Pro:
Junge, hungrige Mannschaft.
Kontra:
Wenig internationale Erfahrung.
Empfehlung:
Ja
Die junge deutsche Mannschaft unter der Führung des Trios Jürgen Klinsmann / Joachim "Jogi" Löw / Oliver Bierhoff zählt meiner Ansicht nach nicht zu den Favoriten auf den WM-Titel 2006. Auch wenn deutsche Mannschaften bei Weltmeisterschaften sehr oft ganz weit vorne landeten (das brachte den deutschen Kickern den Ruf ein, eine "Turniermannschaft" zu sein), so darf man von der (jungen) aktuellen Mannschaft keine Wunderdinge erwarten. Ich denke, ein Platz unter den letzten Vier beim Turnier im eigenen Land wäre ein Achtungserfolg für dieses Team. Natürlich möchte ich auch, daß "unsere" Jung`s 2006 im eigenen Land den Weltmeister-Titel holen - aber wenn sie`s nicht schaffen, ist das auch kein Beinbruch! Ich erinnere nur an die WM 1970 in Mexiko. Da gab es im Halbfinale das sogenannte "Jahrhundert-Spiel" Deutschland vs. Italien, das die Deutschen erst nach großem Kampf und in der Verlängerung mit 3:4 verloren haben.
Noch heute genießt der deutsche Fußball deshalb in Mexiko hohes Ansehen. Italien`s Mannschaft hatte die Deutschen zwar aus dem Turnier geworfen, war nach diesem kraftraubenden Spiel jedoch so ´platt`, daß man im Endspiel sang- und klanglos gegen die Brasilianer (mit einem überragenden Pelé) unterging...Man erreichte damals zwar den dritten Platz, aber wen interessiert denn schon ein Dritter Platz... Ich erinnere mich daran, daß es damals in Mexiko kräftig ´gemüllert` hat. Gerd Müller, der "Bomber der Nation" wurde damals mit zehn Treffern Torschützenkönig. Die zweitbeste Torquote, die je ein Stürmer bei einer WM erreichte. Nur Just Fontaine war erfolgreicher. Bei der WM 1958 in Schweden traf der Franzose gleich 13 mal. Gerd Müller ist zwar mit (insgesamt) 14 Treffern erfolgrechster WM-Torjäger aller Zeiten, erzielte diese Quote aber bei zwei Turniern. Nachdem er 1970 Torschützenkönig wurde, legte er 1974 bei der WM in Deutschland noch mal vier Tore nach. Er hätte vielleicht noch viel mehr Tore erzielen können, doch leider erklärte er - nach dem WM Titel 1974 (voreilig, wie ich denke) im Alter von nur 29 Jahren - seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft...
Es gibt viele sehr talentierte Fußballer in Deutschland, z. B. die "jungen Wilden" vom VfB Stuttgart (Kuranyi, Hildebrand, Lahm, Hinkel), die auf sich aufmerksam gemacht haben. Der neue Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat - was ich sehr mutig finde - den Titelgewinn als Ziel vorgegeben. Er sorgte, gleich bei seinem Amtsantritt, für "frischen Wind" beim DFB und in der Nationalmannschaft. Er berief viele junge Spieler ins Team, traf einige überraschende Personalentscheidungen im Umfeld des Teams, führte neue -rote - Trikots ein (sehr schick übrigens, finde ich). Er lebt ja zeitweise in den USA, ist mit einer Amerikanerin verheiratet. Aus dem USA brachte er einige neue Ideen mit, z. B. ungewöhnliche Trainigsmethoden, bei denen manch anderer Trainer vielleicht die Nase rümpft, und, und , und... Aber schaden kann das alles doch eigentlich nichts. Warum immer an alten Gewohnheiten festhalten!?
