Pro:
Rechtzeitige Vorsorge erspart viel Kummer.
Kontra:
Absolut nichts.
Empfehlung:
Ja
Hallo lieber Leser, heute habe ich einen Erfahrungsbericht der wirklich besonderen Art anzubieten. Ich habe lange überlegt, ob ich ihn hier einstelle, aber nahezu 50 Jahre praktische Erfahrung haben mich dazu gebracht, Euch meine Erfahrungen zu schildern. Dem Einen oder Anderen könnten sie vielleicht nützlich sein. Ihr kennt doch alle das beliebte Spiel stell Dir mal vor.... Spielen wir doch mal eine Runde.
Stell Dir mal vor, Du bist bestens in Form, hast Dich gerade mal bei Deinem Hausarzt zu einer Vorsorgeuntersuchung vorgestellt, nicht weil Du Bedarf daran hast. Aber Deine Krankenkasse hat eine neuen Tarif und wenn man sparen kann. Zufrieden stellst Du bzw. Dein Hausarzt fest, daß alles bestens ist. Na also! Vielleicht warst Du dann noch, stell es Dir nur einmal vor, beim Urologen und hast dort erfahren, was Du eh schon wußtest: es ist noch alles bestens. Völlig mit Dir und der Welt zufrieden sitzt Du abends mit einem Glas Wein vor dem Fernseher und stellst plötzlich fest, daß die Kiste wohl bald ersetzt werden muß. Dem Bild fehlen ja die Ränder, irgendwie. Und dann merkst Du, daß Du gar nicht vor dem Fernseher sitzt, aber dem Bild, daß Du siehst, fehlen trotzdem irgendwie die Ränder.
Dann, lieber Freund, ist es schon weit hinein böse um Dich bestellt. Ich möchte Deine Vorstellungskraft nicht weiter strapazieren, aber eines laß Dir gesagt sein. Die Ränder fehlen im Lauf der kommenden Jahre immer mehr, das Bild wird zur Röhre, die am Ende einen Durchmesser von Null hat.
Nicht nur eine finstere, sondern eine ziemlich blöde Geschichte , meinst Du?
Nun, ich rede vom Glaukom, im Volksmund auch grüner Star genannt. Eine Krankheit, von der Du erst merkst, wenn alle Eulen verflogen sind, und die nahezu den gleichen Seltenheitswert hat wie Diabetes. Du kannst und solltest Dich davor schützen. Dank unseres tollen Gesundheitssystems mußt Du zwar 16 € für die Untersuchung beim Augenarzt löhnen, aber rechne diesen Betrag besser nicht in Bier oder Burger um.
Ein böses Erwachen
Ich war so ungefähr 16, als meine Eltern, die beide am Glaukom litten, mich mal vorsorglich mit zum Augenarzt nahmen. Denke nun bloß nicht, weil Dir in Deiner Familie nichts von Glaukom bekannt ist, hast Du einen Freifahrtschein. Wir mußten zwar damals nichts löhnen, aber eine Quittung gab es dennoch, wir waren jetzt zu dritt - beim Glaukom nämlich. Bei mir war es glücklicherweise nicht so schlimm, ich bekam Tropfen verschrieben, die ich von nun an täglich früh und abends nehmen mußte. Es gab damals in der DDR nicht viel Auswahl an derartigen Medikamenten, so verschlechterte sich der Zustand schleichend. Ich überspringe jetzt mal ein paar Jahre einschließlich des Augenarztwechsels nach der Wende und versetze mich nochmal in die Situation eines Ratsuchenden in der Jetztzeit.
Du hast Dir also die 16 € mühsam vom Munde abgespart und einen Augenarzt gefunden, der Dir noch im gleichen Jahr eine Untersuchung ermöglicht. Nach dem Aufruf aus dem Wartezimmer wird sich der Augenarzt erst ein wenig über Dich und Deine womöglichen Abnormitäten in medizinischer Sicht schlau machen. Dann darfst Du Dich vor ein Gerät setzen, bei dem Du Kinn und Stirn auflegen darfst. Selbstverständlich auf desinfizierte Unterlagen. Und dann gehts los. Erst trifft Dein eines, dann das andere Auge ein kurzer kräftiger Luftstrahl, von dem Du meinst, daß er Dich vom Stuhl hauen soll. Es war aber nicht viel mehr als ein Mückenpups, den Du nur nicht erwartet hast. Der Augenarzt sagt Dir freundlich, daß Du doch bitte nicht zwinkern sollst und wiederholt die Prozedur ein- zweimal. Dann hat er auf jeden Fall aussagefähige Werte. Bei älteren Praxen bekommst Du einen Tropfen in jedes Auge und es wird mit einem kleinen Gummistöpsel auf dem Auge gemessen. Aber keine Angst, Du merkst überhaupt nichts davon, Du erschrickst höchstens ein bischen, so wie bei der Luft. Und dann kommt der Moment der Wahrheit - der Arzt sagt Dir ,daß sich Dein Augendruck im Normalbereich befindet und empfiehlt Dir, ihm in einem Jahr noch mal 16 Euronen vorbeizubringen. Schon aus lauter Freude über das Ergebnis solltest Du diese Empfehlung ernst nehmen.
