Pro:
viel Grün, ganz nette Einkaufsmöglichkeiten, nette kulturelle Angebote
Kontra:
zu viel Schwerlastverkehr im Zentrum
Empfehlung:
Ja
"Mitten in der Natur, in Tälern und auf den Höhen, an Flüssen und Seen liegt Hagen". So macht die Stadt für sich selbst auf ihren Internetseiten Werbung.
Wenn man nach Hagen kommt, dann hat man oft den Eindruck, das sei alles ganz anders: die City von Hagen eine ewige Baustelle, die Stadt eng umschlossen von Autobahnen, ständiger LKW-Stau auf den Hauptachsen, den Bundesstraßen, und folglich extrem schlechte Luft an den zentralen Knotenpunkten.
Immer wieder mal bekommen wir für einige Zeit Gäste aus dem Ausland. Und dann sehe ich mich der Forderung gegenüber, nun doch mal was Positives über die Stadt, in der ich lebe, zu sagen.
Nun, Hagen ist sicherlich eine Stadt, die durch ihre Lage an vier Flüssen (Ruhr, Lenne, Volme und Ennepe) ein Zentrum der industriellen Entwicklung war. Bereits in vorindustrieller Zeit (15. Jhdt.) nutzten Schmiede an den Flüssen die Wasserkraft, um Hammerwerke zu betreiben. Es ist noch nicht lange her, daß Hagen geprägt war von Stahlerzeugung und Stahlverarbeitung. Nicht zuletzt im Freilichtmuseum sind die Zeugen dieser Zeit erhalten geblieben. Nicht zuletzt jedoch ist diese Prägung auch verantwortlich für die wirtschaftliche und soziale Lage der Stadt: eine relativ hohe Arbeitslosigkeit, in manchen Stadtvierteln ein sehr hoher Ausländeranteil, Industrieruinen (auch denkmalgeschützte, z.B. von der Zwiebackfabrik Brandt) - das prägt auch eine Stadt.
Viele Industrieflächen wurden umfunktioniert: wo vor einigen Jahren Großbetriebe waren, finden - vor allem im Lennetal - zahlreiche kleine Firmen Platz. Wo vorher Stahlverarbeitung vorherrschte, findet man jetzt Handel und Dienstleistung. Jeder kennt die Douglas Holding, die ihren Hauptsitz in Hagen hat.
Der erste Anschein kann jedoch auch trügen: 42% des Stadtgebietes sind Waldflächen, 21% genutztes Grün. Es gibt nur wenige Wohngebiete in der Stadt, von denen aus man nicht nach wenigen Minuten im Park oder gar Wald ist. Ausgedehnte Spaziergänge sind nicht nur im Stadtwald sondern auch auf der Philipshöhe, an der Gloertalsperre, der Hasper Talsperre, am Hengsteysee und im Fleyer Wald möglich. Das, was den Verkehr in Hagen oft stocken läßt - die Täler an den Flüssen, durch die sich die Hauptverkehrsadern ziehen - ist auf der anderen Seite der Schwerpunkt der Naherholung: ausgedehnte Flußauen und Wälder auf den Höhen. Die Landschaft ist so abwechslungsreich, wie mancher es am Sauerland liebt.
Der Einfluß der Industrie jedoch bewegte auch manches in kultureller Hinsicht. Friedrich Harkort beispielsweise, 1793 geboren, wurde als Sohn einer wohlhabenden Familie zum Wegbereiter einer rasanten industriellen Entwicklung. Gleichzeitig wurde sein technischer Innovationsdrang unterstützt durch sein soziales Engagement und durch sein architektonisches Engagement. Industrielle Bauten sind teilweise heute noch von ihm geprägt.
