Pro:
Sprachlich sehr schön, spannende und fesselnde Story, kurzweilig
Kontra:
Gibt nicht wirklich etwas zu interpretieren oder drüber nachzudenken
Empfehlung:
Ja
Ich studiere unter anderem deutsche Literaturwissenschaft und die Süddeutsche Zeitung hat nun einen Literatur-Kanon mit den besten Romanen des 20. Jahrhunderts herausgegeben, bei dem jeder Band nur 4,90 Euro kostet – beides sind gute Gründe, warum ich in letzter Zeit immer wieder von eben jenem Kanon das ein oder andere Buch gekauft habe. Nun meine Meinung über Dürrenmatts „Richter und sein Henker“...
-----STORY:-----
Auf der Straße zwischen zwei schweizer Dörfern findet der Dorfpolizist Clenin einen Toten in einem Auto am Straßenrand – Mord, das ist offensichtlich. Der Tote ist der Polizist Schmied und mit der Aufklärung des Verbrechens werden der todkranke Kommissar Bärlach und dessen Assistent Tschanz beauftragt.
Bärlach sagt schon sehr früh, dass er einen Verdacht habe, wer der Mörder ist. Er wolle Tschanz seinen Verdacht aber nicht mitteilen, da dieser sonst voreingenommen wäre, was natürlich Gift für dessen Ermittlungen wäre. Bald bekommen die beiden einen ersten Verdächtigen – einen einflussreichen Mann namens Henri Gastmann. Bei dem, so finden Bärlach und Taschanz schnell heraus, war der tote Polizist Schmied nämlich oft zu Besuch. Nur warum war er da? Was hat der Polizist in der erlesenen Gesellschaft von Gastmann zu tun gehabt? Und warum musste Schmied sterben?
-----FRIEDRICH DÜRRENMATT:-----
Der Pfarrerssohn wurde 1921 geboren und sorgte bei der Uraufführung seines ersten Stücks „Es steht geschrieben“ gleich für einen Theaterskandal. Das beendete seine Karriere allerdings nicht gleich wieder – im Gegenteil. Einige Jahre später brachte ihm „Die Physiker“ (1962) Weltruhm. Weitere Werke: „Besuch der alten Dame“ (1956), „Der Richter und sein Henker“ (1952) u.v.a. Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel in der Schweiz.
-----ZAHLEN, DATEN, FAKTEN:-----
Titel: Der Richter und sein Henker
Autor: Friedrich Dürrenmatt
Verlag: Diogenes Verlag, Zürich
Erschienen: 1985
Seiten: 109
-----KOMMENTAR:-----
Ich muss gestehen, dass ich bisher noch nie etwas von Dürrenmatt gelesen habe. Ich habe „Die Physiker“ einmal im Theater gesehen – ein Stück, das mich sehr fasziniert und zum nachdenken angeregt hat und das somit alles andere als Antipathie für den Schriftsteller in mir hervorrief.
Bei „Der Richter und sein Henker“ viel mir zuerst eines überaus positiv auf: Dürrenmatts Sprache. Sie ist locker und leicht zu lesen, die Geschichte plätschert vor sich hin und man hat, schon allein durch die Sprache, Lust immer weiter und weiter zu lesen. Bei aller Leichtigkeit gleitet Dürrenmatt niemals in sprachlich niveauloses Terrain ab und schafft durch die verschiedensten Beschreibungen der Natur eine durchaus atmosphärische Handlung, die Spaß macht.
So liest man weiter und schon bei der Stelle, an der Bärlach sagt, er habe einen Verdacht, wer der Mörder sei, kommt erstmals Spannung auf. Woher weiss Bärlach das? Wer ist der Mörder? Und so liest man gespannt und gleichzeitig fasziniert von der sprachlichen Qualität weiter, um bald wieder vor ein Rätsel gestellt zu werden. Denn hier und da lässt Dürrenmatt, meist im Nebensatz, durchschimmern, dass Bärlach viel mehr weiss, als er zugibt und vielleicht sogar etwas zu verbergen hat. Und so baut sich immer mehr Spannung auf, obwohl Dürrenmatt seinen Kriminalroman weiterhin locker-leicht dahinplätschern lässt – mit schweizer Gemütlichkeit, möchte man meinen.