Wenn der Topf aber nun ein Loch hat
Schaun wir mal durch dieses Loch und wechseln das Zeitfenster wieder. 30 Jahre später. Mein Augendruck steigt trotz verstärkter Tropfen weiter, es sieht nicht so richtig gut aus. Meine Augenärztin schickt mich zu einer Spezialistin in der Nachbarstadt, die mich privat untersucht und mir offeriert, daß eine OP unumgänglich sei. Mir flttert langsam das Hemd ,denn ich weiß ja, daß das Glaukom nicht heilbar ist und auch eine OP den derzeitigen Zustand nur eine Zeit lang erhalten kann. Und beliebig oft kann man auch nicht operieren. Mit erheblichen Tiefständen in Börse und Stimmung kehre ich zu meiner Ärztin zurück. Die schaut sich die teuren Befunde an und sagt nur ein Wort: Schmarrn. Dann entschließt sie sich zur Überweisung in die Universitätsaugenklinik Leipzig. Dort hat sie auch einmal angefangen und schafft es, mir einen Termin noch im gleichen Jahr zu ergattern. Als ich dort im Wartesaal, der seinen Namen zu Recht trägt, mit ca. 60 Leidensgefährten der Dinge, die da kommen mögen, harre, begreife ich erst das Heldentum meiner brummigen Ärztin. Ich mußte ohne Auto antreten, da die Tropfen, die dort zu bestimmten Untersuchungen notwendig sind, das Sehvermögen über einige Stunden beeinträchtigen. Es folgten zahlreiche Untersuchungen und ich bewunderte im Stillen die Ärzte, die bei diesem Massenbetrieb immer noch ein freundliches Wort für den Patienten fanden und auch zu einem vernünftigen Ergebnis kamen. Ich bekam neue Tropfen, die ich am nächsten Morgen wieder in der Klinik bekam und dann aller zwei Stunden hinsichtlich ihrer Wirkung gemessen wurden. Das war schon stinklangweilig, lesen konnte ich ja nicht, nur warten und den mitgebrachten Tee trinken. Diese Prozedur wiederholte sich in den folgenden Jahren mehrfach, die Tropfen wurden immer mehr und stärker, bis es plötzlich hieß, jetzt gehts nicht mehr ohne OP. Aber erst mal nur Lasern. Langsam begriff ich, daß das noch nicht das Ende war, sondern eine Light-OP, die auch wenige Male vor der richtigen OP mit dem bösen Skalpell wiederholt werden kann.
Das eine Loch bleibt nicht allein
Nicht mehr ganz so ängstlich betrat ich am OP-Tag die Klinik. Wie schön, ich war nicht allein. Vor dem OP-Bereich warteten ca. 30 Leute auf das gleiche Großereignis wie ich. Das war schon ein seltsames Gefühl, Massenschlachtung? Man besaß jedoch Routine, sehr professionelle, wie ich bald feststellen durfte. Einer nach dem anderen wurde registriert, das zu behandelnde Auge festgestellt - es wird ja immer nur eines auf einmal operiert und man möchte ja nicht das falsche Bein absäbeln. Dann gab es Tabletten, Tropfen und gute Worte zur Beruhigung. Endlich war es soweit, ich wurde zur Schlachtbank gebeten. Ich durfte mich auf einen Stuhl setzen, Kinn und Stirn auf- bzw. anlegen, irgendwie bekannt, und geradeaus schauen. Der Arzt erklärte mir noch, daß er ungefähr 80 Löcher mit dem Laserstrahl in mein Auge schießen würde und damit das auch an der richtigen Stelle passiert, dürfte ich nicht wackeln. Tolle Aussicht. Er schoß und schoß und es tat gar nicht weh. Es knackte nur manchmal so komisch, daß ich befürchtete, er wäre hinten wieder herausgekommen. Er bat mich auch nur einmal freundlich, ruhig zu bleiben. Vorher hatte ich durch die dünnen Wände andere Töne vernommen. Als er sein Pulver verschossen hatte, schieden wir in bestem Einvernehmen voneinander. 14 Tage später war die andere Seite dran. Diesmal war der Arzt etwas ruppiger und offensichtlich unausgeschlafener, aber wir kamen trotzdem miteinander aus. Wir mußten ja.
Das alles ist nun über ein Jahr her. Nach der OP und mit meinen derzeitigen Augentropfen habe ich einen sehr guten Druck und ein gutes Gefühl. Ich darf das Tropfen zwar nie vergessen und muß auch die Zeiten einigermaßen einhalten, aber das ist selbst unterwegs kein Problem. Mit dem Wissen, daß ich mit 64 Jahren noch mindestens zwei Laser-OPs und zwei richtige in der Hinterhand habe, kann ich zufrieden in die Zukunft schauen. Was wäre wohl gewesen, wenn meine Eltern mich damals nicht mitgenommen hätten? Ich möchte nicht darüber nachdenken.
Fazit
Für viele wird dieser Bericht nicht viel Neues bringen, aber ich denke, daß er insbesondere jungen Leuten eine Anregung zum Nachdenken sein könnte. Ich lebe nun rund 50 Jahre mit dieser Krankheit und hatte anfangs nicht die Behandlungsmöglichkeiten, die die heutige Zeit bietet. Ich bin gut über diese Zeit gekommen und habe aber auch in Foren, wie Glaukom-Forum oder Augentropfen-Forum von Schicksalen gelesen, die ich keinem wünsche. Ich bin in beiden Foren aktiv und tausche mich mit Betroffenen aus. Es ist oft hilfreich und notwendig, sich gegenseitig etwas Mut zu machen, wenn eine Behandlung nicht angesprochen hat oder vielleicht die letztmögliche OP ansteht. Daher sollte jeder die Chance einer solchen Vorsorgeuntersuchung nutzen, um nicht später einmal feststellen zu müssen, daß diese 16 € damals gut angelegt gewesen wären. weiterlesen schließen
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