Eine andere architektonische Prägung erfuhr Hagen zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Bankierssohn Karl Ernst Osthaus. Seine Maxime lautete "Industrielle Gestaltung gegen industrielle Masse". Als Initiator des "Hagener Impuls" gründete er eine Künstlersiedlung am Rande der Stadt. Der holländische Architekt Henry van de Velde leitete nicht nur den Innenausbau des Folkwang-Museums (das später nach Essen verkauft wurde), sondern auch den Bau des Hohenhofes, der für eine ganze Generation Hagener Geburtsklinik war und inzwischen ein Puppentheater und ein Museum für den "Hagener Impuls" beherbergt. Die Künstlersiedlung, die von ihrer damaligen Bedeutung her mit Worpswede vergleichbar war, war Heimat für bedeutende Künstler wie Thorn Pricker, Christian Rohlfs, Milly Steger ...
Zwei bedeutende Künstler, die in Hagen ihre Heimat hatten, sind in den letzten Jahren erst verstorben: Emil Schumacher und
Erwin Hegemann. Einige kontroverse Diskussionen hat der geplante Bau eines Museums für Schumacher hervorgerufen.
Auch im Bereich der Musik hat Hagen einen nicht unbedeutenden Namen: neben dem Sinfonieorchester und dem Theater, das als Opernbühne auch überregional einen guten Ruf genießt, sind die Hagener "Extrabreit" und Nena bekannt.
Hagen besinnt sich in den letzten Jahren wieder auf seine kulturelle Tradition:
Ehemalige Industrieanlagen beherbergen seit einigen Jahren Kleinkunstbühnen und Galerien - z.B. der "Werkhof", der "Hasper Hammer" und das "Tor 2".
Trotz der finanziellen Engpässe hat die Stadt sich für das Orchester und das Theater ausgesprochen. Im Theater gab es riesige Erweiterungen für die theatereigenen Werkstätten und für Probenräume statt. Auch ein Kinder- und Jugendtheater entstand hier, wie es wohl nicht viele Städte in Deutschland haben: es gibt ein eigenes Ensemble aus Kinder und Jugendlichen. Wer mag, kann sich das auf den Webseiten des Theaters mal ansehen: www.theater.hagen.de - Mit Sponsoring, wie es in Deutschland noch nicht so weit verbreitet ist, macht man hier erste Gehversuche: die Sparkasse bezahlt die Solisten in den Hauptrollen in verschiedener Opern. Große Opern wie "Lohengrin" oder "La Forza del Destino" wurden erst dadurch ermöglicht.
Einen besonderen Schwerpunkt setzt Hagen auf die Weiterbildung.
Weltbekannt ist die Fernuniversität, an der man studieren kann, ohne in Hagen "vor Ort" sein zu müssen. Weit über 55000 Studenten - nicht nur aus Europa - studieren hier.
Auch eine Fachhochschule gibt es am Ort, mit dem Arcadeon eine der modernsten Tagungsstätten Deutschlands, ein Journalistenzentrum als Bildungseinrichtung für junge Redakteure. An der Volkshochschule gibt es ein äußerst umfangreiches Programm; u.a. hat die VHS Hagen als bisher einzige in NRW die Lizenz, den TestDaF (Deutsch als Fremdsprache) durchführen zu können, mit dem ausländische Studenten ihre sprachliche Studierfähigkeit für deutsche Universitäten nachweisen müssen.
Wer nach Hagen kommt, möchte natürlich auch wissen, wie es um Angebote im Bereich Freizeit und Sport bestellt ist.
Daß Hagen Sitz des Deutschen Basketballbundes ist - auch wenn die Zeit von "Brandt Hagen" als Bundesliga-Mannschaft Geschichte ist, muß man Insidern nicht erzählen.
Im Tennis ist Hagen in der ersten Bundesliga vertreten.
In Hagen-Hohenlimburg findet man eine recht erfolgreiche Wasserballmannschaft.
In Hagen-Berchum findet man einen großen Golfplatz.
Reiten, Kanuslalom, Handball - zahlreiche Sportarten können hier in Vereinen ausgeübt werden.
