Pro:
schöne Altstadt; historische Gebäude
Kontra:
hohe Preise
Empfehlung:
Ja
Einleitung:
Gent, eine Stadt mit rund 250.000 Einwohnern mitten in Flandern, etwa 60 Kilometer nordwestlich von Brüssel, ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert. Eine ausgedehnte Altstadt lädt mit Cafes, Pralinenläden und historischen Gebäuden zum Bummel ein, besonders malerisch bei tiefstehender Abendsonne.
Das Zentrum, in dem die Hauptsehenswürdigkeiten liegen, kann man gut zu Fuß erkunden. Einzig der Zitadellenpark, in dem sich das Museum vor Schone Kunsten befindet, liegt außerhalb der Stadtmitte (ca. 2 Kilometer), kann aber, sofern man keinen eigenen Wagen dabei hat und keinen ausgedehnteren Spaziergang unternehmen will, bequem mit Bus oder Straßenbahn erreicht werden.
Die Hauptsehenswürdigkeiten im einzelnen:
Rund um den Sint-Baafs-Plein
Viele flandrische Städte haben noch den alten Stadtaufbau, in dem sich ein Großteil des öffentlichen Lebens auf einen zentral gelegenen Marktplatz konzentriert. So ist es auch in Gent. Bedeutendstes Gebäude am Sint-Baafs-Plein (zu deutsch: Heiliger-Bavo-Platz; bitte fragt mich nicht, wer der heilige Bavo war, ihr könnt ihn aber auf einem Gemälde von Rubens in der Kathedrale besichtigen ;-) ist die Kathedrale (die ich unten noch ausführlicher beschreiben möchte). Außerdem befindet sich hier der Belfried, ein sehr schöner 91 Meter hoher Glockenturm, der im 14.Jahrhundert erbaut wurde. Eine seiner alten Glocken kann an einer Ecke des Platzes besichtigt werden. Ein sehr hübsches Gebäude ist die sogenannte Lakenhalle (15.Jhd.), das ist der Ort, wo früher die Tuchhändler ihre Geschäfte gemacht haben. Hierin befindet sich übrigens auch die Tourist Information (dort erhält man z.B. Stadtpläne und Hotelverzeichnis, außerdem kann man hier diverse Besichtigungstouren buchen). Nordöstlich des Sint-Baafsplein findet man das Stadhuis (= Rathaus), dessen Fassade zwei völlig unterschiedliche Stilrichtungen aufweist. Der Hauptteil ist im Renaissance-Stil gebaut (und war bei meinem Besuch eingerüstet), ein Flügel aber ist wesentlich älter, nämlich gotisch. Zwischen den Spitzbögen sind steinerne Figuren zu sehen, die unterschiedliche Bevölkerungsgruppen repräsentieren.
Sint-Baafs-Kathedral
Das kunstgeschichtlich wichtigste Gebäude in Gent ist sicherlich die Kathedrale. Sie wurde zwischen dem 13. und 16.Jahrhundert erbaut, weist also unterschiedliche Baustile auf, hauptsächlich ist sie gotisch. Das Innere der Kirche schmücken zahlreiche Gemälde bedeutender flämischer Künstler. Das Hauptwerk ist der sogenannte "Genter Altar", deren Tafeln von den Gebrüdern Hubert und Jan van Eyck gemalt wurden. Thema des Altars ist die Anbetung des Lamms Gottes, die in der Mitte dargestellt ist. Auf den Seitentafeln sieht man Personengruppen (z.B. Ritter und Eremiten), die ebenfalls zu der Anbetungsszene hinstreben. Auch wenn eine Fotoreproduktion des Altars in einer Seitenkapelle der Kirche kostenlos zugänglich ist, lohnt sich der Eintritt von 100 BeF, um das Original zu sehen.
Weitere wichtige Kunstwerke stammen von Rubens, Pourbus und anderen.
Zwei Kuriositäten möchte ich euch nicht vorenthalten: In der Nähe des Eingangs sind zwei Altar-Seitentafeln aufgehängt, auf denen Adam und Eva zu sehen sind ? züchtig mit Fellgewändern bekleidet. Diese Tafeln waren eine Zeitlang Bestandteil des Genter Altars, Kaiser Joseph II von Österreich hatte im 18.Jhd. nämlich die Originalgemälde der van Eycks, auf denen Adam und Eva nackt dargestellt sind (keine Sorge, die Bilder sind dank des Feigenblattes trotzdem jugendfrei ;-)) wegen Anstößigkeit ersetzen lassen!
Und in der Krypta der Kirche befindet sich eine kunterbunt zusammengestellte Ausstellung von Besitztümern der Kirche. Da gibt es ein Sammelsurium von Monstranzen, Uniformen, Gemälden, Gewändern und Büchern zu besichtigen. Unter anderem ist hier ein Tryptichon von drei Kunstwerken verschiedener zeitgenössischer Künstler auf ein Tryptichon des Justus von Gent aus dem 15.Jhd. (Kalvarien-Altar) hin ausgerichtet, thematisch verbunden durch das Kreuz.
An der Leie
Einen sehr schönen Blick auf die Altstadt hat man von der Sint-Michiels-Brug aus, die bei der Sint-Michiels-Kerk über den Fluß Leie führt. Von dieser Brücke aus lohnt sich ein kurzer Spaziergang an der Leie entlang. An beiden Uferstraßen (Korenlei und Graslei) stehen sehenswerte Zunfthäuser. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich auch das Groot Vleeshuis (Fleischermarkt aus dem 15.Jhd).
Burg Gravensteen
Ebenfalls nur wenige Schritte vom Graslei entfernt steht die Burg Gravensteen aus dem 12.Jhd. Die Besichtigung führt uns hinauf auf den trutzigen Burgfried. Der Blick von den Zinnen ist leider stark eingeschränkt durch Holzplanken, die die früheren Verteidiger vor Geschossen der Belagerer geschützt haben mögen ? für den Touristen sind sie schlicht unpraktisch. In einem kleinen Museum kann man sich über Folterpraktiken des Mittelalters informieren. Außerdem sind einige Kellergewölbe zugänglich.
Museum vor Schone Kunsten
Zuletzt möchte ich noch einen Besuch des Museums vor Schone Kunsten empfehlen, das sich im Zitadellenpark, 2 Kilometer südlich des Stadtzentrums, befindet. Hier kann man eine recht umfangreiche Sammlung flämischer Kunst vom 15. bis zum 20.Jahrhundert betrachten.
In der Eingangshalle sind sechs großflächige Wandteppiche aufgehängt (17.-18.Jhd). Fünf von ihnen sind römischen Göttern (Mars, Minerva, Diana, Appolo, Venus) gewidmet und dadurch thematisch verbunden.
Bei der Gemäldesammlung möchte ich euch in erster Linie die alten flämischen Meister ans Herz legen. Es finden sich in dieser Abteilung u.a. Gemälde von Rubens, Pourbus, van Dyck, Jordaens und - von besonderer künstlerischer Bedeutung - zwei Werke von Hieronymus Bosch (Christus trägt das Kreuz und Gebet des Heiligen Hieronymus).
Mein Resumee:
Gent hat nicht den Charme von Brügge, gehört aber eindeutig zu den schönsten Städten Flanderns. Das hübsche Altstadtensemble und die einzelnen Sehenswürdigkeiten sind zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Durch seine zentrale Lage bietet sich die Stadt außerdem als Ausgangspunkt für weitere Ausflüge an. Das Preisniveau ist eher hoch. weiterlesen schließen
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