Pro:
tolle Geschichte, superschöne Gestaltung, wichtiges Thema
Kontra:
eigentlich nichts (nur das Cover hätte ich anders gestaltet)
Empfehlung:
Ja
Ich möchte hier heute ein Bilderbuch vorstellen, dass einfach jeder kennen sollte ;)
Es wurde mit dem Unesco-Preis für Kinder- und Jugendliteratur im Dienst der Toleranz ausgezeichnet - meiner Meinung völlig berechtigt.
=== ECKDATEN ===
- Titel: Irgendwie Anders
- Autor: Kathryn Cave
- Illustrationen: Chris Riddell
- Verlag: Oetinger
- Erscheinungsjahr: 1994
- ISBN: 978-3-7891-6352-4
- Umfang: c.a. 20 Seiten
- Preis: 12 Euro
=== KLAPPENTEXT ===
So sehr er sich auch bemühte wie die anderen zu sein, Irgendwie anders war irgendwie anders. Deswegen lebte er auch ganz allein auf einem hohen Berg und hatte keinen einzigen Freund. Bis eines Tages ein seltsames Etwas vor seiner Tür stand. Das sah ganz anders aus als Irgendwie Anders, aber es behauptete, genau wie er zu sein ....
=== ÜBER DEN INHALT ===
Auf dem Cover ist Irgendwie Anders schon zu sehen: er sitzt auf seinem gelben Sessel. Das Cover würde ich den Kindern vor dem ersten Lesen nicht zeigen, da es viel spannender ist, wenn sie selbst erst mal rätseln können, um wen es wohl in dem Buch geht. Das Buch beginnt nämlich mit dem Bild eines hohen Berges, auf dem ein kleines Haus steht, aus dessen Kamin Rauch aufsteigt. Man kann die Kinder hier zunächst vermuten lassen, wer wohl in solch einem abgelegenen Haus wohnt. Der Text verrät es dann anschließend. Dieses ersten Zeilen möchte ich hier wörtlich aufnehmen:
"Auf einem hohen Berg,
wo der Wind pfiff,
lebte ganz allein
und ohne einen einzigen Freund
Irgendwie Anders."
Die Kinder können sich hier vorstellen, wie wohl jemand aussehen mag, der den Namen "Irgendwie Anders" trägt. Auf der folgenden Seite ist er dann zu sehen: er hat blaues Fell und blaue Haare sowie eine große blaue Stupsnase. Auf dem ersten Bild, das man von ihm sieht, steht er traurig vor dem Spiegel - aus dem Text erfährt man dann, dass er selbst wusste, dass er irgendwie anders war. Denn alle anderen sagten es ihm immer wieder: wenn er mit ihnen spielen oder sich zu ihnen setzen wollte, sagten sie nur, er gehöre nicht dazu, denn er sei irgendwie anders. Zur Verdeutlichung sieht man die anderen Tiere, die Irgendwie Anders zurückweisen. Sehr interessant ist hier die Perspektive, aus der das Bild gezeichnet wurde. Der Betrachter steht sozusagen hinter Irgendwie Anders und sieht die Anderen aus dessen Perspektive. Die Kinder können sich an dieser Stelle sehr gut vorstellen, wie Irgendwie Anders sich gefühlt haben muss.
Jedenfalls wollte Irgendwie Anders unbedingt dazugehören. Er versuchte es den anderen also so recht wie möglich zu machen, in dem er sich so gut wie möglich unterordnete. Er spielte, was sie spielten, und versuchte zu malen, wie sie malten. Doch es half alles nichts, er war nicht wie sie und sie fanden, dass er nicht dazugehörte.
