Die Vermessung der Welt (gebundene Ausgabe) / Daniel Kehlmann Testberichte

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Pro & Kontra

Vorteile

  • viele Infos
  • Faszinierender Einblick in die Welt zweier Wissenschaftler.
  • sehr interessant und ausführlich geschrieben, die indirekte Rede wird angewandt, fesselt den Leser richtig
  • Verknüpfung aus Historie und Fiktion; wunderbar geschrieben, indirekte Rede; einfach alles

Nachteile / Kritik

  • nicht immer historisch gut korrekt
  • Das Ende schwächelt.
  • nada
  • nichts

Tests und Erfahrungsberichte

  • Messen und gemessen werden

    Pro:

    Gut und flüssig zu lesen.

    Kontra:

    Nichts wirklich Negatives zu finden, allerdings ziehe ich persönlich gut recherchierte historische Romane doch vor.

    Empfehlung:

    Ja

    Ich muss gestehen, dass ich das nachfolgend vorgestellte Buch schon lange besitze, aber nie dazu gekommen bin, es auch zu lesen. Schuld daran, dass ich es nun doch hervorgekramt habe, ist die Tatsache, dass die Verfilmung nun in die Kinos kommt und mich einige vorab gezeigten Sequenzen im Fernsehen doch wieder neugierig machten. Mehrfach wurde auch in der Werbung darauf hingewiesen, dass das Buch als unverfilmbar gilt, was mich allerdings nur noch neugieriger auf seinen Inhalt machte. Außerdem können mein Mann und ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ins Kino und müssen daher immer warten, bis entsprechende Filme, die uns interessieren, endlich als DVD verfügbar sind.

    Also

    Auf die Verfilmung des Buches bin ich ebenfalls sehr gespannt, denn Satire ist meines Erachtens tatsächlich sehr schwer verfilmbar. Dazu ist die Gefahr einfach zu groß, dass manches in Slapstick abrutscht, was ursprünglich feine Ironie gewesen war.

    Nun aber erst einmal zum Roman und dazu zunächst einmal wieder:

    Die sachlichen Buchdaten:

    Autor: Daniel Kehlmann

    Titel: Die Vermessung der Welt
    Erschienen: September 2005
    Verlag: Rowohlt
    ISBN-10: 3498035282
    ISBN-13: 978-3498035280 
    Einband: HC
    Seitenzahl: 304
    Größe und/oder Gewicht: 20,8 x 13,4 x 2,6 cm


    Autorenportrait:

    Daniel Kehlmann wurde 1975 als Sohn des Regisseurs Michael Kehlmann und der Schauspielerin Dagmar Mettler in München geboren. 1981 kam er mit seiner Familie nach Wien, wo er das Kollegium Kalksburg, eine Jesuitenschule, besuchte und danach an der Universität Wien Philosophie und Germanistik studierte. 1997 erschien sein erster Roman "Beerholms Vorstellung". Er hatte Poetikdozenturen in Mainz, Wiesbaden und Göttingen inne und wurde mit zahlreichen Preisen, darunter dem Candide-Preis, dem Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Doderer-Preis, dem Kleist-Preis 2006 sowie zuletzt dem WELT-Literaturpreis 2007 ausgezeichnet. Kehlmanns Rezensionen und Essays erschienen in zahlreichen Magazinen und Zeitungen, darunter "Der Spiegel", "Guardian", "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Süddeutsche Zeitung", "Literaturen" und "Volltext". Sein Roman "Ich und Kaminski" war ein internationaler Erfolg, sein Roman "Die Vermessung der Welt", in bisher vierzig Sprachen übersetzt, wurde zu einem der erfolgreichsten deutschen Romane der Nachkriegszeit. Daniel Kehlmann lebt als freier Schriftsteller in Wien und Berlin.

    Quelle: Die Homepage des Autors www.kehlmann.com

    Auf der Homepage findet man übrigens auch Leseproben und andere Rezensionen zu diesem Buch.

