Mehr zum Thema Deutsche Literatur Testberichte
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Pro & Kontra
Vorteile
- Für Kafkafans ein Muss: die Lebensbeschädigungen eines Menschen werden deutlich.
- fesselnd, handliches Format, guter Schreibstil
- auch heute noch aktuell
- Weltliteratur berühmtes Drama
Nachteile / Kritik
- Kafka ist nicht für jeden etwas - über Geschmack kann man sich jedoch trefflich streiten.
- nichts für Kinder
- die Sprache
- schwer zu lesen nichts für Kinder
Tests und Erfahrungsberichte
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Nathan der Weise von Gotthold Ephraim Lessing
12.06.2004, 00:40 Uhr von
Wunderblume
Hab keine Zeit mehr, Berichte zu schreiben, hab jetzt ein Medizinstudium begonnen.5Pro:
Weltliteratur, sehr unterhaltsam, viele wichtige Gedanken
Kontra:
schwierig zu lesen
Empfehlung:
Nein
Vielen dürfte Nathan der Weise als klassische Schullektüre bekannt sein. Auch ich habe es in der Schule gelesen, hatte es aber bereits vorher einmal gelesen, und muss sagen, dass es mein absolutes Lieblingsbuch ist, das uns, auch wenn es im Jahre 1779 erschien, auch heute noch eine Menge sagen kann. Besonders wenn ich höre, dass Klassenkameraden nicht wissen, ob und wo es heute noch Religionskonflikte gibt, ist es als Lektüre auch für Jugendliche sehr geeignet.
Einleitend muss man sagen, dass Lessing ein Vertreter der frühen Aufklärung war und wegen seiner Kirchenkritik einem Schreibverbot unterlag. Dieses umging er, indem er dieses dramatische Gedicht in 5 Aufzügen schrieb und die Handlung nach Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge verlegte.
Die Hauptperson ist der reiche Jude Nathan, der seine Frau und seine 7 Söhne verlor, als Christen ein jüdisches Wohnviertel anzündeten. Zuerst haderte er mit seinem Schicksal und hasste alle Christen, bis er wieder zu Verstand kam und sich der Toleranz verschrieb. Wenig später brachte ihm der Reitknecht seines christlichen Freundes dessen Tochter, die er an Kindes statt annahm. Diese, Recha, weiss nicht, dass sie adoptiert ist und hält sich für eine Jüdin. Zum Haushalt des Nathan gehört noch Daja, eine Christin, die mit einem Kreuzzug nach Jerusalem kam und ihren Mann dabei verlor.
Am Anfang des Buches kommt Nathan von einer Handelsreise wieder und muss zunächst hören, dass sein Haus gebrannt hat, was bei ihm natürlich schreckliche Erinnerungen hervorruft. Aber Daja kann ihn schnell beruhigen, da ein gefangener Tempelritter Recha aus dem Feuer rettete. Dieser Leu von Filnek wurde bei einer Schlacht gefangen genommen und als einziger vom Sultan begnadigt, da er dessen verschollenen Bruder so ähnlich sieht. Nathan eilt natürlich sofort zum Tempelherrn um ihn mit Geschenken zu überhäufen aber dieser begegnet ihm mit Abneigung und Vorurteilen.
Der Sultan Saladin selbst, ein Muslim, steckt in ziemlich großen finanziellen Schwierigkeiten, obwohl er selbst sehr genügsam ist. Eine erwartete Karawane trifft nicht ein und der Krieg gegen das Kreuzritterheer kostet viel Geld. Seine Schwester Sittah überzeugt ihn davon, durch einen Trick das Geld von Nathan zu erhalten. Sie will ihn unter Druck setzen, indem sie ihn fragt, welche Religion er für die beste hält. Er kann ja nun nicht zum Sultan, der sein weltlicher Herrscher ist, sagen, dass er das Judentum für die wahre Religion hält. Und die Antwort Nathans ist die Kernaussage des Buches, die ich hier nicht verraten möchte.
Die Haupthandlung des Buches ist eigentlich die Erziehung des Tempelherrn, Rechas und des Sultans durch Nathan. Er wendet dabei verschiedene Methoden an, freundet sich erst mit Leu und dann auch mit dem Sultan an. Aber seine Freundschaft zum Tempelherrn wird auf eine harte Probe gestellt, da dieser ihn um seine Tochter bittet und er nicht sofort zustimmt, wofür er allerdings seine Gründe hat. Durch eine Intrige Rechas kommt Nathan in arge Bedrängnis, aber am Schluss wendet sich alles zum Guten. In der großen Schlussszene wird die Verwandtschaft der drei großen Religionen deutlich gemacht.
Durch die Figur der Daja, die schon seit vielen Jahren als Gesellschafterin in Nathans Haus lebt, von seiner Toleranz aber kaum etwas angenommen hat, wird Lessings Kirchenkritik ganz stark deutlich. Mit ihrer Intrige und ihrem Bemühen, Recha wieder der christlichen Kirche zuzuführen, gefährdet sie Nathans Leben und Rechas Seelenfrieden. Sie tut das nicht aus böser Absicht sondern um Recha zu helfen, aber das gerade zeigt ja wieder die Verbohrtheit der christlichen Kirche. Eine weitere Figur, an der die Kritik deutlich wird ist der Patriarch, das Oberhaupt der Kirche in Jerusalem. Obwohl oder vielleicht gerade weil er auf engsten Raum mit Juden und Moslems zusammenlebt, ist bei ihm von Toleranz überhaupt nichts zu spüren. Saladin hat den Christen freie Religionsausübung in seinem Herrschaftsbereich gewährt und träumt von einem muslimisch-christlichen Mischstaat, begründet auf der Eheschließung von seinen Geschwistern mit den Geschwistern von Richard Löwenherz.
Das ganze Stück ist in sogenannten Blankversen geschrieben. Daran und an die altertümliche Sprache muss man sich erst mal gewöhnen, aber dann macht das Lesen richtig Spass. Ich persönlich mag den Stil sogar richtig gerne. Wenn man einige Szenen etwas übertrieben findet (so z.B. die letzte), sollte man sich noch mal vergegenwärtigen, in welcher Zeit und aus welchen Gedanken heraus das Stück entstanden ist.
Das Stück ist als Reclamheft erschienen und kostet 3,20Euro. In einem Anhang werden viele Wörter erklärt und einige Personen näher erläutert. Man sollte sich unbedingt Zeit für dieses Buch nehmen, da sehr viele interessante Gedanken darin stecken. Ich denke, dass jeder noch etwas daraus lernen kann oder sich zumindest beim Lesen einiger Passagen köstlich amüsiert. weiterlesen schließen -
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Thomas Manns Tonio Kröger: Ein Mensch wie du und ich?
28.08.2003, 12:52 Uhr von
Trinity007
Hallo! Nach ciao.com hab' ich nun also auch Yopi entdeckt ;-). Ich heiße Christine und woh...Pro:
faszinierende und spannende Geschichte, leicht zu lesen
Kontra:
nichts
Empfehlung:
Ja
Darf ich vorstellen? Tonio Kröger! Lasst euch einfach mal mitnehmen auf eine kleine Reise, die die gesamte Entwicklung von einem kleinen Jungen voller Widersprüche bis hin zu einem erwachsenen Mann, der endlich seine Identität gefunden hat, zeigt.
Aber wer ist er nun, dieser ominöse Tonio Kröger? Nun, zunächst einmal ein Mensch, dessen „tiefste und verstohlenste Liebe den Blonden und Blauäugigen, den hellen Lebendigen, den Glücklichen, Liebenswürdigen und Gewöhnlichen gehört.“
Warum? Vielleicht deshalb, weil er nie zu eben diesen gehören wird. Er ist brünett und hat braune Augen, interessiert sich mehr für Kunst und Literatur als für Sport und Reiten, ist eigentlich sein ganzes Leben hindurch nie richtig glücklich (zumindest nicht so, wie wir es heutzutage verstehen) und sicherlich auch nicht gewöhnlich.
Er ist ein Außenseiter. Ein „Mischlingskind“. Sein Vater: Der strenge Konsul Kröger, stets mit einer Feldblume im Knopfloch; seine Mutter: die feurige Consuelo, die Musik und Kunst liebt. Aber nicht nur äußerlich zeigt sich dieser Gegensatz von Verstand + Bürgertum (Vater) und Gefühl (Mutter), sondern vor allem in seinem Inneren.
Obwohl er in seinen Kinderjahren viel Spott und Hohn wegen seiner Gedichte und seiner großen Blamage in einer Tanzstunde erfahren hatte, war er dennoch glücklich, „denn damals lebte sein Herz“. War er als 14-jähriger in den blonden und blauäugigen Hans Hansen – den beliebten und lebendigen Klassenprimus – verliebt, so war es zwei Jahre später die wiederum blonde und blauäugige Ingeborg Holm, die sein Herz eroberte. Und „obgleich er genau wusste, dass die Liebe ihm viel Schmerz, Drangsal und Demütigung bringen müsse, [...], so nahm er sie doch mit Freuden auf, [...], denn er wusste, dass sie reich und lebendig mache.“
Nach dem Tod seiner Großmutter einige Jahre später verlässt er seine Heimatstadt gen Süden und feiert dort erste Erfolge als Schriftsteller, aber „sein Herz war tot und ohne Liebe“. An dieser Phrase lässt sich nun Tonios Auffassung von Künstlertum erkennen, die in einem Gespräch mit der Künstlerin Lisaweta Iwanowna (er ist nun etwas über 30 Jahre alt) noch verdeutlicht wird: „Es ist aus mit dem Künstler, sobald er Mensch wird und zu empfinden beginnt.“ Für ihn ist die Literatur nur noch ein Fluch und ein Künstler darf seiner Meinung nach weder empfinden noch sonst irgendetwas Menschliches an sich haben. Aber Lisaweta erkennt damals schon das ganze Problem Tonios und nennt ihn einen „Bürger auf Irrwegen“.
Nach diesem für Tonio vernichtenden Urteil begibt er sich in den Norden in seine Heimatstadt, wo ihn allerdings niemand mehr erkennt (was ihn allerdings auch nicht weiter stört). Nach diesem kurzen Heimataufenthalt macht er sich auf nach Aalsgaard und dort „genoss er tiefes Vergessen“ ohne jede Literatur. Als eines Tages Gäste aus Helsingör in seinem Hotel ankommen, meint er Hans und Inge wieder zu erkennen und erfährt eine Freude, wie er sie lange nicht mehr gefühlt hat.
Und so verwandelt er sich allmählich von einem stolzen und kalten Literaten zu einem Dichter mit Gefühl, wie er Lisaweta auch in einem Brief aus seinem Urlaubsort schildert. Er merkt, dass in der Mischung seiner Eltern große Möglichkeiten, aber auch große Gefahren schlummerten. Aber nun hat er ja zu sich selbst gefunden, auch wenn seine Liebe noch immer den Blonden und Blauäugigen gilt. „Sehnsucht ist darin und schwermütiger Neid und ein klein wenig Verachtung und eine ganze keusche Seligkeit.“
Und was gibt es sonst noch zu dieser Novelle zu sagen?
Sie ist meiner Meinung nach wirklich sehr leicht zu lesen (vielleicht mit Ausnahme des 4. Kapitels, dem Gespräch mit Lisaweta) und auch nicht sehr lang (73 Seiten). Also sich einfach mal eine Stunde Zeit nehmen und sich irgendwo zum Lesen zurückziehen!
Ich persönlich finde dieses Buch total faszinierend. Thomas Mann verwendet kein Wort ohne Grund und spielt so hinreißend mit Sprache, dass es wirklich ein Erlebnis ist, das alles zu lesen. Mir fielen selbst nach dem 3. oder 4. Mal Lesen noch Dinge auf, die ich früher vielleicht einfach überlesen hatte.
Die Novelle bietet vielleicht nicht so sehr Unterhaltung, aber dafür ganz viel Gefühl. Und das ist ja manchmal auch nicht das Schlechteste.
Euch allen wünsche ich viel Spaß beim Lesen!
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-08-28 10:52:02 mit dem Titel Patrick Süskind - Das Parfum: Ich hab dich zum Fressen gern...
„Ich hab’ dich zum Fressen gern!“ Wer hat das nicht schon einmal zu jemandem gesagt, ohne es wirklich wörtlich zu meinen? Was aber geschieht, wenn man das Sprichwort ernst nimmt, zeigt Patrick Süskind auf eindrucksvolle Weise in seinem Buch „Das Parfüm“.
Um was geht es in diesem Buch?
*************************
Wir schreiben den 17. Juli 1738: Jean-Baptiste Grenouille wird am „allerstinkendsten Ort“ Frankreichs mitten zwischen Fischresten geboren. Seine Mutter will ihn so schnell wie möglich verschwinden lassen, wird aber dabei erwischt und das kleine Baby vor seinem sicheren Tod gerettet, während seine Mutter eben diesem entgegensieht.
Grenouille wird von Amme zu Amme weitergereicht, nirgends bleibt er recht lange. Selbst einem Mönch jagt er nach einiger Zeit so große Angst ein, dass dieser nur noch dafür sorgt, das Kind an eine weitere Amme abgeben zu können, koste es was es wolle. Endlich findet Grenouille bei der Amme Madame Gaillard eine längerfristige Unterkunft. Diese Frau hat vor vielen Jahren ihren Geruchssinn verloren und merkt so auch nicht, dass Grenouille nicht riecht, genau die Tatsache, die alle vorherigen Bezugspersonen beunruhigt hatte. Hier zeigt sich auch der unheimliche Überlebenssinn von Grenouille: „Er war zäh wie ein resistentes Bakterium und genügsam wie ein Zeck“. Außerdem offenbart sich hier auch die Eigenschaft, die ihn zu der „genialsten und abscheulichsten Gestalt“ werden lässt: Er kann mit der Nase sehen. Er kann durch Wände Geld riechen, kann sich mit Hilfe seiner Nase ohne Probleme im Dunkeln zurechtfinden; eigentlich braucht er seine Augen gar nicht.
Als Grenouille acht Jahre alt ist, verkauft ihn seine Amme an einen Gerber und Grenouille macht sich von dort aus auf, die Geruchswelt Paris’ zu erobern. Er erkundet alle Gerüche dieser Stadt und behält sie alle in seinem Gedächtnis. Doch eines Tages wittert er einen neuen Duft und verfolgt ihn durch die ganze Stadt. Er muss diesen Duft haben, diesen Duft, der alles bisher Gerochene übertrifft und so vollkommen scheint. Doch woher kommt der Duft? Die Verfolgung findet ihr Ende bei einem jungen Mädchen, das Grenouille nun einfach so tötet, weil er ihren Geruch ganz in sich aufnehmen will. Jetzt findet Grenouilles auch seine Bestimmung: Er muss einfach der „größte Parfumeur aller Zeiten“ werden.
So gelingt es Grenouille auch nach einiger Zeit, bei einem Pariser Parfumeur unterzukommen und bei ihm die Parfumeurskunst zu erlernen. Nur wie er den Menschen ihren Duft entziehen kann lernt er nicht. Und das machte ihn schwer krank und schier wahnsinnig. Sollte er sein großes Ziel nicht erreichen?
Doch Baldini, sein Lehrmeister, erweckt ihn wieder zum Leben: Im Süden könnte Grenouille noch andere Methoden lernen, auch wie man einem Körper seinen Geruch nimmt.
