Pro:
spannende Geschichte, interessante Charaktere
Kontra:
an manchen Stellen zu viele Fakten auf einmal
Empfehlung:
Ja
Lauf, Jane, lauf
Joy Fielding
Eine Frau, mitten in den Straßen von Boston, ohne Papiere und vor allem ohne Gedächtnis... Genau das geschieht Jane Whittaker, Ehefrau eines angesehen Kinderchirurgen. Doch als sie auch nach Wochen ihr Gedächtnis nicht zurückerlangt, wird ihr klar, dass irgendetwas nicht stimmen kann und sie macht sich auf die Suche nach ihren Erinnerungen.
Joy Fielding beschreibt genau das, wovor sich jeder fürchtet, was jedem passieren kann, was man aber trotzdem nicht für möglich hält. Unter Drogen gesetzt und von den Menschen gequält, von denen man denkt, dass sie einen am meisten lieben... Im Laufe der Handlung bekommt man immer mehr Mitleid mit Jane, mit ihrer Familie, bis man begreift, in welches gemeine Spiel sie verwickelt ist. Allerdings würde ich empfehlen, nicht so dumm wie ich zu sein und die letzte Seite zu lesen, bevor man zur Mitte kommt... Die Geschichte ist äußerst interessant, das gesamte Buch ist unterhaltsam geschrieben, meiner Meinung nach stürmen an einigen Stellen aber zu viele Fakten auf einen ein, so das man gelegentlich den Überblick verliert.
Trotz allem kann ich das Buch jedem empfehlen, der gerne Verschwörungsgeschichten ohne viel Blutvergießen liest, außerdem natürlich jeden, der Joy Fieldings Bücher und ihren Stil mag.
Leseprobe
...
Jane hörte, wie die Haustür geschlossen wurde. Einen Augenblick später viel etwas weiter weg eine zweite Tür zu. Waren sie jetzt beide weg? Langsam und vorsichtig richtete sie sich auf und spähte über den unteren Rand der Fensterscheibe. Es war niemand da. Der Vorgarten zu Caroles Haus war leer. Ebenso ihr eigener Vorgarten. Aber natürlich konnte jemand am Fenster stehen. Sei musste vorsichtig sein. Behutsam stieß sie die Wagentür auf und kroch gebückt zum Bügersteig hinaus.
Und weiter? Wohin sollte sie? Sie hatte kein Geld. Sei hatte in ihrer kopflosen Flucht alles stehen und liegen gelassen. Wie gehabt, dachte sie. Jetzt irre ich also wieder einmal ohne Handtasche und ohne Papiere durch die Gegend. Nur weiß ich diesmal, wer ich bin, auch wenn ich mich noch immer nicht daran erinnern kann. Ich bin Jane Whittaker. Lauf, Jane, lauf, dachte sie, während sie geduckt die Straße hinunter hastete, den Oberkörper so tief, dass ihre Finger fast das Pflaster berührten, einem Affen ähnlicher als einem menschlichen Wesen.
An der Walnut Street wandte sie sich nach Norden, ohne sich eine Verschnaufpause zu gönnen. Sie wusste, wenn sie jetzt anhielt, und sei es nur für ein paar Sekungen, würde alle Kraft sie verlassen, und sie würde sich einfach hier an der Straße zusammenrollen und einschlafen. Sie konnte sich keine Rast leisten.
Sie hörte Autos vorbeifahren und dachte flüchtig daran, eines anzuhalten. Würde überhaupt jemand anhalten? Sie bezweifelte es angesichts des besorgten Blicks, den eine Frau ihr im Vorüberfahren zuwarf. Kein Wunder. Alltäglich war der Anblick gewiss nicht, wie sie da ganz in Rosarot schwitzend und schnaufend im Affengalopp die Straße hinunterlief. Was ich jetzt brauche, ist ein Taxi, dachte sie und versuchte, mit den Zehen die Steinchen oder was immer es war, das in ihrem rechten Schuh herumrollte, wegzuschieben. Nur habe ich im Gegensatz zu meinem letzten spektakulären Fluchtversuch diesmal kein Geld mitgenommen. Sie griff in ihre Hosentaschen. Nichts. Weit und breit kein Hundert-Dollar-Schein zu sehen.
Jetzt blieb sie doch stehen. Wenn sie schon dazu verdammt war, zu Fuß zu gehen, dann wenigstens bequem. Natürlich nur relativ betrachtet, sagte sie sich, während sie ihren rechten Schuh auszog und ausschüttete. Zwei kleine weiße Tabletten fielen heraus. Ihre Tabletten, die Tabletten, die Michael und Paula ihr täglich eingaben, die Tabletten, die sie versteckt hatte. Sie büchte sich und hob sie auf, blieb auf den Asphalt gestützt einen Moment in der Hocke, bis sie die Kraft fand, sich wieder aufzurichten. Dann steckte sie Tabletten in die Hosentasche und ging weiter, bis ihr plötzlich einfiel, dass Paula vielleicht beschlossen hatte, mit dem Auto nach ihr zu fahnden. Hastig suchte sie Schutz hinter einer Reihe von Bäumen.
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