    Buchcover und sonstige Gestaltung:


    Meine gebundene Buchausgabe hat einen Coverumschlag mit zwei Darstellungen: eine soll wohl die Art der Landkarten wiedergeben, wie sie Humboldt angefertigt hat und die andere Darstellung ist wohl eine dreidimensionale Wiedergabe der Gauß-Glocke. Ohne das Wissen, dass es sich bei dem Roman um eine satirische Aufarbeitung einer Doppelbiografie handelt, weiß man zunächst erst nicht, was das Cover zeigt. Hübsch sieht es dennoch aus, finde ich.



    Mit meinen Worten:

    Der Roman beginnt mit der Reise von Carl Friedrich Gauß mit seinem Sohn Eugen 1828 zu einer Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, wo er auf Alexander von Humboldt trifft, der ihn dorthin einlud. Schon jetzt wird deutlich, dass wir es bei Gauß offensichtlich mit einem sehr ungeselligen Menschen zu tun haben, einem Typen, den wir heute ohne zu Zögern als Nerd bezeichnen würden. Offensichtlich hasst er es zutiefst, seine Wohnung überhaupt zu verlassen und sein Verhalten gegenüber seinem Sohn ist rüde, herabsetzend und verächtlich.

    Dann wechselt die Szenerie zur Vergangenheit und wir lesen in Form einer Rückschau abwechselnd Stationen aus den Werdegängen beider Wissenschaftler. Alexander von Humboldt, Sohn eines niedrigen preußischen Adligen, genießt - ebenso wie sein älterer Bruder Wilhelm - eine umfangreiche Ausbildung in den verschiedensten Wissenschaftsbereichen. Der ältere Bruder hat in Kinderjahren bei den Brüdern die Führungsrolle. Ja, er bringt den jüngeren Bruder sogar dazu, über einen nicht vollständig zugefrorenen See zu gehen und sieht zunächst seelenruhig zu, wie dieser prompt einbricht und rettet ihn erst im letzten Moment aus dem eiskalten Wasser. Der Autor läßt beide erscheinen wie übersättigte, miteinander konkurrierende Kinder, die im Grunde kein direktes Ziel vor Augen haben. Beiden ist wohl bewußt, dass in ihren Gesellschaftskreisen von ihnen irgendetwas Besonderes erwartet wird. Man setzte sich eben in Szene, beschäftigte sich mit irgendetwas, was den Respekt anderer - der Gesellschaft - einfordern würde.

    Mehr aus einer Laune heraus beschließt Humboldt daher auch nach dem Tod der Mutter, eine Forschungsreise nach Amerika zu unternehmen und rekrutiert in Paris den Franzosen Aimé Bonpland, der sich dazu entschließt, ihn auf dieser Reise zu begleiten. Bonpland wirkt auf der ganzen Reise wie das Faktotum Humboldts. Humboldt misst auf der Reise grob gesagt alles, was es nur zu messen gibt und schreckt auch vor schmerzhaften und ekligen Selbstversuchen nicht zurück. Er leistet auf wissenschaftlicher Ebene bahnbrechende Arbeit, korrigiert durch seine Arbeit die bis dato ungenauen Karten von Lateinamerika, findet den legendären Kanal zwischen dem Amazonas und dem Orinoko und besteigt mit Bonpland den zur damaligen Zeit als am höchsten vermuteten Berg fast gänzlich bis zur Spitze. Wie besessen dokumentiert er alles auf seinem Weg, sowohl Tiere als auch Pflanzen und er schreckt auch nicht davor zurück, fast mumifizierte Leichen zwecks späterer Untersuchung auf der Reise mitzunehmen. Weder sich noch seinen Begleiter oder die einheimischen Führer schont er dabei. Bei der Bergbesteigung zum Beispiel gehen Bonpland und Humboldt schon fast über ihre körperliche Belastbarkeit hinaus. Bonpland blutet aus der Nase und hat Wahnvorstellungen infolge der zu dünnen Luft.

    Humboldt scheint dies alles eher weniger zu stören, ja man erhält beim Lesen öfter den Eindruck, dass Humboldt den Bedürfnissen seines Körpers und denen anderer keine Bedeutung zumisst, den (zumindest üblichen) fleischlichen Genüssen sehr aktiv ausweicht und auch Bonpland recht scharf wegen seiner Schwäche kritisiert. Die wahre Ursache für diese Brüskheit bleibt jedoch verschwommen. Klar wird jedoch, dass Humboldt allerdings öffentliche Belobigungen benötigt und auch erzielen will, denn er schreibt seinem Bruder Berichte, die dieser zuhause veröffentlichen soll und weiß dabei offenbar des Öfteren, worauf der Tenor liegen sollte, damit seine wissenschaftliche Arbeit auch bekannt wird.