Bevor sich Grenouille aber endgültig nach Grasse begibt, zieht er sich für 7 lange Jahre in die Berge, in das Massiv Central, zurück. In einer kleinen Grube an einer sehr entlegenen Stelle, die noch kein Mensch vor ihm betreten hat, schlägt er sein Lager auf. Er gibt sich dort den himmlischsten Duftträumen hin und Grenouille zeigt sich als wahres Genie. Er kreiert aus den Abermillionen von Gerüchen, die er alle in seinem Kopf hat, immer wieder neue Düfte, ordnet sie und kehrt nur für das Allernötigste in die Realität zurück. Doch dann ergreift ihn plötzlich die große Ernüchterung: Er merkt, dass er selbst nicht riecht. Eine Welt bricht für ihn zusammen und er hat Angst, „über sich selbst nicht Bescheid zu wissen“. Er, der alle Menschen nach ihrem Geruch einordnet, verliert im Grunde sein eigenes Ich.
Nach dieser Erkenntnis macht er sich auf nach Montpellier und wird sich dort bewusst, dass er die Leute allein durch einen bestimmten Geruch ganz nach seinem Willen steuern kann. Er schafft sich einen menschlichen Geruch und zum ersten Mal in seinem Leben wird er von den Menschen auf der Straße beachtet; er ist nicht mehr unsichtbar für sie und das erfüllt ihn mit großem Stolz.
Nichtsdestotrotz setzt er nach einigen Wochen seine Reise fort und begibt sich nach Grasse. Er kommt bei einem Parfumeurbetrieb unter und eignet sich hier auch die für ihn nötige Methode an, um einem Menschen seinen Duft zu rauben. Aber den Duft welcher Menschen will er überhaupt?
Der Menschen, „die Liebe inspirieren“. Und einen solchen Menschen findet er auch in Grasse wieder, ein junges Mädchen –Fleur mit Namen-, deren Duft dem in Paris entspricht. Doch diesmal geht er klüger vor: Er muss den Geruch „fassen wie den kostbarsten Edelstein“ und dazu muss er zunächst einmal einen „Duftrahmen“ schaffen . Das Töten beginnt: 24 junge Mädchen müssen in den nächsten Monaten ihr Leben lassen, das ganze Land wird in Angst und Schrecken versetzt, doch der Mörder bleibt verborgen.
Nur der Vater von Fleur durchschaut ein wenig das Spiel von Grenouille und versucht seine Tochter in Sicherheit zu bringen. Er weiß, dass sie das eigentliche Ziel des Mörders ist, und flieht vor ihm. Doch ohne Erfolg. Grenouille raubt den Duft des Mädchens und schafft sich (s)einen „Duftdiamanten“. Kurz darauf wird Grenouille verhaftet und zum Tode verurteilt. Doch die Geschichte ist noch längst nicht vorbei. Aber wie’s weitergeht, müsst ihr jetzt schon selbst herausfinden... Ihr werdet sicherlich überrascht sein!
Meine Meinung zum Buch
*********************
„Das Parfüm“ gehört zu meinen absoluten Lieblingsbüchern.
Vor etwa vier Jahren las ich es zum ersten Mal. Es faszinierte mich vom ersten Moment an. Hier wird die Lebensgeschichte eines Mannes dargestellt von seinem ersten Atemzug bis zu seinem Tod. Ich fand das Buch leicht verständlich und auch nicht allzu schwer zu lesen. Die einzige Stelle, die nach meinem Empfinden etwas langatmig wirkt, ist Grenouilles Aufenthalt im Massiv Central. Auch wenn ich mich damals nicht recht näher mit dem Inhalt auseinander setzte, lies mich Süskinds Idee, einen Menschen mit einer solch herausragenden Fähigkeit zu erschaffen, dennoch nicht mehr los.
Dann lasen wir das Buch heuer zum Abschluss von zwei Deutsch-LK-Jahren. Und ich machte eine überraschende Entdeckung, die das Buch für mich nur noch besser machte: „Das Parfüm“ ist eine literarische Schatzkiste. Man findet Motive aus den verschiedensten Epochen und Werken. Süßkind zitiert fast wörtlich Nietzsche („Also sprach der Große Grenouille...“) oder auch aus der Schöpfungsgeschichte: „Da gebot der Große Grenouille Einhalt dem Regen. Und es geschah. [...]. Und der Große Grenouille sah, dass es gut war, sehr, sehr gut.“
Interessant finde ich, dass die Morde so völlig in den Hintergrund treten. Ja, man empfindet beinahe Verständnis für Grenouille, er muss schließlich töten, um sein Ziel zu erreichen. Man darf nicht vergessen, er ermordet insgesamt 26 Mädchen, doch aus dem Buch wird kein Kriminalroman im eigentlichen Sinne. Man ist viel zu sehr von der außergewöhnlichen Fähigkeit Grenouilles fasziniert, als dass man ihn wirklich für die ganzen Morde verurteilen könnte. So ist es mir zumindest ergangen.
Was ich aber so wirklich von Grenouille halten soll, weiß ich bisher noch nicht so genau. Er war zwar immer der Außenseiter und wurde von allen verstoßen, aber trotzdem empfand ich nie wirkliches Mitleid für ihn. Freilich hat es zunächst den Anschein, als würden ihn die Leute nur ausbeuten, aber im Grunde schlägt er aus allem seinen eigenen Nutzen. Auch fehlt ihm meiner Meinung nach von Anfang an die kindliche „Unschuld“, die Babys ja eigen ist. Doch vor diesem kleinen Baby hat der Pater einfach nur Angst.
Auch zeigt der Roman, wie schnell Menschen immer wieder beeinflusst werden können und ihre Vernunft ausschalten. Und das erschreckt mich. Da ich den Schluss ja offen gelassen habe, kann ich hier nicht recht viel mehr schreiben, aber vielleicht ein anderes Beispiel aus der Mitte des Buches nehmen (auch wenn dies nicht ganz so drastisch ist): Grenouille schafft sich während seines Aufenthaltes in Grasse die verschiedensten Gerüche. Will er beachtet werden, trägt er einen anderen Duft auf, als wenn er Mitleid erregen will. Und die Leute verhalten sich dann auch wirklich so, wie Grenouille es erwartet. Er übt die ganze Macht über sie aus und keiner kann sich seines Einflusses erwehren. Vielleicht auch deshalb, weil niemand darüber Bescheid weiß... weiterlesen schließen -
E.T.A Hoffmann; seine 5 Meisterwerke
10.06.2003, 12:05 Uhr von
indra
Hallo ihr Lieben! Freue mich über jede Lesung, Bewertung und Nachricht! Gegenlesungen sind Ehrens...Pro:
spannend, eine ganz andere "Sicht" der Welt
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
************DAS FRÄULEIN VON SCUDERIE*********
Das Fräulein von Scuderi ist ein Roman aus der Zeit Ludwig XIV (17. Jhd.). Wer E.T.A. Hoffmann kennt, der weiß jedoch, dass man hier mit keinem Hof-&Königsroman zu rechnen hat.
Schauplatz des Geschehens ist Paris. Eine Reihe von grausamen Raub- & Giftmorden setzten die Bewohner von Paris in Angst und Schrecken. Besonders der Fakt, dass die Opfer stets Schmuck für ihre Geliebten bei sich hatten, sorgt für Verwirrung.
Eher unfreiwillig begibt sich ein Detektiv auf die Suche nach einer Aufklärung der Todesfälle. Allerdings ist er kein kleiner & dunkel gekleideter Mann, kein Sherlock Holmes. Eine alte Dame- höchst wohlhabend- beginnt die Suche nach Gerechtigkeit und Aufklärung: das Fräulein von Scuderi. Sie besticht durch ihre Objektivität und höchst vornehme und einvernehmliche Art zu Reden.
*Wie wird das Fräulein von Scuderi in den Fall verwickelt?
Hoffmanns Bücher bestechen durch ihre Spannung und das Verschwimmen von Phantasie und Wirklichkeit, daher soll nicht zuviel verraten werden...
Während einer dunklen, verregneten Nacht ist die Zofe Mariniere als einzige Angestellte im Haus. Als das Fräulein von Scuderi schon schläft, steht ein unheimlicher, verhüllter Mann vor der Tür der mit aller Gewalt zur Scuderi eintreten möchte. Als die ängstliche Haushälterin standhaft bleibt und sich und das Fräulein verteidigt, überlässt er ihr ein Kästchen, dass die Scuderi auf alle Fälle erhalten soll.
Die Angst im Nacken, ob es nicht mit Giftgas gefüllt sein könnte öffnet die Scuderi das Kästchen und entdeckt einen unvergleichlichen Schmuck.
Wie sich herausstellt, kann der Schmuck nur vom besten Goldschmied aller Zeiten- René Cardillac- stammen kann.
Einige Monate später fährt die Scuderie mit der Zofe in ihrer Kutsche durch Paris.
Plötzlich taucht ein Mann auf, der in die Kutsche springt, der Scuderi einen Zettel zuwirft und wieder vom Erdboden verschwindet.
Die Mariniere erkennt ihn: Es ist der dunkle Mann, der das Kästchen brachte....
Er verlangt, dass die Scuderie bis zum nächsten Tag den Schmuck zu Cardillac bringt, es gehe um Leben und Tod.
*Die Nebenrolle
Besonders hervorzuheben ist die "Nebenrolle" des Goldschmiedes Cardillac. Hoffmann stellt in beeindruckender Art und Weise die Charakterzüge eines Genies dar. Cardillacs Genie treibt ihn selbst fast zum Wahnsinn.
Er ist fähig, den perfektesten und schönsten Schmuck aller Zeiten zu fertigen. Sobald der Auftraggeber das Geschmeide abholen möchte, gibt Cardillac es nicht gern her.
Er weigert sich fast, selbst, wenn der Auftraggeber ihm ein vielfaches des Preises bietet. Plötzlich sei der Schmuck noch nicht fertig, nicht gut genug und müsse wieder eingeschmolzen werden.
*Fazit
Eigentlich bin ich kein Krimi-Fan, aber als E.T.A. Hoffmann-Liebhaber habe ich das Buch einfach mal ausprobiert...und war begeistert.
Als Meister des Gespenstigen schafft er es, durch den ganzen Roman eine dürstere, bedrückende Atmosphäre zu ziehen. Die Morde werden nicht blutig beschrieben, sondern eher mit wenigen aber bedrückenden Worten (die sagen oft mehr).
Durch fantastische und nicht nachvollziehbare Ereignisse wird eine Spannung erzeugt, die den Atem anhalten lässt. Z.B. verschwindet der mögliche Mörder bei einer Verfolgung urplötzlich in der Hauswand.
Das Fräulein von Scuderi erweckte bei mir zwiespältige Gefühle. Für moderne Menschen wie uns klingt es schon seltsam, eine alte, ehrwürdige Dame als ?Fräulein? bezeichnet zu sehen. Dieser rethorische Zwiespalt spiegelt sich auch in ihrem Verhalten wieder. Mal macht sie einen fast kindlich anmutenden, etwas naiven Eindruck und plötzlich ist sie die alles durchschauende D.etektivin.
Kurz: wieder einmal ein fantastisches Werk E.T.A.- Hoffmanns.
Reclam-Verlag
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-04-07 15:34:02 mit dem Titel E.T.A.Hoffmann "Die Elexiere des Teufels" - der helle Wahnsinn
Hallo ihr Yopianer,
Ich bin seit meiner Abi-Zeit ein riesiger E.T.A. Hoffmann-Fan. Meine Sammlung wächst im grunde jeden Monat ein wenig. Meine neueste Errungenschaft ist "Die Elexiere des Teufels", das angeblich beste Buch (neben der Sandmann) von Hoffmann. Oh ja, wie wahr.
Nachdem meine ersten Bücher "Der Sandmann" und "Das Fräulein von Scuderi" vor Spannung, Überraschung und gespenstischer Atmosphäre fast explodierten, war ich von den nachfolgenden Büchern wie "Klein Zaches" oder "Don Juan" eher enttäuscht. Es fehlte das unerwartete Grauen, das Hoffmann ausmacht.
Mit den Elixieren des Teufels wurden meine Beschwerden jedoch komplett ausgelöscht.
Interessant, hochspannend und unheimlich erzählt Hoffmann die Geschichte des Mönches Medardus.
Hoffmanns Werk (so muss man es wirklich nennen) erschien 1815/1816, nach einer für ihn sehr schweren Zeit. Er hatte seine Stelle als preußischer Regierungsrat und Kapellmeister verloren, war dadurch gezwungen von einer minimalen Erbschaft zu leben.
Vielleicht sind diese Aspekte genau der ausschlaggebende Punkt für dieses gespenstische Werk. Vielleicht war das sein künstlerisches Sprachrohr.
**********Die Handlung***************
Der Mönch Medardus ist ein imponierender Redner seiner Zeit. Er wird überall gepriesen und erfährt die höchsten Belobigungen. Plötzlich verliert er seine Gabe der Redegewandtheit. Aus Verzweiflung greift er schließlich zu den Elixieren des Teufels, die er in einer Reliquienkammer gefunden hat; stets in Unsicherheit, was mit ihm passieren wird.
Den Preis, den er für seine Verzweiflungstat zahlen muss, ist unmenschlich hoch.
Medardus verlässt das Kloster. Langsam ergreifen ihn Wahnvorstellungen und Angstzustände mit unglaublicher Kraft. Er ist von einer dunklen Macht besessen, die ihn, seinen Verstand und sein Leben in die völlige Verzweiflung treiben. Alles, was er anfängt, jeder auf den er auf seiner Reise trifft, entwickelt sich zu einer Katastrophe, wie sie schlimmer kaum sein kann. Medardus wird von einer ihn umgebenen schwarzen Wolke verfolgt, die nicht von ihm weichten will.
Zusätzlich verfällt Medardus der unsterblichen Liebe zu einer Phantasiegestalt, die ihm immer wieder vor Augentritt. In seinem Wahn sieht er diese Gestalt als die Heilige Maria, was seine ohnehin schon zerreissende Liebe noch stärker werden lässt.
Nach langer, verzweifelter Suche nach seiner Phantastischen Liebe, stets gefolgt von Angst, Wahn und Schmerz, findet er seine Liebe. Maria entpuppt sich als ein Mädchen namens Aurelie. Doch bevor Medardus und sie sich näher kommen, erblickt sie den dunklen, bedrohlichen Schleier, der den Mönch umgibt.
Es entwickelt sich eine bedrückende, spannende Geschichte zwischen dem Mönch Medardus, der nunmehr das Werkzeug des Teufels geworden ist, und der antithetischen Aurelie, die ein Sinnbild Gottes darstellt.
**********Fazit*********************
Nach dem "Sandmann" hat sich binnen kürzester Zeit dieses Buch für mich zum absoluten Lieblingsbuch von Hoffmann entwickelt.
Die Abgründe der Menschheit, der ewige Kampf zwischen Himmel und Hölle werden hier in einer atemberaubenden, beängstigenden Stimmung dargestellt, dass selbst ein E.A. Poe dies nicht nachmachen könnte.
Auch wenn es für Hoffmann-Neulinge zu Beginn schwer ist, sich in die doch etwas altertümliche Weise zu schreiben hineinzuversetzen, so trägt meiner Meinung nach genau diese "altbackene" Rhetorik und Ausdrucksweise zu der klösterlich, düsteren Stimmung der Geschichte bei.
Man fühle sich hinein versetzt in eine geheimnisvolle Zeit und fühlt beim Lesen in Ruhe, jede Angst, jede Verwirrung, als wäre man selber Medardus.
Besser als jeder Gruselfilm!!!
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-04-07 15:39:53 mit dem Titel E.T.A. Hoffmann "KLein Zaches genannt Zinnober" - romantischer Terror
Nachdem ich mir in meinem Bericht über "Die Elexiere des Teufels" das Lästern über "Klein Zaches genannt Zinnober" nicht verkneifen konnte, muss ich Euch jetzt erklären, wirso ich der Ansicht bin.