Aber auch wer sich nicht einem Verein anschließen möchte, findet Möglichkeiten. So gibt es seit einger Zeit gegenüber vom Theater ein 24-hour-fitness-Zentrum. Schwimmbäder - noch kann man hier den Plural nennen, politisch gibt es da natürlich immer mal wieder Diskussionen - gibt es natürlich auch, und in den Wintermonaten gibt es am Ischeland eine Eisbahn. Mit dem Fahrrad findet man entlang der Flüsse und Seen einige interessante Routen, ganz neu die Lenneroute, die aus dem Hochsauerland an der Lenne entlang bis nach Hagen führt - allerdings sollte man die Straßen der Stadt meiden, da es wenig Radwege gibt und man bedauerlicherweise von Autofahrern keine Rücksicht erwarten kann.
Auch wenn dieses Angebot nichts besonderes ist: es ist doch für jeden Geschmack etwas dabei.
Ein anderer Aspekt ist wohl auch die Gastronomie: Über 400 Gaststätten und Restaurants hat Hagen zu bieten. "Gut bürgerlich" ist dabei leider oft gleichbedeutend mit teuer. Das macht es manchmal schwer, insbesonderen ausländischen Gästen etwas von der Deutschen Küche zu präsentieren; "Geheimtips" könnte ich aber auch da geben. Chinesische Restaurants dagegen gibt es alle paar hundert Meter, so hat man oft den Eindruck. Aber auch andere Nationalitäten sind vertreten, nicht nur Griechen, Italiener und Türken, sondern auch Spanier, Mexikaner und Inder.
Einige weitere "Ereignisse" seien noch erwähnt:
In Hagen findet wohl an jedem Wochenende mindestens ein Flohmarkt statt. Das lädt natürlich zum Bummeln geradezu ein, zumal die Orte, an denen die Flohmärkte stattfinden, in den einzelnen Stadtteilen meist recht gut zu erreichen sind.
Im Sommer ist Hagen auch nicht kulturell tot: es gibt den "Muschelsalat": jeden Mittwoch findet man eine kulturelle Veranstaltung - meist im Freien - mit internationalen Gästen, oft zentral in der "Muschel" im Volkspark. Vor allem Theater spielt dabei eine Rolle, aber auch Konzerte oder Open-Air-Kino.
Ein in Deutschland wohl einmaliges Ereignis ist auch der "Hagener Schaufensterwettbewerb". Zahlreiche Geschäfte in der Fußgängerzone beteiligen sich nun schon seit mehreren Jahren im September/Oktober mit wirklich Aufsehen erregenden Schaufenstergestaltunge an diesem Wettbewerb. In diesem Jahr gab es sogar ein bespieltes Schaufenster, bei dem ein leckeres Menü serviert wurde!
Als Pendant dazu gibt es im Frühjahr die Aktion "Hagen blüht auf". Gartenbauunternehmen der Region gestalten grüne Inseln in der Fußgängerzone. Erfreulicherweise bleiben diese Inseln auch den Sommer über erhalten, so daß man beim Einkaufsbummel noch zum Verweilen eingeladen wird.
Ja, und am Jahresende gibt es natürlich auch noch einen Weihnachtsmarkt.
Worüber ich mich in der letzten Zeit immer mehr ärgere, ist die Parkplatzsituation: Im gesamten Innenstadtbereich gibt es überwiegend Anwohnerparkplätze, und überall sonst muß man bezahlen. Wenn man mit dem Bus in die Stadt fährt, hat man spätestens ab 20 Uhr das Problem, daß man für die Rückfahrt nur noch einen Stunden-Takt angeboten bekommt, so daß ich dann oft zu Fuß schneller wieder zu Hause bin - und das ist nicht bei jedem Wetter attraktiv! Aber jemand, der zu Besuch in unsere Stadt kommt, kann natürlich mit dem Zug recht zentral ankommen, oder er findet einen Platz in einem der Parkhäuser der Stadt.
Seit die "neue Mitte" (Neugestaltung um das Rathaus herum) nahezu fertiggestellt ist (lediglich an der Volme, die renaturiert wird, ist es noch arg ungemütlich), und seit auch der Theatervorplazt neu gestaltet ist, ist die Stadt doch ganz einladend geworden! weiterlesen schließen
Bewerten / Kommentar schreiben