Pro:
die einfache Geschichte beinhaltet tiefgründige Themen
Kontra:
die Alltagsgeschichten sind auf den ersten Blich unspektakulär
Empfehlung:
Ja
Von der Schneiderin zur Prostituierten
Liebe Leserinnen und Leser,
dies ist mein erster Buchbericht, den ich als Online-Kritiker verfasse. Ich bedanke mich schon einmal für das Interesse an meinem Thema und bitte euch, meinen Bericht zu bewerten, damit ich weiß, ob ihr ihn hilfreich findet, oder was ich in meinem neuen Themengebiet besser beachten sollte.
Zur besseren Übersicht habe ich meinen Bericht in folgende Kapitel gegliedert:
__________________________________________
1.) Literarische Daten des Buches
2.) Warum habe ich über das Buch geschrieben?
3.) Über die Autorin
3.1.) Andere Werke
4.) Kurzinhalt
5.) Leseprobe
6.) Meine Eindrücke über das Buch und die Autorin
7.) Bezug zum Titelbild
8.) Pro und Kontra
9.) Meine Meinung und Empfehlung
____________________________________________
1.) Literarische Daten des Buches
=========================
JELINEK, E.:
Die Liebhaberinnen
Rowohlt Taschenbuch Verlag,
Reinbek bei Hamburg,
2004, 26. Auflage
ISBN: 3-499-12467-X
_______________________________________
2.) Warum habe ich über das Buch geschrieben?
===================================
Anlass für meinen Bericht war eine Buchvorstellung, die ich in meinem Deutschkurs zu halten hatte. Leider war mein Lehrer an einer schriftlichen Ausführung nicht interessiert, was ihr nun auszubaden habt. ;-)
Im Rahmen dieses Referates habe ich mich mit dem Buch "Die Liebhaberinnen" von Elfriede Jelinek befassen müssen und möchte euch jetzt meine Erfahrung mit diesem Buch mitteilen.
Wichtig wäre noch für euch zu wissen, dass ich vorher noch nie von der Autorin gehört hatte, wovon ich bei vielen von euch auch ausgehe.
_____________________________
3.) Über die Autorin
==========================
Um dieses Buch richtig verstehen zu können sind einige Informationen über das Leben der Autorin sehr wichtig, da das Buch sehr durch ihre Erfahrungen geprägt ist.
Kurz zu ihrer Biografie:
Elfriede Jelinek wurde am 20.10.1946 in Mürzzuschlag (Steiermark) geboren und studierte in Wien Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Musik. Nach dem Studium begann sie eine Ausbildung als Organistin. 1966 wurde sie freie Autorin. Ihre Bücher gehören zur Frauenliteratur und erzählen Alltagsgeschichten. Sie behandelt in gesellschaftskritischer Weise Themen wie die weibliche Sexualität und der Geschlechterkampf in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie lebt in Wien, München und Paris. In Österreich erregte sie großes Aufsehen und wurde zum Teil öffentlich beleidigt. Dies gab ihr den Anstoß weiter die europäische Gesellschaft zu kritisieren. E. Jelinek erlebte hohe Verkaufszahlen und ihre Bücher wurden Meilensteine der Gesellschaftskritik. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und zum Höhepunkt ihrer Karriere 2004 den Literaturnobelpreis.
3.1) Andere Werke
===============
Elfriede Jelinek schrieb zahlreiche andere Werke unter anderem Romane, Prosa, Dramen, Hörspiele, Gedichte und Essays. Ein paar Romane sind:
1976 Lisas Schatten
1970 Wir sind Lockvögel, baby
1972 Michael
1975 Die Liebhaberinnen
1983 Die Klavierspielerin (am bekanntesten)
1989 Lust
2000 Gier
und viele mehr...