Als ich vor einigen Monaten mal wieder nach einem neuen Hoffmann Roman stöberte Im Buchladen begegnete mir das Reclam-Heft "Klein Zachen genannt Zinnober". Ein ganz schöner Zungenbrecher, dieser Titel. Aber genau das löste eine Neugier bei mir aus, wie ich sie selten bei einem Buchtitel hatte...
Klein Zaches genannt Zinnober ist ein Märchen aus dem 19. Jahrhundert. Typisch E.T.A. Hoffmann und typisch romantische Literatur.
**********Die Handlung:***********
Die arme Bauersfrau Liese beklagt ihr Schicksal, dass sie und ihr Mann als einzige im Dorf in Armut leben müssen. Die grösste Last ist ihr dabei ihr Sohn Klein Zaches, eine hässliche Missgeburt: klein, bucklig und hässlich. Die Fee Rosenschön begegnet ihr und hilft. Der abgrundtief hässliche Klein Zaches erscheint nun dem Pfarrer als überaus hübsch, so dass er diesen zur Erziehung übernimmt.
Die Fee Rosenschön, eigentlich Rosabelverde, ist schon sehr alt. Das Land, in dem sie wohnt und in dem dieses Märchen spielt, war vor langer Zeit unter der Regierung des Demetrius das romantische Paradies schlechthin. Demetrius' Nachfolger Paphnutius führte dann aber die ,Aufklärung' ein, d.h. er liess die Natur ausbeuten und vertrieb die Feen aus dem Land.
Balthasar, ein junger Student (wie er in den meisten Hoffmann-Büchern auftaucht) geht nach den Vorlesungen des Professors Mosch Terpin hinaus in die Natur. Fabian, sein Freund, begleitet ihn zwar, das Geheimnis der Waldeinsamkeit versteht er aber nicht ganz. Balthasar ist ein typischer Romantiker mit Sinn für die Geheimnisse der Natur.
Eines Tages begegnen sie dem Zinnober, wie er verzweifelt versucht auf ein für ihn zu großes Pferd zu steigen. Fabian macht sich wegen seines Äusseren über ihn lustig. Balthasar dagegen versucht, ihm auf sein riesiges Pferd zu helfen. Der Zinnober reagiert darauf allerdings höchst agressiv und schreit schrill auf.
Balthasar ist in das Mädchen Candida verliebt. Während einer Tee-Einladung ihres Vaters Mosh Terpentin erscheinen auch Fabian und Zinnober. Fabian trägt ein wunderschönes Gedicht vor, doch Zinnober erntet all das Lob, das Fabian zusteht. Candida wirft sich an Zinnober und küsst ihn dafür.
Balthasar flieht vor Entsetzen in den Wald und ist nun fest entschlossen, den Zauber des Zinnobers zu brechen. Er erkennt, dass der häßliche Zinnober in den Augen der anderen alle von anderen erbrachten Leistungen und Schönheiten für sich vereint. Er kann nichts, und steckt sich dennoch alles Lob ein.
Es treten immer neue Opfer auf, die z.B. einen grandiosen Vortrag gehalten haben, das Publikum aber Zinnober zu Füßen lag.
Zinnober macht durch seine Beeinflussung politische Karriere.
Balthasar versucht verzweifelt, seine Umwelt über Zinnobers bösen Zauber aufzuklären, wird aber aus Unglaube aus der Stadt verbannt.
Seine Candida ist abgöttisch in Zinnober verliebt. Das treibt Balthasar fast in den Wahnsinn...
Ob und wie sich die Geschichte weiterentwickelt, wird nicht verraten. Nur soviel: von Grausamkeiten, Psychoterror, Zauber und Mystik bekommt jeder seinen Teil, den er verdient.
**********Fazit:***********
"Klein Zaches genannt Zinnober" ist ein typisches Hoffmann-Werk. Mit etwas über 100 Seiten ist es jedoch für ein Reclamheft schon ein ganz schöner "Wälzer".
Für mich war es zwar unterhaltsam, aber nicht wirklich abwechslungsreich. Die nachfolgenden Handlungen der Protagonisten sind in 90 % der Fälle vorhersehbar, so dass der beengende Zauber aus Hoffmanns Büchern ziemlich untergeht. Die typischen Überraschungen und Wendungen in der Handlung sind hier kaum vorhanden. Es fehlt also das, was E.T.A. Hoffmann sonst auszeichnet. Ausserdem zieht sich die Handlung in manchen Passagen wie ein kaugummi in die Länge. Es langweilt!
Meiner Meinung nach, eines der schlechtesten Hoffmann-Bücher.
Ihr seht, auch der größte Hoffmann-Fan kann über sein Buch nörgeln.
Reclam-Heft
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-04-09 13:06:23 mit dem Titel E.T.A. Hoffmann "Der Sandmann": das ist der helle Wahnsinn!
So, nachdem ich euch von diversen E.T.A. Hoffmann-Büchern erzählt habe, komme ich nun zu dem Buch, dass in mir die Versessenheit auf Hoffmann ausgelöst hat: DER SANDMANN!
Natürlich kommt ein normaler (damals noch) Jugendlicher nicht auf die spontane Idee: „Hey, heute lese ich mal ein Buch aus dem 19. Jhd!“. Nein, in den meisten Fällen hat man eine allseits geliebte Deutschlehrerin, die auf diese glorreiche Idee kommt.
So auch bei mir! Kurz vor dem Abi fiel meiner LK-Lehrerein ein, dass man doch noch Hoffmann lesen könne.
Um ehrlich zu sein, habe ich bei den ersten Seiten nur verständnislos dagesessen, und mir überlegt, wie ein einziger Mensch so dermaßen beknackte Dinge schreiben kann. Aber nach und nach begeisterte es mich immer mehr.
„Der Sandmann“ ist die wohl berühmteste Novelle von E.T.A. Hoffmann. Als Reclam-Heft ist sie die Länge wirklich gut zu überschauen. Ich glaube es sind in etwa 80 Seiten.
*****Die Handlung*****
Als Nathanael noch ein kleiner Junge war, wurde er von seinem Vater oft früh ins Bett geschickt, weil der Sandmann kam. Für Nathanael war der Sandmann eine dunkle Schreckensgestalt, vor dem er wahnsinnige Angst hatte. Eines Abends entdeckt Nathanael, dass der Sandmann stets zu seinem Vater ins Büro geht. Aus Neugier versteckt sich Nathanael beim nächsten Treffen der Männer im Büro seines Vaters, um den Sandmann einmal zu Gesicht zu bekommen.
Der so genannte Sandmann ist ein dunkler Mann namens Coppelius, der mit seinem Vater alchemistische, geheime Experimente durchführt. Coppelius entdeckt den jungen jedoch und tobt vor Wut. Er misshandelt Nathanael und will ihm die Augen ausstechen.Er kann nur durch den Einsatz seines Vaters beruhigt werden, der ihn anfleht, seinen Sohn zu verschonen.
Als der Sandmann das nächste Mal kommt, stirbt Nathanaels Vater auf mysteriöse Weise im Ofen...
Die Angst vor Coppelius, dem Sandmann verfolgt ihn nun sein Leben lang.
Als junger Erwachsener studiert Nathanael. Als er die Tochter seines Professors – Olympia - das erste Mal erblickt, verliebt er sich unmenschlich in sie, obwohl er mit Clara verlobt ist. Nathanael bewohnt eine Wohnung direkt gegenüber des Professors, so dass er täglich vor dem Fenster sitzt und Olympia bewundert.
Eines Tages bekommt Nathanael Besuch von dem Brillenschleifer Copalla, in dem er Coppelius zu erkennen glaubt. Copalla will ihm Augengläser verkaufen, durch die er Olympia besser sehen kann. Stets sagt er die Worte: „Schöne Oke, schöne oke“.
Allerdings verändert sich Nathanael seit dem. Sein Blick ist getrübt, er verlässt ganz der Realität, steht neben sich.
Als der Professor ein Fest veranstaltet, um Olympia in die Gesellschaft einzuführen, ist Nathanael der einzige, der sich um sie kümmert. Er tanzt und redet den ganzen Abend mit ihr. Bemerkt aber in seiner Liebeswut nicht, dass Olympia sich ganz steif bewegt, stets nur leise „Ach!“ sagt und einen starren, leeren Blick hat.
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ACHTUNG: Wer den Schluss nicht erfahren will, sollte hier jetzt aufhören zu lesen!
Einige Zeit später beobachtet Nathanael von seinem Fenster aus einen Streit zwischen dem Professor und dem Brillenschleifer Copalla. Copalla stielt Olympia! Erst jetzt bemerkt Nathanael, dass Olympia eine mechanische Puppe ist, in die er sich durch seinen getrübten Blick verliebt hat.
Nathanael steht unter Schock und wird von seiner Verlobten in seine Heimat gebracht, wo er gepflegt werden soll.
Nathanael erholt sich bald. Beide gehen zu einem Aussichtsturm, um sich die Landschaft anzusehen. Vor dort aus erblickt Nathanael plötzlich Coppelius und dreht durch. Er will Clara in die Tiefe werfen, wird aber in letzter Sekunde von einem Freund aufgehalten.
Nathanael jedoch hält die Angst nicht aus und springt selber in die Tiefe...
***Der Stil***
Die Novelle ist in verschiedenen Erzählstilen geschrieben. Zu Beginn verfolgt der Leser Briefe von Nathanael, Clara und seinem Freund Lothar, in denen die Ereignisse der Kindheit erzählt und vor allem von Clara für unwichtig erklärt werden.
Die zweite Hälfte der Novelle wird von einer Aussenstehenden Person erzählt, die die Ereignisse objektiv und somit noch verworrener und geheimnisvoller darstellt, als es die Briefe tun.
Ab und an tauchen Worte oder Satzstellungen auf, die heute nicht mehr geläufig sind – eben die Sprache des 19. Jhd. Das behindert ein wenig beim Lesen, macht aber auf der anderen Seite das Geheimnisvolle der Geschichte noch düsterer.
***Mein Fazit***
Der Sandmann ist zu Recht das berühmteste Buch von Hoffmann. Die Realität verschwimmt mit der Unwirklichkeit. Der Leser weiß selber irgendwann nicht mehr, was nun wahr und was Nathanaels Einbildung ist. Die Spannung der Mysteriösen wird bis zur letzten Seite gewahrt.
Durch das Unhappy-End erhält sich die bedrückende Stimmung selbst noch einige Zeit, wenn man das Buch durchgelesen hat.
Ich persönlich hätte es nach der letzten Seite am liebsten direkt noch einmal angefangen zu lesen (aber die restliche Abitur-Lektüre hielt mich davon ab).
Ein „Wahnsinns“ Buch, im wahrsten Sinne des Wortes!
Infos:
Raclam-Heft
ca. 3 €
------------------------------------------------------HINTERGRUNDWISSEN---------------
Erklärung des bösen Sandmannes
Eine inhaltliche Angabe von Hoffmanns „Der Sandmann“ habe ich euch ja schon gegeben (siehe Bericht). Stattdessen erwartet euch jetzt eine möglicherweise wichtige Hintergrund-Information zum Thema "Sandmann", die meinem Verständnis zum Buch im Nachhinein sehr weit geholfen hat.
*Kurz und knapp: Der Inhalt*
Der kleine Nathanael hat als Kind große Angst vor dem Sandmann. Angeblich streut er den Kindern Sand in die Augen, bis sie irgendwann heraus platzen.
Eines Abends beobachtet er seinen Vater und einen gewissen Advokaten Coppelius bei alchemistischen Experimenten. Coppelius entdeckt ihn und will ihm zur Strafe die Augen ausstechen. Der Vater schreitet jedoch rechtzeitig ein. Zur Strafe wird der Vater einige Zeit später von Coppelius im Ofen verbrannt.
Es wird der Eindruck erweckt, dass Coppelius den bösen Sandmann personifiziert.
Jahre später- Nathanael ist erwachsen- tauscht Coppelius wieder auf. Er verkauft Nathanael ein Fernglas, dass seinen Blick trügt und das Unglück nimmt seinen lauf....
*Die große Frage*
Das ganze Buch hindurch taucht Coppelius als personifizierter Sandmann immer mit anderen Namen auf. Stets als grausamer Bösewicht. Darüber hinaus spielen die Augen die Rolle des grausamen Hauptmotives (sie platzen heraus, sollen ausgestochen werden oder täuschen einem etwas vor).
Ich habe mich beim Lesen oft gefragt:
*#*#*# WIESO IST DER SANDMANN EIGENTLICH SO BÖSE DAGESTELLT? *#*#*#
Die Frage hat mir keine Ruhe gelassen, schließlich sind die Geschichten vom Sandmännchen doch alle so liebenswürdig...das liebe SandMÄNNCHEN & der böse SandMANN???
*Die Erklärung*
Um das Mittelalter herum gab es einen Beruf names „Kessler“. Aufgabe war es, die großen Kessel zu säubern und abzuschaben. Das Werkzeug dazu war wahrscheinlich Sandstein oder ähnliches. Daher sollen sie auch Sandmänner genannt worden sein.
Laut diverser Quellen hatten diese Kessler das Schicksal, nach ihrer Arbeit stets höllisch brennende und verquollene Augen vom Ruß und Sand zu haben. Teils soll es so schlimm gewesen sein, dass Kessler irgendwann erblindeten.
Aus Neid auf die „gesunde“ Bevölkerung sollen sie sich nachts in fremde Häuser geschlichen haben. Sie schlichen sich an den Schlafenden heran und stachen ihm die Augen aus um ihr Leid nicht alleine tragen zu müssen.
Später hieß es, dass sie soviel Sand in die Augen streuten, bis die Leute nichts mehr sehen konnten.
Im 20. Jahrhundert trat dann eine ?jugendfreie? und liebe Variante des Sandmännchens auf , dessen Sand den Kindern die Träume bringt.
Ob die ganze Geschichte eine Tatsache ist oder nur eine Legende, weiß ich leider nicht. Sie erklärt jedenfalls, dass Hoffmanns „grausamer“ Sandmann geschichtlich begründet ist und hilft Dir, lieben Leser, hoffentlich weiter (egal ob zum Buch-Verständnis oder zum Allgemeinwissen).
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-05-28 13:07:19 mit dem Titel E.T.A. Hoffmann "Der goldene Topf": von Schlangen, Salamendern und Angst
Hallo yopis!
Ich hab im Urlaub wieder mal ein neues Hoffmann-Buch gelesen. Das war eine so aussergewöhnliche Story, dass ich die gleich der yopi-Welt mitteilen muss.
***Vorab***
Hoffmanns Buch „Der goldene Topf“ erschien 1814. Es war der 3. Band in den sog. „Fantasiestücken“ von Hoffmann.
In „Der goldene Topf“ wird Hoffmanns Stil der Romantik von allen Büchern am Deutlichsten. Das Buch hat den Zusatz „Ein Märchen aus neuer Zeit“. Tatsächlich ist es ein wahrhaftes Märchen. Auf der einen Seite sind die Ereignisse feenhaft und mystisch, auf der anderen Seite grausam und beängstigend.
Wie in allen seiner Bücher verschwimmen Realität und Fantasie auf solch verworrene Weise, dass weder die Hauptcharaktere, noch der geneigte Leser Tatsache und Phantasie auseinander halten können.
***Die Handlung***
„Der goldene Topf“ handelt von dem furchtbar ungeschickten Studenten Anselmus. Kaum einer nimmt ihn für voll, denn er ist in Zeiten des ausgelebten Realismus ein wahrer Träumer und Fantast.
Eines Abends, es ist glaube ich der Himmelfahrtstag, sitzt Anselmus an einem Holunderbuch und schaut auf die Elbe. Plötzlich erblickt er 3 Schlangen, die in grün-goldenen Farben leuchten und ein hypnotisches Lied singen. In diesem Moment wird in Anselmus ein unerträgliches Verlangen nach den Schlangen wach, dass er jedoch unterdrücken muss, da er in Gesellschaft von Konrektor Paulmann und seiner schönen Tochter Veronika ist.
