Pro:
wunderschöne, historisch bedeutende Fachwerk-Häuser, tolles Bier - interessante Stadt
Kontra:
nichts
Empfehlung:
Ja
Einbeck – historisches Kleinod am Harz
Ganz viele Autofahrer, insbesondere die, die von Nord nach Süd oder umgekehrt auf der Autobahn A7 durch Niedersachsen fahren, sind schon an der Autobahnausfahrt Seesen am Harz (von Norden kommend) oder Northeim Nord (Fachwerkstraße - von Süden kommend) vorbeigerauscht, ohne zu ahnen, dass nur wenige Kilometer von den genannten Abfahrten entfernt ein Kleinod mittelalterlicher Baukunst liegt, dass in der Tat jeden Besuch wert ist.
Es ist Einbeck am Harz, eine kleine, aber feine Ansammlung unendlich vieler alter Fachwerkhäuser, die hervorragend restauriert und gepflegt worden sind und die für Liebhaber des Fachwerks früherer Jahrhunderte wahre Fundgruben für Fotomotive sind. Hier sind wirklich alle Richtungen des Fachwerks vertreten.
Geschichte Einbecks
Die Ursprünge des Ortes sollen sich um etwa 1100 n.Chr. aus einem Stift (St. Alexandri) entwickelt haben, das in Verbindung mit einem sächsischen Grafenhof erwähnt wird. Man sagt, dass Heinrich der Löwe den Marktplatz um 1150 gegründet hat. Aus einer Urkunde aus der Zeit des deutschen Kaisers Konrad II. (1024 – 1039) ist zu entnehmen, das Konrad einem Grafen Udo und seiner Gattin Beatrix das Grafenamt in Liesgau und einen Forst am Harz als Lehen vermachte. Von den männlichen oder weiblichen Nachkommen dieses Paares sollte derjenige die von Konrad verliehenen Lehen erben, der das Gut „ an einem Orte, der Einbike heiße“ besitzen würde. Und eben dieser Heinrich der Löwe war einer der Nachfahren dieser beiden „Udo und Beatrix“. Um 1150 sind vermutlich rund 400 Bewohner in diesem Ort zuhause.
Schon wenige Jahre später (anno 1203) wird Einbeck erstmals in alten Dokumenten (aus der Zeit nach Entmachtung Heinrich des Löwen und der Regierungszeit des Sohnes Heinrichs des Löwen, ebenfalls Heinrich gerufen, als „Stadt“ (civitas nostra = unsere Stadt) bezeichnet, was für die Entwicklung sowohl kulturell, als auch wirtschaftlich für Einbeck von hoher Bedeutung war. Mit dem Titel „Stadt“ waren etliche Privilegien verbunden, die Anziehungspunkt für Handeltreibende und Fahrensleute waren, Geld in den Ort brachten und die Herrschenden in die Lage versetzte, deutlich durch Steuern am Aufschwung zu partizipieren.
Die nur wenigen Häuser der Bewohner an der wichtigen Handelsachse von Nord nach Süd und umgekehrt (Handelsweg über die Hube), der Markt, eine kleine romanische Kirche und das ab 1203 erlaubte Gasthaus zur Beherbergung Kranker und Armer waren durch eine Befestigungsanlage frühzeitig auch militärisch wichtig geworden. Einbeck entwickelte sich in den Folgejahrzehnten zum militärischen, wirtschaftlichen, kulturellen und verkehrstechnischen Mittelpunkt der Region.
Die erste richtige Stadtmauer wird etwa um 1300 abgeschlossen, nachdem die Landesherren eine Erweiterung des Ortes erlaubten und die Einbecker Neustadt neben den alten Gründungshäusern entstand. In den Mauern der Stadt fanden in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts ca. 380 Fachwerkhäuser mit etwa 2300 Einwohnern ihren Wohnort. Die Gründungen von Stiften und die Veränderungen dieser kirchlichen Einrichtungen unterschiedlicher Couleur ist ziemlich kompliziert und deshalb vernachlässige ich diesen Teil der Einbecker Geschichte.
