Pro:
Tolle Natur, die Korallenbänke, der Regenwald
Kontra:
Weit weg
Empfehlung:
Ja
Jeden Abend kurz nach zehn stellt Cliff den Generator ab. Vorher flackert die Glühbirne zweimal auf - Zeit, die Gaslampe in Betrieb zu setzen und sich auf die Jagd nach den mahagoni-roten Kakerlaken zu machen, die sich erst bei Dunkelheit aus ihren Verstecken wagen. Mit Rücksicht auf meine tierliebe Frau lasse ich die ungebetenen Besucher leben und setze sie mit Hilfe eines Wasserglases behutsam an die frische Luft.
Im Norden des australischen Bundesstaats Queensland, am Cape Tribulation, haben Cliff und Gail Truelove in den wuchernden Regenwald ein paar Breschen geschlagen, fünf unscheinbare, aber trotz der Schaben saubere Steinhäuser gebaut und 20 Stellplätze für Wohnwagen eingerichtet. Die beiden gläubigen Christen, 1977 aus Sydney hergezogen, nannten den Flecken »Pilgrim Sands« und vermieten »Self-contained Units« mit Bad und Toilette, inklusive Gasherd und Gaskühlschrank, Bettwäsche und Kochutensilien. Wer auf eigene Dusche und Toilette verzichtet und rechtzeitig die einzige »Cabin« bucht, kann es billiger haben.
In jedem Fall inbegriffen ist die unmittelbare Nähe von Regenwald und Great Barrier Reef. Der Urwald be-ginnt vor der Haustür, der weiße Sandstrand liegt nur ein paar Schritte entfernt. Vom eigentlichen Kap aus, das seinen Namen - »Kap der Sorgen« - Captain Cook verdankt, bringen täglich zwei Boote Gäste zum Schnorcheln und Tauchen ans Mackay Reef. Der Tagesausflug mit dem Segler zu der nach Meinung von Cliff noch relativ unzerstörten Korallenbank kostet 69 Dollar, einschließlich Mittagessen. Mit Glenns Motorschiff geht’s schneller und ist zwölf Dollar billiger. (Preise von 1994)
Zum Abschied bittet der junge Bootseigner um Werbung für seine Touren: »Wir hier oben haben das viel nötiger als die Konkurrenz in Cairns.« Tatsächlich läuft das große Geschäft mit dem Barrier Reef weiter im Süden ab, wo Plattformen mit Hubschrauberlandeplätzen direkt am Riff verankert sind und die Touristen mit Glasbodenbooten zu Tausenden an die empfindlichen Korallenbänke verschifft werden.
Aber auch Cape Tribulation ist durch den zunehmenden Tourismus gefährdet. Im Shop von Paul Mason, dem einzigen Einkaufsladen, liegt eine Unterschriftenliste gegen den geplanten Bau weiterer Resorts mit einer Kapazität von 900 Betten aus. Bisher gibt es neben Pilgrim Sands rings um das Kap auf etwa 15 Kilometern Küstenstreifen nur zwei vor allem von Rucksacktouristen besuchte Unter-künfte und zwei luxuriöse Bungalow-Siedlungen für wohlhabendere Zeitgenossen.
Der Kampf für die Erhaltung des Regenwaldes hat am Cape Trib Tradition: 1983 blockierten die Siedler tagelang den Weiterbau der Straße, der die Zerstörung eines in der Welt einzigartigen Wanderweg bedeutete. Der Begriff »Cape Tribulation« wurde für die Umweltschützer in ganz Australien zum Begriff. Etwa ein Kilometer nördlich von Pilgrim Sands erinnert ein Bachlauf, der »Blockade Creek«, an den letztlich doch verlorenen Kampf gegen den Bloomsfield Track, der heute vor allem dazu dient, Touristen in Geländefahrzeugen auf »Regenwald-Safaris« nach Cooktown im Norden zu transportieren.
Auf der östlichen Seite der Straße führt ein Weg an den Strand, wo wir ein Bad nehmen, uns aber hüten, der Mündung des Creeks zu nahe zu kommen. Denn wie an fast jedem Wasserlauf am Cape Trib warnen Schilder vor den Salzwasserkrokodilen, den bis zu sechs Meter langen »Salties«, die angeblich nur darauf warten, einen arglosen Touristen zu zerfleischen. Wir sehen keines der Ungeheuer, statt dessen aber seltsam geformte Samenkapseln und Früchte von Bäumen, deren Namen wir noch nie gehört haben.
Auf den bei Ebbe freiliegenden abgestorbenen Korallenbänken recken Spider Cones, spinnenförmige Muscheln, ihren Stachel zur Verteidigung. Im feuchten Sand haben sie ihre Eier in spaghetti-ähnlichen Knäueln abgelegt. Für die Ornamente aus winzigen Sandbällchen, die an die abstrakten Felszeichnungen der Aborigines erinnern, sind bis zu fünf Millimeter lange Minikrabben verantwortlich, die bei unserer Annäherung rasch in ihre Gänge zurückschlüpfen.
