Pro:
spannende Geschichte, gute Mileustudie
Kontra:
nervige Figuren
Empfehlung:
Ja
Dieses Buch hab ich mal von meiner Schwester in die Hand gedrückt bekommen, als ich sie an der Ostsee besuchte und nichts zu lesen hatte. Sie selbst ist ein arger Fan dieser Autorin, von der ich bis dahin noch nicht mal was gehört hatte. Das ist also mein Einstieg in ihre Geschichten.
** Die Story **
Stellt euch ein kleines Dorf vor, in dem jeder jeden kennt, mit allen Geheimnissen und Schwächen.
Hier lebt wohlbehütet von seiner gluckenhaften Mutter der 22jährige Ben (Benjamin) Schlösser, der zwar rein vom Körperbau her einem ausgewachsenen Mann mit Bärenkräften entspricht, geistig jedoch im totalen Gegensatz zu seinen Körpermaßen steht. Sein geringer Wortschatz begrenzt sich auf die Worte „Finger weg“, „Freund“, „fein“, „weh“, „fein gemacht“ und „Rabenaas“. Doch in seiner Welt scheint das zu genügen, und auch die Eltern, Jacob und Trude Schlösser, bzw. im besonderen die Mutter kann sich immer denken, was gemeint ist.
Überhaupt hat der Junge viel Freiheit. Doch der Preis dafür, daß er immer noch zu Hause leben kann und nicht in einem Heim, ist hoch. Vor allem Trude kostet es viel Zeit und Energie, mit dem tapsigen und ungeschlachten Jungen fertig zu werden, den sie mit seinen zweiundzwanzig Jahren immer noch baden muß, um Schlimmeres zu verhindern.
Täglich stöbert Ben durch die Wiesen und Felder in der Nähe des Dorfes, und am liebsten tut er dies nachts.
Bisher wurde der Junge von den Leuten als lästiges aber harmloses Übel betrachtet, doch eines Tages kommen Zweifel an seiner Harmlosigkeit auf, als in der Gegend zwei junge Mädchen und Frauen spurlos verschwinden. Immerhin wurde Ben schon beobachtet, wie er Mädchen nachstellte, und sei es nur aus kindlichem Interesse.
Eines davon ist die siebzehnjährige Tochter des Apothekers, ein von der Mutter verwöhntes Einzelkind. Sie kehrte von einem Disco-Besuch nicht mehr zurück nach Hause.
Plötzlich erinnert man sich daran, daß es in der Vergangenheit schon mal einen gleichartigen Fall gegeben hatte, bei dem eine junge Frau wie vom Erdboden verschwand? Eine Klärung gab es damals nicht und bis heute weiß man nichts von ihrem Verbleib.
Und so stochert die Kriminalbeamtin Brigitte Halinger, die schon einmal in diesem Dorf eine Untersuchung durchführte, auch dieses Mal wohl in ein verborgenes Wespennest.
** Buchkritik **
Dieses Buch ist in jeder Hinsicht nervenzehrend.
Schwierig sind schon allein die Verwicklungen und Verflechtungen innerhalb der Dorfgemeinschaft, die einem als Leser Probleme bereiten. Man sollte sich zusätzlich einen Stammbaum zeichnen, um nicht im Laufe der Geschichte über einzelne Namen und Verwandschaftsgrade zu stolpern.
Ist man da endlich durch, muß man sich mit den verschwundenen Mädchen beschäftigen. Und eigentlich ist einem bald klar, wer hier nur in Frage kommt. Dieser Ben ist doch die Nervensäge schlechthin. Man möchte in die Geschichte hineinspringen, und diesen buddelnden, sabbelnden Klops richtig durchschütteln, so unsympathisch ist er einem. Und dann diese Glucke von Mutter, die natürlich um keinen Preis überhaupt in Erwägung ziehen würde, daß dieses Kind einfach abartig ist.
Aber weit gefehlt. Genau hier spielt die Autorin ganz eindeutig mit den schnellen Schlüssen und vor allem mit den Vorurteilen des Lesers. So einfach ist es dann doch nicht.
Klar kann man sich das auch so denken, denn das grenzte ja an Diskriminierung von Behinderten, und das ist nicht opportun. Aber selbst ich war in der Mitte des Buches überzeugt, den Schuldigen schon zu kennen.
Wenn diese nervenden Figuren nicht wären, hätte mich die Geschichte restlos überzeugt. So bleibt ein irgendwie ungutes Gefühl und man ist froh, sobald sich der Fall endlich löst.
Allerdings: es ist mir wieder mal eine Lehre gewesen, Vorurteilen nicht zu trauen.
** Daten **
Verlag Rowohlt
Erscheinungstermin: 2002
Taschenbuch 399 Seiten
Preis: 8,90 €
ISBN: 3-499-22528-X weiterlesen schließen
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