Bald begegnet Anselmus einem seltsamen Archivarius. Er heißt Lindhorst und stellt Anselmus, trotz seines Ungeschicks ein, arabische und koptische Manuskripte und Schriften zu übersetzen und ordentlich abzuschreiben. Auf die Schönschrift legt Lindhorst extremen Wert. Er verbietet Anselmus vehement, einen Tintenklecks auf das Papier zu bringen, ja er droht ihm sogar. Obwohl Anselmus ein furchtbarer Trottel ist, legt er bei der Arbeit ein ungewöhnliches Geschick an den Tag; es passiert nichts.
Während seiner Übersetzerarbeit im Archiv des Lindhorst, erleidet Anselmus wieder neue Phantasma, die stetig immer stärker werden. Durch den Archivarius erfährt Anselmus, dass die 3 Schlangen seine eigenen, verwandelten Töchter sind. Anselmus muss zugestehen, dass er sich in die älteste Schlange, Serpentina, verliebt hat.
Als Anselmus eines Tages im Zaubergarten des Archivarius spaziert, erblickt er Serpentina wieder, die ständig ihre Gestalt zwischen Mädchen und Schlange wechselt. Das treibt seine fast unerträgliche Liebe zu ihr nur noch weiter an. Im garten fällt Anselmus auch der goldene Topf auf. Er ist Serpentinas Mitgift. Beim Blick in den Topf erkennt Anselmus allerhand seltsame, zauberhafte Wesen; inmitten von ihnen er selbst.
Serpentina erzählt ihm die wahre Geschichte über den Archivarius Lindhorst. Er ist ein Salamander, der in grauer Vorzeit aufgrund eines Verbrechens so lange aus Atlantis verbannt wurde, bis seine Töchter (die Schlangen) heiraten.
Die Tochter des Konrektors Paulmann ist indessen in Anselmus verliebt. Sie ist eine wahre Realistin und glaubt weder an Anselmus fantastische Erzählungen, noch akzeptiert sie sie. Mit Hilfe einer Hexe versucht Veronika Anselmus von der Phantasie wegzubringen und wieder zu einem normalen Alltagsmenschen zu machen.
Der Hexenzauber wirkt und Anselmus reagiert auf die seltsam fantastischen Dinge, die er erlebte nur noch abgestossen und unverständig.
Anselmus verliert nicht nur seine Phantasie, sondern auch sein Geschick für das ordentliche Übersetzen der Lindhorst-Schriften. Er verschmutzt eines der Schriftstücke des Archivarius und wird von ihm in eine Kristallflasche eingesperrt („Ins Kristall, ins Kristall jetzt dein Fall“). Erst hier erkennt Anselmus, wie bedrückend und einengend das bürgerliche Leben mit Veronika ist. Es ist eng wie die Flasche. Er gewinnt wieder an Poesie und Phantasie...
danach passiert noch eine ganze Menge, die Geschichte erlangt seinen Höhepunkt. Aber diesen, sowie das Ende verrate ich nicht. Ihr sollt ja schließlich wenigstens etwas Neues beim Lesen erfahren *grins*.
***Hintergrund***
In „Der goldene Topf“ wird durch den Zwiespalt Anselmus’ der damalige Zwist in der Gesellschaft wiedergespiegelt. Auf der einen Seite gab es die bürgerlichen Realisten, auf der anderen die Romantiker; die Träumer und Fantasten.
Die Gegensätze von der märchenhaften Serpentine und der bürgerlichen Viktoria sind symptomatisch für die Gesellschaft.
***Fazit***
Obwohl die Personen für den heutigen Leser höchst absurd sind (Lindorst ist ein Salamander, Serpentina eine Schlange in die sich tatsächlich jmd. verliebt und Anselmus steckt plötzlich in ner Flasche), werden diese absurden Handlungen so eng in die Geschichte eingebaut, dass man zweifelt, ob es wirklich nur Täuschung ist.
Bemerkenswert finde ich bei Hoffmann immer wieder; und vor allem hier, dass er sich direkt an den Leser wendet. So wird man von ihm mit „geneigter Leser“ angesprochen und gleich zu Anfang aufgefordert, sich in Anselmus hineinzuversetzen. Besonders zum Ende des Buches greift Hoffmann selber in das Geschehen ein. Er redet persönlich mit Lindhorst und gesteht sich seine eigene Beschränktheit gegenüber Anselmus ein. Hoffmann sagt irgendwann sogar, dass er gerne mal in Atlantis wäre. Dieses Reden mit dem Leser ist ebenfalls eine herausragende Eigenart seiner Bücher. Man fühlt sich, als wäre man selber in einer anderen, märchenhaften Welt.
An Absurdität und Verwirrung ist dies sicher das ausgeprägteste Buch Hoffmanns (total beknackt möchte ich meinen). Man muss es einfach gelesen haben!
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morla, 18.06.2008, 17:48 Uhr
Bewertung: besonders wertvoll
wünsche dir einen sonnigen mittwoch lg. petra
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Das Boot / Lothar-Günther Buchheim
14.05.2003, 21:36 Uhr von
Tut_Ench_Amun
Der virtuelle Pharao existiert nun schon seit über 10 Jahren und macht das Netz mit seinem Geschr...Pro:
Einige durchaus interessante Passagen, stimmungsvoll
Kontra:
Zu sehr in die Länge gezogen
Empfehlung:
Ja
Wohl kaum jemand kennt ihn nicht, einen der bedeutendsten Filme der deutschen Geschichte, der sogar international Anerkennung fand, die Rede ist natürlich von „Das Boot“, dessen Verfilmung von Lothar-Günther Buchheims Roman über das U-Boot U96 so manchem Schauspieler den wohlverdienten Durchbruch verschaffte. Doch besser als der Film ist meist...na was? Klar, das Buch natürlich!... In Kontakt mit dem Stoff kam ich wie die meisten anderen auch durch den besagten Film und das bereits im zarten Schulalter, als der dreiteilige Fernsehfilm (zu je etwa 2 Stunden) erstmals 1982 in den dritten Programmen über die Schirme flimmerte. Du meine Güte, was haben wir damals auf dem Schulhof gefachsimpelt! Es sollte aber einige Jahre dauern, bis ich - als stadtbekannte und erklärte Leseratte - auch die literarische Grundlage endlich zur Hand nehmen sollte, seither sehe ich den Fernsehfilm und den neueren (aber dafür kürzeren) Director’s Cut nicht weniger gern, doch mit etwas anderen Augen und mit mehr Hintergrundwissen. Dazu muss man sagen, dass ich an Seefahrt generell und speziell U-Booten eh nen Narren gefressen habe, daher findet sich in meinem heimischen Buchregal auch einige Sekundärliteratur zum Thema und nicht alle Autoren von Geschichts- und Sachbüchern (meist selbst Kapitäne oder wenigstens ehemalige U-Boot Fahrer) sind gut auf Buchheim zu sprechen und brandmarken „Das Boot“ als zu übertrieben und unsachlich. Tauchen wir buchstäblich ab und finden raus, was es trotz der Kritik dieser Herren lesenswert macht... ;-)
Der Autor
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Buchheim ist Jahrgang 1918, in Weimar geboren und galt schon als 14 jähriger als künstlerisches Talent und Wunderkind. Seine Kindheit verbrachte er in Chemnitz, machte Abitur und studierte später Kunst in Dresden. Bereits in seiner Jugend waren seine Zeichnungen und Malerarbeiten in diversen Zeitungen und Kollektiv-Ausstellungen anzutreffen. Heute unterhält er einer der grössten privaten Kunstsammlungen des deutschen Expressionismus in seinem Wahl-Heimatort Feldafing. Kurz nach dem Krieg eröffnete er eine Kunstwerstätte und Kunstgalerie - 1951 hob er sogar einen eigenen Kunst-Verlag aus der Taufe. Während des Krieges diente der schon immer maritim interessierte Buchheim als Marinekriegsberichter auf diversen Schiffen, von Minenräum- und Schnellbooten über Zerstörer bis eben hin zu den U-Booten, die ihm dann letztendlich auch den heutigen Ruhm und natürlich den Stoff für seine zahlreichen Bücher bescherten. Diese Art der Vergangenheitsbewältigung ist aber nicht sein gesamtes literarisches Schaffen, er verfasste auch schon einige Standardwerke über Kunst, speziell des Expressionismus. Gerade aber seine beinahe autobiographischen Romane in denen er seine Fahrten und Erlebnisse auf Schiffen im und nach dem Krieg verarbeitet, sind nicht unumstritten und stiessen gerade bei einigen seiner ehemaligen Kameraden auf teils weniger Gegenliebe...wie sagt er schon selbst im Vorwort?: „Dies ist ein Roman - aber kein Werk der Fiktion“. Einige Veteranen sehen das etwas anders... ;-)
Der Streckbrief
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Titel: „Das Boot“
Autor: Lothar-Günther Buchheim
Genre: (teils autobiographischer) Kriegs-Roman
Ersterscheinungsjahr: 1973
Verlag: PIPER - München
Seiten: 604 (HC)
ISBN (HC): 3-492-02175-1
ISBN (TB): 3-492-21800-8
Preis: 9,90 € (Paperback), 19,90 € (Gebunden)
Die Story
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Saint Nazaire, Nordfrankreich - Herbst/Winter 1941:
Der Roman beginnt, wie auch der Film mit der Anfahrt des Kriegsberichters Leutnant Werner, dem „Alten“ (dem Kommandanten von U-96) und dem LI (Leitender Ingenieur) des Bootes auf St. Nazaire, wo Leutnant Werner als Gast des BdU auf dem U-Boot mitfahren soll. Sie werden bereits auf dem Weg über die Landstrasse in die Stadt zur „Bar Royal“ von volltrunkenen Teilen der Mannschaft in ihrem Wagen belästigt. Klartext: sie werden angepöbelt und angepinkelt - was der Kommandant jedoch nur lakonisch kommentiert. Der „Alte“ wird dem Leser als stoischer, ruhiger Dreissigjähriger präsentiert, der aber durch das Erlebte aussieht, als wäre er schon weit über 40. Ganz besonders deutlich wird sein Charakter, als er später am Abend in der besagten Bar nicht - wie so viele andere - dem Suff verfällt, sondern als ruhender Pol das stattfindende und gegen Ende immer mehr ausufernde Gelage der zurückgekehrten „Seehelden“ über sich ergehen lässt. Man ist ausgelassen und überspielt den eigenen Schiss mit demonstrativ zur Schau gestelltem Optimismus und noch mehr Alkohol - Das Leben der U-Besatzungen wird in diesen Tagen des Krieges immer schwerer: die Briten stellen sich auf die U-Boote ein, haben neue Messmethoden sie aufzuspüren und greifen mit Bombern beinahe unablässig die deutschen Marinestützpunkte an der französischen Küste an...Allein wer lebend von der Feindfahrt zurückkehrt ist schon ein Held, wer auch noch Versenkungen aufzuweisen hat, kann sich des Ritterkreuzes schon beinahe sicher sein.
Die Versenkungen durch die U-Waffe nehmen in dieser Phase des Krieges rapide ab, teils durch das von den Alliierten eingeführte Konvoi-System - mit Begleitzerstörern, die über Unterwasserortung (ASDIC) verfügen - teils durch unerfahrene, frisch von der Ausbildung kommende Kommandanten ohne Fronterfahrung. Zudem ist oft die Technik der stählernen Särge von Fehlfunktionen geschüttelt, Torpedos detonieren nicht und allerhand geht an Bord aus diversen Gründen „einfach so“ zu Bruch - ganz zu schweigen von den durch pausenlose Einsätze verbrauchten Mannschaften, einerseits durch nervenaufreibenden, oft wochenlangen Gammeldienst auf Patrouille ohne Feindkontakt oder eben das genaue Gegenteil: Nicht enden wollende Wasserbombenteppiche durchgeschüttelt. Kein Wunder dass die Crews nervlich verständlicherweise vollkommen platt sind. Hinzu kommt natürlich die gnadenlose Enge und hygienische Ausnahmezustand nach unzähligen Seetagen an Bord eines U-Boots. Kurzum: Mensch und Material sind an der absoluten Belastungsgrenze, manchmal sogar bereits weit jenseits davon. Da aber die U-Waffe Hitlers und Dönitz’ liebstes Prestige-Objekt ist, kommen solche Marinekriegsberichter wie Leutnant Werner (das Alter-Ego Buchheims) als Propaganda-Lieferanten zum Einsatz, man will an der Heimatfront ein möglichst gutes Bild präsentieren. Der Leser begleitet den jungen Leutnant mit U-96 auf einer „typischen“ Feindfahrt in den Atlantik - quer durch das volle Programm des gnadenlosen U-Boot Krieges...
Pharaos Meinung
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Pate für das Material des Romans stehen Buchheims reale Erlebnisse in der deutschen Kriegsmarine (auch auf U96, richtiger müsste es aber heissen: UA), allerdings ist ihm aus berufenen Mündern schon oft der Vorwurf gemacht worden, er betreibe Geschichtsverfälschung. „Das Boot“ ist ein Sammelsurium aus Buchheims gesammelten Erfahrungen im (See-)Krieg und alle die kleinen Geschichtchen und Personen rund um das legendäre U-Boot gehören nicht wirklich alle hierher, sondern sind vom Autor in Romanform nur auf U96 vereint worden.. Die Figur des „Alten“ ist seine Hommage an den Kapitänleutnant, der das betreffende Boot als Buchheim darauf Dienst tat befehligte, doch auch dieser weist einige der geschilderten Vorfälle ins Reich der Phantasie und Übertreibung. Hervorzuheben ist beispielsweise der „Gibraltar-Unfall“ (eine dramatische Schlüsselstelle im Roman sowie im Film), dort sollen sich die Ereignisse weit weniger tragisch und nicht so spektakulär abgespielt haben, als Buchheim sie ausführt - das lässt sich im Nachhinein nur schwerlich belegen, was aber Fakt ist: Das Meer an dieser Stelle ist flach und nicht 300 Meter tief, hier hat Buchheim offensichtlich und eindeutig viel zu dick aufgetragen. Fragt sich wo noch? Insofern tat er jedenfalls gut daran, das Buch nicht als biographisches Werk zu labeln, sondern als „Roman“, wenn er auch steif und fest behauptet, die Begebenheiten seien keine Fiktion - so hat man immer eine passende Entschuldigung parat, wenn mal etwas historisch nicht ganz akkurat beschrieben wird ;-)
Man merkt Buchheim aber an, dass er sich mit der Seefahrt und den technischen Hintergründen exzellent auskennt, Leser, die keine Ahnung vom Bord-Jargon und auch maritimen Begriffen haben, werden den Text eventuell als etwas holperig empfinden - er geht sehr ins seemännische Detail und bedient sich Ausdrücken, die nicht jeder Landratte geläufig sein dürften. Gottseidank befindet sich aber am Ende des Buches ein Glossar, sodass man dort im Zweifelsfall nachschlagen kann, was der eine oder andere Begriff bedeutet. Ansonsten ist der Schreibstil sehr bildhaft-blumig - dann wieder kontrastierend deutlich vulgär - und reich an Ironie, die streckenweise sogar als überzogen heiter zu bezeichnen ist. Die handelnden Charaktere sind sehr ebenfalls detailliert ausgeführt, weswegen mir auch klar ist, warum so einige seiner alten Kameraden aufheulten (die werden sich wohl wiedererkannt haben *g*), wer sieht sich schon gerne als ungewaschener, stets zotenreissender Haudegen und somit Anti-Held beschrieben, von denen das Buch nur so strotzt? Also ich wär auch nicht glücklich darüber so unvorteilhaft wegzukommen ;-).