________________________
4.) Kurzinhalt
=====================
In dem Buch "Die Liebhaberinnen" von Elfriede Jelinek, das (s.o.) 1975 verfasst wurde, geht es um die zwei jungen Mädchen Brigitte und Paula, die ein armseliges Leben als Fabrikarbeiterinnen in einer Textilfabrik in der Mitte des 20. Jahrhundert leben. Sie kennen sich nicht und leben in verschiedenen Orten unabhängig von einander. Die einzige Gemeinsamkeit ist ihr trauriges Schicksal. Beide Mädchen wohnen bei ihren Eltern in armen Arbeitervierteln, sind Schneiderinnen und arbeiten zu schlechten Bedingungen für wenig Geld. Ihre Familien sind arm und geizig. Sie benutzen die Mädchen als billige Arbeitskräfte.
Das Leben der Männer in ihren Dörfern bestehet nur aus Arbeiten und trinken. Das Leben der Frauen aus Arbeiten und Kinderkriegen. Viele Männer versuchen durch Alkohol ihrer Umwelt zu entkommen und schlagen im Suff ihre Frauen und Kinder. Brigitte und Paula wollen ihrer schlechten Gegenwart und Zukunft durch Heiraten entfliehen, wie es alle jungen Frauen in dieser Gegend gerne tun würden. Denn die Situation einer verheirateten Frau war durchaus angenehmer als die einer ledigen. So lernt also Brigitte den jungen Elektromechaniker Heins kennen und Paula findet im Alter von gerade mal 15 Jahren durch Zufall den jungen Holzarbeiter Erich. Die beiden Frauen hoffen ihre Freunde durch eine Schwangerschaft an sich binden zu können, doch das scheint schwerer als erwartet zu sein. Die jungen Mädchen werden von ihren Männern aber gar nicht als vollwertige Personen angesehen, sondern nur als "Liebhaberinnen" (daher der Titel). Schließlich bekommt Paula im Alter von 16 (!) Jahren ihre erste Tochter Susanne. Und auch Brigitte kann sich bald über eine Schwangerschaft freuen. Aber Paulas Geliebter Erich wird Alkoholiker und schlägt seine 16 jährige Verlobte. Um ihr gesellschaftliches Ansehen zu bewahren heiraten Erich und Heins ihre Verlobten, nachdem sie ihre Eltern mit Mühe überzeugen konnten. Beide Paare heiraten, haben aber unterschiedliche Perspektiven, da Heinz ein fleißiger Elektromechaniker ist und bald sein eigenes Geschäft eröffnet und Erich nur ein alkoholkranker Holzarbeiter ist, der nicht sehr gut verdient. Brigitte und Heinz führen eine gute Ehe und ein gutes Geschäft, bauen ein Haus und bekommen ein weiteres Kind. Hier endet vorerst die Geschichte von Brigitte und Heinz.
Paula ist aber traurig über Erichs Alkoholsucht und ihren geringen Lebensstandard. Bei einem Stadtbesuch bietet ihr ein Fremder plötzlich Geld für Sex an. Erst lehnt Paula ab, später sagt sie aber zu, da sie das Geld dringend brauchte. Dies ist Paulas Einstieg in die Prostitution, die sie mehrere Monate ertragreich betreibt, bis sie von einem von Erichs Freunden beim bezahlten Sex im Freien mit einem LKW-Fahrer erwischt und verraten wird. Erich ist tödlich beleidigt und lässt sich von Paula scheiden.
Ihre bis dahin zwei Kinder werden an Paulas gehassten Schwiegereltern vergeben. Paula zerbricht daran. Nach der Scheidung arbeitet Paula vom Leben gezeichnet und verlassen wieder in ihrer alten Fabrik, die sie doch so gerne hinter sich gelassen hätte. Brigitte hat den Absprung in eine neue Zukunft geschafft. Paula ist wieder in ihrer Ausgangssituation, doch es ist nichts mehr von der jungen und fröhlichen Paula übrig, die dort einst zur Arbeit gegangen ist.
_____________________
5.) Leseprobe
===================
Ich habe diese Textstelle als Leseprobe ausgewählt, da sie meiner Meinung nach sehr gut, den starken Konkurrenzkampf der Frauen und die Lieblosigkeit der gesamten Lebensatmosphäre, in der die beiden der beiden jungen Schneiderinnen leben, zeigt. Ich habe ihn original aus dem Buch zitiert und mich an die Kleinschreibung gehalten. Auch die alte Rechtschreibung habe ich beibehalten (mein Rechtschreibprogramm ist voll abgedreht! ;-).
