung. Sie war bislang ausschließlich den Flatratekunden zugänglich und schien deshalb weniger frequentiert und ergo stabiler zu sein. Ich hoffe, dass die Qualitäten dieser Einwahl durch die allgemeine Freigabe nun nicht anfängt zu schwächeln. Vorsicht: AOL-Mitglieder, die beispielsweise ihren Telefonanschluß bei der MOBILCOM haben, müssen vorweg noch eine 01033 eingeben, sonst wird das nix im Chat mit Babs.
WICHTIG: Die bisherige Funktion MEIN AOL, wo alle Grundkonfigurationen vorgenommen werden, ist etwas in der Versenkung verschwunden. Man findet diese jetzt unter ORGANISIEREN - PRÄFERENZEN. Die Entscheidung für diese Neuplatzierung macht Sinn, denn ist das eigene AOL erst einmal konfiguriert, so wäre der direkte Zugriffsbutton auf diese Funktion eine unnötige Platzverschwendung auf der anderweitig dringend benötigten Symbolleiste.
NACHTEILE:
1.) Manch ein User mag es als witziges Schmankerl empfinden, dass AOL nun auch noch 16 SMILIES für die Telegrammfunktion anbietet. Ich sehe hierin aber vielmehr einen Rückschritt in die Infantilität. Für Teletubbie-Fanatiker mögen diese SMILIES sicherlich einen willkommenen Kommunikationsersatz darstellen. So mancher User mag sich aber nun sprachlich noch schlampiger ausdrücken als wie zuvor, in der irrigen Annahme, die SMILIES würden seinen Worten schon noch attribuisierende Bedeutung zukommen lassen. Irrtum. Was in der zugrundeliegenden Verbalsprachenebene schon vernachlässigt wurde, wird durch SMILIES nicht etwa präzisiert, sondern nur noch zweideutiger ambiguisiert. Oder sarkastisch ausgedrückt: Wer sich in WORTEN schon nichts zu sagen hat, tut's mit SMILIES erst recht nicht. Die AOL SMILIES gehören für mich in die Abteilung FIRLEFANZ und FISEMATENTEN, aber nicht in die Version 6.0.
2.) Eine für mich ganz wichtige Funktion vermisse ich auch in der AOL 6.0 Version nach wie vor: Ich will die Option haben, den redaktionellen AOL-Schund wegzublenden. Am liebsten würde ich den ganzen redaktionellen Teil von AOL in einen Spamfilter eingeben, doch das geht leider nicht. Durch die nervenden Begrüßungsbildschirme muss man durch, wenn man mit AOL ins Internet geht.
Ich brauch ne saubere Software und keinen Softporno.
Klick und weg.
Unverkennbar in der neuen Version ist für mich das Ansinnen von AOL, seine Benutzer möglichst noch länger als bisher an die eigenen Pages zu fesseln oder sie von einem Surfausflug ins Internet gleich ganz abzuhalten. Was einem da alles an girlie-, Frauen-, Weiberchat zugemutet wird, sprengte die Ausgabe einer EMMA, die sich dieses fragwürdigen Angebots durchaus einmal annehmen sollte.
ALICE, KANNST DU MICH HÖREN?
Liebes AOL (Alle Ohne Liebe?), ich brauche einen fitten Internetprovider und keine Peepshow mit Kontakthof.
Die Verdummbeutelung des Users geht wohlgemerkt auf das Konto des AOL-Redaktionsbereiches und kann NICHT der Software angelastet werden. Aber ich laste es der Software an, dass sie mir keinen „AOL-Redaktions-Spam-Filter" zur Verfügung stellt. Wollte ich den dort feilgebotenen Schund lesen, so kaufte ich mir BRAVO, BILD und BERTELSMANN.
Die zunehmende Kommerzialisierung des AOL-Redaktionsteils ist unverkennbar, und das versionsübergreifend.
Küss mich, kauf mich – leck mich.
