Pro:
lustig, kurzweilig, große Gefahr der Identifikation mit der Hauptperson :)
Kontra:
viele Klischees, ähnelt doch stilistisch sehr dem Vorgänger "Mondscheintarif", sehr seichte Lektüre
Empfehlung:
Ja
Ildiko von Kürthy hat uns bereits vor einiger Zeit mit ihrem Roman "Mondscheintarif" beglückt, der in den Medien und von diversen Stars hoch und runter gelobt wurde. Ich fand es auch einfach herrlich. Natürlich ist diese Art von Lektüre keinesfalls als anspruchsvolle Literatur zu bezeichnen. Wer aber ein nettes kleines lusitges Buch für Bahnfahrten, Badewannenaufenthalte, für Park oder Strand möchte, ist mit Ildiko von Kürthy bestens bedient. Noch besser als ihr "Erstling" hat mir persönlich aber ihr Zweitwerk "Herzsprung" gefallen, dem ich diesen kleinen Bericht widmen möchte...
Amelie "Puppe" Sturm führt seit 2 1/2 Jahren eine Fernbeziehung mit Phillip von Bülow. Sie führt zusammen mit ihrer besten Freundin Ibo das Café Himmelreich in Hamburg. Er ist Staranwalt in Berlin. Eigentlich sollte Amelie glücklich sein, doch eine Nachricht auf "Bülowbärchens" Mailbox verändert alles. Denn Amelie findet es selbstverständlich unnatürlich, seine Mailbox NICHT abzuhören, wenn schon eine freundliche Stimme sie auf den Umstand einer neuen Nachricht hinweist und er noch selig schläft...
Amelie hat einen Hang zum Drama. Sang- und klanglos verschwinden? Nein. Sie öffnet eine sündhaft teure Flasche Rotwein, gießt sie über seine besten Anzüge, schaut zufrieden zu, wie die Pfütze in Richtung des teuren Berberteppichs kriecht, schnappt sich ihren Chinesischen Faltenhund namens "Miss Marple" und geht.
"Herzsprung" ist ähnlich aufgebaut, wie man das (vielleicht) schon von "Mondscheintarif" kennt. Präzise Zeitangaben strukturieren die Geschichte, während Amelie tagebuchartig erzählt. In zahlreichen Rückblicken erfährt frau jede Menge nützliches und sinnloses über ihre früheren Beziehungen, über ihre beste Freundin Ibo, über ihr Café und natürlich über Phillip von Bülow. Denn, so sagt Amelie selbst, erst das spätere Erzählen macht ein Erlebnis richtig schön.
Amelie packt also ihren Shar Pei neben sich und fährt los gen Hamburg.
"Ich weiß, dass mein Hund trottelig und häßlich ist, aber im Gegensatz zu anderen habe ich Miss Marples Vorzüge sofort erkannt: Neben so einem Hund siehst du immer gut aus, und du kannst an seiner Seite alt werden, ohne dich alt zu fühlen und ohne dass es besonders auffällt.
Du findest dich morgens unansehnlich? Krähenfüße unter den Augenlidern?
Deine Stirn sieht aus, als könnte man die eine Verschlusskappe aufschrauben?
Dein Dekolleté ähnelt der Sahel-Zone nach einer besonders langen Dürreperiode?
Kopf hoch. lächeln, Miss Marple anschauen. Schlimmer gehts immer. Das ist wie Aufwachen neben Mutter Theresa. Wie ein Freibadbesuch mit Inge Meysel. Wie Saune mit Ilja Rogoff. Da hat man immer automatisch die besseren Karten." (Herzsprung, S. 46)
Unterwegs versucht sie natürlich, Ibo zu erreichen, denn was liegt näher für eine sich betrogen fühlende Frau, als ihre beste Freundin anzurufen, auch wenn es samstags früh um 6:30 ist. Doch als Ibo leider nicht so reagiert, wie Amelie sich das gerne erhofft hätte, beschließt sie, ihren dramatischen Abgang auszudehnen. Nicht mehr erreichbar sein, nicht auffindbar, für niemanden. Kurzerhand läßt sie sich eine neue Handynummer geben (unter dem Vorwand, ein anonymer Perverser würde sie belästigen) und fährt los. Amelie will Rache.
Und natürlich kommt am Ende alles anders, als sie denkt.
Mehr will ich aber an dieser Stelle nicht verraten, denn dann würde das Lesevergnügen doch um einiges geschmälert...
