Pro:
hervorragendes Preis/Leistungs-Verhältnis
Kontra:
sehr amerikanisiert wie so vieles in Warschau
Empfehlung:
Ja
Anfang August im Jahre 2005. Ich musste mal wieder beruflich nach Warschau, so wie es in den beiden Jahren zuvor auch schon der Fall war. Allerdings hatte ich absolut keine Lust, wieder wie beim letzten Aufenthalt in der Früh um 4 aufzustehen, die erste Maschine ab München zu nehmen, um dann um 10 Uhr einen Kundentermin wahrzunehmen. Da reise ich doch lieber am Vorabend an, erlebe vielleicht noch ein kleines bisschen Polen und bin am nächsten Tag ausgeschlafen.
Und es war klar, dass ich wieder im Mariott absteigen würde, wie schon vor zwei Jahren. Da muss ich nämlich zum Gebäude des Kunden nur ca. 100m zurücklegen. Gesagt, gebucht. Über das Reisereservierungsnetz unserer Firma bekomme ich ein Zimmer für weniger als 80€ inklusive Frühstück. Der auf der Website von Mariott angegebene Preis ist dagegen gut 50% höher. Aber ich nehme nicht an, dass meine Firma die einzige auf der Welt ist, die Rabatte auszuhandeln im Stande ist.
Als ich abends in Warschau pünktlich lande, schnappe ich mir ein Taxi. Nicht irgendeins von irgendjemand, der mich gleich am Ausgang mit "Taxi, Taxi" anspricht, sondern ein "Radio-Taxi 919". Die sind nicht nur zuverlässig und korrekt, sondern akzeptieren auch Kreditkarten. Denn bei derartigen Kurzreisen verzichte ich gern auf das Eintauschen von Devisen. Ich muss dem Fahrer nicht sagen, dass ich in die Al. Jerozolimskie 65/79 zum Mariott will. "Mariott Hotel please" reicht natürlich aus, das kennt hier jeder Taxifahrer. Es dauert vielleicht 20 Minuten, dann bin ich trotz Feierabendverkehr dort. Ich zahle die 24 Zloty mit meiner Amex, das sind ca. 6€. Also kein Besucher-Nepp, wie ich es mal über Prag im Fernsehen gesehen habe, wo man Taximeter per Knopfdruck auch schneller laufen lassen kann. Das Mariott ist schon von weitem nicht zu übersehen: ein riesiger Turm mit verspiegelten Fensterscheiben.
Das Einchecken läuft wie üblich ab, mit meiner Reservierung gibt es keine Probleme. Der Türöffner muss auch im Fahrstuhl vor Betätigen der Stockwerkwahl verwendet werden, sonst fährt der Fahrstuhl nicht an. Auf diese Weise wird unerwünschten Besuchern der Zutritt erschwert. Der Fahrstuhl bringt mich in den 26. Stock.
Das Zimmer macht sofort einen sehr guten Eindruck auf mich. Kein Luxus á la Dubai, aber hier kann ich mich wohl fühlen. Wohler jedenfalls als in den sterilen Absteigen der Marke Novotel&Co. Hier wirkt nichts eiskalt und ausladend. Platz ist auch ausreichend vorhanden. Sie erwarten jetzt hoffentlich nicht von mir, dass ich Ihnen die Farben des Teppichs und der Vorhänge bis ins Detail schildere. Na gut, sie waren grün, damit wissen sie immerhin, dass beides vorhanden war. Nein, Fotos habe ich auch nicht gemacht. Aber Sie wissen doch sicherlich wie ein vernünftiges Zimmer in einem 4-Sterne-Hotel aussieht.
Wenn ich an Rom zurückdenke (Sie erinnern sich), wo ich im Frühjahr für ein wesentlich kleineres Zimmer in einem vom Standard um 1-2 Klassen schlechteren Hotel ohne Frühstück fast das Doppelte bezahlt habe, überkommt mich sofort die Gewissheit, dass man hier nicht meckern kann.
