Pro:
Gemütliches komplexes Aufbau-Spiel der eher friedlichen Natur (auch wenns derb zur Sache geht)
Kontra:
Das Spiel dauert eeeeewig lange
Empfehlung:
Ja
Eigentlich hat dieses Spiel den falschen Namen. Cultures? Kaltschörs? Ich hätte es, wenn schon, dann 'Kultürödüngardensthorin' oder sonstwie genannt, was irgendwie wikingisch klingt. Denn genau um diese wilden Gesellen geht es darin.
Cultures ist ein Aufbauspiel, eine Wirtschafts-Sim, wie man solche Games auch nennt. Die berühmten "Siedler" gehören da auch dazu. Der Unterschied zwischen solchen Spielen besteht oft - neben dem Milieu, in dem sich alles abspielt, und der Qualität von Grafik und Ton - vor allem in der Frage, was automatisch passiert und worauf man als Spieler Einfluß nehmen kann.
Cultures spielt vor dem Hintergrund eines Wikingerclans, der sich aus seiner Heimat mit dem Schiff nach Westen aufmacht, um neues Land zu finden, und dabei über Island und Grönland schließlich in Nordamerika herauskommt. Man kann sowohl eine Kampagne spielen, in der dieser Weg nachgezeichnet wird, aber auch eine Reihe einzelner Szenarien.
Die Welt, die sich einem - nachdem man sich durch das Eingangsmenü gearbeitet hat - bietet, sieht ein bißchen aus wie ein Multfilm für Sechsjährige: knallbunte Bäume und Wiesen, pummelige Tiere, und die Wikinger selbst sind kleine Männchen (und Weibchen) mit Knollnasen und wehenden zerzausten Bärten wie Sandler. Sie haben unterschiedliche Berufe (die sie erst erlernen müssen), arbeiten in eigens dafür zu errichtenden Gebäuden (wie Holzfällerzelt, Bauernhof, Bierbrauerei, Schusterei) und schaffen Rohstoffe (wie Holz, Getreide, Bausteine, Leder, Wolle) heran. Sie wohnen, je nach erreichtem technischem Niveau, unter freiem Himmel, in Zelten oder in Dreifamilienhäusern, haben gelegentlich das Bedürfnis nach Essen, Schlaf und Unterhaltung (in Form eines Plauschs mit dem Nachbarn, oder auch in Form eines Ehepartners) und bewegen sich, vor allem beim Arbeiten, mit der Geschwindigkeit plattentektonischer Vorgänge.
Allerdings sind sie in ihrer Welt nicht allein. Da wären andere Stämme, zum Beispiel die Eskimos (eigentlich ein Schimpfwort), auch Inuit genannt, oder auch die Skrälinge, wie die Wikinger sie nannten, als sie zum erstenmal dem Roten Volk gegenüberstanden. Sie können friedliche Handelspartner sein oder auch erbitterte Draufhaufeinde, so daß es den kampfeslustigeren unter den Wikingern wirklich nicht an Unterhaltung fehlen wird. Und dann kann drauflos gespielt werden: mal sollen bestimmte Vorräte an Waren erwirtschaftet werden, mal soll eine Siedlung auf eine bestimmte Größe gebracht werden, oder ähnliches. Und manchmal gibt es gar kein Spielziel, man darf einfach draufloswirtschaften.
Im Gegensatz zu manch anderem Spiel sind die einzelnen Figuren hier recht individuell. Das heißt zum einen, daß man mit einer überschaubaren Anzahl von Wikingern in seiner Population spielt, so daß sie einem richtig ans Herz wachsen. Man kann sie sogar mit eigenen Namen versehen, und mittlerweile ist auch meine ganze Verwandtschaft schon in Grönland heimisch. Das macht vor allem dann Spaß, wenn man seinen Figürchen ihren Arbeitsplatz zuweist, ihre Heimstatt und gelegentlich auch ihren Lebenspartner. Denn: in der Wikingerwelt herrscht strenge Aufgabenteilung. Auch die Wikingerinnen haben wichtige Aufgaben. Sie tragen ihrem arbeitenden Ehegesponst die Brotzeit an den Arbeitsplatz, bessern deren Laune auf und erfüllen eine bevölkerungspolitische Aufgabe. Außerdem leben die Figürchen, wenn nicht gerade martialische Ereignisse oder eine Hungersnot dazwischenkommen, scheinbar ewig.
Die optische Darstellung gefällt mir recht gut, sie ist zwar etwas kindlich-bunt, wie aus einem Märchenbuch, aber nicht nervtötend wuselig. Der klangliche Hintergrund beschränkt sich auf wenige Geräusche, hauptsächlich hört man nur das beruhigende Vogelgezwitscher des neu besiedelten Landes, anstatt adrenalintreibender Musik.
Außerdem ist der Ablauf des Spiels eher gemütlich. Bis auf wenige Ausnahmen ist es kaum von Schaden, wenn man dazwischendrin mal eine rauchen oder aufn Pott geht. Dafür gehen einzelne Szenarien ganz schön in die Zeit.
Allenfalls wirkt ein kurzes Zwischenmenü nervig, das man solange anschaut, bis ein Spiel geladen ist. Das dauert unverhältnismäßig lange.
Ansonsten ist Cultures ein Spiel, mit dem man sich mehrere Wochen lang beschäftigen kann, ohne die Lust zu verlieren. Mittlerweile gehört es zu den Billigspielen, die es für 10 EUR oder weniger in Discountmärkten zu haben gibt. weiterlesen schließen
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