Traurig zog Irgendwie Anders davon und ging nach Hause. Er wollte gerade zu Bett gehen, als es an der Tür klopfte. Vor der Tür stand ein seltsames Wesen mit komischen Pfoten, einem hellbraunen Fell und einer Art Rüssel im Gesicht. Irgendwie Anders fand dieses Wesen so seltsam, dass er ihm nicht mal die Pfote schütteln wollte, als es sich vorstellen wollte. Das Etwas, so heißt dieses seltsame Wesen, behauptete genau wie Irgendwie Anders zu sein. Die Stelle finde ich besonders putzig geschrieben - deshalb möchte ich sie hier wörtlich übernehmen:
"Ich bin genau wie du!
Du bist irgendwie anders - und ich auch."
Obwohl das Etwas sehr niedlich wirkte und sehr freundlich war, ließ sich Irgendwie Anders nicht so schnell überzeugen. Zuerst begutachtete er das Etwas von allen Seiten und schließlich kam er zu dem Schluss, dass das Etwas keine Ähnlichkeit mit ihm hätte. Er bat das Etwas zu gehen. Traurig und enttäuscht zog das Etwas davon - dieser Anblick erinnerte Irgendwie Anders plötzlich an etwas: nämlich daran, wie er selbst von anderen zurückgestoßen wurde. Beherzt rannte Irgendwie Anders dem Etwas hinterher und packte seine Pfote. Er räumte zwar ein, dass die beiden unterschiedlich seien, sagte aber, dass ihm das egal sei, und lud das Etwas zu sich ein. Die beiden wurden dicke Freunde.
Besonders schön finde ich den Abschluss, denn Etwas und Irgendwie Anders haben beide etwas gelernt: sie wollen andere nicht ausschließen. Die letzten Zeilen sind meiner Meinung nach besonders gut gelungen und sollten hier nicht fehlen:
"Und wenn einmal jemand an die Tür klopfte,
der wirklich sehr merkwürdig aussah,
dann sagten sie nicht ´Du bist nicht wie wir´ oder
´Du gehörst nicht dazu´.
Sie rückten einfach ein bisschen zusammen."
Als letztes Bild sieht man nun wieder den gelben Sessel vom Cover: auf der linken Seite sitzt Irgendwie Anders, auf der rechten das Etwas und in die Mitte zwischen sich haben sie ein Kind aufgenommen.
=== MEINE BEWERTUNG ===
_INHALT_
Ich halte das Bilderbuch für eines der besten, die in den letzten Jahrzehnten erschienen sind. Toleranz und Integration sind in unserer Gesellschaft wichtige Themen und sollten deshalb auch schon für die Kleinsten aufbereitet werden. Dies ist nicht so leicht, wie es sich anhört, aber Kathryn Cave ist es meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Die Gefühle von Irgendwie Anders kommen auf den ersten Seiten sehr deutlich heraus, so dass die Kinder von vornherein auf seiner Seite sind. Für eine geniale Idee halte ich es außerdem, dass Irgendwie Anders auf das Etwas zunächst genauso reagiert wie die Anderen auf ihn. Erst die Erinnerung an sich selbst bringt ihn darauf, dass er sich eben genauso doof verhalten hat. Dadurch wird deutlich, dass es im Grunde genommen auch gar nicht so einfach ist, dass Andersartige/ Fremde immer gleich auf den ersten Blick zu akzeptieren und dass es oftmals notwendig ist, das eigene Verhalten zu reflektieren.
Auch das Ende halte ich für gut durchdacht. Dass die beiden neuen Freunde nun versuchen, alle zu integrieren, die ihnen über den Weg laufen, ist einfach für ein Kinderbuch ein schönes Happy End und zeigt abschließend noch einmal, dass Irgendwie Anders (und auch das Etwas) aus der ganzen Geschichte etwas gelernt haben.
Inhaltlich ist das Buch meiner Meinung nach kaum zu toppen. Trotz allem hätte ich mir vorstellen können, dass am Ende des Buches die anderen, die vorher Irgendwie Anders ausgegrenzt haben, noch einmal aufgegriffen werden, indem sie eventuell am Beispiel von Irgendwie Anders und Etwas erkennen, dass sie sich auch hätten anders verhalten können. Aber gut, das Ende gefällt mir so, wie es ist, auch sehr gut ...
