Pro:
Die extravagante Optik mag ganz gagig sein, bis man sich an ihr sattgesehen hat
Kontra:
die Form ordnet sich leider nicht der Funkion unter
Empfehlung:
Ja
Die Zitronenpresse „Juicy Salif“, die Philippe Starck für den Hersteller Alessi entworfen hat, ist das, was in Hochglanzmagazinen gern zum „Design-Klassiker“ emporgeschwurbelt wird. Dem Wörtchen Design eignet ja sowieso ein Zauberglanz, der noch den größen Sperrholzverhau zum Trendmöbel (gemerkt? „Trend“ – das ist auch so ein Etikett) adelt.
„Design(ed) by“ – das schmückt doch ungemein. Wenn dann noch ein Name wie etwa Luigi Colani oder eben auch Philippe Starck dahintersteht und steckt, darf man das Kleingeldfach des Portemonnaies getrost zu lassen und sich sicher sein: Billig wird der Spaß nicht; ganz egal, worum’s da auch im Einzelnen gehen mag.
Was oft vergessen und von Hochglanzmagazinen in der Regel diskret verschwiegen wird, ist die simple Tatsache, dass auch im Design nicht alles Gold ist, was glänzt. Es gibt gutes Design, es gibt schlechtes Design, und leider wird das eine oft mit dem anderen verwechselt. Nehmen wir doch nur mal die etwas ominös benamste Presse „Juicy Salif“: Die darf zwar in kaum einer Bar fehlen, die auf sich hält, ist in meinen Augen aber trotzdem ein Klassiker schlechten Designs.
Gutes Design heißt, so sehe ich das jedenfalls, Dingen nicht nur eine Form zu geben, sondern gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie den ihnen zugedachten Zweck optimal erfüllen. Gewisse Designer sehen das aber wohl anders und entwerfen lieber Dinge, die möglichst extravagant wirken. Das Ziel, dem sie sich verschrieben haben, scheint zu lauten: Gestalte die Dinge so, dass ihr Äußeres dem anderer Dinge, die den gleichen Zweck erfüllen, möglichst wenig ähnlich ist. Das Ergebnis dieser Bemühungen sind dann bestenfalls Kleiderbügel, die nicht wie Kleiderbügel aussehen; schlimmstenfalls kommen Kleiderbügel dabei heraus, die nicht wie Kleiderbügel aussehen und die sich auch nicht als Kleiderbügel verwenden lassen.
Auch bei „Juicy Salif“ ist die Formgebung leider auf Kosten der Funktionalität geschehen. Mit anderen Worten: „Juicy Salif“ sieht besser aus als sie funktioniert.
Ich bin kein Mensch, der alle naslang Zitrusfrüchte auspresst. Wenn ich das aber tue, dann möchte ich, dass vor allem der Saft aus den Früchten im Glas landet. Ich gehöre zu der Safttrinker-Fraktion, die Fruchtfleisch in Säften ganz und gar nicht goutiert – ich konnte es schon als Kind nicht ausstehen, wenn da irgendeine Pulpe in meinem Saft herumschwamm, und an dieser meiner tief sitzenden Abneigung hat sich nie etwas geändert. Selbst wer’s damit anders hält, wird sicher zugeben, dass Kerne in Säften nichts zu suchen haben.
In der Küche meiner Mutter gab’s ein kleines, überaus nützliches Utensil, das gewährleistete, dass frisch gepresster Saft wirklich Saft war und kein Mix aus Saft, Fruchtfasern und Kernen. Die kleine Presse bestand aus zwei Teilen: Einem Behälter, der den ausgepressten Saft auffing, und einem Aufsatz. In der Mitte des Aufsatzes befand sich ein gerippter Kegel (immerhin dieses Element zweckdienlicher Gestaltung kopiert Juicy Salif), auf den man zuvor halbierte Orangen und Zitronen mit Schmackes aufsetzte. Dann drehte man die Fruchthälften solange hin und her, bis sie entsaftet waren – auch das ist bei Juicy Salif nicht anders.
Was das Kunststoff-Küchenhelferlein meiner Kindheit so besonders machte, war der umlaufende Graben, in den der ausgepresste Saft lief. Dessen Boden war nach Art eines Siebes gestaltet, und durch dessen Löcher gelangte wirklich nur der Fruchtsaft in den Behälter unter dem Aufsatz. Mit einem Löffel konnte man dann noch etwas nachhelfen, um so auch die letzten Tropfen Saftes aus der Fruchtpulpe durch die Löcher zu pressen. Danach leerte man den Inhalt des Auffangbehälters noch in ein Glas – fertig. Juicy Salif erspart einem den letzten Schritt, aber, ach – um welchen Preis!
Der Juicy Salif-Zitruspresse fehlt das Sieb, und ihr fehlt auch die Baugruppe „Auffangbehälter“. Will heißen: Hier fungiert das Glas als Auffangbehälter. Was ja nicht weiter schlimm wäre, wenn darin nicht auch Fruchtfasern und Kerne landen würden. Ich nenne so etwas nicht gutes Design, sondern ganz einfach eine Fehlkonstruktion. Deshalb ist „Juicy Salif“ für mich nicht viel mehr ein als ein Dekoartikel, der zudem noch arg überteuert ist. Ich könnte auch sagen: Edelkitsch, der Hand und Augen leidlich schmeichelt, seinem ursprünglichen Zweck dabei aber leider nur in ungenügender Weise gerecht wird. weiterlesen schließen
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