Um 1320 herum gibt es schon diverse Häuser vor der Stadtmauer, deren Bewohner die Bevölkerungszahl Einbecks deutlich anhoben. Ein Rat und eine Bürgerschaft für Einbeck werden urkundlich erstmals um 1252 erwähnt. Herzog Heinrich Mirabilis verlieh dem Orte Einbeck dann anno 1279 das Stadtrecht. Auch wenn Einbeck weiter eine landesherrliche Stadt war, so handelte der Rat der Stadt überwiegend selbständig.
Etwa um 1300 entsteht der erste Rathausbau, der urkundlich erstmals 1334 erwähnt wird, etwa dort, wo auch heute das Rathaus steht. Die Patrizier stellten bis ins 16. Jahrhundert die Bürgermeister der Stadt, aber die Gildemeister vieler Handwerkszünfte bestimmten im Rat der Stadt die Geschicke derselben deutlich mit (Kaufleute, Bäcker, Schuhmacher, Knochenhauer, Schmiede, Tabakspinner, Gastwirte, Branntweinkrüger, Garköche, Conditoren, Müller, Sattler, Beutler, Handschuhmacher, Kürschner usw.).
Einbeck schützte den Handelsplatz durch viele Beteiligungen an den im Mittelalter häufig vertretenen Städtebünden, unter anderen auch mit Göttingen und Braunschweig, zwei deutlich größere Städte zu dieser Zeit. Ab 1368 gehörte Einbeck zum Bund der Hansestädte. Das blühende Leben der Stadt endete jedoch jäh durch das Auftreten der Pest, die zwischen 1350 und 1351 ganze Landstriche entvölkerte und im Durchschnitt ihrer „Auftritte“ mehr als ein Drittel der städtischen Bevölkerungen dahinraffte. So auch in Einbeck.
Doch schon in den Jahrzehnten danach wuchs in Einbeck die Wirtschaftskraft wieder an und innerhalb der kommenden 100 Jahre wurden etliche große Bauunternehmen fertig gestellt, als da wären Mühlenkanal durch den Ort, drei Mühlen und eine zweite Stadtmauer, die letztlich um 1500 fertig war. Die Einwohnerzahl wächst wieder an und um 1450 hat Einbeck etwa 5500 Einwohner, die sich auf etwa 900 Häuser verteilen. In dieser Zeit wird das Rathaus der Stadt auf die Größe erweitert, die es noch heute hat.
Nach der Reformation gibt es bereits um 1520 lutherisch predigende Mönche in Einbeck. Gegen die in Einbeck heimischen Stifte kann sich das Luthertum allerdings erst rund 10 Jahre später (ab 1529) durchsetzen. Schon im Jahre 1531 wird Einbeck Mitglied im Schmalkaldischen Bund, einer Vereinigung evangelischer Städte und Fürstentümer. 1540 fällt die ganze Stadt einem von einem Hirten gelegten Brand zum Opfer.
Trotz erster militärischer Erfolge gegen die katholische Liga wird der Schmalkaldische Bund 1547 in der Schlacht bei Mühlberg durch die Truppen Karls des V. vernichtend geschlagen. Einbeck unterwirft sich gezwungenermaßen der katholischen Liga (Augsburger Reichstag). Zu allem Unglück wird durch eine weitere Brandstiftung Einbeck 1549 ein zweites Mal zerstört.
1596 wird Einbeck dem Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel untergeordnet, um dann um 1616 herum zum Kurfürstentum Hannover geschlagen zu werden. Mit dem 30 jährigen Krieg, in dem es viele Zerstörungen von Häusern der Stadt durch Beschießungen gab, verliert die Stadt ihre Privilegien, der Landesherr stationiert eine Garnison dort und verändert damit die Entscheidungsfindung in der Stadt zu seinen Gunsten.