Das besondere und lobenswerte an Ildiko von Kürthys Büchern ist die Selbstironie, mit der sie ihre Erzählerinnen ausstattet. Man wird Zeugin der peinlichsten Momente im Leben der Amelie "Puppe" Sturm, die aber mit so viel Witz geschildert sind, dass man sich das Lachen einfach nicht verkneifen kann. Und immer wieder findet man sich einfach selbst wieder. Es gab wirklich diverse Stellen in diesem Buch, wo ich einfach nur dachte: Verdammt, sie hat recht. Leider auch manchmal bei so heiklen Themen wie diesem:
""Mir ist absolut klar, dass es nichts nützt, die Wahrheit über sexuelle Vorlieben für sich zu behalten. Aber ich bringe es irgendwie nicht über mich. Um ganz genau zu sein, schaffe ich es oft nicht mal, rechtzeitig Bescheid zu sagen, wenn meine sexuelle Vorliebe im Moment wäre, keinen Sex zu haben. Ich hätte in meinem Leben - Schwestern, gebt es zu, dass ihr Ähnliches durchgemacht habt - wesentlich weniger, dafür aber wesentlich besseren Sex gehabt, wenn ich meinem natürlichen Instinkt gefolgt wäre statt meiner unnatürlichen Freundlichkeit.
Die Schlafsackfummeleien mit Jörg zum Beispiel. Ich war siebzehn, und wir machten Inselhopping in Griechenland. Später dann Dirk, der transpirierende Elektrotechniker, und Markus, der supersanfte Landschaftsarchitekt. Alles Männer, die sich bereits weit vor demeigentlichen Akt disqualifiziert hatten. Durch dämliche Äußerungen wie: "Beklagt hat sich bei mir noch keine." Durch schlechte Angewohnheiten, wie öffentliches Abschleimen nach Fussballer-Art: Zeigefinger an die Nasenwand und dann kräftig pusten.
Augen zu und durch, habe ich manches Mal gedacht, wenn ich aus der Nummer einfachnicht mehr rauskam. Man will ja nicht unhöflich sein. Und ich schon gar nicht. Letztendlich sind die Frauen schuld, dass es so viele schlechte Liebhaber gibt. Weil wir uns zu selten trauen, zu sagen, was die Kerls falsch machen. Ich jedenfalls beneide etliche meiner Nachfolgerinnen nicht, und ich möchte mich an dieser Stelle entschuldigen, dass ich nicht bessere Vorarbeit geleistet habe."
------ Fazit --------
"Herzsprung" ist ein kurzweiliges und lustiges Buch, wenn man sich mal leichte Lektüre wünscht. Letzten Sommer hatte ich mich selbst verflucht, weil ich es für einen Kurzurlaub an der Ostsee meiner besten Freundin gegeben hatte, die daraufhin kichernd neben mir am Strand lag, während ich mich (im Urlaub! ich blöde Kuh!) durch ein Sachbuch gequält habe... Schließlich haben wir uns gegenseitig aus "Herzsprung" vorgelesen :)
Natürlich gibt es auch etwas zu bemängeln, doch das finde ich persönlich bei einem Buch, das man wirklich nur zu Belustigung und Zeitvertreib liest, eher zu vernachlässigen. Aber man muss schon sagen, Ildiko von Kürthy bedient auch jede Menge Klischees, und das in all ihren Büchern. Das sollte man schon von vornhinein berücksichtigen. Und manchmal war sogar mir Amelie Sturms Hang zum Drama zu viel. Es handelt sich eben nicht um anspruchsvolle Lektüre. Daher finde ich diesen Mangel aber auch zu verschmerzen. Ildiko von Kürthys Bücher sind ein wenig wie moderne aber trotzdem irgendwie ein bißchen kitschige Liebesromane. Aber sie ist einfach witzig, und das ist ihr großes Plus. Und vielleicht können sogar die Herren der Schöpfung noch das ein oder andere von ihr lernen :)
Schade finde ich nur, dass mittlerweile nichts wirklich neues mehr von ihr kommt. So sehr ich mich über Mondscheintarif und Herzsprung amüsiert habe, vom Nachfolger "Freizeichen" war ich dann doch etwas enttäuscht. Denn der Stil bleibt gleich und auch dieses Buch handelt wieder von den Liebeswirrungen einer Frau in den Dreissigern. Da ist es wirklich so: "Kennst du eins, kennst du alle."
Wer aber eine seichte Lektüre für den Urlaub oder einfach für zwischendurch sucht (ich persönlich brauche sowas immer ab und an neben der ganzen "anspruchsvollen Literatur", die ich für die Uni lesen muss), dem kann ich "Herzsprung" nur empfehlen. Daher auch 4 Sterne.
--- Für Faktenliebhaber ----
Broschiert: 247 Seiten
Verlag: Rowohlt Tb.; Auflage: 19., Aufl. (Dezember 2002)
Sprache: Deutsch
ISBN: 3499232871
Preis: 8.90€
ich hab mein Exemplar übrigens auf dem Flohmarkt für 1 € bekommen, da kann man ja wirklich nichts verkehrt machen. Also auch mal einen Blick zu ebay, amazon marketplace, in Flohmarkt-Bücherkisten etc. riskieren... weiterlesen schließen
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