    Zurück in Europa lässt er sich zunächst in Paris nieder. Doch seine nüchternen Messergebnisse, Daten und Fakten kommen bei seinem Publikum nicht so an. Man erwartet spannende und sogar schockierende Erlebnisberichte von ihm und möchte von exotischen Erzählungen bezaubert und unterhalten werden. Frustriert beschließt Humboldt, eine schriftliche Reisedokumentation zu verfassen, bricht jedoch trotz allem zu einer letzten Expedition nach Russland auf, bei der man sich allerdings lediglich der Anwesenheit seiner Person schmückt und ihn selbst nichts mehr entscheiden oder selbsständig untersuchen lässt.

    Gauß' Kindheit steht dagegen unter einem ganz anderen Stern. Als Sohn eines einfachen Gärtners geboren, ist er sehr früh seinen Mitschülern und auch dem Lehrer überlegen. Er empfindet seine Mitmenschen als gähnend langsam im Denken und Antworten und wäre vermutlich heutzutage als äußerst hochbegabtes Kind eingeschätzt worden. Als der Lehrer z.B. der Klasse den Auftrag gibt, die Zahlen von 1 bis 100 zusammen zu zählen, findet Gauß sofort eine rasante, zeitsparende Berechnungsmethode. Als ihm der Lehrer daraufhin ein Buch zum Lesen mit nach Hause gibt, hat er es am nächsten Tag schon ausgelesen. Allerdings hat er noch nicht bemerkt, dass man seine Kenntnisse und sein Können besser für sich behält und kassiert demzufolge zunächst ordentlich Hiebe. Aber seine enorme mathematische Begabung läßt sich dennoch nicht verleugnen und so protegiert ihn letztendlich sein Lehrer und Gauß erhält ein Stipendium vom Herzog von Braunschweig. Er macht nicht nur auf dem Gebiet der Mathematik, sondern auch in der Astronomie bahnbrechende Entdeckungen und erlangt so weltweit Berühmtheit.

    Im mitmenschlichen Bereich erweist er sich jedoch als absolute Niete, ist äußerst ungeduldig mit anderen und hält fast alle anderen für tumb und schwerfällig. Ganz wenige Mitmenschen können ihn daher überraschen, hinterlassen bei ihm einen bleibenden Eindruck und werden von ihm mit Respekt behandelt. Seine spätere Frau Johanna gehört zu diesen wenigen Menschen und zeugt mit ihm vier Kinder, aber als sie im Kindbett stirbt, zieht sich Gauß nur noch weiter zurück. Er heiratet aus Bequemlichkeit die beste Freundin seiner Frau, die er überhaupt nicht ausstehen kann, nimmt nur wegen Geldmangels eine Arbeit als Landvermesser im Königreich Hannover an - wobei er sich finanziell bereichert - und widmet sich bald nur noch seinen astronomischen Berechnungen.

    Als alternder Mensch hält er es dann schließlich gar nicht mehr für nötig seine Wohnung zu verlassen, verhält sich sehr kauzig und folgt nur sehr widerwillig der Einladung Humboldts nach Berlin. Auf der Tagung selbst brüskiert er die Anwesenden mit seiner schroffen Art und verlässt schließlich fluchtartig die Festlichkeiten. Sein Sohn Eugen wird währenddessen als Teilnehmer einer verbotenen Versammlung verhaftet. Humboldt versucht, seinen Einfluss geltend zu machen und durch Bestechung frei zu bekommen, doch Gauß weigert sich kategorisch, solche Maßnahmen anzuwenden. So entgeht Eugen nur durch Humboldts Intervention zwar einer Gefängnisstrafe, wird jedoch nach Amerika ins Exil geschickt, wo er endlich zu seinem eigenen, Humboldt nicht unähnlichen Weg findet.