In der Folgezeit hat Einbeck wieder deutlich an Bedeutung für die Region abgenommen. Orte wie Hannover und Göttingen liefen Einbeck den Rang ab. Allerdings hatte Einbeck etwas zu bieten, was bis heute die Genießer dieser unserer Nation anerkennend zu sich nehmen, nämlich das Einbecker Gebräu, heute wie damals Bier genannt. Heute hat die Stadt so um die 30.000 Einwohner und gilt damit eher als (wie ich finde tolle) Kleinstadt.
Das Einbecker Bier
Um 1600 gab es an diesem damals bedeutenden Handelsplatz über 700 Braustätten. Nach ältesten Belegen wurde bereits anno 1378 in Einbeck Bier gebraut. Die Einbecker Bürger mälzten sogar selbst.
Getreide und Hopfen trockneten sie auf ihren Dachböden, die, wie man heute noch an den alten Fachwerkhäusern sehen kann, Lüftungsfenster besaßen. Es gab in Einbeck einen sogenannten öffentlichen Braukessel, der nach Zeiten festgelegt, von Brauer zu Brauer weitergereicht wurde. Da dieser öffentliche Braukessel für damalige Verhältnisse recht groß war, passte er nur durch höhere und breitere Tore in den Hof des jeweiligen Hauses des Brauers. Daher stammen die vielen noch heute zu sehenden großen Toreinfahrten.
Auch der Einbecker Mai-Bock hat mit einer Tradition zu tun. Am 1. Mai eines jeden Jahres wurde die Reihenfolge zwischen den Brauern durch Losverfahren festgelegt, was festlich begangen wurde. Speziell für diesen Tag wurde ein starkes Bier gebraut, dass dann ab dem 1. Mai getrunken werden dürfte: Das Einbecker Ur-Bock
Das Einbecker Bier war von je her für den Export in die umliegenden und auch weiter entfernt liegenden Regionen gedacht und war daher stärker gebraut, weil sich stärkeres Bier länger hielt. Findige Einbecker Brauer versandten das Bier nicht trinkfertig, sondern ließen sie es während des Transportes gären. Bei so rumpeligen Transporten ist sicher auch mal ein gärendes Fass „in die Luft“ gegangen. Im Jahre 1521 mußte Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms seine Lehre verteidigen und tat dies den Geschichtsschreibern zufolge mit einem Krug Bier aus Einbeck, von dem er dann gesagt haben soll: „Der beste Trank, den einer kennt, der wird Einbecker Bier genennt" . Der Reichtum der Stadt kam also u.a. auch von der Brauwirtschaft. Einbeck war prädestiniert als Brauzentrum der Hanse.
Die im 30jährigen Krieg beendete Bedeutung Einbecks. Einbeck sank zu einem unbedeutenden Landstädtchen herab. Nach dem Siebenjährigen Krieg erholte sich Einbeck Ende des 18. Jahrhunderts. Diesmal allerdings nicht wegen des wieder in großen Mengen hergestellten Bieres, sondern wegen des aufstrebenden Textilgewerbes, das auf den zahlreichen Spinnereien und Webereien der näheren Umgebung basierte. Doch wie man weiß, wurde und wird da viel Bier getrunken, wo auch viel vor allem handwerklich gearbeitet wird. Das war auch bin Einbeck so, was die Bedeutung des Bieres immer hochhielt. Heute ist das Einbecker Pils und das Ur-Bock als Spezialitätenbier bekannt, dass über die Region Einbeck hinaus bekannt ist. In meinem Bierschrank ist stets ein bisschen Einbecker Bier vorhanden.
Sehenswürdigkeiten
Eigentlich ist die gesamte Innenstadt als eine ganze Sehenswürdigkeit zu betrachten. Aber sicher sind ein paar von den vielen mittelalterlichen Gebäuden besonders hervorzuheben. So ist ganz sicher der Einbecker Marktplatz von besonderem Interesse der Einbeck-Besucher, weil hier auf engem Raum viele, sehr schön restaurierte Fachwerkhäuser unterschiedlicher Größe und Bauweise zu sehen (und zu fotografieren) sind.