In meinen Augen sind die dargestellten Personen dennoch realistisch und überaus glaubhaft in ihrem Verhalten in diesen Ausnahmesituationen, die hier beschrieben werden - ich hab keinen Zweifel, dass Buchheim der psychologischen Wahrheit des U-Krieges hier zumindest sehr nahe kommt, auch wenn die ein oder andere Konversation, Figur und Vorfall vielleicht erfunden- oder nicht auf eben diesem Boot geschehen - sein mag. Nebenbei erfährt man auch eine Menge Wissenswertes über U-Boote, deren Technik an sich und im Speziellen natürlich über den legendären Typ VII-C, dem U96 angehört - Buchheim beschreibt gerade während der ansonsten langatmigen ersten 200 Seiten, wo die Mannschaft ohne Feindkontakt Gammeldienst schiebt sehr plastisch, wie ein U-Boot funktioniert.. Hier werden auch die Figuren und ihre Funktionen an Bord etwas näher vorgestellt und immer wieder ergiesst sich der Autor in prosaischer Beschreibung des Meeres und des Himmels - was anderes hat man ja eh nicht zu tun, wenn der Kahn sinnlos durch den Nordatlantik schippert. Zwischendrin werden die Reibereien, Sympathien und Antipathien deutlich, wenn 50 Mann 1 Monat lang stupide ohne eigentliche Aufgabe auf engstem Raum zusammenhocken. Die Mannschaften geben sich vorzugsweise Thema Nr. 1 hin, während die Offiziere gegen die Seekriegsführung und die Politik des Reiches generell (meist verkappt) wettern. Wenn die erste Feindberührung stattfindet ist das alles obsolet, jetzt muss man funktionieren - Politik wird zweitrangig - jetzt gilt das nackte Überleben in der stickigen und verwundbaren Stahlröhre.
Die Ich-Form, in der das Werk verfasst ist, unterstreicht die Ambitionen des Autors sich seine Erlebnisse von der Seele zu schreiben und erleichtert uns Lesern den Einstieg in die Handlung, man empfindet die stickige Enge, die ständig drohende Gefahr entdeckt und mit Wasserbomben belegt zu werden förmlich nach und kann sich in die Rolle eines Crew-Mitglieds versetzen. Ja, man hofft, dass der Zosse den nächsten Angriff trotz aller eingehenden Ausfallmeldungen heil übersteht und möglichst ohne Tote sicher zum Hafen zurückkehren wird. Allerdings besteht auch gerade hier die grosse Gefahr sich mit den Hauptfiguren und ihrem eigentlich menschenverachtenden „Handwerk“ zu sehr zu identifizieren, zu solidarisieren und alle beschriebenen Geschehnisse unreflektiert für bare Münze und tatsächlich stattgefundene Realität zu nehmen - wie wir gesehen haben sind jedoch beim Wahrheitsgehalt des Buches einige Abstriche zu machen. Zudem sollte man nie vergessen, dass auch auf der anderen Seite des Periskops Menschen auf den Schiffen ihr Leben riskieren und im Falle der Versenkung auch qualvoll verlieren - Zwar widmet sich Buchheim auch dem menschlich-moralischem Aspekt des U-Krieges und pflegt neben ein wenig gutem, deutschem Rittertum auch überaus kritische Töne, doch insgesamt ist der Blickwinkel naturgegeben ziemlich einseitig...trotz des Versuchs den Gegner zu ent-anonymisieren...also Vorsicht und Nachdenken ist angebracht, wenn man sich mit der Mannschaft über einen gelungenen Torpedotreffer freut: Die liebgewonnene Mannschaft „unseres“ Bootes ist erfolgreich...stimmt...doch zum Preis des Lebens der „Anderen“.
Fazit
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Ein stimmungsvoller, in weiten Teilen glaubwürdiger und realistischer Roman über das Bordleben einer WK2 U-Boot Mannschaft, den ich immer wieder gerne lese. Einige Punkte im Wahrheitsgehalt dürfen hier durchaus bezweifelt werden, doch da Buchheim sein Werk ausdrücklich als Roman und nicht als Tatsachenbericht ausgibt, ist das aber völlig legitim. Spannend (ab etwa Seite 200) und lesenswert (über die gesamte Länge) ist das Buch auf jeden Fall - auch wenn manche militärische und seemännische Fachtermini zu verdauen sind, ist es doch dank der sonst locker-gefälligen Schreibweise relativ leichte und kurzweilige Kost, sieht man vom etwas zähen ersten Drittel mal ab. Anspruch kann ich auch vermelden, der begründet sich darin, dass man das Geschriebene nicht einfach konsumiert, sondern sich seine eigenen Gedanken macht - überzogenen Pathos, Kriegsverherrlichung und Deutschtümelei kann man Buchheim nicht vorwerfen, dennoch neigt er verständlicherweise geringfügig zur Parteilichkeit - logisch - handelt es sich doch um ein Buch mit autobiographischen Zügen und wird aus der Sicht eines jungen Kriegsberichters erzählt.
Immerhin gibt er sich redlich Mühe die damalige menschenverachtende Politik und grotesk-unsinnige Kriegsführung - bei der er ja auch ein Zahnrad im Getriebe war - zu illustrieren, hinterfragen und dem sonst so gesichtslosen Haufen von armen Schweinen die dafür den Kopf hinhalten mussten eine Identität zu verleihen. Auch wenn er nachweislich zur Überzeichnung neigt und nicht alle Personen tatsächlich auf U96 Dienst taten, lässt sich schwer sagen, wer davon nun erfunden ist und wer nicht, die Charaktere sind allesamt in sich schlüssig. Gleiches gilt auch für die Handlung als solches: Es KÖNNTE trotz der offensichtlichen Ausschmückungen wirklich so gewesen sein. Hat man erstmal Zugang gefunden (was nicht schwerfällt) legt man den Wälzer so schnell nicht mehr aus der Hand. Relativ geübte Leser ziehen das Buch schätzungsweise in etwa 8 - 10 Stunden reiner Lesezeit durch. Die filmische Umsetzung war bereits ein genialer Meilenstein, das Buch ist noch einen ganzen Tick interessanter und ausführlicher, mal abgesehen davon dass der „Alte“ am Ende...Ach, das lest besser selbst! ;-)
Mast und Schottbruch
Der Periskop-Pharao
Warnhinweis:
Schnellklicker dürfen noch eben schnell das Deck picobello schrubben, bevor sie über Bord geschubbst werden...
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-05-14 19:36:52 mit dem Titel Der Abschied / Lothar-Günther Buchheim
Der Bücherfrühling neigt sich unerbittlich dem Ende zu, Zeit für Merkwürden noch mal schnell etwas Literarisches aus seinem Regal zu ziehen und zu rezensieren. Die Auswahl ist gross, kein Zweifel, aber wo ich letztens schon „Das Boot“ noch einmal komplett durchgeackert habe fiel mein Blick auf ein weiteres Werk von Lothar-Günther Buchheim, das sich mit der Thematik ebenfalls beschäftigt und von mir letztes Jahr nur kurz angelesen wurde und seitdem Staub sammelt: „Der Abschied“. Alsbald hatte ich nämlich das Buch wegen des arg schleppenden Anfangs auf den ersten 50 Seiten wieder beiseite gelegt und mir immer wieder geschworen, es irgendwann mal GANZ zu lesen – Nun ist es endlich soweit gewesen, der Urlaub ist da und somit hab ich auch mal Ruhe & Muße mir diesen fast 600 Seiten-Wälzer in seiner ganzen Pracht vorzuknöpfen. Vielleicht ist es ja genau, wie bei „Das Boot“, das plätschert auch zunächst vor sich hin, bevor ein wenig Action in die Bude kommt? Naja, wohl eher nicht: Der Buchumschlag lässt schon erahnen, dass es wohl um tiefsinnige Rekapitulation der Vergangenheit zweier vom Seekrieg gezeichneten und geprägten Männer geht, die auch das U-Boot U96 aus Buchheims ersten Roman betrifft. Gut, dann schaun mer mal, was uns der Autor über sich und seinen alten Kommandanten so zu sagen hat... ;-)
Der Autor
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Buchheim geboren 1918, in Weimar galt schon als 14 jähriger als künstlerisches Talent und Wunderkind. Seine Kindheit verbrachte er in Chemnitz, machte Abitur und studierte später Kunst in Dresden. Bereits in seiner Jugend waren seine Zeichnungen und Malerarbeiten in diversen Zeitungen und Kollektiv-Ausstellungen anzutreffen. In der NS-Zeit besuchte er die Marineschule und wurde als Leutnant vom OKM (Oberkommando Marine) bzw. der PK (Propaganda Kompanie) als Marinekriegsberichter auf unterschiedlichen – vom Zerstörer bis hin zu den U-Booten - Einheiten eingesetzt. Kurz nach dem Krieg eröffnete er eine Kunstwerkstätte und Kunstgalerie - 1951 gründete der nicht immer vom Schicksal begünstigte Buchheim (Augen- und Beinverletzung, Zuchthaus, gescheiterte Ehe) sogar einen eigenen Kunst-Verlag, der sich heute zu einer der grössten privaten Kunstsammlungen des deutschen Expressionismus gemausert hat. Im bayrischen Feldafing, in welchem er in den Wirren der Nachkriegszeit sogar (unfreiwillig) Polizei-Chef war lebte Buchheim seit Kriegsende fest. Neben seinen (teils autobiographischen) Geschichten rund um den Seekrieg und vor allem dem der U-Boote, schrieb Buchheim auch Werke über Malerei/Expressionismus. Seit seiner Zeit auf U96 hat Buchheim immer wieder Kontakt zu dem damaligen Kaleun (bürgerlich: Heinrich Lehmann-Willenbrock) der auch für die Figur des „Alten“ in „Das Boot“ Pate stand.
Der Streckbrief
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Titel: „Der Abschied“
Autor: Lothar-Günther Buchheim
Genre: Roman
Ersterscheinungsjahr: 2000
Verlag: PIPER - München
Seiten: 560 (HC)
ISBN (HC): 3-492-04273-2
ISBN (TB): 3-492-23572-7
Preis: 12,90 € (Paperback) / 24,90 € (Gebunden)
Die „Story“
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Von einer Story im herkömmlichen Sinn kann man eigentlich nicht reden, das Buch ist eher ein Reisebericht und Vergangenheitsbewältigung zweier Kriegsveteranen zugleich. Auf der einen Seite haben wir den „Alten“, der mittlerweile das Kommando auf seiner letzen Fahrt der „Otto Hahn“ (einem Nuklear-Forschungsschiff) innehat und Buchheim auf der anderen Seite, der seinen alten Kaleun und Freund auf dieser Reise nach Durban (Südafrika) als Passagier begleitet. Buchheim als Künstler und Fotograf interessiert sich immer noch für die Schönheit des Meeres und des Himmels - aber auch ganz besonders für die technischen Aspekte des Reaktors des Schiffes. Dadurch scharwenzelt Buchheim auch quer durch das Schiff, lässt sich alles ên detail zeigen und erklären, beobachtet die Besatzung und vergleicht die Seefahrt damals und heute. Wobei „Heute“ so auch nicht stimmt, denn diese Reise muss schon etwas länger her sein und fällt definitiv hinter die Veröffentlichung von „Das Boot“ aber noch vor die von „Die Festung“. Die Reise ist natürlich durchzogen von Gesprächen der beiden, die sich gegenseitig bei jeweils kleinen Umtrunken unter 4 Augen Informationsbrocken hinschmeissen, was nach den Ereignissen auf U96 nach „Das Boot“ alles mit ihnen in Nachkriegsjahren passiert ist. 3 Wochen haben die beiden Zeit sich über dieses und jenes zu unterhalten, den solange dauert die Fahrt der Otto Hahn in den Zielhafen, wo sie (neben einigen auf der Reise stattfindenden Tests der Manövrierfähigkeit) eine Ladung Steinkohle übernehmen soll. Da dies die offensichtlich letzte Fahrt des „Alten“ sein soll, der schon seinen Ablöser hinter sich weiss, muss Buchheim sich sputen, wenn er Antworten haben will...
Pharaos Meinung
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Mit einem Wort – Langatmig! Dies ist eigentlich kein Roman, sondern ein Reisebericht, denn es fehlt die Handlung. Action oder aussergewöhnliche Zwischenfälle finden nicht statt, die Otto Hahn schippert zusammen mit den Protagonisten und dem Leser gemächlich in Richtung Südafrika, wobei man sich irgendwie an den Gammeldienst an Bord von U96 erinnert fühlt. Die Gespräche der beiden sind zunächst nicht besonders ergiebig, ist der Alte doch eh als extrem wortkarg bekannt, er druckst bei ihm unangenehmen Themen seiner Vergangenheit gerne rum und beschwert sich dafür lieber subtil über die neuen gesellschaftlichen Zeiten in der Seefahrt – Als Angehöriger einer ganz anderen Generation und der Kriegsmarine seinerzeit sind ihm so manche der demokratischen Gepflogenheiten an Bord scheinbar zuwider. Er fühlt sich wohl damit leicht überfordert, denn als Kapitän eines zivilen Handelsschiffes ist man nicht mehr die mächtige Gestalt des Kaleun, der die alleinige Herrschaft über ein Schiff hat. Gewerkschaften, Krankmeldungen und die im Grund genommenen Sinnlosigkeit der „Otto Hahn“ (sie ist ja kein reines Handels- sondern eher ein Versuchsschiff und muss daher auch nicht wirtschaftlich fahren) zehren an seinen Nerven. Im tiefsten Inneren ist er doch froh, dass dies seine letzte Fahrt als Kapitän ist und er sich dann zur Ruhe setzen kann – ohne auf diesen Kindergarten aufpassen zu müssen.
Dazu insistiert Buchheim immer wieder mit Fragen betreffend der gemeinsamen Vergangenheit und dem Werdegang des Alten, nachdem der Krieg gelaufen ist – Diese Passagen sind dann wieder leidlich interessant zu lesen. Doch auch der Alte will im Gegenzug ein paar Informationen aus Buchheim herausholen, so ist jeder von ihnen mal dran die Ereignisse von damals aufzurollen – Übrigens duzen sich die beiden, seit wann ist nicht erwähnt – doch ist dies auch schon die zweite Reise von Buchheim mit dem Alten auf der „Otto Hahn“. Wenn das Gespräch auf das Thema „Simone“ kommt mauern beide bis fast zum Schluss (Simone ist Buchheims erste Frau, die wohl auch was mit dem Alten gehabt zu haben scheint, sie wird zum ersten Mal bereits im Roman „Das Boot“ immer wieder erwähnt), Apropos: „Das Boot“ und eventuell auch „Die Festung“ sollte man schon gelesen haben, denn solche „Nebenkriegsschauplätze“ in der Biographie der beiden bekommt man sonst nicht mit und überliest sie unter Umständen, was die Geschichte dann noch öder werden lässt. Überhaupt eignet sich „Der Abschied“ nicht als Stand-Alone-Lektüre, trotz Buchheims krampfhaften Versuch durch seine ansonsten trefflichen – fast schon prosaischer - Beobachtungen des Schiffes, des Meeres, Himmels und nicht zuletzt der zivilen Besatzung. Das mag auch einen guten Kontrast zu den Geschehnissen im Krieg darstellen, doch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass etwas an Zeit und Text zu schinden versucht wird, um von den spärlichen fliessenden Informationshäppchen abzulenken.