Die jüngsten Ergebnisse - das 1:1 gegen Brasilien und das 3:0 gegen Kamerun - lassen hoffen, daß hier eine Mannschaft zusammenwächst, die Großes zu leisten im Stande ist. Es gilt, diese Leistung zu konservieren oder - bis zur WM 2006 - auch noch zu steigern. Diese Mannschaft ist sehr jung. Die meisten Spieler sind zwischen 22 und 25 Jahren alt, könnten also auch noch bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika zusammenspielen. Und bis dahin wachsen sicher wieder einige talentierte junge Spieler nach...
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland könnte vor allem dem Osten - den "neuen" Bundesländern - einen wirtschaftlichen Schub bringen - durch die Spielorte Leipzig und Berlin. Nachdem die deutsche Teilung Geschichte ist, wird dieses Großereignis den östlichen Bundesländern durch die Spiele in Leipzig und Berlin vielleicht einen "warmen Geldregen" bescheren (Tourismus). Vielleicht hätte man - neben Leipzig und Berlin - auch noch eine dritte Stadt als Spielort bestimmen sollen!?
Mit Sicherheit spielt auch der Heimvorteil eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Deutschen werden im eigenen Land von einer Welle der Sympathie getragen werden. Durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten kamen viele neue Fans dazu. Zu DDR-Zeiten war es doch so, daß die (wenigen) "Fans" der DDR-Auswahl größtenteils "verdiente" SED-Genossen waren, die zu den Spielen "Ihrer" Auswahl mitreisen durften. Bei den großen Turnieren (z. B. WM 1974 beim "Klassenfeind" im Westen) durften nur wenige DDR-Bürger mitreisen. Die Angst, die Bürger könnten "rübermachen" und nicht wiederkommen, war bei den SED-Bonzen allgegenwärtig. Das fällt nun alles weg. Bei solch eim Großereignis wird sogar der größte "Fußball-Muffel" zum Fan. Dann ist es wieder da, dieses "Wir"-Gefühl: Wir gewinnen! Das erinnert mich an eine Szene aus dem Sönke-Wortmann-Film Das Wunder von Bern. Der Reporter Ackermann wird dazu verdonnert, in die Schweiz zu fahren, um vom Endspiel zu berichten. Es wird seine Hochzeitsreise, denn er nimmt seine Frau mit. So kommt es, daß sie auch beim Endspiel mit im Stadion ist. Und dort überkommt sie plötzlich die Fußball-Begeisterung. Sie tritt einen Sprechchor los, der die Mannen von Sepp Herberger zum Sieg treibt.
Daß es gute Fußballer im Osten gab (und gibt), wissen wir ja (Sammer, Kirsten, Ballack, Schneider u.a.), aber es liegt (meiner Ansicht nach) an den Vereinen im Osten, daß so wenig "Ossi`s" in der (aktuellen) Elitekicker-Auswahl der Deutschen stehen: Robert Huth, Michael Ballack, Bernd Schneider. Vereine wie Dynamo Dresden und Hansa Rostock haben zwar einige Jahre gut mitgehalten in der Bundesliga, aber es gibt - aktuell - im deutschen (Profi-) Fußball nur den FC Erzegbirge Aue, den FC Dynamo Dresden und den FC Hansa Rostock und Hertha BSC, die im Osten unseres Landes beheimatet sind. Wobei Hertha BSC eigentlich nicht in diese Aufzählung gehört, da (West-) Berlin bis zum Mauerfall 1989 ja eine Sonderrolle hatte...
Die Ausbildung der Fußballer in der ehemaligen DDR wahr wohl garnicht so schlecht, wie sich noch heute manchmal zeigt!? Viele Profi`s, die heute überall in der ersten und zweiten Bundesliga kicken und zu den Stützen ihrer Vereine zählen, kommen aus dem Gebiet der ehem. DDR. Sie haben in ihrer Jugendzeit noch die Ausbildung in der DDR "genossen". Die kann also eigentlich garnicht so schlecht gewesen sein!? Auch einige aktuelle Spieler und solche, die bis vor kurzem noch aktiv waren, zeugen von der guten Ausbildung im DDR-Fußball (Beispiele: Matthias Sammer, Ulf Kirsten, Stefan Beinlich). Wobei Matthias Sammer einen Platz in den Geschichtsbüchern (soweit es die Geschichte des Fußballs betrifft) sicher hat. Sammer war nämlich der erste Spieler aus der früheren DDR, der nach dem zweiten Weltkrieg in eine gesamtdeutsche Nationalmannscht berufen wurde.