    Stilistische Besonderheiten:

    Wörtliche Rede fehlt völlig. Stattdessen hat der Autor die sogenannte erlebte Rede gewählt, dabei oft auch noch die distanziertere Art und Weise der indirekten Rede gewählt und den Konjunktiv benutzt. Das bewirkt, dass der Leser schon aufmerksam lesen muss, um zu wissen, wessen Gedankengang in dem in auktorialer Erzählweise geschriebenen Roman da gerade wiedergegeben wird.

    Auch spielt der Autor enorm mit der Aufmerksamkeit und den Gefühlen des Lesers. Da liest man z.B. gerade über das Treffen Humboldts mit Thomas Jefferson und meint, dies müsse doch von förmlicher Steifheit und Feierlichkeit nur so strotzen und dann kommt eine völlig lapidare Bemerkung von einem der Protagonisten oder man erfährt so ganz nebenbei, dass Humboldt dem Präsidenten die genauen Standorte der britischen Garnisonen verrät. Ob er das wirklich getan hat, spielt dabei aber gar keine Rolle. Darum geht es dem Autor offensichtlich gar nicht. Solche Passagen sorgen einfach für einen Bruch im Lesefluss und lassen den Leser staunen, lachen oder stutzen, sorgen mit ihrer Unberechenbarkeit für Witz und einen ganz eigenen Humor.



    Fazit:

    Der Roman ist als Satire gedacht und in einem Interview gab Kehlmann zu: "Ich wollte schreiben wie ein verrückt gewordener Historiker", doch nach so langer Zeit ist es völlig klar, dass kein Mensch mehr weiß, wann eine historische Person wirklich genau was gesagt hat. Dazu waren sowohl Gauß als auch Humboldt einfach doch für ihr Umfeld nicht wichtig genug, dass Protokoll geführt worden wäre. Humboldts Berichte strotzten nur so vor Fakten und Zahlen, während die Menschen fantastische und spannende Geschichten aus der neuen Welt hören wollten und dem introvertierten Gauß konnten sowieso die Wenigsten geistig folgen. Vielleicht hätte man heutzutage mehr Verständnis für diese - ja, man kann wohl sagen - Sonderlinge gehabt. Doch beide lebten in einer Zeit, in der es zwar viel zu erforschen gab, aber das Gefühls- und Seelenleben von Menschen gehörte damals meiner Erfahrung nach noch nicht zu den Dingen, die - anders als heute - gerne an die Öffentlichkeit gezerrt wurden.

    Es geht Kehlmann ja aber auch gar nicht darum, einen faktenorientierten historischen Roman zu schreiben, sondern wiederzugeben, dass man zwar als ernsthafter Forscher losgefahren sein mag, aber die penetranten Moskitos doch ziemlich an der ernsthaften, deutschen Würde genagt haben dürften. Humboldt ließ sich trotzdem in Uniform fotografieren. Seine Auffassung von deutscher Korrektheit gebot es ihm wohl, auch wenn es auf uns heute lächerlich wirken mag. Schaut man sich heute die manchmal ausgestrahlten Nachrichtensendungen von vor zwanzig Jahren an, ist man auch sehr überrascht, wie steif und förmlich früher oft berichtet wurde.

    Der Aufbau des Romans ist ebenso klug, wie das Geschehene noch unterstreichend, gewählt und hat im letztendlichen Weglaufen von Gaußens Sohn Eugen sogar noch eine Pointe, die nur durch den zeitlichen Rückblick auf die Jugendjahre der beiden Wissenschaftler erst einen tieferen Sinn ergibt. Der Autor hat kurze Kapitel gewählt, die mal eine Begebenheit hier, mal eine Anekdote da beschreiben. Gauß liest von Humboldts Arbeit durch Veröffentlichungen in entsprechenden Gazetten. Humboldt hält Gauß für den geeigneten Kollegen, um den Magnetismus zu erforschen. Die Lebensläufe beider Wissenschaftler wirken so irgendwie verbunden, bis sie zum Schluß durch das Treffen tatsächlich zusammengeführt werden.