Übertragbar sind die Zustände an Bord sowieso nicht vollständig auf unsere Zeit heute, diese Reise muss sich etwa um 1980 oder eher kurz davor angespielt haben, wenngleich Buchheim keinerlei Datumsangaben macht, sondern nur von den „Seetagen“ an Bord spricht. Einige Sätze enthalten dennoch Hinweise auf das WANN der Tour: Aktuelle Nachrichten, seine Uhr (die er „seit 40 Jahren“ - also auch schon 1941 auf U96 - schon hatte) oder auch die Tatsache, dass laut meiner Internet-Recherche, die „Otto Hahn“ 1968 offiziell in Dienst gestellt wurde und der Alte 10 Jahre lang der Kapitän des Schiffes war. Somit ergibt sich ein Zeitfenster von 1978 – 1981, denn der Alte ist nur noch ehrenhalber der Kapitän an Bord dieser Reise und nicht mehr der offizielle Schiffsführer. Warum Buchheim jedoch erst 2000 das Buch veröffentlichte, kann ich nur raten, vielleicht aus Pietätsgründen seinem Freund Heinrich Lehmann-Willenbrocks (dem „Alten“) und dessen Familie gegenüber, der aber auch schon bereits im November 1986 verstarb. Brisante Enthüllungen sind augenscheinlich jedenfalls nicht zu entdecken und somit bleibt das „Warum?“ reine Spekulation, eine weitere Möglichkeit ist, dass Buchheim mit sich selbst vielleicht auch erst Mal ins Reine kommen musste, um diesen Roman zu verfassen – Von ihm erfahren wir auch eine Menge Privatkram, der aber auch nicht unbedingt skandalös sondern allenfalls interessant ist – Nix genaues weiss man nicht ;-)
Fazit
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Für Nichtkenner der Materie rund um U96 bestimmt nicht geeignetes Buch über den Nachkriegswerdegang von Buchheim und dem Alten, zwar kann man diesen „Roman“ auch als Reisebericht lesen, der Einblick in das erste (und letzte) deutsche Nuklear-Testschiff „Otto Hahn“ erhalten, Schwerpunkt sind aber die Erinnerungen der beiden Kriegsveteranen. Diese ziehen sich aber stellenweise, wie Kaugummi dahin, weil beide Hauptakteure bei bestimmten Themen erstmal Nebelkerzen werfen, sich drücken und das dann auf spätere Kapitel vertagen. Immer wieder muss der jeweils Andere nachbohren zu einem Punkt in der Vita des Gegenübers und zwischendrin wird dann wieder über die „Jetztzeit“ (etwa 1978 – 1980) schwadroniert, was die zivile Schiffsführung und deren Probleme angeht. Das unterbricht den Lesefluss oftmals ganz erheblich und hinterlässt einen konfusen Beigeschmack, selbst bei erklärten Fans von „Das Boot“, wie mir.
Alles in allem ja ganz nett und ein paar wissenswerte Informationen und Anekdoten aus den Biographien finden sich auch – doch ist der insgesamte Stoff arg trocken und übertrieben in die Länge gezogen. Ausserdem wären da noch die bildhaften Beschreibungen des Schiffes,Meeres und des Himmels (und seine bekannten, leicht sexistisch gefärbten Einlagen zum weiblichen Teil der Bevölkerung), in denen sich Buchheim auch schon in seinen anderen „Romanen“ so gern verliert – streicht man dieses ganze unnötige Drumherum auf ein vernünftiges Maß runter, dann bliebe ein Buch mit vielleicht 150 Seiten übrig, die restlichen 400 hätte er sich gerne sparen können – so hart das auch klingt. 3 Sterne für Buchheim und „Boot“ Begeisterte, die hier versteckt in jeder Menge belanglosem Text doch noch einige interessante Facts finden, alle anderen dürfen innerlich noch einen Stern abziehen – denen kann ich „Der Abschied“ auch wirklich und beim besten Willen nicht mit ruhigem Gewissen weiterempfehlen, daher: Nur für Fans.
Mast und Schottbruch
Der Nuklear-Pharao
Haushalts-Tipp:
Schnellklicker eignen sich hervorragend zum Auswechseln von alten Uranium235-Brennstäben...OHNE Schutzkleidung, versteht sich ;-) weiterlesen schließen -
Friedrich Schiller: Wilhelm Tell
Pro:
Weltliteratur berühmtes Drama
Kontra:
schwer zu lesen nichts für Kinder
Empfehlung:
Ja
Hi
Friedrich Schillers Wilhelm Tell ist eines der großen deutschen Dramen. Ich persönlich habe es vor kurzem in der Schule lesen müssen / können / dürfen... Auch wenn die Sprache am anfang etwas schwierig zu versteh war, gewöhnt man sich mit der Zeit auch daran.
Allgemein über Dramen:
Dramen sind im Prinzip nichts anderes als Drehbücher. Sie sind in mehrere große aufzüge eingeteilt (bei Tell sind es 5) und diese sind wiederum in mehrere Szenen unterteilt. Der Text ist in Versen geschriebn und die Handlung passiert durch die Gespräche der Leute, da es keinen Erzähler gibt. Außerdem stehen zwischendrin immer wieder Regieanweisungen, die meistens kursiv gedruckt sind und in denen z.B. steht, wie ein Schauplatz aussieht, ob eine neue Person hinzukommt oder Ähnliches.
Um was es geht:
In dem Drame Wilhelm Tell von Schiller geht es um den Freiheitskampf der Schweizer insbesondere der aus den Kantons Schwyz, Unterwalden und Uri, die alle drei am Vierwaldstättersee liegen. Das Volk wird von den Reichsvögten, die vom Kaiser eingesetzt wurden, unterdrückt. So versucht z.B. Vogt Wolfenschießen die Frau vom Bauern Baumgarten zu vergewaltigen, dieser tötet jedoch den Vogt. Daraufhin wird er aber verfolgt und kann nur durch eine mutige Tat Tells gerettet werden. Dieser und weitere Vorfälle ( gesamter 1. Aufzug) machen deutlich, dass die einzelnen Bürger nichts gegen die übermächtig erscheinenden Reichsvögte ausrichten können. Daraufhin beschlien sie, einen Schwur zu tun, dass sich Unterwalden, Schyz und Uri zusammentun wollen um an einem Tag einen Aufstand zu machen. Diesen Schwur tun sie dann auch und nennen ihn Rütlischwur (2.Aufzug, 2.Szene: poltischste Szene im ganzen Drama!!!)
Im 3.Aufzug, 3.Szene, passiert dann aber etwas, dass das ganze Unternehmen und seinen Erfolg in Frage stellt. Denn in der Stadt ALtdorf wurde ein Hut vom Reichsvogt Gessler aufgestellt, den jeder der vorbeigeht grüßen muss. ALs Tell mit seinem Sohn Walther vorbeigeht, denkt er aber gar nicht daran, den Hut zu grüßen. Das sehen aber die Wachen und stellen ihn zur Rede. Als dann auch noch Reichsvogt Gessler vorbeikommt, scheint es um Tell geschehen zu sein. Und dabei hat man bei dem Rütlischwur doch fest auf Tell, als sehr guten Schützen, gesetzt. Aber anstatt ihn sofort einzukerkern gibt Gessler ihm noch eine Chance. Er soll den berühmten Apfelschuss waagen. Das heißt, er soll einen Apfel aus 80m Entfernung vom Kopf seines Sohnes schießen. ALs Gessler trotz heftigem zuredens von seiten des Volkes nicht auf diesen Schuss verzichten will, waagt Tell es und schafft es, den Apfel zu treffen. Nun erkennt Gessler aber, dass sein eigenlicher Feind Tell ist und sperrt ihn unter einem Vorwand ein. Dieser Apfelschuss ist eigentlich noch einmal ein Drama im Drama, da er auch eine Einleitung, einen Ausgesalteten Höhepunkt und einen Schluss hat.
Tell gelingt es aber mit Hilfe der Natur, die Gott darstellt, zu fliehen. Da er nun aber in höchster Lebensgefahr schwebt und Gessler zuvorkommen muss, da er seine Familie beschützen muss und da er einen Schwur vor Gott getan hat, tötet er Gessler. Dass er diesen Mord aus den oben genannten Gründen tut und dass es eigentlich kein Maord sondern Notwehr ist, sieht man sehr schön an dem Monolog in Vers 2561 bis 2651. Diese Rechtfertigung für die Tötung Gesslers braucht Schiller, da dieser Teil seines Dramas sonst als Aufruf zum VOgtmord verstanden werdenkönnte, was in der Zeit der französischen Revolution gefährlich für Schiller hätte weren können.
Nach dem Tot Gesslers geht Tell nach Hause, wo er freudig von seiner Familie empfangen wird. Dort kommt allerdings auch ein Mönch vorbei, der sich allerdings als der Herzog von Schwaben herausstellt. Dieser hat seinen Onkel den Kaiser umgebracht. Dies ist wiederrum ein Gegenbeispiel zu Tell und eine weitere Rechtfertigung seiner Tat.
Tell verhilft dem Herzog trotz dessen grausamer Tat zur FLucht über die ALpen und zum Papst, wo er um Verzeihung bitten soll und Buße tun.
Das Buch endet mit einer kurzen Szene in der Tell als Held gefeiert wird.
So nach diesem elend langem und wahrscheinlich auch mal wieder zimlich langweilig gewordenem Bericht noch ein paar Punkte
a) Warum man dieses Buch lesen sollte:
-Weil es Weltliteratur ist
-weil es ein schönes Beispiel für ein gelungenes Drama ist
-weil es spannend ist
b) Schwierigkeiten beim lesen:
-Das Drama ist in einer zimlich alten SPrache verfasst, die für die heutige Zeit manchaml etwas schwer zu verstehen ist
- Es dauert eine Weile, bis man sich in die Art von Literatur eingelesen hat
So, ich denke dass soltte erst mal genügen.
Bye weiterlesen schließen -
Hermann Hesse/Kinderseele - Eine Stunde zum Erinnern
29.04.2003, 22:29 Uhr von
Tiffipania
Hallo, schön, dass du bei mir vorbeischaust! :-) Ich heiße Heike, bin nun fast 33 Jahre alt und w...Pro:
gut zu lesen, leicht nachvollziehbar, weckt Kindheitserinnerungen
Kontra:
kann ich nicht finden
Empfehlung:
Ja
"Manchmal handeln wir, gehen aus und ein, tun dies und das, und es ist alles leicht, unbeschwert und gleichsam unverbindlich, es könnte scheinbar alles auch anders sein. Und manchmal, zu anderen Stunden, könnte nichts anders sein, ist nichts unverbindlich und leicht und jeder Atemzug, den wir tun, ist von Gewalten bestimmt und schwer von Schicksal."
... so führt Hermann Hesse behutsam in seine Erzählung "Kinderseele" ein. Neugierig machend auf einen Tag in seiner Kindheit, der sich tief in sein Bewusstsein grub.
Um es vorwegzunehmen, er beschreibt hier einen Tag, der wie jeder andere auch hätte sein können. Es geschehen keine außergewöhnlichen, in Erwachsenenaugen dramatischen Dinge. Vielmehr geht es um die Gefühlswelt eines 11 jährigen Kindes.
Am 11. November 1889 soll sich dieser Tag zugetragen haben. Hesse, der im Jahre 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde, schrieb diese Erzählung fast 30 Jahre nach dessen Begebenheit und dennoch mit unglaublicher Reflektion auf seine damalige Seelenlage.
Seine damaligen Gedanken, Reaktionen und Handlungsweisen sind auch heute noch nachzuvollziehen, ja sie versetzten mich gar in die eigene Kindheit zurück. An Aktualität haben sie bis heute nichts verloren.
Wer kennt sie nicht, die Zweifel, der elterlichen Liebe würdig zu sein, wo man doch grad hinter deren Rücken etwas Verbotenes getan hat. Reue, wenn man doch nur das Geschehene rückgängig machen könnte, aber auch Trotz, das Nichteinsehenkönnen, obwohl man sich im Unrecht weiß. Gefühle, die sich wohl jeder von uns eingestehen muss.
Und genau dies beschreibt Hesse sehr einfühlsam aus der Perspektive des Jungen.
Die Erzählung beginnt mit dem Nachhausekommen des Jungen aus der Schule. Der Tag begann schon mit einem unguten Gefühl, wenngleich es auch keinen konkreten Auslöser für seine trostlose Stimmung gab. Die Schule mit ihren Zwängen und die Verzweiflung, als Kind ewig dieser "Macht" ausgeliefert zu sein, macht ihm an diesem Tag zu schaffen. Sein Leben kommt ihm hoffnungslos fad vor.
In seinem Unbehagen sucht er die Nähe seines Vaters, braucht Zuwendung und Trost, doch er trifft seinen Vater nicht wie gewohnt in seinem Arbeitszimmer an. Das "Unglück" nimmt seinen Lauf. Er kann nicht einfach wieder gehen. Sich selbst als Eindringling sehend, erforscht er das "Reich" seines Vaters, kramt in dessen Sachen, entdeckt einen Kranz aus Feigen, von denen er einen großen Teil stibitzt.
Von seiner Tat erschrocken, fühlt er sich schuldig, gerade am Mittagstisch, an dem seine Familie, die er für bessere und edlere Menschen hält als sich, die sich nie etwas zu Schulde kommen lassen - im Gegensatz zu ihm - sich um ihn sorgt.
Er versäumt die Turnstunde am Nachmittag, läuft durch die Gegend und traut sich nicht nach Hause. Schlimmer kann es nicht mehr kommen, so seine Gedanken.
Seine angehäufte Angst und Ratlosigkeit schlägt in Zorn über, es kommt zum Streit und sich anschließender schlimmer Rauferei mit einem Schulkameraden.
Viel zu spät, so spät wie noch nie, kam er nach Hause, erwartet endlich die Abstrafung für seine Untat (die gestohlenen Feigen), ist bereit für jede Strafe, wenn sie nur kommen möge und die Anspannung ein Ende hätte. Statt dessen erregt er Mitleid ob seiner Verletzungen, die er im Kampfesrausch hinnehmen musste und wurde liebevoll verarztet.
Erst am nächsten Tag, als die Reue verflogen ist, wird sein Diebstahl bemerkt und er zur Rechenschaft gezogen. Er reagiert trotzig und verstrickt sich in Lügen.
Sein Vater stellt ihn, wohlwissend, dass sein Sohn ihn belügt, auf die Probe. Natürlich kommt es so, wie es immer kommt, die Wahrheit lässt sich nicht verleugnen.
Das "Verhör" quält ihn, er leidet darunter, dass er keine Worte findet um sein Verhalten zu erklären. Er wünscht, sein Vater wäre nicht so ein ruhiger, besonnener Mann und er der Unrechte. Würde er ihn doch nur schlagen, betrunken und zornig, dann könnte er ihn verachten. Sein Vater aber möchte ihn verstehen, ist geduldig mit ihm und kann verzeihen.
Das Fazit der Geschichte ist sehr schön herausgearbeitet, berührt wohl jeden und ich möchte es euch nicht vorenthalten:
"Vielleicht zum erstem Mal in meinem kindlichen Leben empfand ich fast bis zur Schwelle der Einsicht und des Bewusstwerdens, wie namenlos zwei verwandte, gegeneinander wohlgesinnte Menschen sich missverstehen und quälen und martern können, und wie dann alles Reden, alles Klugseinwollen, alle Vernunft bloß noch Gift hinzugießen, bloß neue Qualen, neue Stiche, neue Irrtümer schaffen. Wie war das möglich? Aber es war möglich, es geschah. Es war unsinnig, es war toll, es war zum Lachen und zum Verzweifeln - aber es war so."
Ich habe diese Erzählung schon so einige Male verschlungen. Ich besitze sie als kleines Suhrkamp-Taschenbuch. Dieses ist in dunkelgrün gehalten und mit einem Motiv von einem Aquarell von Hesse auf der Umschlagseite versehen. Es umfasst gerade mal 70 Seiten. Man könnte meinen, direkt was für unterwegs, aber ich denke, man hat viel mehr von dieser Erzählung, liest man sie in einer ruhigen Ecke, zurückgezogen von allem und konzentriert sich ganz auf das Geschriebene. Keine Angst, eine Stunde Leselust reicht völlig aus, dieses Büchlein ganz und gar in sich aufzunehmen.