Dieses gelungene Mischung aus Sprache und spannender Geschichte wird so immer fesselnder, sodass ich nachher das Büchlein gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. Ich las und las, musste essen und ging danach wieder lesen. Bei 109 Seiten kann man das auch gut machen, denn dann ist dieses gelungene Verwirrspiel schon beendet.
Warum vergebe ich nun aber nicht die Topbewertung? Ganz einfach: Ich lese am liebsten Bücher, bei denen ich später darüber nachdenken und sie irgendwie interpretieren kann. Beides ist bei „Der Richter und sein Henker“ kaum möglich. Gut, ich gestehe ein, dass man die Landschaftsbeschreibungen als Beschreibungen der inneren Zustände der Protagonisten deuten kann. Darüber hinaus bleibt aber nicht viel zu interpretieren. Man kann nun noch über Selbstjustiz, und die Ermittlungsmethoden Bärlachs nachdenken, aber dies ist weniger interessant und hat nicht soviel mit aktuellen Problemen zu tun. So bleibt dem Leser nur eines: Sich an der tollen Sprache Dürrenmatts und der wirklich spannenden und fesselnden Geschichte erfreuen. Wer, wie ich, gern auch interpretieren und/oder über die Handlung nachdenken möchte, dem/der kann ich „Die Physiker“ ans Herz legen.
-----FAZIT:-----
Ein gut geschriebener und fesselnder Kriminalroman, dem leider das Potential an Interpretierbarem fehlt. Darum nicht die Topbewertung, was aber nicht bedeutet, dass ich den Roman nicht wärmstens empfehlen kann.
WICHTIG für diejenigen, die sich die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung kaufen: Bloß nicht die kurze Inhaltsangabe auf der Innenseite des Buchdeckels lesen – dort wird quasi alles verraten.
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2005-04-06 18:50:19 mit dem Titel Mord und Totschlag in der idyllischen Schweiz
Ich studiere unter anderem deutsche Literaturwissenschaft und die Süddeutsche Zeitung hat nun einen Literatur-Kanon mit den besten Romanen des 20. Jahrhunderts herausgegeben, bei dem jeder Band nur 4,90 Euro kostet – beides sind gute Gründe, warum ich in letzter Zeit immer wieder von eben jenem Kanon das ein oder andere Buch gekauft habe. Nun meine Meinung über Dürrenmatts „Richter und sein Henker“...
-----STORY:-----
Auf der Straße zwischen zwei schweizer Dörfern findet der Dorfpolizist Clenin einen Toten in einem Auto am Straßenrand – Mord, das ist offensichtlich. Der Tote ist der Polizist Schmied und mit der Aufklärung des Verbrechens werden der todkranke Kommissar Bärlach und dessen Assistent Tschanz beauftragt.
Bärlach sagt schon sehr früh, dass er einen Verdacht habe, wer der Mörder ist. Er wolle Tschanz seinen Verdacht aber nicht mitteilen, da dieser sonst voreingenommen wäre, was natürlich Gift für dessen Ermittlungen wäre. Bald bekommen die beiden einen ersten Verdächtigen – einen einflussreichen Mann namens Henri Gastmann. Bei dem, so finden Bärlach und Taschanz schnell heraus, war der tote Polizist Schmied nämlich oft zu Besuch. Nur warum war er da? Was hat der Polizist in der erlesenen Gesellschaft von Gastmann zu tun gehabt? Und warum musste Schmied sterben?
-----FRIEDRICH DÜRRENMATT:-----
Der Pfarrerssohn wurde 1921 geboren und sorgte bei der Uraufführung seines ersten Stücks „Es steht geschrieben“ gleich für einen Theaterskandal. Das beendete seine Karriere allerdings nicht gleich wieder – im Gegenteil. Einige Jahre später brachte ihm „Die Physiker“ (1962) Weltruhm. Weitere Werke: „Besuch der alten Dame“ (1956), „Der Richter und sein Henker“ (1952) u.v.a. Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel in der Schweiz.
