Pro:
Gute Verarbeitung
Perfekt zum Spielen
Kontra:
Preis
Empfehlung:
Ja
Dass der Ball rund ist, wusste schon Sepp Herberger und weiß heute jedes Kind. Weil aber bei der WM 2002 in Japan und Südkorea nicht mehr gegen eine Lederkugel getreten wird, braucht es eine Rundungsmaschine, um den Ball zu dem zu machen, was ihn auszeichnet. Als wäre er ein geheimnisvolles Wesen from out of space, wird jeder WM-Ball in der adidas-Fabrik im fränkischen Scheinfeld von zwei hydraulischen Stahlhalbkugeln in die Zange genommen und bei 70 Grad Celsius auf vier bar aufgepumpt. Es zischt, Zeiger schlagen aus - anderthalb Minuten später gibt die Maschine eine makellose Kunststoffkugel frei. Ihr Name: "Fevernova".
Manche der Vorgängermodelle aus Leder hätten die frankensteinisch anmutende Versuchsanordnung vermutlich nicht überstanden. Der "Telstar" aus dem Jahr 1970 etwa, als adidas mit der Produktion von Weltmeisterschaftsbällen begann. Oder der "Tango", acht Jahre später beim Turnier in Argentinien. Den letzten WM-Ball, der den Namen Leder noch halbwegs verdiente, holte Toni Schumacher im Finale 1982 dreimal aus dem Netz des Madrider Bernabeu-Stadions.
Weil die Fußbälle von heute aus Polyurethan bestehen, gibt es die Rundungsmaschine: Überdruck und Hitze pressen die fünf verschiedenen Schichten der Außenhaut exakter in den Hohlraum, als es sich Adi Dassler persönlich hätte träumen lassen. "Es ist schwieriger als man glaubt, etwas Rundes hinzubringen", sagt Marcus Kürner, der den "Fevernova" in Scheinfeld entwickelt hat.
Neben der Fabrik, der letzten Produktionsstätte für Bälle in Deutschland, liegt das Testcenter samt Labor: eine 30 Meter lange Halle, vollgestellt mit Fußballtoren, Computern, Lichtschranken und Schussmaschinen. Hier stellen Biomechaniker und Werkstoffwissenschaftler Ballmaterialien auf den Prüfstand, testen Flugbahnen und messen die Äquatoriallinien der Prototypen auf den Zehntelmillimeter genau. Aus dem Nachbarraum dringen Geräusche, als wäre ein Hallenteam beim Training: Eine Maschine schießt einen Ball mit 60 Stundenkilometern gegen eine Stahlplatte. Wieder und wieder. "Wenn ein Ball hier durchkommt, kann man mit dem Auto drüberfahren", meint Laborchef Kürner. Neben ihm steht eine Kiste mit zu Tode getesteten Bällen.
Wie ein runder Körper aus eckigen Flächen zusammengesetzt werden kann, die dreidimensionale Quadratur des Kreises, ist eine alte und hochmetaphysische Wissenschaft. Schon Leonardo da Vinci fertigte im 15. Jahrhundert Zeichnungen an, die das Design eines heutigen Fußballs vorwegnehmen. Da Vinci experimentierte mit den fünf platonischen Körpern, den Symbolen der vier Elemente und des Universums. Er nahm ein Ikosaeder, bestehend aus 20 gleichseitigen Dreiecken, schnitt die Ecken ab und erhielt ein Gebilde aus fünf- beziehungsweise sechseckigen Pentagons und Hexagons. Die Kombination von zwölf Fünfecken und 20 Sechs- ecken hat sich seither als der Ball der Weisen erwiesen und in der Fußballmoderne die rechteckigen Lederstreifen abgelöst, aus denen die Bälle noch zur WM 1966 zusammengenäht wurden.
Zitat von:Marcus Kürner, Ballentwickler
"Es ist schwieriger als man glaubt, etwas Rundes hinzubringen."
Von Leonardo Da Vinci hängt kein Bild im Scheinfelder Ball-Labor, aber eines des Fußballers Zinedine Zidane. Mit den vier Elementen aber haben die Wissenschaftler bei ihren Testreihen immer noch zu tun. Ein Ball wird bis zu 3000- mal maschinell unter Wasser gedrückt und anschließend gewogen - nicht mehr als zehn Prozent Gewichtszunahme sind bei Regen erlaubt. Er wird im Thermo-Hygrometer tagelang hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt, muss im UV-Test künstliche Sonnenbestrahlung aushalten und auf der roten Erde der Hartplätze seine Farbfestigkeit unter Beweis stellen. "Wir simulieren quasi über Nacht das ganze Leben eines Balles", erklärt Marcus Kürner. Wenn er danach immer noch rund ist, kann man über eine Serienproduktion nachdenken.