Noch ein Tipp: lasst euch nicht vom Lesen abhalten, auch wenn ihr schon mal versucht habt, Hesses Buch "Das Glasperlenspiel" bis zum Ende zu lesen - ich hab´s bisher noch nicht geschafft. Die "Kinderseele" ist sehr verständlich und überhaupt nicht "sticksig" geschrieben, man braucht kein Gehirnakrobat zu sein, um seinen Gedanken folgen zu können.
Den Preis von 5.50 Euro finde ich zwar ziemlich hoch, allerdings denke ich, geben mir manche 500 Seiten-Schinken nicht annähern so viel, wie diese kleine Erzählung.
Ich kann also meine uneingeschränkte Empfehlung geben, vor allem für Menschen, die sich im "Versuch" befinden, Kinder zu erziehen bzw. Kinder beim Aufwachsen begleiten.
Ein ruhiges, besinnliches Stündchen zum Schmökern
wünscht Tiffipania weiterlesen schließen -
Thomas Mann: Die Buddenbrooks - einfach zu lesen und doch so viel mehr
Pro:
Für Kafkafans ein Muss: die Lebensbeschädigungen eines Menschen werden deutlich.
Kontra:
Kafka ist nicht für jeden etwas - über Geschmack kann man sich jedoch trefflich streiten.
Empfehlung:
Ja
Thomas Manns "Buddenbrooks" sind Thomas Manns meistgelesenes Werk - das liegt u.a. an ihrem klassischen Charakter als Schullektüre und den Verfilmungen. Ihr Ruhm brachte dem Dichter den Nobelpreis ein, und nicht wenige Leser fanden über seine Lektüre den Zugang zu anderen Werken Manns.
Das Buch ist einfach zu lesen, bunt und episodenreich, eine Welt tut sich auf. Dass es nicht ganz so einfach ist, möchte ich hier zeigen. So beschäftigt sich eine umfangreiche Forschungsliteratur mit Fragestellungen wie dem Verhältnis des Romans zur Sozialgeschichte des Bürgertums, der Realismusproblematik, der Verwendung von Leitmotiven und den literarischen und philosophischen Einflüssen auf den Autor. Aber keine Angst - hier wird nich Germanistik betrieben.
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1. Die Entstehung des Romans
2. Die Hauptpersonen des Romans und der Verfall
3. Eigene Bewertung
4. Stimmen der zeitgenössischen Rezeption
5. Internetadressen und Literaturauswahl
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1. Die Entstehung des Romans:
Die Vorarbeiten zu den "Buddenbrooks" beginnen in Italien (Rom und Palestrina) unmittelbar nach einem Brief des Verlegers Samuel Fischer vom 29. Mai 1897, der Thomas Mann zu einer größeren Arbeit auffordert. Das Manuskript datiert den Beginn auf "Rom Ende Oktober 1897". In München arbeite Thomas Mann bis zum 18. Juli 1900 an dem Roman weiter, d.h. er ist gerade erst 25, als er das Buch vollendet. Dass Thomas Mann dabei aus seiner eigenen Erfahrungswelt schöpfte, dass seine Familie in mehr als nur einer Hinsicht Pate stand, das ist klar. Dennoch geht das Buch nicht in einem Schlüsselroman auf.
Wer sich näher für den Entstehungsprozeß interessiert, kann das in der sehr gelungenen Biographie von Peter de Mendelssohn (S. 391-594; s.u.) tun, die sehr detailliert ist.
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2. Die Hauptpersonen des Romans und der Verfall:
Die Hauptpersonen des Romans sind u.a. die Chefs des Hauses Buddenbrook. In ihnen ist der Verfall der Familie angelegt. Der Germanist Hermann Kurzke (s.u.) sieht den Grund dafür in der überhandnehmenden Reflexivität. Nicht die wirtschaftliche Situation führe ins Aus, auch nicht Pech, Erbteilungen und Mitgiftjäger, sondern die von Generation zu Generation zunehmende Grübelei. Je mehr die Buddenbrooks von sich selber wüßten, desto kränker würden sie. Das belegt er anhand einer Charakteristik der männlichen Buddenbrooks. Man kann in der Tat zwei gegenläufige Tendenzen in den Figuren erkennen: das klare und praktische Lebensgefühl nimmt ab, dafür steigern sich Grübelei und Antriebschwäche vor allem mit der Hingabe oder besser dem Sich-selbst-Verlieren in Kunst und Fantasie. Indiz dafür sind auch die Krankheiten.
Johann Buddenbrook senior ist überaus heiter, irdisch, praktisch, hat keine Zweifel an sich und seiner Rolle und ist insofern naiv. Alles Irrationale hält er für Flausen. Musik und Poesie sind der Geselligkeit vorbehalten. Gegenüber sich ist er unkritisch, daher käme es ihm nie in den Sinn, für sein eigenes Verhalten das Wort Geldgier zu verwenden, obgleich es zutrifft. Der Vitalität gefährlich ist Kritik, die sich auf die Grundlagen des eigenen Seins richtet und diese durchschaut und damit auch ins Wanken bringt. Das ist hier noch nicht der Fall.
Johann Buddenbrook junior ist fromm. Das ist aber kein Vorteil, denn diese Frömmigkeit ist ein erstes Anzeichen des Verfallsprozesses. Sie ist dem vitalen Interesse des Geschäfts feindlich, da sie Schätze im Jenseits, nicht im Diesseits anzuhäufen fordert und den Geschäftsmann auf die christliche Mitleidsmoral verpflichtet. Damit kommt es zu Widersprüchen zwischen Geschäft und Christlichkeit. Dennoch ist Jeans Vitalität noch immer ungebrochen genug, so dass er im Konfliktfalle gegen das Mitleid und für das Geschäft votiert.
Thomas Buddenbrook, der Vertreter der dritten Generation, ist ein Ästhet, der die religiöse Direktheit scheut. Sein Glaube an sich selbst beginnt zu schwinden, und so meditiert er über den Erfolg, den er nicht mehr hat, weil er über ihn nachdenkt. Er kennt nicht mehr die natürliche Arbeitslust seiner Väter und ist im Grunde kein Bürger mehr, sondern nur noch ein Schauspieler, der die Rolle des Bürgers spielt. Dieses Schauspielerische ist die Folge der Nachdenklichkeit: Wenn nichts mehr von selber geht, muss man alles machen. Dieses Machen aber ist anstrengend, denn es bedeutet, dass der Mensch beständig, vom Wollen des Kopfes gesteuert, gegen sein wahres Sein verstoßen und gegen seinen Körper leben muß. Thomas Buddenbrook stirbt deshalb nicht umsonst bereits mit 48 Jahren an einem kranken Zahn.
Hanno Buddenbrook ist schließlich sogar die Möglichkeit, Bürgerlichkeit zu spielen, verloren gegangen. Er macht nicht einmal mehr Versuche, kaufmännisches Rüstzeug zu erwerben. Er ist kränklich, unpraktisch, ein Träumer. Er mag Musik, Leiden und Tod. Musik ist für ihn aber keine gesellige Unterhaltung, wie für Johann sen., sondern ein einsamer Rausch, der ihn über den Alltag hinwegtröstet und den Ekel an der Wirklichkeit betäubt. Er stirbt mit 15 Jahren, ohne dass er nur den geringsten Widerstand leistet. Bei ihm ist die Reflexivität umfassend geworden. Er hat keine Lebenstüchtigkeit mehr und verweigert den Konkurrenzkampf schon in der Schule.
Ganz anders die männlichen Gegenspieler der Buddenbrooks: Die Hagenströms sind das bürgerliche Gegenmodell. Während sie ihren Geschäften nachgehen, schwelgen die Buddenbrooks noch im Bewusstsein alter Größe und hanseatischer Vornehmheit. Die Hagenströms sind keine Aristokraten, sondern Neureiche und so benehmen sich nicht auch, nämlich normal, gewöhnlich, liberal. Das wird besonders klar in der Gegenüberstellung der Körperlichkeit. Hagenströms erscheinen widerwärtig, die Buddenbrooks vornehm. Aber auch hier ist schon Schauspielerei im Spiel, denn Thomas Buddenbrook muss heftig an sich arbeiten, um diesen Eindruck zu erwecken, während Hermann Hagenström das nicht einmal versucht, dafür aber seine Vitalität auch seine Geschäftstüchtigkeit zeigt.
Auch innerhalb der Familie Buddenbrook gibt es Gegenfiguren, die der Kontrastierung dienen. Christian Buddenbrook, der zu ernsthafter Arbeit unfähige Bruder von Thomas Buddenbrook verstößt gegen den guten Ton, ist schwatzhaft, hat Affären, zeigt großes Interesse für seine Körperlichkeit. Er steht damit für das Verdrängte im Leben der Familie Buddenbrook. Christian kann die unstandesgemäße Aline Puvogel heiraten. Seinem auf die Formen bedachten Bruder Thomas ist das nicht möglich, obwohl er eigentlich ein Blumenmädchen liebt. Er wahrt die Form und findet sich in eine standesgemäße Ehe ein.
Antonie (Tony) Buddenbrook ist das andere Gegenbild. Während Christian der Bürgerwelt entflieht, bleibt sie von Anfang bis Ende unverändert dieselbe - mit ihr beginnt und endet auch der Roman. Warum stirbt sie nicht, wieso will sie noch am Schluß den Kopf hoch tragen? Der Grund ist: Sie denkt nich nach. Das kann man an der Floskelhaftigkeit ihrer Sprache nachweisen, auch an der naiven Übernahme von Zitaten. Sie ist und bleibt vital, aber gleichzeitig auch beschränkt. Tony ist ein Spielball des Lebens, das sie nicht versteht. Dafür aber ist sie im Grunde glücklich.
Der Verfall wird auch über Symbole und Leitmotive verdeutlicht. Bei den männlichen Buddenbrooks nimmt die Vitalität ab, sie ermüden schneller, haben Herzrhythmusstörungen, nervöse Erscheinungen. Signalwirkung hat die Beschreibung von Zähnen, Vitalität spiegelt sich in einem starken Gebiß. Thomas leidet jedoch schon früh an schlechten Zähnen und stirbt schließlich daran. Hanno erbt diesen Mangel von seinem Vater. Insgesamt sinken auch Lebensdauer und die Zahl der Nachkommen.
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3. Eigene Bewertung:
Die "Buddenbrooks" sind für mich ein Jahrhundertbuch. Ob man der Linie des Autors folgen will oder nicht, ändert nichts am Lesevergnügen. Mich selbst überzeugt die Konstruktion des Verfalls inhaltlich nur bedingt, denn warum sollten nachdenkliche und empfindsame Menschen nicht erfolgreich sein. Aber im Wirtschaftsleben dürften diese Eigenschaften eher von Nachteil sein. Von der Romananlage her ist der Verfallsprozess klar motiviert und in der Umsetzung einzigartig gelungen.
Man wird sich möglicherweise mit der Sprache und Thematik schwer tun, aber wenn man sich erst einmal eingelesen hat, dann verschlingt man den Roman. Besonders gut sind die detaillierten Schilderungen, der Sprachreichtum (z.B. die sprechenden Namen: Bendix Grünlich - igitt, Vorsicht, Grünspan - der Betrüger; Herr Permaneder - permanent im Wirtshaus sitzend) und einzelne Episoden (z.B. die Revolution in Lübeck). Man kann lachen und nachdenken, einfach vor sich hinlesen oder nach der Bedeutung fragen. Mir hat das Lesen ungeheuren Spaß gemacht, und noch mehr Spaß hatte ich beim zweiten Mal, als ich Literatur zu den "Buddenbrooks" gelesen hatte, die mir so manches deutlicher und klarer erscheinen ließ.
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4. Stimmen der zeitgenössischen Rezeption:
Thomas Manns Roman-Erstling erschien im Oktober 1901 bei S. Fischer, der endgültige Verkaufserfolg kam aber erst mit der 2. Auflage von 1903. Die Besprechung der "Buddenbrooks" zog sich über mehrere Jahre hin, denn die Rezensenten scheuten vor dem Mammut-Roman des relativ unbekannten Neulings zurück. Falsch ist also, dass der Roman gleich nach dem Erscheinen mit einhelligem Wohlwollen aufgenommen wurde. Dennoch sind vor allem die positiven Zeugnisse auch heute noch interessant. Dazu zwei Beispiele:
Samuel Lublinski - "Berliner Tageblatt": "Und darum eben, weil sich in den Buddenbrooks ein erlebtes und tief empfundenes Weltgefühl mit einer bewußten Kunst innig verbunden hat, deshalb bleibt dieser Roman ein unzerstörbares Buch. Er wird wachsen mit der Zeit und noch von vielen Generationen gelesen werden: eines jener Kunstwerke, die wirklich über den Tag und das Zeitalter erhaben sind, die nicht im Sturm mit sich fortreißen, aber mit sanfter Überredung allmälig und unwiderstehlich überwältigen."
Rainer Maria Rilke - "Bremer Tageblatt und General-Anzeiger": "Man wird sich diesen Namen unbedingt notieren müssen. Mit einem Roman von elfhundert Seiten hat Thomas Mann einen Beweis von Arbeitskraft und Können gegeben, den man nicht übersehen kann. [...] Und neben der kolossalen Arbeit und dem dichterischen Schauen ist diese vornehme Objektivität zu loben; es ist ein Buch ganz ohne Überhebung des Schriftstellers. Ein Akt der Ehrfurcht vor dem Leben, welches gut und gerecht ist, indem es geschieht."
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5. Internetadressen und Literaturauswahl:
a) wichtige Internetadressen zum Thema:
http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/kunst/buddenbrooks/ - Kurzdarstellung aus Kindlers Literaturlexikon
http://www.geocities.com/f_oberbichler/Die_Buddenbroo ks_-_Zerfall_ein/die_buddenbrooks_-_zerfall_ein.html - Kurzdarstellung aus Kindlers Neuem Literaturlexikon
http://www.derkanon.de/roman/buddenbrooks.html - Der deutsche Literaturkanon
http://www.biblioforum.de/buch_buddenbrooks.php - Schöne Buddenbrooks-Seite
http://www.teachsam.de/deutsch/d_literatur/d_aut/ma nn_th/bud/mann_th_bud_booktips_ss.htm - Superseite zur Lektürehilfe
b) grundlegende Literatur zum Thema:
Kurzke, Hermann: Thomas Mann. Epoche - Werk - Wirkung. 3., erneut überarbeitete Auflage. München 1997, S. 60-82
Mendelssohn, Peter de: Der Zauberer. Das Leben des deutschen Schriftstellers Thomas Mann. In drei Bänden. Frankfurt am Main 1996, Bd.1, S. 391-594
Moulden, Ken, Wilpert, Gero von (Hrsg.): Buddenbrooks-Handbuch. Stuttgart 1988
Mann, Thomas: Buddenbrooks. Verfall einer Familie. Taschenbuch, 758 Seiten, Fischer-Taschenbuch-Verlag 1989; ISBN: 3-596-294312; Preis: 9,90 Euro
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-04-18 13:33:46 mit dem Titel Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen
Heinrich Heines Vers-Epos "Deutschland. Ein Wintermärchen" ist wohldem Titel nach sein bekanntestes Werk, sieht man von der "Loreley" ("Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ...") ab. Wer aber hat es gelesen? Das ist sehr schade, denn das "Wintermärchen" ist nicht nur ein Zeugnis von Heimatliebe, es ist auch ein Meisterwerk der satirisch-politischen Lyrik.
