Pro:
die Aufmachung, der Autor, die gesamten ersten 500 Seiten, Tiefe der Geschichte
Kontra:
laues Ende, SciFi-ähnliche Skizzierung des "Jenseitigen Landes"
Empfehlung:
Ja
=== Vorwort ===
Durch meine täglich Pendelei von daheim zum Arbeitsplatz mit dem RegioExpress habe ich gut und gerne 2 Stunden am Tag, die ich zum Lesen nutzen kann und ich bin froh darüber, denn somit habe ich auch mal wieder Zeit dazu. Eines der letzten Bücher, durch das ich quasi durchgeflogen bin, war „Die Rache der Zwerge“ von Markus Heitz.
=== Das Buch & der Autor ===
Ähnlich wie bei der „Elfen“-Trilogie von Bernhard Hennen verbinden die bisher erschienen vier Teile der „Zwerge“ schon allein die Covergestaltung. Eine mächtige, runenverzierte Zwergenaxt steckt im Boden und wird von mysteriösen Flammen umspielt. Der dritte Teil erscheint mit einer grünen Farbgebung und einem stilisierten Orkkopf im Hintergrund. Schon dieses Motiv im Zusammenspiel mit der güldenen Schriftfarbe war für mich ein Grund, das Buch zumindest einmal anzulesen. Weitere Ausschlagspunkte waren natürlich die beiden Vorgängerbände, die mich bereits in ihren Bann zogen.
Markus Heitz ist schon lange kein Unbekannter mehr in der deutschen Fantasy-Literatur. Bereits sein Debütwerk aus dem Jahr 2000 „Schatten über Ulldart“ wurde mit dem deutschen Phantastik-Preis zum besten Debüt-Roman gekürt. 2003 krachte es dann erneut als „Die Zwerge“ einen neuen Auftakt zu einer erfolgreichen Fantasy-Reihe einläutete. 2008 erschien hierzu bereits Band 4 um die Abenteuer des gelehrten Zwerges Tungdil und das Geborgene Land.
„Die Rache der Zwerge“ erschien erstmals 2005 im Piper-Verlag und umfasst 640 Seiten.
=== Die Geschichte ===
Seit 5 Zyklen herrscht nun schon Frieden im Geborgenen Land nachdem Tungdil es von dem zerstörerischen Größenwahn der Êoil bewahrt hat. Kein Ork, kein Alb, kein Scheusal hat sich seitdem gezeigt. So plätschert das Leben vor sich hin, doch der Frieden ist trügerisch. Plötzlich werden die Zwerge in ihren Stollen von tödlichen Maschinen angegriffen, Brunnen werden vergiftet, übernatürlich starke Mischwesen mit dunkelgrünen Runen tauchen überall auf und zu allem Überfluss ist eine gigantische Armee auf dem Weg ins Geborgene Land. Und alle trachten sie nach dem einen mächtigen Kristall – die einzig verbliebene, magische Quelle des Geborgenen Landes. Die Helden, die bereits gegen Nod’oon und die Êoil gekämpft haben, müssen sich abermals einem übermächtigen Gegner stellen und langsam keimt der Zweifel auf, ob die verblendete Êoil nicht doch Recht behalten sollte…
1.Band: Die Zwerge
2.Band: Der Krieg der Zwerge
3.Band: Die Rache der Zwerge
4.Band: Das Schicksal der Zwerge
=== Leseprobe ===
Als ich das letzte Mal hier war, lag alles in Trümmern, Spitzohr. Aber das ... das hätte ich niemals vermutet.« Tungdil Gold¬hand tätschelte das graue Pony, zu dem er gesprochen hatte. Stau¬nend ritt er die letzte Serpentine des Weges entlang, hielt an und legte den Kopf in den Nacken, um hinauf zur Spitze des fünfecki¬gen Turmes zu sehen, der sich imposant und uneinnehmbar ne¬ben dem Gebirgspfad in den Himmel reckte. »Nicht nach nur fünf Sonnenzyklen.« Er nutzte die kurze Rast, um den beinahe leeren Trinkschlauch an die Lippen zu setzen und den letzten Rest Branntwein seine Kehle hinabrinnen zu lassen. Der Alkohol brannte auf seinen rissigen Lippen.
An dem Bauwerk vorbei, das selbst einen Oger hätte klein wir¬ken lassen, gelangte er auf das Plateau vor dem Eingang in das Reich der Fünften, der Nachfahren Giselbart Eisenauges.
Es kam ihm wie gestern vor, als er zusammen mit seinem Freund Boïndil und seiner heutigen Gefährtin Balyndis an der Spitze von zwanzig Kriegern die Erkundung übernommen hatte. Damals waren sie durch ein Trümmerfeld mit alten Ruinen und be¬moosten Steinen gelaufen. Das Meiste, was die Fünften einst an Befestigungen geschaffen hatten, war zerstört gewesen.
