Pro:
Abwechslung, Soli, tiefgründige Texte, Coverartwork
Kontra:
nichts
Empfehlung:
Ja
Vorwort
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Vor einiger Zeit habe ich hier bei Ciao schon über die Onkelz-Single „Dunkler Ort“ berichtet.
Schon diese Single fand ich genial und wirklich kaufenswert, doch vor einpaar Tagen entdeckte ich das dazugehörige Album wieder. Es stand bei mir in einem der CD-Regale. Rausgekramt und in den Player geschmissen und hier sind meine „neuen“ Eindrücke dazu.
Die Band
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Um die gesamte Geschichte der Onkelz aufzuführen dazu müsste hier wohl eine eigene Rubrik eingerichtet werden. Kaum eine andere Band hat so viele Höhen und Tiefen durchlebt wie die Deutschrocker. Deshalb nur einpaar kurze Facts.
In ihren Anfangsjahren kamen die Onkelz vor allem in der rechtsextremen Szene zu Ruhm. Aus diesen Jahren stammen Lieder wie „Judenstaat“ oder „Skinhead“, welche eine eindeutige Sprache sprechen. So wurde ihr erstes Studioalbum „Der Nette Mann“ (1984) verboten und es hagelte Auftrittsverbote, wegen gewaltverherrlichenden Texten und der Idealisierung des Nationalsozialismus. Jedoch meine Meinung ist die, es ist Auslegungssache. Man kann, wenn man will, in jeden Text das reininterpretieren, was man gern lesen würde und was man durch Vorurteile bereits über eine Band zu wissen meint. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass manche Menschen schon beim bloßen Namen „Böhse Onkelz“ an Rechtsextremismus denken und einen schon verurteilen. Dabei kann sich ein Außenstehender kaum ein Urteil über die Band machen. Die Texte klingen recht hart. Das gebe ich zu, jedoch das liegt am sozialen Umfeld aus denen sie stammen. Kevins Familie zerbrach an der Alkoholsucht und Stephan arbeitete in einer Kneipe, die an den Puff seines Vaters gekoppelt war. Außerdem hatte er mit 17 schon Schulverbot für alle Schulen in Hessen. Und schon bald hatten sie ihren schlechten Ruf weg. Als sie ´85 „Böse Menschen – Böse Lieder“ auf den Markt bringen, bekommen sie für dieses Kracheralbum und das nächste keinen einzigen Pfennig. Kevin driftet langsam aber sicher in die Drogensucht ab. Dieser Fakt wird von der Presse immer wieder ausgeschlachtet, jedoch stopfen die Fans der Presse den Mund mit einem fünften Platz in den Albumcharts. Ab nun sollte es bergaufwärts gehen. Einladungen zu diversen „Gegen Rechts“ – Konzerten kamen und auch der kommerzielle Erfolg mit dem Album „E.I.N.S.“...
Soviel zur Band
Kevin Russell (Leadgitarre/Vocals)
Matthias Röhr (Gitarre)
Stefan Weidner (Bass/Vocals/Keyboards)
Peter Schorowsky (Schlagzeug)
Das Album
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Das 2000er Album ist in ein Pappcover eingearbeitet. Covertechnisch haben die 4 Frankfurter nie irgendwie großen Wert auf das Erscheinungsbild einer LP gelegt, doch dem widerstrebt „Ein böses Märchen“. Eine wahre Bilderflut überschüttet den Betrachter. Das Cover ist ganz in grau gehalten. Weiße Konturen und der riesige Schriftzug „Böhse Onkelz“ und darunter „Ein böses Märchen“. Soviel zum Cover. Im Inlayteil wird alles etwas bunter, doch nicht fröhlicher – das würde auch nicht passen. Bilder, wie schon von der „Dunkler Ort“ – Single bekannt findet man hier wieder. Die CD ist als rostige Autoradkappe gemacht. Wieder grau in grau die Rückseite mit der Tracklist.