_DAS COVER_
Das Cover möchte ich hier nochmal gesondert aufgreifen. Die Gestaltung des Covers ist - keine Frage - toll gelungen. Ich bin nur wieder sehr spitzfindig und störe mich etwas daran, dass Irgendwie Anders bereits auf dem Cover zu sehen ist. Ich weiß, es ist üblich, die Hauptfigur eines Bilderbuchs auch auf das Cover zu klatschen - deshalb wird das Cover meine Bewertung jetzt auch nicht beeinflussen - aber es bleibt für mich eine grundsätzliche Frage, ob diese Gewohnheit wirklich sinnvoll ist. Bei diesem Buch hier hätte ich mir auf jeden Fall gewünscht, dass die Hauptfigur noch nicht verraten wird. Wie ich in meiner inhaltlichen Beschreibung gezeigt habe, ließe sich das Buch ohne Kenntnis der Hauptfigur für die Kinder viel spannender gestalten. Die erste Doppelseite ist superschön gestaltet, man sieht eben den Berg mit dem Haus - an dieser Stelle können die Kinder so toll vermuten und spekulieren, was das Haus da oben soll und wer da wohl wohnen könnte, denn es muss ja bewohnt sein, denn schließlich brennt ja im Kamin Feuer. Diese ganzen Vermutungen entsprechen dem kindlichen Neugierverhalten und regen zudem die Sprachentwicklung sowie das logische Denken an - aber das funktioniert eben nur, wenn die Kinder den blau-felligen Irgendwie Anders noch nicht vom Cover kennen. Ebenso ist es nach dem Lesen der ersten Zeilen, in denen eben erzählt wird, dass in diesem Haus Irgendwie Anders wohnt, möglich, die Kinder vermuten zu lassen, wie jemand mit solch einem komischen Namen wohl aussieht. Im Unterricht kann ich mir auch durchaus vorstellen, dass man hier fächerübergreifend arbeitet, indem man die Kinder an dieser Stelle erst mal malen lässt, wie sie sich einen Irgendwie Anders vorstellen. Also, wie gesagt, das Cover verrät hier leider schon sehr viel vorneweg, was man den Kindern eigentlich sehr spannend in einzelnen Häppchen mit Pausen für eigene kreative Gedanken hätte präsentieren können.
Ein Alternativvorschlag für das Cover wäre es, den Berg mit dem Haus schon aufs Cover zu übernehmen. Dann könnte die Kinder bereits hier vermuten, wer dort wohl wohnt, und würden es dann auf der ersten Seite des Bilderbuchs erfahren.
Abschließend heißt das, dass man das Cover vor dem ersten Lesen einfach noch nicht zeigen darf - also, falls man es spannend machen möchte ;)
_GESTALTUNG_
Die Gestaltung gefällt mir sehr, sehr gut. Die beiden Hauptfiguren, Irgendwie Anders und das Etwas, sind einfach nur goldig und witzig. Die Zeichnungen sind alle farbig und geben teilweise auch einiges von der Umgebung preis. Besonders toll finde ich auf einigen Bildern die Perspektive, aus der Chris Riddell die Zeichnungen anfertigt. Zum Beispiel das erste Bild von Irgendwie Anders ist das, als er traurig vor dem Spiegel steht. Es ist Riddell hier gelungen, zum einen die Körperhaltung von hinten darzustellen (die die Traurigkeit schon ankündigt) und zum anderen aber auch das traurige Gesicht im Spiegel zu zeigen. Aber auch das Bild, auf dem zu sehen ist, wie die Anderen Irgendwie Anders abweisen, ist einfach klasse geworden. Dadurch dass der Betrachtet quasi hinter Irgendwie Anders steht, nimmt man ganz deutlich die Sicht von Irgendwie Anders ein. Aber auch umgekehrt findet man ein Bild, auf dem man die Perspektive der anderen einnimmt. Als Irgendwie Anders traurig nach Hause geht, weil die anderen ihn ausgegrenzt haben, sieht man ihn von hinten davon laufen, während man als Betrachter sozusagen den anderen über die Schulter schaut. Auch diese Stelle eignet sich perfekt, um die Kinder auf die Gefühle der Figuren zu lenken. Die Bilder sehen also nicht nur bunt und schön aus, sondern sind wirklich auch gut durchdacht. Wenn man den Blick der Kinder geschickt auf einzelne Details lenkt, kann man aus diesen Bildern echt wahnsinnig viel herausholen. Deshalb kann ich das Buch auch für den Einsatz im Unterricht absolut empfehlen.