-----ZAHLEN, DATEN, FAKTEN:-----
Titel: Der Richter und sein Henker
Autor: Friedrich Dürrenmatt
Verlag: Diogenes Verlag, Zürich
Erschienen: 1985
Seiten: 109
-----KOMMENTAR:-----
Ich muss gestehen, dass ich bisher noch nie etwas von Dürrenmatt gelesen habe. Ich habe „Die Physiker“ einmal im Theater gesehen – ein Stück, das mich sehr fasziniert und zum nachdenken angeregt hat und das somit alles andere als Antipathie für den Schriftsteller in mir hervorrief.
Bei „Der Richter und sein Henker“ viel mir zuerst eines überaus positiv auf: Dürrenmatts Sprache. Sie ist locker und leicht zu lesen, die Geschichte plätschert vor sich hin und man hat, schon allein durch die Sprache, Lust immer weiter und weiter zu lesen. Bei aller Leichtigkeit gleitet Dürrenmatt niemals in sprachlich niveauloses Terrain ab und schafft durch die verschiedensten Beschreibungen der Natur eine durchaus atmosphärische Handlung, die Spaß macht.
So liest man weiter und schon bei der Stelle, an der Bärlach sagt, er habe einen Verdacht, wer der Mörder sei, kommt erstmals Spannung auf. Woher weiss Bärlach das? Wer ist der Mörder? Und so liest man gespannt und gleichzeitig fasziniert von der sprachlichen Qualität weiter, um bald wieder vor ein Rätsel gestellt zu werden. Denn hier und da lässt Dürrenmatt, meist im Nebensatz, durchschimmern, dass Bärlach viel mehr weiss, als er zugibt und vielleicht sogar etwas zu verbergen hat. Und so baut sich immer mehr Spannung auf, obwohl Dürrenmatt seinen Kriminalroman weiterhin locker-leicht dahinplätschern lässt – mit schweizer Gemütlichkeit, möchte man meinen.
Dieses gelungene Mischung aus Sprache und spannender Geschichte wird so immer fesselnder, sodass ich nachher das Büchlein gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. Ich las und las, musste essen und ging danach wieder lesen. Bei 109 Seiten kann man das auch gut machen, denn dann ist dieses gelungene Verwirrspiel schon beendet.
Warum vergebe ich nun aber nicht die Topbewertung? Ganz einfach: Ich lese am liebsten Bücher, bei denen ich später darüber nachdenken und sie irgendwie interpretieren kann. Beides ist bei „Der Richter und sein Henker“ kaum möglich. Gut, ich gestehe ein, dass man die Landschaftsbeschreibungen als Beschreibungen der inneren Zustände der Protagonisten deuten kann. Darüber hinaus bleibt aber nicht viel zu interpretieren. Man kann nun noch über Selbstjustiz, und die Ermittlungsmethoden Bärlachs nachdenken, aber dies ist weniger interessant und hat nicht soviel mit aktuellen Problemen zu tun. So bleibt dem Leser nur eines: Sich an der tollen Sprache Dürrenmatts und der wirklich spannenden und fesselnden Geschichte erfreuen. Wer, wie ich, gern auch interpretieren und/oder über die Handlung nachdenken möchte, dem/der kann ich „Die Physiker“ ans Herz legen.
-----FAZIT:-----
Ein gut geschriebener und fesselnder Kriminalroman, dem leider das Potential an Interpretierbarem fehlt. Darum nicht die Topbewertung, was aber nicht bedeutet, dass ich den Roman nicht wärmstens empfehlen kann.
WICHTIG für diejenigen, die sich die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung kaufen: Bloß nicht die kurze Inhaltsangabe auf der Innenseite des Buchdeckels lesen – dort wird quasi alles verraten. weiterlesen schließen
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