S.9:
"eines tages beschloss brigitte, daß sie nur mehr als frau sein wollte, ganz frau für einen typen, der heinz heißt. sie glaubt, daß von nun an ihre schwächen liebenswert und ihre stärken verborgen sein würden. heinz findet nichts liebenswertes an brigitte, auch ihre schwächen findet er nur ekelhaft. brigitte pflegt sich jetzt für heinz, denn wenn man eine frau ist, dann kann man von diesem weg nicht mehr zurück, dann muss man sich pflegen. brigitte möchte, dass die zukunft es ihr einmal durch ein jüngeraussehen danken wird. vielleicht hat brigitte aber gar keine zukunft. die zukunft hängt ganz von heinz ab. wenn man jung ist, dann sieht man immer jung aus, wenn man älter ist, dann ist es sowieso zu spät. wenn man dann nicht jünger aussieht, dann heißt das erbarmungslose urteil für die umwelt: kosmetisch in der jugend nicht vorgesorgt! also hat brigitte etwas getan, das in der zukunft wichtig sein wird. wenn man keine gegenwart hat, muß man für die zukunft vorsorgen.
brigitte näht büstenhalter. wenn man eine kurze naht macht, muß man viele davon machen, vierzig sind jedenfalls das absolute minimum in der akkordvorgabe. wenn man eine komplizierte längere naht macht, muß man entsprechend weniger machen. das ist sehr human und gerecht. brigitte könnte viele arbeiter bekommen, sie will aber den einzigen heinz bekommen, der ein geschäftsmann werden wird.
das material ist nylonspitze mit einer dünnen portion schaumgummi unterlegt. ihre fabrik hat viele markenartikel, die aus dem ausland sind, und viele näherinnen, die aus dem ausland kommen. viele näherinnen scheiden aus durch heirat, kindesgeburt oder tod. brigitte hofft, daß sie einmal durch heirat oder kindesgeburt ausscheiden wird. brigitte hofft, daß heinz sie hier rausholen wird. alles andere wäre ihr tod, auch wenn sie am leben bleibt."
(Aus "Die Liebhaberinnen" von Elfriede Jelinek Seite 9)
___________________________________________
6.) Meine Eindrücke über das Buch und die Autorin
=======================================
Wie man in der Leseprobe deutlich sieht, hebt sich der Text aus dem Buch stark von meinem normalen Text ab. Dies liegt wohl an der Tatsache, dass Elfriede Jelinek in diesem Buch ausschließlich Kleinschreibung verwendet. Dies scheint auf den ersten Blick sehr witzig, doch es ist schon gewöhnungsbedürftig, da ich in jedem Satz denke: "Da ist doch irgendwas falsch geschrieben!" Aber genau durch solche Merkmale hebt sich Elfriede Jelinek von anderen Autoren hervor. Dies ist auf ihre Weise rebellisch. Sie zeigt damit, dass sie sich nicht anpasst, und zwar noch nicht mal in der Rechtschreibung. Sie will sich einfach nichts verbieten oder vorschreiben lassen. Dies sieht man auch an ihrer Wortwahl, die an manchen Stellen nicht nur anstößig sondern schon vulgär ist. Auch ihre äußerst einfache Wortwahl und ihr einfacher Satzbau zeigen, dass sie sich nicht durch ihre Intelligente Ausdrucksweise, sondern durch ihre Schlichtheit hervorheben will. Elfriede Jelinek schreibt Alltagsgeschichten über einfache Menschen und passt ihre Ausdrucksweise dem entsprechend an. Es werden so gut wie keine Fremdwörter verwendet, das macht das lesen äußerst einfach. Aber zwischen dieser verbalen Bescheidenheit blitzt immer wieder ihr scharfer, sarkastischer Humor hervor, der ganz klar feministisch bestimmt ist. Diese Art von Anmerkungen findet man immer wieder zwischen ihren einfachen Worten, die so zum Denken anregen.
