Pro:
Man kann viel fürs Leben mitnehmen, etwas praktische Arbeit zwischen Schule und Studium
Kontra:
gnadenlose Ausbeutung: mehr Arbeit als die Zivis dafür weniger Gehalt
Empfehlung:
Ja
Meine Entscheidung ein freiwilliges Soziales Jahr zu machen fiel bereits mit 16 Jahren. Damals hatte ich zwar noch 3 Jahre schulischer Bildung vor mir, regte mich aber dennoch über die Benachteiligung der Männer auf, die zum Dienst am Staat gezwungen wurden (ja, so idealistische Menschen gibt es), dazu kam, dass ich schon immer gerne im sozialen Bereich tätig war und es mich interessierte, mich ein volles Jahr einzubringen.
Als das Abitur dann geschafft war, spürte ich erst, wie klug diese Entscheidung war – zwar hatte ich einige Studienplätze deswegen auf die Warteliste gesetzt, aber es war unglaublich angenehm nach 13 Jahren des Lernens endlich einmal praktisch zu arbeiten und vor allem nach Hause zu kommen und Feierabend zu haben und nicht einen Stapel an Lernarbeit.
Doch wo hatte es mich da nach der Schule hinverschlagen? Man mag es nicht glauben, direkt in eine andere Schule! Nämlich eine Schule für Sehbehinderte, zudem eine Ganztagesschule.
Die Aufgaben, die in dieser Einrichtung für mich angefallen sind, waren recht vielfältig.
Zum einen war ich im Unterricht dabei, habe förderbedürftigen Schülern unter die Arme gegriffen oder sogar Einzelstunden mit ganz harten Fällen gehalten.
Es tat gut immer wieder zu hören, wie sehr meine Arbeit geschätzt wurde, da ich den Lehrern eine große Hilfe war und bei mehreren Schülern deutliche Fortschritte zu erkennen waren.
Doch was hat es mir gebracht?
Meine feststehende Entscheidung, nie Lehrerin zu werden, begann zu bröckeln. Der Beruf, den ich immer für völlig undankbar gehalten hatte, zeigte sich von einer völlig neuen Seite. Und je mehr Kinderherzen mir zuflogen, umso klarer wurde mir, welche Freuden dieser beruf mit sich bringt.
Am Ende des Jahres stand für mich fest: Ich werde Sonderschullehrerin!
Doch leider waren nicht alle meine Aufgaben so erfüllend.
Unter anderem musste ich jeden Tag eine Stunde in der Essensausgabe helfen. Was zu beginn ganz witzig war, weil der neueste Tratsch natürlich immer in der Küche brodelte, wurde mir bald langweilig, zumal man dort nicht dankbar für meine Arbeit schien, ständig musste ich Seitenhiebe einer alternden Kraft einstecken und fragte mich bald, was ihr eigentlich nicht passte. Erst als sie einen Tag krank war und auch die Kolleginnen erleichtert aufatmeten, wurde mir klar, dass sie schlichtweg ein Drache war, der junges Blut wohl nicht ertrug.
Doch auch ohne sie, wäre mir dieser Job schnell langweilig geworden – gelernt habe ich dabei nichts, außer dankbar für meinen Bildungsstand zu sein!
In unregelmäßigen Abständen habe ich Spielstunden mit den jüngeren Klassen abgehalten oder kleine Bastelaufgaben mit ihnen umgesetzt.
Dabei wurde mir klar, dass auch solche vermeintlich einfachen Stunden gut geplant sein müssen, da gerade im Umgang mit Kindern schnell das Ruder aus der Hand läuft.
Einer der Höhepunkte meines FSJ war jedoch eine Klassenfahrt nach Weimar und Berlin, die ich begleiten musste. Zwar musste ich Teile der Kosten selbst tragen, was bei einem Monatsgehalt von 300 DM nicht selbstverständlich ist, aber gelohnt hat es sich allemal, zumal man mir dort auch die ein oder andere Freizeit gewährt hat.
Urlaub konnte ich leider keinen nehmen, wurde ich doch durch reichlich Ferien versorgt – in dieser Zeit hatte ich auch 100 %-ig frei und konnte mich erholen.
Meine Arbeitszeiten in diesem Jahr verliefen von ca. 7.00 Uhr am Morgen, wenn ich mit dem Schulbus losfuhr bis etwa 16.30 Uhr.
Die Schulbusse wurden von Zivildienstleistenden gefahren (ganz lieben Dank an Philipp, der sich gerne mal wieder melden könnte), wenn jemand krank wurde, musste ich allerdings einspringen – was mir gar nicht unrecht war, da dies extra vergütet wurde.
Würde ich abschließend sagen, mein FSJ hat mir etwas gebracht?
JA!
Es war zum einen eine wohlverdiente Tankstelle zwischen schule und Studium und zum anderen ein sehr gute Orientierung für die Berufswahl, da ich meine Studienplätze danach aufgab und mich auf Lehramt beworben habe.
Ich finde jeder, der im sozialen Bereich arbeiten möchte, sollte zuerst ein FSJ oder Praktikum in einer sozialen Einrichtung machen, denn diese Berufe haben oftmals überraschende Seiten an sich, die man vor der Ausbildung kennen lernen sollte.
Die niedrige Bezahlung ist bei mir leider kein Einzelfall, man leistet zwar die gleiche Arbeit wie ein Zivi – oftmals sogar engagierter und gewissenhafter – erhält aber nur einen Bruchteil seines Gehalts.
Wie findet man eine Stelle für ein FSJ?
Bei mir funktionierte das altbewährt über Beziehungen, aber man bekommt Adressen über das Arbeitsamt, wenn man anfragt.
Außerdem bietet für gewöhnlich jede soziale Einrichtung FSJ-Stellen an, ihr könnt also dort anrufen und euch informieren.
Bevor ihr letztlich zusagt, solltet ihr euch eure Arbeitsstelle für ein Jahr aber anschauen, schließlich habt ihr die Wahl.
Es empfiehlt sich ca. ein Jahr vorher mit der Suche zu beginnen, man bekommt zwar auch immer kurzfristig Stellen, aber wirklich Spaß, machen diese dann häufig nicht! weiterlesen schließen
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