Ich befinde mich hier ziemlich weit oben über den Dächern von Warschau. Dabei habe ich einen Ausblick direkt auf den Kulturpalast gegenüber. Als ich vor 2 Jahren hier war, habe ich meinen Kollegen gefragt, was denn das für ein schönes und imposantes Gebäude wäre, was ungefähr genauso hoch ist wie das Mariott. "Das haben uns die Russen geschenkt", hieß es damals. Und was aus Russland kommt, findet ein Pole aus Prinzip nicht schön.
Ich schau mich noch kurz im Zimmer um. Natürlich gibt es Telefon, High-Speed-Internet-Access (den Computer muss man natürlich selbst mitbringen) und einen großen Fernseher, der auch ein paar deutsche Programme drauf hat. Dazu eine Minibar und einen Safe, der allerdings nicht so groß ist, dass mein Laptop hineinpasst. Aber ich will mich jetzt nicht groß aufhalten, schließlich habe ich Hunger und vor allem Durst.
Da es doch schon gegen 20 Uhr ist, suche ich die Altstadt nicht auf. Die wäre zwar auch nicht viel länger als eine Viertelstunde entfernt und vielleicht bekäme ich da was Typischeres zu essen, aber eine Kleinigkeit sollte es auch in der Nähe geben.
Ich weiß nicht, ob die Polen große Fans von Amerika sind. Aber schon während der Taxifahrt war mir aufgefallen, dass es Steakhäuser und Fastfood á la USA hier in Hülle und Fülle gibt. Das Hotel verfügt zwar auch über ein italienisches Restaurant, aber in so was gehe ich lieber in Bella Italia. Statt dessen begebe ich mich in die Champions Sport Bar, die ebenfalls zum Mariott gehört. Damit erübrigt sich auch meine Frage, ob man hier auch mit Kreditkarte zahlen könne. Es geht alles auf die Zimmerrechnung. Nach amerikanischem Vorbild heißt es auch "Please wait to be seated". Aber da sich innerhalb von ein paar Minuten niemand blicken lässt, der sich darum reißt, mir einen Platz zuzuweisen, lasse ich mich selbst da nieder, wo es mir am zweckmäßigsten erscheint. Die Räumlichkeiten sind riesig, und in der Tat dreht sich hier alles um Sport. Es gibt zahlreiche Fernseher und eine große Leinwand, auf der gerade ein Europapokalspiel übertragen wird. Mitten im Lokal hat man die Attrappe eines Boxrings aufgebaut. Auch scheint es hier jede Menge zu trinken zu geben. Endlich werde auch ich wahrgenommen. Natürlich bestelle ich gleich ein polnisches Bier, ich glaube es war ein Zywiec, welches mir auf jeden Fall besser als bayerisches Bier schmeckt (abgesehen vom Weißbier). Die Speisekarte erinnert natürlich an Amerika. Jede Menge Burger, Steaks, Hot Dogs. Ich entscheide mich für einen riesigen Hotdog, der in einem Baguette und mit Pommes Frites daherkommt. Dazu ein bisschen Ketchup, aber kein Senf. Die Wurst schmeckt derart fad, auch in Amerika könnte sie nicht schlechter schmecken. Aber mit 2-3 Bier bekomme ich das Essen herunter. Wie gesagt, gegen das Bier ist nichts einzuwenden. Insgesamt zahle ich hier umgerechnet 15-16€. Angesichts der Menge des Essens ein gutes Preis/Leitungsverhältnis. Was den Geschmack angeht, na ja. Jedenfalls hat die Wurst einen derart fettigen Nachgeschmack hinterlassen, dass mich mein Weg noch über die Hotelbar in der Lobby führt. Diese ist gut besucht, dennoch finde ich ein freies Plätzchen. Chips und Nüsse gibt es umsonst, aber mit Fettigem bin ich ja ausreichend bedient. Ich bin hier, um dem Fettgefühl mit polnischem Wodka entgegenzuwirken. Aber einer muss reichen, ich möchte nicht am nächsten Tag mit dickem Kopf beim Kunden auftreten.