    Es ist nicht ganz einfach, zu diesem Roman ein abschließendes Fazit zu schreiben. Der Inhalt arbeitet wirklich noch lange im Leser und immer wieder fällt einem etwas Neues auf. War man beim Lesen oft versucht, nachzuschlagen, ob sich diese oder jene Begebenheit tatsächlich eventuell so abgespielt haben könnte, überlegt man zu anderen Zeiten, ob Wissenschaftler eventuell alle so grundsätzlich unsozial waren oder sind und ob das nicht sogar so sein muss, damit sie fähig sind, so überragende Leistungen zu bringen ... die dann im Endeffekt ja doch wieder der Allgemeinheit zugute gekommen sind, zumindest in den meisten Fällen!

    Was mich allerdings nach dem Lesen des Buches am häufigsten beschäftigt hat, war die Tatsache, dass Kehlmann den Roman als Satire schrieb. Obwohl ich beim Lesen oft schmunzeln musste, hätte ich zumindest doch auch einen gut recherchierten historischen Roman über die beiden Wissenschaftler lesen mögen. Erzählstoff ist ja reichlich vorhanden. Per Satire schafft man sich ja eine innere Distanz, fühlt sich vielleicht ja sogar ein wenig überlegen, macht sich irgendwie lustig. Und es birgt ja auch eine gewisse Komik, mit welchem überernsthaften Gebaren zumindest Humboldt zu Werke ging und sich ganz sicher kaum klar darüber war, wie er seine Mitmenschen mit seinen akribischen Messungen langweilte. Aber ist das nun wirklich typisch deutsch, wie ein Kritiker schrieb? Man könnte fast auf den Gedanken kommen, dass der Buchtitel auch doppeldeutig aufgefasst werden könnte. Aber dann müsste es ja eigentlich "Die Vermessenheit der Welt" heißen, oder?! Aber man kann wohl schon sagen, dass beide Wissenschaftler Teile der Welt und ihre menschlichen Bewohner anders/neu ge/vermessen haben, vielleicht auch teilweise vermessen waren. Hat ihre Umwelt ihnen aber auch den Wert zugemessen, den sie für ihre Mitmenschen hatten?

    Nach längerem Überlegen taten mir beide Wissenschaftler denn auch wirklich richtiggehend Leid und kamen mir durch den Roman streckenweise doch auch vorgeführt vor. War Gauß wirklich so menschenverachtend...oder entsprang seine Brüskheit nicht eher einer inneren Unsicherheit anderen Menschen gegenüber? Ein brillianter Kopf und eine superschnelle Auffassungsgabe kann eben auch ein regelrechter Fluch sein und den Besitzer dieser Fähigkeiten recht vereinsamen. Dann wieder denkt man über den ewig mit Messgeräten herumwuselnden Humboldt nach und fragt sich, ob die Beziehung zum älteren Bruder, die ich persönlich nicht sehr herzlich empfinde, Humboldt getrieben hat. Denn wie ein Getriebener kommt er mir vor, was die Experimente mit Curare nur noch bestätigen. War ihm sein Leben und das von anderen so wenig wert?

    Überhaupt kommen beide Wissenschaftler im Roman meines Erachtens - trotz der witzigen Passagen - sehr depressiv und im Endeffekt sehr lebensuntüchtig herüber und mit ihrer Angst vor dem Altwerden sehr resignativ. Gauß liest seine mit 21 Jahren angefertigten Disquisitiones Arithmeticae im Alter nochmals und wundert sich darüber, dass er Mühe hat, seine eigene Niederschrift zu verstehen. Ich weiß, dass es Künstlern oft nach der Fertigstellung eines Bildes so geht, aber da ist zum Staunen dann auch zufriedener Stolz dabei. Das Gefühl scheint beiden Wissenschaftlern völlig abzugehen.

    Gauß findet sich letztendlich zwar damit ab und für sich einen Weg, mit seiner Umwelt zurecht zu kommen (in dem er sie eben einfach meidet), aber Humboldt tut einem auf der desaströsen Russland-Expedition richtig Leid und man möchte beim Lesen am liebsten rufen, dass er die Reise abbrechen solle, um wenigstens seine Würde zu bewahren.