Tracklist
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#1 Onkelz 2000
#2 Dunkler Ort
#3 Exitus
#4 Schutzgeist der Scheiße
#5 Lüge
#6 Knast
#7 C’est la vie
#8 Danke
#9 Es ist wie es ist
#10 Zuviel
#11 Gesichter des Todes
#12 Panamericana
...und die Tracks im Einzelnen
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> Onkelz 2000 < - Der erste Track in diesem Album beginnt so ungewöhnlich, wie das gesamte Artwork. Ein ruhiges, aber auch beunruhigendes Gitarrenriff eröffnet den Titelsong. „Onkelz 2000“ bildet quasi das Intro zum Album, ist aber auch ein hammer Song. Kevins unverwechselbare Stimme gesellt sich schon fast sanft dazu. Der Song nimmt mit dem Schlagzeug und Gonzo an der Gitarre langsam Fahrt auf. Dieses Feeling steigert sich bis zum Refrain, der richtig schön hart, rockig und kompromisslos ist. „Das ist Punkt vor dem dich alle warnen. Wir schießen Wahrheit durch deine Membranen. Das ist so klar wie Wodka. Du findest uns ganz oben, wir leben ohne Rücksicht auf Konventionen.“
(5/5) -> (4:12)
> Dunkler Ort < - Die Single der Platte beginnt mit computeranimierten Klängen. Dann stößt das Schlagzeug mit den Percusions hinzu und kurz darauf schnarrt Gonzos Gitarre durch das Gesamtbild. Stefan am Bass ist natürlich auch mit von der Partie. Langsam nimmt der Song fahrt auf und Kevin brüllt am Mikrophon seine ersten Vocals: „Jeden Tag treten Menschen in mein Leben und wieder aus. Ich habe aufgehört zu zählen.“
Der Refrain ist einfach nur genial. Mitreißend, schnell, laut und vor allem brutal. Eben typisch Onkelz. Stefan legt mit seiner Stimme eine kleine Vocalline unter die Stimme von Kevin und dieser Mix ist erst recht genial.
Gonzos Solo besticht hingegen mit etwas Schlichtheit. Klar, geil ist es und es passt auch, dennoch ist es eben sehr einfach gehalten. Und so wie der Track begann, endet er auch wieder.
(5/5) -> (4:13)
> Exitus < - Langsam hört man etwas aus der Dunkelheit brummen und dann beginnt auch schon Pe am Schlagzeug den Takt vorzugeben. Immer wieder schwerfällige und dunkle Gitarrenriffs. Kevin singt als würde ihm eigentlich die Kraft fehlen. Man glaubt, er kackt gleich ab. Sehr passend zum Song: „Exitus mein Freund. Da gibt es nichts zu lachen. Das sind schlechte Zeiten. Zwerge werfen lange Schatten.“ Insgesamt ein eher langsamerer Song, der sehr basslastig ist und sich auch nie davon löst.
(5/5) -> (3:54)
> Schutzgeist der Scheiße < - Dieser Song beginnt schon sehr bedrückt mit ziemlich wehmütig klingenden Gitarrenakkorden und einer spartanischen Schlagzeuguntermalung. „Es war Dienstag, wie jeden Tag“ so Kevins erste Vocals. Dann ein plötzlicher Ausbruch aus dieser Umgebung. Dieser Song ist ein sehr trauriger Song, der allerdings auch Mut machen soll. „Ich stehe auf und gehe meinem Schicksal entgegen.“ Die 4 wollen sagen, dass es nie zu spät ist für einen Neuanfang und das jeder eine zweite Chance verdient hat und auch bekommt. Er muss sie nur nutzen. Pretty cool!
(5/5) -> (4:47)
> Lüge < - Sofort geht es hier los mit einem treibendem Schlagzeugbeat und schönen, schnellen Chords. „Ihr habt euch der Lüge verschrieben.“ so die Anklage. Das die Onkelz nichts so hinnehmen, wie es ist. Das sie nichts akzeptieren, wie es ist, jedenfalls wenn es in ihren Augen falsch ist. So richtige sich dieser Track eindeutig gegen die Mitläufer unter uns. Was blinder Gehorsam bewirken können, hat Deutschland schon gelernt. Wenn nur die Hälfte der Menschen damals einmal nachgedacht hätten, dann wäre es nie so weit gekommen.
(5/5) -> (3:43)
> Knast < - Die Onkelz sagen einmal auf einem Konzert: „Wir haben schon ne Menge Kumpels in den Knast wandern sehen. Darauf haben wir kein Bock. Nie wieder.“
Der Track beginnt sehr nachdenklich und emotionsschwer. Man fühlt sich irgendwie gefangen. Die Trostlosigkeit ist praktisch greifbar. Der Text ist geprägt von Einsicht und aber auch von Perspektivlosigkeit. Einmal Knacki, immer Knacki. „Ist jemand da, der zu mir hält?“ so die wohl verzweifelte Frage, denn Fakt ist es, dass Straftäter es nicht leicht haben, nach einer Haftstrafe wieder sozial etabliert zu werden. Die Konsequenz ist oft die erneute Flucht in Straftaten oder der Selbstmord. Super genialer Song!
(5/5) -> (5:44)
> C’est la vie < - So ist das Leben! Ein Satz, den sicher auch schon mal jeder gehört hat, aber das kann es nicht sein. „Mein Tag beginnt beschissen.“ Dieser Song ist wie „Wie kann das sein“ den sozialen Missständen unserer Gesellschaft zuzuordnen. Arme Menschen, oft Jugendliche, verkaufen sich und ihren Körper an pedophile Freier, nur um sich den nächsten Trip leisten zu können. Drogen als Zufluchtsort, weil sie keine Ausweg sehen. Traurig, aber wahr...