Daher wundert es mich aber, daß Vereine aus der DDR - mit einer Ausnahme - niemals einen großen internationalen Erfolg erreicht haben. Soweit ich mich erinnern kann, waren der 1. FC Magdeburg (1974 gegen AC Mailand, 2:0 gewonnen) und Lok Leipzig - 1987 im Europapokal der Pokalsieger - 0:1 verloren gegen Ajax Amsterdam)) die einzigen DDR-Fußball-Teams, die je in einem Europapokalfinale standen.
Auch die Fußball-Nationalmannschaft der DDR hat wenig Bäume ausgerissen. Bei der Fußball-WM 1974 im Lande des ´Klassenfeindes` BRD erreichte man die zweite Finalrunde. Man war sogar Gruppensieger vor Beckenbauer, Maier, Müller,Vogts & Co., aber ich bin mir heute noch nicht sicher, ob die Niederlage gegen die DDR (0:1 durch ein Tor von Jürgen Sparwasser) nicht vielleicht beabsichtigt war. Denn dann hätte man gegen die starken Holländer antreten müssen. Die haben dann ja auch das Team der DDR mit 2:0 aus dem Turnier geworfen. 1976 - bei der Olympiade in Montral/Kanada - konnte die Auswahl der DDR ihren einzigen nennenswerten Erfolg verbuchen. Man gewann 3:1 gegen Polen und holte die Goldmedaille. Damals waren auch viele Spieler dabei, die zwei Jahre zuvor noch an der WM in (West-) Deutschland teilgenommen hatten.
Es war Franz Beckenbauer, der ´orakelte`, daß die deutsche Nationalmannschaft nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten (Zitat) "auf Jahre hinaus unschlagbar sei". Auch der ´Kaiser` kann mal irren... Gute Fußballer gab`s auch damals schon im Osten. Da dachte der Kaiser wohl an die 30er Jahre, als Österreich von Adolf Hitler "heim ins Reich" geholt- und als Ostmark eingegliedert wurde. Damals war der Hintergedanke, aus zwei guten Mannschaften eine alles Überragende zu formen... Die berühmte Breslau-Elf gewann im Jahre 1937 zehn von elf Länderspielen. Diese Mannschaft trat aber bei der Fußballweltmeisterschaft 1938 in Frankreich nicht in der Breslauer Aufstellung an, da auf politischem Druck (wegen Österreichs Anschluß an Deutschland) die Mannschaft aus Spielern aus Deutschland und Österreich zusammengesetzt sein musste. Da dachte man wohl auch, die - sowieso schon gute - Breslau-Elf werde durch Ergänzung durch östereichische Spitzenspieler noch besser... Nach dem Debakel von 1938 spielte die Mannschaft nie wieder in dieser Zusammensetzung.
Die (oben zitierte) Aussage von Franz Beckenbauer - etwa 50 Jahre später - war, wie wir inzwischen wissen, etwas zu optimistisch, zu euphorisch... Der ´Kaiser` erlag - in seiner Eigenschaft als Teamchef - also demselben Irrtum, wie 50 Jahre zuvor die "Macher" von 1938, die auch geglaubt hatten, wenn man zwei ´große` Fußball-Nationen in einen Topf wirft, müßte man noch besser, noch stärker sein als zuvor... Natürlich geschah das 1938 unter anderen Vorzeichen als 1990, denn damals war ein Menschen-verachtendes Regime in Deutschland an der Macht, das die Deutschen kurzerhand zu "Herrenmenschen" erklärte. Und der "Führer" dieser ´Herrenmenschen` war ein Österreicher aus Braunau am Inn... Wozu der ´Herrenrassen`-Wahn führte, wissen wir heute ja alle...
© LittleGiant für ´Yopi` weiterlesen schließen
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