Auf Drängen der Naturschützer sind 1988 große Teile des Regenwaldes von Cape Trib, insgesamt 9.000 Quadratkilometer Urwald im Norden von Queensland, auf die »World Heritage List« der Vereinten Nationen gesetzt worden. Das Barrier Reef war schon vorher in die Liste aufgenommen worden. Damit gelten nun beide benachbarten Ökosysteme als schützenswertes Erbe der Menschheit.
Am Oliver’s Creek haben die Ranger der Naturschutzbehörde einen Holzsteg in den Regenwald gelegt, der verhindert, daß die Touristengruppen den weichen Boden dieses sensiblen Biotops festtrampeln. Tafeln beschreiben die einzelnen Pflanzen, den Paper Bark Baum mit seiner papiernen Rinde, den Seemandelbaum oder die allgegenwärtige Schraubenzieher-Palme. Wir lernen, daß die Mangroven am Küstenstreifen je nach ihrer Gattung sich entweder durch Setzlinge oder durch Samen vermehren, die in ihrer Kapsel wie ein dreidimensionales Puzzle zusammengesetzt sind.
Die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt am Kap erschließt sich erst beim zweiten oder dritten Hinsehen. Spektakuläre Begegnungen sind selten. Die Kasuare, die mit den Emus verwandten bis zu zwei Meter großen Laufvögel, bleiben in ihren Verstecken. Und bei einer Nachtwanderung durch den Dschungel hat der Guide Mühe, uns die zwei roten Punkte in der Ferne als Augen eines halbwüchsigen Krokodils zu verkaufen, das gerade ein nächtliches Bad nimmt.
In den Schein unserer Spot Lights geraten aber Urwaldvögel, die im Schlaf ihren Kopf ins aufgeplusterte Gefieder gesteckt haben, eine Weißschwanzratte, die sich in einen Baum flüchtet und schlafend stellt. An einem Stamm hat sich eine urzeitlich anmutende Echse festgeklammert. Unser Guide pflückt sie ab, erst nach einigen Minuten kommt sie zu sich und bläht entrüstet ihren Kropfsack auf. In einer der Fallen, die unser Führer vorsorglich aufgestellt hat, können wir auch ein verängstigtes Bandicoot in Augenschein nehmen, ein katzengroßes Beuteltier, das nach der Freilassung hüpfend das Weite sucht.
An der Bar vom Backpacker-Resort »Jungle Village« nehmen wir noch ein Bier. Weitere kommerzielle Vergnügungen werden nicht angeboten. Wer die erwartet, den warnen Cliff und Gail in ihrem Prospekt über Pilgrim Sands: »Wenn Ihr auf künstliche Se-henswürdigkeiten oder ein geschäftiges Nachtleben Wert legt, dann ist das nicht der richtige Ort für Euch. Wenn Ihr aber nach einem entspannten Urlaub in einer Gegend von atemberaubender Schönheit Ausschau haltet, dann kommt und bleibt eine Weile.«
Tipps für Queensland
Beste Reisezeit: Mai bis Oktober, subtropischer Winter, höchste Lufttemperaturen zwischen 25 und 29 Grad, Wassertemperaturen zwischen 22 und 26 Grad. Von Oktober bis April ist das Baden im Meer wegen giftiger Quallen gefährlich.
Ein- und Anreise: Für Australien ist ein Visum notwendig, für Touristen bis zu drei Monaten kostenlos.
Zielflughafen für Cape Tribulation ist Cairns. Von dort aus tägliche Busverbindung (Coral Coaches, Tel. 070-981611). Mietwagen vor Ort günstiger als über internationale Reservierung. In der Regenzeit von Dezember bis April kann die Straße nach Cape Tribulation unpassierbar sein.
Unterkunft: In Cairns Unterkünfte in allen Preisklassen. Für Cape Trib vorher buchen: Pilgrims Sands Holiday Park, P.M.B. 16 Cape Tribulation via Mossman, Qld. 4873, Tel: 070-980030,
Backpackers: PK’s Jungle Village, Tel: 070-980006, weitere Unterkünfte, auch Camping über Queensland Tourist and Travel Corp., Neuhauserstr. 27, 80331 München, Tel: 089-2609603
Essen und Trinken: Einfaches und schmackhaftes Essen im Jungle Village, teure Restaurants in den beiden Resorts, in Pilgrim Sands werden nur wenig Lebensmittel angeboten.Empfehlenswert ist bei der Anreise mit dem Auto Einkauf in Mossman. Bungalows in Pilgrim Sands sind gut für Selbstversorger ausgestattet. weiterlesen schließen
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