Etwa 800 B älle pro Tag werden in Scheinfeld hergestellt und in aller Welt für 100 Euro pro Stück verkauft. Die adidas-Niederlassung ist der Stolz des verschlafenen Dorfes im Steigerwald, das vom auch nicht eben weltstädtischen Stammsitz Herzogenaurach noch 50 Kilometer entfernt ist. Natürlich stehen die Firmengebäude an der Adi-Dassler-Straße, und gegessen wird nicht in der Kantine, sondern in der aditeria. In den Produktionshallen, wo neben Fußbällen auch die dazugehörigen Schuhe sowie Fecht- und Bobstiefel gefertigt werden, hängt überlebensgroß ein Porträt des Firmengründers, sorgsam die Schraubstollen prüfend, auf denen 1954 das Wunder von Bern daherkam. Ein Stockwerk darüber ist im Dassler-Showroom reliquiengleich eine Schusterwerkstatt aus der Vorkriegszeit ausgestellt: Gründungsmythos eines Weltkonzerns mit 6,1 Milliarden Euro Umsatz. Fußballerpuppen präsentieren das neue WM-Trikot der Nationalmannschaft, bei dem es nicht mehr um Schweiß geht, sondern um "verbesserten Flüssigkeitstransport". In einer Glasvitrine dokumentieren alte WM-Bälle die Entwicklung des Sports: Schon der "Telstar", der seinen Namen den fernsehfreundlich geschwärzten Fünfecken verdankte, bot einen Vorgeschmack auf das Konglomerat aus Fußball, Verbänden, Sportrechtemaklern, Ausrüstern und TV-Anstalten, das Adolf Dasslers Sohn Horst aufbaute.
Inzwischen sind nicht nur die Bilder bunt geworden. Auf den silbernen "Fevernova" haben die Designer vier gold-grün-rote Trigons aufgebracht. In Gestalt von Turbinen sollen sie die Wirtschaftskraft der WM-Gastgeberländer symbolisieren und außerdem an Shuriken erinnern, japanische Ninja-Wurfsterne.
Der Ball des neuen Jahrtausends hat Glamour. Jedenfalls von außen. "Made in Morocco, Engineered in Germany", steht auf dem WM-Ball - zwar stellt adidas in Scheinfeld die Einzelteile her und übernimmt später die Endverarbeitung, zusammengenäht aber wird der Ball von Hand in Fes. So darf Marokko, das nach zwei WM -Teilnahmen dieses Mal in der Qualifikation scheiterte, wenigstens für die rund 2000 Spielbälle in Japan und Südkorea sorgen. Ein Abbild der globalisierten Fußballwelt, in der die reichen europäischen Klubs aus dem Rest der Welt billig Spieler beziehen. Immerhin, beteuert Pressesprecher Matthias Nierle, gehe das Outsourcing mit regelmäßiger Kontrolle einher. Seit die Branche mit Schlagzeilen über Kinder- oder Gefängnisarbeit in Vietnam und Pakistan konfrontiert wurde, sorgen so genannte Social-Environment-Verträge vor Ort für angemessene Arbeitsbedingungen.
"In zehn Jahren wird der Ball nicht mehr handgenäht sein", prognostiziert Kürner. Schon jetzt denken er und seine Mitarbeiter über den WM-Ball 2006 nach. Kürner will nur verraten, dass der Trend zu kleineren, schwereren Bällen geht. Nicht mehr Speed ist das Nonplusultra, sondern Spin - damit die Freistoßspezialisten den Ball mit mehr Effet um die Mauer zirkeln können. Beim "Fevernova" haben die Wissenschaftler das mit ihrer Schussmaschine untersucht. Man müsse nicht verrückt sein, um sich sein Leben lang mit Bällen zu beschäftigen, sagt Kürner, "aber begeistert".
Der Fortschritt besteht im Spiel wie beim Ball aus Kleinigkeiten. Die Geometrie des Balles wird sich kaum ändern; spätestens seit die organische Chemie Jahrhunderte nach da Vinci und Jahrzehnte nach den Fußball-Designern feststellte, dass in der Natur eine stabile Kohlenstoffmodifikation gleicher Bauart existiert. Das 1985 nachgewiesene C-60-Molekül Fulleren, benannt nach dem Architekten und Erfinder Richard Buckminster Fuller, besteht aus den Fünf-und Sechsecken der modernen Bälle. Von Fußball hatte Fuller übrigens keine Ahnung.
Von Samstag an sieht der ganze Globus zu, wenn in Japan und Südkorea die besten Fußballspieler der Welt mit einer Kugel jonglieren, die einerseits als unendlich vergrößertes Modell eines Moleküls und andererseits als Miniatur-Abbild des gesamten Planeten durchgeht. Vier W ochen lang wird der Ball wieder rund sein und sich alles um ihn drehen. Auch wenn am Ende immer das Eckige wartet, worin das Runde so notwendig hineinmuss. weiterlesen schließen
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