_EINSATZ IM UNTERRICHT_
Das Buch würde ich für den Deutsch und Kunstunterricht im 2. und 3. Schuljahr empfehlen, jedenfalls findet es bei mir dort seinen Einsatz.
Dass man das Cover vor dem Lesen des Buches nicht zeigen sollte, muss ich - glaube ich - nicht noch einmal erwähnen. Ohne Cover lassen sich die ersten Seiten einfach viel spannender gestalten.
Zum Einstieg kann man sich den Berg mit dem Haus aus dem Buch vergrößert herauskopieren und ihn an der Innenseite der Tafel verstecken - wenn man die Tafel öffnet, hört man dann für gewöhnlich ein allseitiges "Boah" und die Kinder sprudeln gleich los, was es wohl mit diesem Haus auf sich haben könnte. Stück für Stück kann man sich zum Text vorarbeiten - für gewöhnlich trage ich das erste Stück vor. Den Rest lesen die Kinder selbstständig. (Den Text habe ich davor natürlich auf ein Arbeitsblatt übertragen - das Bilderbuch habe ich ja schließlich nur in einfacher Ausführung^^).
Die Bilder lassen sich auch supergut auf DinA-3-Größe kopieren. Für die Tafel kann man sich dann Irgendwie Anders, das Etwas und die Anderen auf DinA-3 ausdrucken, laminieren und mit Magnetpads bekleben. Dann kann an der Tafel die Geschichte nachgespielt werden.
Inzwischen gibt es im bvk-Verlag ein Literaturprojekt zu Irgendwie Anders - in diesem Buch findet man aber auch Vorlagen für Stabpuppen. Das Nachspielen ist auf jeden Fall recht lustig - hiermit kann man auch gut das klanggestaltende Lesen üben. Die Dialoge im Buch eignen sich echt super dazu.
Einige der Bilder eignen sich wie gesagt auch zum intensiveren Betrachten - hier kann man viel herausarbeiten, was künstlerische Stilmittel angeht: z.B. Perspektive, aber auch Mimik und Körperhaltung der einzelnen Figuren.
Einige Stellen eigenen sich wie schon beschrieben perfekt für kreative Assoziationen, die sowohl sprachlich als auch zeichnersich ausgedrückt werden könnten.
Und thematisch gesehen lässt sich das Buch in der Grundschule natürlich super zum sozialen Lernen einsetzen, wenn Toleranz angebahnt werden soll. Von daher finde ich es wichtig, dass man nach Behandlung des Buches, den Inhalt auch auf die Lebenswelt der Kinder überträgt. Die Kinder können hier von ihren Erfahrungen berichten und Ideen entwickeln, wie sie sich für Toleranz in ihrem Umfeld einsetzen können.
=== MEIN FAZIT ===
Einziger kleiner Haken: ich hätte das Cover - wie beschrieben - anders gestaltet ;)
Pluspunkte:
+ toll geschrieben
+ super schön illustriert
+ wichtiges Thema
Was will man mehr?
Da gibts von mir die vollen 5 Sterne ***** weiterlesen schließen
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