3.) Ich erwähnte eingangs die webutil.exe im Windows/aolshare Verzeichnis. Ein Link zu dieser WIEDERHERSTELLUNGS-REPERATURFUNKTION gehörte für meine Begriffe direkt in die Symbolleiste eingebaut. Ein dicker, fetter Reparaturbutton sollte dort sein. Auch sollte die Hilfedatei über diese wichtige Funktion informieren.
Beides ist jedoch nicht der Fall.
Ich wage einmal folgenden Vergleich:
Es brennt, und keiner kennt die Nummer von der Feuerwehr. Bitte rufen sie bei der Feuerwehr-Hotline an und fragen sie, wie man den Brand löschen kann.
So verhält sich AOL im übertragenen Sinne gegenüber seinen Nutzern. Anstatt die Benutzeroberfläche jedoch mit sexygirls im Cyberchat und sinn- wie sprachlosen SMILIES zuzumüllen, hätte AOL weit besser daran getan, diese wichtige Funktion in der Benutzeroberfläche zu implementieren.
4.) Eine wichtige Funktion, die in der AOL 5.0 Version noch vorzufinden war, ist leider ganz verschwunden. Man kann die Adressen jetzt nicht mehr auf einem externen Laufwerk sichern, was mir zumindest immer ein vermeintliches Gefühl der Sicherheit bot. Zwar blieb diese Funktion merkwürdigerweise bei den Markern (so heißen bei AOL die Favoriten) erhalten, aber diese ehemalige "Adressen für den jeweiligen Nutzernamen sicher/ersetzen" Funktion, wo ist sie hin?
5.) Unverändert "tiefgreifend" sind die Eingriffe der AOL Software ins System. AOL erhebt nach wie vor eine Art Alleinherrschaftsanspruch auf dem installierten Computer und duldet keine anderen Internetprovider neben sich. Mich würden die überwiegend hervorragenden Funktionen der AOL 6.0 Version bereits funktional überzeugen. Dazu bedarf es NICHT der softwareintegrierten Verdrängung der Mitbewerber. Doch AOL scheint die freie Willensentscheidung seiner Nutzer NICHT zu wünschen, geschweigedenn zu würdigen. Mit seinem despotischen Alleinherrschaftsanspruch NÖTIGT es dem mündigen Surfer seine penetrante Ausschließlichkeit auf.
Kann man eine Software eigentlich faschistisch nennen?
MEIN FAZIT:
Gemischte Gefühle mit der überwiegenden Tendenz zum Positiven hin. Wirklich fortschrittliche Verbesserungen in Design, Funktionalität, Stabilität und Geschwindigkeit rechtfertigen die AOL 6.0 Version als eigenständiges, großes Softwarepaket mit umfassenden Internetfunktionen, die weitaus mehr darstellen als bloß ein marginaler Update im Vergleich zur 5er Version. Mit der 6.0 Version ist AOL mit Sicherheit die beste Softwarelösung gelungen, die es bislang für diesen Onlineservice gab. Die Aufrüstung von vorhergehenden Versionen halte ich für AOL-Mitglieder unbedingt empfehlenswert, um nicht zu sagen obligat. Wer die 6er Version vor dem 31.3.2001 installiert, bekommt von AOL zudem noch 50 payback-Punkte gutgeschrieben.
Do it, now, you'll love it.
Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er AUSSCHLIESSLICH mit AOL ins Internet geht oder ob er sich Optionen offen halten will, die ihm die AOL Software jedoch nach wie vor vorenthält. Es ist letztendlich eine Glaubensfrage. Da AOL aber hierzulande der derzeit einzige Zukunftsanbieter einer FLATRATE für Modembenutzer zu sein scheint, bleibt für mich sowieso keine andere Wahl.
Wenn schon schlechten Gewissens AOL, dann wenigstens mit gutem Gewissen AOL 6.0. weiterlesen schließen
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