(5/5) -> (4:23)
> Danke < - Zur Abwechslung mal ein fröhlicherer Song. Ein Song für die Fans. Ein Dankeschön. Es ist mehr als nur ein Dankeschön. Es ist ein Freundschaftsbekenntnis zu den Fans, die den Onkelz beigestanden haben, auch in ihren dunkelsten Stunden. Denn das sind die echten Fans.
Dieser Track unterscheidet sich eindeutig durch seine fröhlichen Charakter vom Rest der Platte. Ist ein kleiner Bruch im musikalischen Gesamtwerk, aber dennoch klasse.
(5/5) -> (3:22)
> Es ist wie es ist < - Zunächst hört man komische Quietschtöne aus den Lautsprechern, dann ziemlich hart verzerrte Gitarren und Kevins erste Vocals. Es ist wie es ist. Eigentlich nicht wirklich ein Statement, dass zu den Onkelz passt. „...und glaub mir eins – Schnaps und der Teufel sind eins!“ Der Mensch vergisst gern. Das liegt wohl in unserer Natur. Und wer sich erinnert, der verdrängt gern. Sich anzupassen kostet weniger Kraft, als sich aufzulehnen und seine Meinung zu verteidigen.
(5/5) -> (2:54)
> Zuviel < - Dieser Song beginnt mit einer mächtigen Soundkulisse. Fette, laute Gitarren und ein tief aufblubbernder Bass. Dann Ruhe und nur Bassbegleitung für Kevins Stimme. Die Band setzt sich hier mit Beziehungsproblemen auseinander. Jeder kennt das Gefühl des Frischverliebt seins. Doch das kann und wird vergehen. Oft kehrt Eintönigkeit ein. Dann betrügt ein Partner den anderen. Man liebt sich zu Tode. Und der Schluss ist dann meist ein kleiner Tod für beide. Eine Trennung bedeutet immer Schmerz und diese Szenerie haben die Frankfurt gut rübergerettet in den Song. „Eine letzte Umarmung bis ich geh. Ein letzter Fick bevor wir uns nie wieder sehn.“
(5/5) -> (5:11)
> Gesichter des Todes < - Dieser Track ist hörbar sanfter und ruhiger. Leicht melankolisch beginnt der Track mit sanften Chords und einem schwachen Schlagzeugbeat, doch dann auf einmal ein Schlaganstieg im Schlagzeug und alle ziehen mit. Dann wieder zurücksinken und das gleiche Spiel von vorn. Der Refrain ist passend zum Song rhythmisiert und der Sound harmonisiert super mit Kevins rauer Stimme. „Die dunkle Seite der Unterhaltung... angepasster Meinungsterror...“ so Ausschnitte aus dem Text. Fernsehen und die gesamte Medienlandschaft bietet oft wirklich nur Scheiße. Ein Millionenpublikum wird nur noch verarscht und hinters Licht geführt. Realität? Keine Spur.
(5/5) -> (4:47)
> Panamericana < - Dieses Instrumentalstück beginnt mit einem ruhigen Gitarrenriff, dann legt sich Stefans Bass darüber. Fast schon interpretationsmäßig. Dann sanfte Schlagzeugbeats und ein mexikanisch oder südamerikanisch angehauchtes Melodiestück. Ein sehr guter Ausklang der Platte. Bildet ein schönes ruhiges Stück und bringt etwas Exotik in unser Zuhause. Klasse Outro.
(5/5) -> (6:12)
Fazit
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„Ein böses Märchen... aus tausend finsteren Nächten“ bildet einen weitern Meilenstein in der Bandgeschichte der Frankfurter. Auch wenn es ja Fans gibt, denen die neuen Stücke ganz und gar auf den Sack gehen. Sie sprechen von zu weich, nicht realistisch und einfach nicht Onkelz, doch ich finde gerade diese Entwicklung, die klar wird, wenn man einen gewisse Anzahl von Alben hat, extrem gelungen. Sie zeigt auch, dass sich die Onkelz von der Party- und Spaßmusik bei Saufgelagen zu ernsthaften und tiefgründigen Künstlern weiterentwickelt haben. Sie zeigen eindeutig, dass sie nicht in der Vergangenheit stehen geblieben sind, sondern sich konsequent ihren Weg gesucht haben. Und mal ehrlich. Ohne Werbung und ohne Promotouren hunderttausend verkaufte Platten – welche Band kann das noch von sich behaupten?
Ich kann das Album nur empfehlen, denn es hat alles was ein gutes Hardrockalbum haben muss: Abwechslung, harte Stücke, intelligente und durchdachte Texte und es sind deutsche Texte, für die man keine Übersetzung braucht, weil man sie so versteht. weiterlesen schließen
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