=== Erfahrung & Fazit ===
Was als erstes an diesem Roman auffällt: er liest sich die ersten 200-300 Seiten wie ein spannender Krimi. Morde geschehen, Phänomene sind zu beobachten, seltsame Wesen tauchen auf, Verbündete legen merkwürdiges Verhalten an den Tag – und Markus Heitz blendet jede Szene auf dem Höhepunkt des Interesses, der Spannung und Neugier aus und gerade deswegen hat es mich durch dieses Buch getrieben. Ich wollte einfach wissen, was es mit den Geschehnissen auf sich hat. Und Heitz lässt sich genüsslich Zeit bis er die Katze aus dem Sack lässt, was dann dennoch wie eine Bombe einschlägt, denn wenn auch vorher Vermutungen geäußert worden und Szeneneinblicke Meinungen offenbarten, so kommt doch alles anders.
Begeistert hat mich abermals der Einfallsreichtum von Markus Heitz, welche Elemente er in die Erzählung einfließen lässt. So hält die metallische Mechanik Einzug in den Roman, an deren Spitze eine schwimmende Insel steht.
Aber Heitz lässt auch die vorangegangenen Romane und Handlungen nicht einfach brach liegen. Er zeigt Veränderungen der Charaktere und deren Beziehung untereinander. Ungeahnte Biegungen in der Lebensgeschichte jedes einzelnen tun sich auf und lassen so alles andere als eine vorhersehbare und geradlinige Handlung zu.
Und beim Thema Handlung muss gesagt werden, dass der dritte Teil der Zwerge in Komplexität und Handlungsumfang der nebeneinander liegenden Stränge in nichts seinen Vorgängern nachsteht. Man springt als Leser wirklich von einem Schauplatz zum nächsten und erst gegen Ende nähern sich diese Schauplätze einander an und verbinden so die vorangegangen Einzelhandlungen.
Natürlich ist auch dieser Teil wieder getränkt von Ork-, Zwergen- und anderer Geschöpfe Blut. Heitz versteht es dennoch wieder, nicht einfach Gemetzel an Gemetzel und Schlacht an Schlacht zu reihen. Viel mehr schmückt er die Kampfszenen so aus, dass sie detailgetreuer nicht sein könnten, was jedoch auch zur Folge hat, dass so mancher Todesstoß überaus realistisch und ekelerregend rüberkommt. Somit für schwächere Gemüter eine harte Bewährungsprobe.
Jedoch gibt es für mich auch Kritikpunkte an dem Werk. Ich habe beim Lesen den Eindruck gehabt, dass Markus Heitz nach 500 Seiten die Ideen im Geborgenen Land ausgegangen waren und er sich jetzt geistig ins Jenseitige Land flüchten musste. Hier bot sich für ihn eine wohl attraktivere Stelle zur Fantasieauslebung, welche ich eher im sinnbildlichen Vergleich zwischen Erde und Mars sehe. Für meinen Geschmack sind die Geschöpfe eine Spur zu abstrakt, dafür, dass nur ein Gebirgskamm die beiden Länder voneinander trennt. Der Realismus hat hier dann deutlich zu leiden gehabt.
Für mich außerdem noch nicht 100%ig gelungen, ist die Schlußgestaltung. Über 500 Seiten baut Heitz Spannung en masse auf um dann diesen Berg fast schlagartig absacken zu lassen. Die Spannung schlittert ähnlich einer stark abschüssigen, vereisten Skipiste mit Hochtempo talwärts. Spannung weicht Ernüchterung und auch einem Teil Unbefriedigung.
Natürlich steht am Ende wieder eine epische Schlacht, doch diese fällt diesmal eher halbherzig aus. Es ist schon von Anfang an klar, wer der Sieger sein wird (gut, wo weiß man das nicht?!), aber dennoch macht es die Verpackung, und hier wurde gespart. Da hilft auch das „nette“ Hintertürchen mit einem gigantischen, entkommenen Feind nichts. Einziger Pluspunkt dabei: man weiß, wie es weitergeht und dass es weitergeht.
Kennern der Reihe brauche ich dieses Buch nicht ans Herzen legen, denn wenn man einmal eingetaucht ist, in das Geborgene Land, will man mehr davon lesen. Neulinge sollten nicht mit diesem Buch beginnen. Zwar verweist Heitz oft auf Vergangenes und lässt dies auch Revue passieren, doch das reicht nicht aus um alles zu verstehen.
Meine Empfehlung hat sich der Roman mit den beherzten und spannenden ersten 500 Seiten verdient. Der Rest erinnert mich an einen Wein, der am besten noch einwenig gereift wäre.
Ich werde mir auch Teil vier zulegen, denn schließlich will ich ja auch wissen, wie denn nun der Witz geht, wo der Ork einen Zwerg nach dem weg fragt…
ISBN 3492701140 weiterlesen schließen
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