Im Zimmer werfe ich noch kurz den Fernseher an. Dann schalte ich die Klimaanlage ab, um unnötige Geräuschentwicklung zu vermeiden. Das Bett ist bequem und ich schlafe bald ein.
Und ich wollte ja hier gemütlich ausschlafen. Aber wir haben Anfang August und auch hier in Warschau gilt MESZ. Dieselbe Zeit wie auch an der spanischen Westküste. Dazu habe ich ein Zimmer mit Ostseite. Mit anderen Worten, um 4 in der Früh geht heute die Sonne auf. Da wird einem das Ausschlafen schon etwas schwerer gemacht, denn ich hasse zugezogene Vorhänge, weil ich gern mit dem Tag erwache. Das habe ich nun davon.
Aus dem Bad ist weder über außergewöhnliche Utensilien noch über aufgetretene Unfälle zu berichten. Es reicht, um mir die notwendige Frische zu verschaffen.
Ich begebe mich in den Frühstückssaal, der sich im zweiten Stock befindet. Auch hier befinde ich mich wieder in einem riesigen länglichen Saal. Aber es ist auch eine ganze Menge Platz von Nöten, denn ich bin längst nicht der einzige Gast hier. Offenbar haben die Amerikaner Polen als Reiseland entdeckt. Es scheint eine ganze Reisegruppe aus "God's own Country" hier zu sein. Entsprechend laut geht hier zu. Denn Amerikaner vertragen bekanntlich eins nicht: Schweigen. So höre ich natürlich bewährte Sprüche wie "First thing I need is a coffee". Eine Lady stützt sich auf meiner Stuhllehne auf und rechtfertigt dieses mit "Excuse me, dear". Und jetzt auch noch die heiße Schlacht am kalten Buffet. Ich hasse Buffets. Diese Aussucher und Auftuer stehen da immer nur im Weg rum. Ich bin dann froh, wenn ich mein Müsli zusammengemischt habe und vielleicht noch etwas Räucherlachs ergattert habe. Das ganze warme Frühstück wie Speck, Eier oder Bratkartoffeln esse ich den Amis bestimmt nicht weg. Ich bin froh, wenn ich hier raus bin, viel Hunger habe ich morgens ohnehin nicht. Aber wer da anders veranlagt ist, der kommt an dem riesigen Frühstücksbuffet im Mariott gewiss auf seine Kosten.
Bleibt nur noch anzumerken, was ich alles nicht in Anspruch genommen habe: 427 Zimmer (bis auf eines), 95 Suiten, 16 Tagungsräume, Parkgarage, 5 weitere Restaurants und Bars, Schwimmbad, Fitnessraum, Sauna, Indoor-Golf. Einen Hund hatte ich auch nicht dabei, obwohl es erlaubt gewesen wäre. Den Shuttle-Service zum Flughafen kenne ich noch von meinem ersten Aufenthalt (die Kosten sind mit dem Preis fürs Taxi vergleichbar).
Ach so, fast hätte ich vergessen zu bezahlen. D.h. für den Express-Checkout war die Rechnung schon unter der Zimmertür durchgeschoben worden. Es war alles korrekt aufgeführt. Zum genannten Zimmerpreis kamen nur noch etwas lokale Steuern dazu. Ich muss nur noch unterschreiben. Und meine Miles&More-Karte reiche ich auch noch kurz über den Tresen, dann bekomme ich nämlich noch 500 LH-Meilen wie in allen Mariott-Hotels.
Aufgrund des im internationalen Vergleich sehr guten Preis/Leistungsverhältnis, der gebotenen Services, der hervorragenden Qualität und der optimalen Lage ist davon auszugehen, dass ich auch bei meinem nächsten Besuch in Warschau wieder im Mariott zu Gast sein werde.
Copyright LosGatos
Erstveröffentlichung 25.8.2005
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