    Kurzum: Der Roman ist nicht nur lesenswert, sondern eignet sich hervorragend dazu, sich selbst weitergehende Gedanken zu machen. Wie gehen wir heute mit herausragenden Persönlichkeiten um und wie umgekehrt sie mit uns Normalos? Haben geniale Köpfe heutzutage ein gesünderes Ambiente, um ihre Arbeit zu tun? Denn wir stehen ganz sicher nicht am Ende der Strasse der unerforschten Dinge, sondern zu entdecken gibt es unglaublich viel. Gerade letztens sah ich einen Bericht über die - noch ungenutzten, weil noch nicht erforschten - Pflanzen des Regenwaldes. Wissenschaftler vermuten eine Vielzahl von Nutzungs-und Erkenntnismöglichkeiten für den medizinischen Bereich. Natürlich nur, wenn wir es nicht vorher schon geschafft haben, ihn auszurotten. Ein Beispiel von vielen Herausforderungen, denen sich manche Menschen stellen und ihre gesamte Energie in die Erforschung stecken. Glaubt man manchen wissenschaftlich orientierten Fernsehsendungen, wissen wir von unserer Welt erst einen kleinen Bruchteil und es braucht wahrscheinlich noch einige Besessene, um uns allen die Welt verständlicher zu machen.

    Vielleicht sollten wir tumberen Normalos einfach ein wenig nachsichtiger mit solchen genialen Köpfen sein und sie zwar auch nicht auf einen abgehobenen Sockel stellen, sondern einfach nur etwas dankbarer sein, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich - letztendlich doch zum Wohl aller - so exponieren.

    Ich für meinen Teil bin jedenfalls froh, dass andere die Kastanien mühsam aus dem Feuer hol(t)en und ich die Früchte ihrer Arbeit geniessen und darüber lesen kann.

    Herzlichen Dank für das Lesen und Bewerten meines Berichts

    Hedwig_2010

    Kommentare & Bewertungen

    • sammelmeilen

      sammelmeilen, 05.02.2013, 21:19 Uhr

      Bewertung: besonders wertvoll

      bw & lg Antje

    • anonym

      anonym, 31.01.2013, 06:38 Uhr

      Bewertung: besonders wertvoll

      lg eva

    • Janne0033

      Janne0033, 26.01.2013, 02:50 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      Prima Bericht

    • lassie222

      lassie222, 24.01.2013, 17:40 Uhr

      Bewertung: besonders wertvoll

      Klasse Bericht! LG lassie222

  • La medición del mundo...

    Pro:

    sehr interessant und ausführlich geschrieben, die indirekte Rede wird angewandt, fesselt den Leser richtig

    Kontra:

    nada

    Empfehlung:

    Ja

    Heute möchte ich euch von einem Buch berichten, welches schon seit Wochen auf Platz 1 der Bestseller Liste steht: "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann.

    WIE ICH ZU DEM BUCH KAM:

    Also, um ehrlich zu sein, dies ist nicht mein eigenes Buch. Ich habe es von meinem Bruder ausgeliehen, der es wiederum von meiner Schwester zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. Klingt toll, nicht? Ich war nur beim Aussuchen dabei, mehr nicht. *g*

    ALLGEMEINE INFORMATIONEN / DAS AUSSEHEN:

    Okay, nun wird's ein bisschen komplizierter... also vorne sieht man ein Gebirge abgebildet, jedoch sind die Berge nicht "normal" dargestellt, sondern sie bestehen teilweise aus

    Kommentare & Bewertungen

    • Ziller1111

      Ziller1111, 22.12.2012, 18:50 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      Super! Schau doch bei mir mal rein! Ich bei dir ann auch' :) FROHES FEST

    • ThomasKu

      ThomasKu, 01.11.2011, 20:58 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      Sehr guter Bericht! Würde mich über Gegenlesungen freuen! MfG ThomasKu

    • dalaralein

      dalaralein, 31.12.2006, 13:53 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      sehr guter artikel, frohes neues...