Das Rathaus mit seinem Eulenspiegelbrunnen, das noch heute an der Stelle steht, an der das erste Einbecker Rathaus errichtet worden war, ist eines der ganz alten und größeren Fachwerkhäuser, dass wegen seiner historischen Bedeutung auch heute noch zu den attraktivsten Gebäude der Stadt zählt. Und es wird immer noch als Rathaus genutzt.
Die Reste der Stadtbefestigungen aus dem Hochmittelalter und der Zeit danach regen die Phantasie an, wie es wohl vor 450 – 600 Jahren hier ausgesehen haben mag. Wer schon mal in Dinkelsbühl im Altmühltal war, der kann ermessen, wie eng es in einer mittelalterlichen Stadt zugegangen sein muß. Hier in Einbeck wird es nicht minder eng gewesen sein.
Die Stiftskirche St. Alexandri, deren älteste „Steine“ aus dem 12w. Jahrhundert stammen, ist historisch sicher genauso von Bedeutung, wie die nicht weit davon entfernt liegende Münsterkirche, die später entstand, aber nicht minder interessant ist. Gleiches gilt natürlich auch für die Jacobi-Kirche, die aus dem 13. Jahrhundert stammt.
Bei unserem Rundgang durch die Stadt hätte ich einen 60-Minuten-Film vollbekommen, hätte ich jedes der unzähligen Fachwerkhäuser (es sollen rund 400 sein, davon 120 reichlich verzierte spätgotische Bürgerhäuser) auch nur 10 Sekunden aufgenommen. Für Fans solch alter Fachwerkgebäude (wie auch in Lüneburg und Goslar) ist Einbeck ein wahres Fotoparadies. An einigen Häusern sind Tafeln angebracht, auf denen zur Geschichte des jeweiligen Hauses etwas nachzulesen ist.
Und viele Einbecker Geschäfte sind in diese alten Häuser gezogen, so dass sich mit ein bisschen Phantasie vorstellen läßt, wie die mittelalterlichen Einkaufstouren ausgesehen haben müssen. Und auch einige Restaurant befinden sich in alten Gebäuden. Wir haben im Restaurant Goldener Löwe (Möncheplatz) gespiesen und zwar sehr gut und nicht so teuer, dass von außen eine wirklich sehenswerte, wunderschöne Fassade zeigte.
Immer am zweiten Oktoberwochenende wird das sogenannte Eulenfest gefeiert. Es ist so eine Art Jahrmarkt mit kleinen Kinder-Fahrgeschäften, diversen Fressbuden und einer großen Veranstaltungsbühne, der mitten zwischen den vielen historischen Gebäuden begangen wird und sehr gut besucht war, als wir anno 2003 die Stadt besuchten.
Ansonsten sind wir natürlich unter anderen auch deshalb in Einbeck eingekehrt, weil ich endlich nach langer Zeit wieder einmal ein Einbecker Pils vom Fass frische gezapft trinken wollte. Denn vom Fass ist dieses Bier noch ungleich schmackhafter, als aus der bundesweit bekannten kleinen Flasche. Allein dieser Genuss ist stets einen Besuch in der historischen Bier- und Fachwerkstadt in den Ausläufern des westlichen Harzes wert.
Hier noch einige interessante Links zu Einbeck und das, was man mit der Stadt verbindet.
www.einbecker-brauhaus.de/
http://www.weserbergland.com/orte/beschreibung/einbeck.html
www.fachwerk.de/lexikon/
www.bier.de
Fazit
Jeder, der als Besucher in diese Stadt kommt, wird begeistert sein von dieser großen und wunderschön restaurierten Ansammlung historischer Fachwerkhäuser, die es sonst in Deutschland in dieser Menge und in diesem Erhaltungsgrad nur noch selten gibt. Und wer Bier mag, wird sicher auch gern immer wieder das aus meiner Sicht hervorragende Einbecker Bier genießen, denn vor Ort vom Fass in so bedeutendem historischen Ambiente ist ein Einbecker Pils vom Fass schon etwas sehr Feines. Ein Besuch lohnt sich allemal und ist sehr zu empfehlen.
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