Aber was soll das? Warum drückt E. Jelinek sich so bescheiden aus?
Ich denke sie hat es satt, dass sich so viele Menschen so kompliziert ausdrücken und trotzdem nichts aussagen. Sie möchte durch einfachste Worte Probleme, auch gesellschaftlicher Art ausdrücken. Und dies gelingt ihr meiner Meinung nach hervorragend. Sie schreibt nicht um den heißen Brei herum und wirft mit Fremdwörtern um sich bis niemand etwas mehr durchschaut, wie gewisse andere Autoren, die sich intelligent vorkommen wollen. Sie überzeugt durch ihre bescheidene, ja manchmal sogar vulgäre Ausdrucksweise. Außerdem schreibt sie in diesem Buch nicht über belanglose Dinge, wie es vielleicht scheint, sondern über die grundlegenden Dinge unserer Gesellschaft und des Lebens. Sie schreibt über Liebe, Sexualität, Unterdrückung, Partnerschaft, Familie und den Lauf des Lebens. Und diese Elemente baut sie beinahe genial und offensichtlich in ihre einfachen Alltagsgeschichten.
Dies empfinde ich als sehr beeindruckend.
Elfriede Jelinek besitzt eine sehr besondere und extravagante Persönlichkeit. Man könnte sie als ein bisschen verrückt einschätzen. Und solche Menschen finde ich interessant. Man kann sie nicht auf den ersten Blick durchschauen oder analysieren. Ihren etwas eigenen Stil zeigt E. Jelinek auch in ihren Kunstfotografien.
_____________________
7.) Bezug zum Titelbild
===================
Das Titelbild des Buches hängt mit dem Inhalt des Buches eng zusammen. Es könnte einen Menschen darstellen, der sich die Hände an den Kopf hält und mit weit aufgerissenem Mund
schreit. Diese Gestalt könnte eine der "Liebhaberinnen" sein, die schreit, weil sie aus ihrer
Umwelt und ihrem Leben entfliehen möchte. Sie könnten durch diesen Schrei versuchen wollen aus ihrem Körper und ihrem Leben auszubrechen.
Der verzweifelte Schrei könnte also der Ausdruck der verzweifelten Lebenssituation sein in der sich die Frauen befanden oder noch befinden.
________________
8.) Pro und Kontra
===============
Um die vielen Punkte meines Berichtes zusammenzufassen gibt es nun die Auflistung von Pro und Kontra.
Pro
====
- es handelt sich um eine bewegende Geschichte
- die einfache Geschichte beinhaltet tiefgründige Themen
- das Buch und der Stil regen zu Nachdenken an
- es werden existentielle Themen behandelt
Kontra
=====
- die Alltagsgeschichten sind auf den ersten Blich unspektakulär
- die Kleinschreibung ist gewöhnungsbedürftig
- der Humor ist eher kritisch als witzig
______________________________
9.) Meine Meinung und Empfehlung
===========================
Ich finde das Buch "Die Liebhaberinnen" von Elfriede Jelinek sehr gut, da es sehr interessante
Einblicke in die frühere Gesellschaft und in die frühere Partnerschaft gibt.
Es ist für heutige Verhältnisse beinahe unglaublich, dass die Frau zu früheren Zeiten
eher als Objekt und als "Gebärmaschine" angesehen wurde und nicht als gleichberechtigte
und geliebte Lebens- und Ehepartnerin.
Ich denke, dass jedes annähernd sinnvolle Buch seinem Leser einen, wenn auch nur kleinen,
bleibenden Eindruck gibt. Dieses Buch zeigt deutlich die Vorteile der heutigen gleichberechtigten
Gesellschaft und dem in der Regel ausgeglichenem Verhältnis zwischen Mann und Frau.
Elfriede Jelinek schreibt wie sonst über die wirklich wichtigen Dinge dieser Welt:
Liebe, Sexualität und Gerechtigkeit. weiterlesen schließen
Bewerten / Kommentar schreiben