    • Madrianda

      Madrianda, 29.04.2006, 20:54 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      sh! Gruß Beate

  • Wenn der Berg nicht zum Humboldt kommt

    Pro:

    Verknüpfung aus Historie und Fiktion; wunderbar geschrieben, indirekte Rede; einfach alles

    Kontra:

    nichts

    Empfehlung:

    Ja

    Neulich habe ich mich in meinem Lieblingsbuchladen mal wieder verleiten lassen, als ich in der Ecke, in der immer die Leseempfehlungen der Mitarbeiter stehen, "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann sah. Durch das schöne Cover verleitet, las ich mir den Klappentext des gebundenen Buches durch und war schon nahe dran, es zu kaufen. Die endgültige Entscheidung fiel dann, als mir der Verkäufer versicherte, dass dieser Roman der beste gewesen wäre, den er im letzten Jahr las. Kurz entschlossen griff ich zu. Und jetzt, nachdem ich es mittlerweile schon zum zweiten Mal gelesen habe, werde ich euch mitteilen, ob es wirklich zu den Highlights des letzten Jahres gehört. Aber zunächst sollt ihr

    Kommentare & Bewertungen

    • Gemeinwesen

      Gemeinwesen, 26.01.2008, 14:09 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      Nein, dahi, würde es wahrscheinlich nicht. Beste Grüße vom Gemeinwesen.

    • wolli007

      wolli007, 06.01.2008, 20:22 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      lg Wolli

    • jacquelinestauch

      jacquelinestauch, 10.03.2007, 22:25 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      das ist ja was für mich

    • anonym

      anonym, 07.03.2007, 20:47 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      LG Damaris :-)

  • Du bist Deutschland

    Pro:

    Intelligent, lehrreich, witzig, lockerer gut lesbarer Schreibstil

    Kontra:

    ---

    Empfehlung:

    Ja

    Nachdem Elke Heidenreich in ihrer Sendung "Lesen" Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" hochgelobt hatte, geschah das, was immer geschieht, wenn Frau Heidenreich ein Buch lobt: Es enterte die Bestsellerlisten. Aber bei Daniel Kehlmann war etwas anders, als bei all den anderen Büchern. Sein Roman wurde von allen Seiten hoch gelobt und verkauft sich bis heute besser als so ziemlich alle anderen Neuerscheinungen der letzten Wochen. Nachdem sich "Die Vermessung der Welt" über 400.000 Mal verkaufte, wollte ich auch wissen, was es mit diesem Buch auf sich hat, kaufte und las es.

    -----STORY:-----
    1828: Im preußischen Berlin findet ein Kongress statt, zu dem viele wichtige

    Kommentare & Bewertungen

    • kesseKirsche

      kesseKirsche, 02.04.2006, 20:29 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      ++++ SH ++++ Lg Nicole

    • Betpat

      Betpat, 05.03.2006, 15:04 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      sehr interessant

    • Nathalie

      Nathalie, 03.03.2006, 12:57 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      sh+Vlg Nathalie

    • Vicky

      Vicky, 28.02.2006, 14:50 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      Sehr hilfreich - Vicky

  • Die Vermessung der Welt

    Pro:

    -

    Kontra:

    -

    Empfehlung:

    Ja

    Über dieses Buch ist des Lobes so viel verbreitet worden, dass ich Eulen nach Athen trage, wenn ich auch in diese Kerbe schlage. Aber sei's drum, schließlich geht es hier auch ums Reisen. Und ich habe seit „Der Schatten des Windes" keinen Roman in so kurzer Zeit verschlungen, ja, nachgerade aufgesogen, und deshalb küre ich „Die Vermessung der Welt" zu meinem Buch des Jahres (eigentlich der letzten Jahre)! Kurzweilig, anspruchsvoll, intelligent und überaus humorvoll wird hier die Lebensgeschichte zweier unterschiedlicher Männer kunstvoll verwoben. Der eine, Gauß, ein Eigenbrötler, der aus armen Verhältnissen stammt, das Reisen hasst und bei den ersten Schwierigkeiten an der Grenze bedenkenlos

    Kommentare & Bewertungen

    • Lidlefood

      Lidlefood, 29.12.2005, 20:39 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      sehr hilfreich

    • Vicky

      Vicky, 29.12.2005, 18:43 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      sh. Vic

    • chelsea

      chelsea, 29.12.2005, 18:42 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      sehr hilfreich, würde mich übrigens sehr über Gegenlesungen freuen.

    • waltraud.d

      waltraud.d, 29.12.2005, 18:33 Uhr

      Bewertung: sehr hilfreich

      sehr hilfreich