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1. Der Autor
2. Die Entstehungsgeschichte
3. Der Inhalt
4. Bewertung
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1. Der Autor:
Heinrich Heine wurde als Harry Heine (bis 1825) am 13.12.1797 in Düsseldorf als ältester Sohn des jüdischen Textilkaufmanns Samson Heine und seiner Ehefrau Elisabeth, geb. van Geldern, geboren. Das Lyzeum/Gymnasium verläßt er 1814 ohne Reifezeugnis.
Eine kaufmännische Lehre führt ihn 1815 erst nach Frankfurt am Main, er wechselt 1816 dann aber in das Bankhaus seines Onkels Salomon Heine in Hamburg. Dort verliebt er sich unglückliche in seine Cousine Amalie. 1817 veröffentlicht er schließlich unter einem Pseudonym seine ersten Gedichte.
Nach einem Geschäftskonkurs beginnt er ein Jurastudium, das von seinem Onkel finanziert wird. 1820 erscheint sein Aufsatz "Die Romantik". 1822 wird Heine Mitglied im "Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden". Eine Wanderung durch den Harz (1824) bildet den Ausgangspunkt für seine Reisebeschreibung "Die Harzreise", die 1826 erscheint. 1825 tritt Heine zum evangelischen Glauben über. Er promoviert zum Dr. jur., siedelt nach Hamburg über und lebt fortan als freier Schriftsteller.
1826 begegnet er seinem zukünftigen Hauptverleger Julius Campe. Der 1. Teil der "Reisebilder" erscheint, 1827 der 2. Teil, ebenso "Das Buch der Lieder". Dieser Gedichtband wird Heines populärstes Werk und erlebt allein zu seinen Lebzeiten 13 Auflagen. 1828 stirbt sein Vater in Hamburg. 1830 erscheinen die "Reisebilder III".
1831 entschließt er sich aufgrund mangelnder Berufsaussichten in Deutschland (eine Professur war von der katholischen Kirche verhindert worden), nach Paris überzusiedeln. Dort arbeitet er als Korrespondent für deutsche Zeitungen und Zeitschriften. Der Abdruck seiner Artikelserie "Französische Zustände" in der Augsburger "Allgemeinen Zeitung" wird aber von Metternich nach einigen Folgen unterbunden. Deren Buchausgabe wird in Preußen verboten.
1833 und 1834 erscheinen weitere Werke auch auf Französisch. 1835 werden im Zuge des Verbotes des "Jungen Deutschlands" sämtliche Werke Heines (Zitat Metternichs: "Ausgezeichnet, ausgezeichnet. Das muß sofort verboten werden.") im Deutschen Bund verboten. 1836 gewährt die Französische Regierung Heine eine Pension als politischem Emigranten. Er erkrankt an Gelbsucht und 1837 an den Augen. In den Folgejahren erscheinen weitere Werke.
1841 beginnt er die Arbeit an dem satirischen Versepos "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum", das 1843 in der "Zeitung für die elegante Welt" erscheint wie auch das Gedicht "Nachtgedanken" (Zitat: "Denk' ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht."). Im selben Jahr reist er nach Hamburg. Nach seiner Rückkehr lernt er in Paris Karl Marx kennen.
1844 erscheinen "Deutschland. Ein Wintermärchen" und "Neue Gedichte". Nach dem Tod des Onkels Salomon beginnen Erbschaftsstreitigkeiten innerhalb der Familie. Er erhält nur dann weiter eine Familienpension, wenn er in seinen Werken keine Familienangehörigen erwähnt.
Ab 1845 verschlechtert sich sein Gesundheitszustand immer mehr. Dennoch berichtet Heine 1848 für die Augsburger "Allgemeine Zeitung" über die Pariser Februarrevolution. Er bricht im Louvre zusammen. Eine Erkrankung an Rückenmarkschwindsucht wird diagnostiziert. Nun beginnt sein Krankenlager in der "Matratzengruft" in der Avenue Matignon (bis zu seinem Tod).
Die letzten Jahre bringen eine ganze Reihe von Werken, so etwa 1851 den Gedichtband "Romanzero" und "Der Doktor Faust", ein Tanzpoem. Am 17.02.1856 stirbt Heine in Paris und wird drei Tage später auf dem Friedhof Montmartre beerdigt.
Heine ist einer der bedeutendsten und einflußreichsten deutschen Dichter und zugleich Mitbegründer des modernen Feuilletons. Zahlreiche seiner Lieder wurden vertont, zum Teil von Schubert, Schumann u.a. Während der NS-Herrschaft galten seine Werke als "jüdisch entartet", so daß sogar seine "Loreley" in den Schulbüchern einem unbekannten Dichter zugeschrieben wurde. Eines seiner Worte ist legendär und fast prophetisch: "Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen."
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2. Entstehungsgeschichte:
Die Entstehungsgeschichte von "Deutschland. Ein Wintermärchen" ist sehr gut dokumentiert.
Seit 1831 befindet sich Heine im Exil in Frankreich. Schon damals schreibt er August Varnhagen in Berlin: "Fliehen wäre leicht, wenn man nicht das Vaterland an den Schuhsohlen mit sich schleppte!" Diese Verbundenheit mit seiner Heimat bleibt ihm ein Leben lang, so daß er am 18. Oktober 1843 an seine Mutter nach Hamburg schreibt: "Ich will dich [...] noch in diesem Jahr [sehen]". Die Reise muß aber streng geheimgehalten werden; denn er ist ein verbotener Dichter, dem vorgeworfen wird, "die ganze gesellschaftliche Ordnung in Deutschland, die Religion, die Moral, die fürstliche Gewalt, kurz alles, was dem Menschen heilig ist, stürzen zu wollen". Am 29.10.1843 trifft er in Hamburg ein, besucht seine Familie und alte Freunde. Er reist, ungeachtet der Gefahr, daß er verhaftet werden könnte, durch das Land und erfährt, was sich in Deutschland während seiner Abwesenheit ereignet und verändert hat. Von Hamburg über Hannover, Bückeburg, Minden, Paderborn, den Teutoburger Wald, Hagen, Köln und Aachen geht die Reise - im Versepos werden die Stationen in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen. Am 13.12.1843 ist Heine wieder in Paris. Seine Erlebnisse schreibt er anfangs 1844 nieder. Seinem Verleger Campe schreibt er am 20.02.1844: "Hab, seitdem ich zurück, viel gearbeitet, z. B. ein höchst humoristisches Reise-Epos, meine Fahrt nach Deutschland, ein Cyklus von 20 Gedichten, gereimt. Sie werden sehr mit mir zufrieden sein und das Publikum wird mich in meiner wahren Gestalt sehen. Meine Gedichte, die neuen, sind ein ganz neues Genre, versifizierte Reisebilder, und werden eine höhere Politik athmen als die bekannten politischen Stänkerreime [...] Dieses Gedicht wird den hohen Herren Schrecken einjagen - denn sie sehen wessen ich fähig bin, wenn ich will [...]"
Am 17.04.1844 schließlich steht der Titel "Deutschland. Ein Wintermärchen" fest, für Heine, wie er seinem Verleger schreibt, ein Werk, das "der prosaischbombastischen Tendenzpoesie den Todesstoß geben [...]". Der Verleger fürchtet jedoch die Politik, zurecht wie man daraus erkennen kann, daß das Werk sofort 1844 in Preußen, Frankfurt am Main, Bayern, Württemberg und Hannover verboten wird. Ende des Jahres ordnet der preußische König Friedrich Wilhelm IV. sogar die Verhaftung Heines an, sollte er die preußischen Grenze überschreiten. Die Verbote setzen sich auch im darauffolgenden Jahr fort. Von der katholischen Kirche wird das Buch auf den Index librorum prohibitorum gesetzt.
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3. Inhalt:
Vorwort
Das Vers-Epos geginnt mit einem Vorwort, in dem Heinrich Heine kurz auf seine Arbeit am Werk eingeht, bevor er sich der aktuellen politischen Situation widmet, der Rheinfrage, in der zum Beispiel "Die Wacht am Rhein" entstand.
Caput I
Heine beginnt seine Reise und das "Wintermärchen" mit den wundervollen Versen:
Im traurigen Monat November war's,
Die Tage wurden trüber,
Der Wind riß von den Bäumen das Laub,
Da reist ich nach Deutschland hinüber.
Und als ich an die Grenze kam,
Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
In meiner Brust, ich glaube sogar
Die Augen begunnen zu tropfen.
Und als ich die deutsche Sprache vernahm,
Da ward mir seltsam zumute;
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz
Recht angenehm verblute.
Wer das liest und glaubt, Heine habe ein Haßgedicht auf Deutschland geschrieben, dem kann nicht mehr geholfen werden.
Dann wird er programmatisch:
Ein kleines Harfenmädchen sang.
Sie sang mit wahrem Gefühle
Und falscher Stimme, doch ward ich sehr
Gerühret von ihrem Spiele.
Sie sang von Liebe und Liebesgram,
Aufopfrung und Wiederfinden
Dort oben, in jener besseren Welt,
Wo alle Leiden schwinden.
Sie sang vom irdischen Jammertal,
Von Freuden, die bald zerronnen,
Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt
Verklärt in ew'gen Wonnen.
Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.
Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.
Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.
Caput II
Im zweiten Kapitel überschreitet Heine die Grenze. Dabei wird er kontrolliert:
Während die Kleine von Himmelslust
Getrillert und musizieret,
Ward von den preußischen Douaniers
Mein Koffer visitieret.
Beschnüffelten alles, kramten herum
In Hemden, Hosen, Schnupftüchern;
Sie suchten nach Spitzen, nach Bijouterien,
Auch nach verbotenen Büchern.
Ihr Toren, die ihr im Koffer sucht!
Hier werdet ihr nichts entdecken!
Die Konterbande, die mit mir reist,
Die hab ich im Kopfe stecken.
[...]
Und viele Bücher trag ich im Kopf!
Ich darf es euch versichern,
Mein Kopf ist ein zwitscherndes Vogelnest
Von konfiszierlichen Büchern.
Glaubt mir, in Satans Bibliothek
Kann es nicht schlimmere geben;
Sie sind gefährlicher noch als die
Von Hoffmann von Fallersleben! -
Caput III
In Aachen sinniert Heine über Karl den Großen und die Vergänglichkeit von Größe:
Zu Aachen, im alten Dome, liegt
Carolus Magnus begraben.
(Man muß ihn nicht verwechseln mit Karl
Mayer, der lebt in Schwaben.)
Ich möchte nicht tot und begraben sein
Als Kaiser zu Aachen im Dome;
Weit lieber lebt' ich als kleinster Poet
Zu Stukkert am Neckarstrome.
Dem Preußischen Militär begegnet er feindlich:
[...]
Sah wieder preußisches Militär,
Hat sich nicht sehr verändert.
Es sind die grauen Mäntel noch
Mit dem hohen, roten Kragen -
(Das Rot bedeutet Franzosenblut,
Sang Körner in früheren Tagen.)
Noch immer das hölzern pedantische Volk,
Noch immer ein rechter Winkel
In jeder Bewegung, und im Gesicht
Der eingefrorene Dünkel.
Sie stelzen noch immer so steif herum,
So kerzengerade geschniegelt,
Als hätten sie verschluckt den Stock,
Womit man sie einst geprügelt.
Caput IV
Köln ist die nächste Station der Reise. Dort setzt sich Heine mit der Rolle der Kirche auseinander:
Ja, hier hat einst die Klerisei
Ihr frommes Wesen getrieben,
Hier haben die Dunkelmänner geherrscht,
Die Ulrich von Hutten beschrieben.
Der Cancan des Mittelalters ward hier
Getanzt von Nonnen und Mönchen;
Hier schrieb Hochstraaten, der Menzel von Köln,
Die gift'gen Denunziatiönchen.
Die Flamme des Scheiterhaufens hat hier
Bücher und Menschen verschlungen;
Die Glocken wurden geläutet dabei
Und Kyrie eleison gesungen.
Dummheit und Bosheit buhlten hier
Gleich Hunden auf freier Gasse;
Die Enkelbrut erkennt man noch heut
An ihrem Glaubenshasse. -
Caput V
Im fünften Kapitel spricht er mit Vater Rhein, der sich beklagt über seinen politischen Mißbrauch. Er verspricht ihm bessere Lieder über ihn:
Zu Biberich hab ich Steine verschluckt,
Wahrhaftig, sie schmeckten nicht lecker!
Doch schwerer liegen im Magen mir
Die Verse von Niklas Becker.
Er hat mich besungen, als ob ich noch
Die reinste Jungfer wäre,
Die sich von niemand rauben läßt
Das Kränzlein ihrer Ehre.
Wenn ich es höre, das dumme Lied,
Dann möcht ich mir zerraufen
Den weißen Bart, ich möchte fürwahr
Mich in mir selbst ersaufen!
[...]
Gib dich zufrieden, Vater Rhein,
Denk nicht an schlechte Lieder,
Ein besseres Lied vernimmst du bald -
Leb wohl, wir sehen uns wieder.
Caput VI
Immer noch in Köln begegnet er nächtens einem Geist, der ihm die Umsetzung seiner Gedanken verspricht.
Caput VII
Dieses Kapitel ist eines der berühmtesten. Heine beschreibt dort den Nationalcharakter der Deutschen:
Man schläft sehr gut und träumt auch gut
In unseren Federbetten.
Hier fühlt die deutsche Seele sich frei
Von allen Erdenketten.
Sie fühlt sich frei und schwingt sich empor
Zu den höchsten Himmelsräumen.
O deutsche Seele, wie stolz ist dein Flug
In deinen nächtlichen Träumen!
Die Götter erbleichen, wenn du nahst!
Du hast auf deinen Wegen
Gar manches Sternlein ausgeputzt
Mit deinen Flügelschlägen!
Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört den Briten,
Wir aber besitzen im Luftreich des Traums
Die Herrschaft unbestritten.
Hier üben wir die Hegemonie,
Hier sind wir unzerstückelt;
Die andern Völker haben sich
Auf platter Erde entwickelt. - -
In einem Albtraum jagt Heine dann den Aberglauben aus dem Kölner Dom.
Caput VIII
Die Reise führt weiter über Mühlheim nach Hagen. Heine schwelgt in Erinnerungen.
CAPUT IX
In Hagen wird zu Mittag gegessen. Dort betrachtet er eine Gans:
Es stand auf dem Tische eine Gans,
Ein stilles, gemütliches Wesen.
Sie hat vielleicht mich einst geliebt,
Als wir beide noch jung gewesen.
Sie blickte mich an so bedeutungsvoll,
So innig, so treu, so wehe!
Besaß eine schöne Seele gewiß,
Doch war das Fleisch sehr zähe.
CAPUT X
Nachts macht man dann zu Unna im Wirtshaus halt. Hier kommentiert er die Westfalen in Erinnerung an seine Göttinger Zeit:
Der Himmel erhalte dich, wackres Volk,
Er segne deine Staaten,
Bewahre dich vor Krieg und Ruhm,
Vor Helden und Heldentaten.
Er schenke deinen Söhnen stets
Ein sehr gelindes Examen,
Und deine Töchter bringe er hübsch
Unter die Haube - Amen!
CAPUT XI
Die REise führt weiter durch den Teutoburger Wald. Heine überlegt, was wohl gewesen wäre, hätte Varus die Schlacht gewonnen und nicht Hermann. Er kommt zu dem Ergebnis:
Gottlob! Der Herrmann gewann die Schlacht,
Die Römer wurden vertrieben,
Varus mit seinen Legionen erlag,
Und wir sind Deutsche geblieben!
Wir blieben deutsch, wir sprechen deutsch,
Wie wir es gesprochen haben;
Der Esel heißt Esel, nicht asinus,
Die Schwaben blieben Schwaben.
Diese Verse sind nur dann verständlich, wenn man weiß, das Esel und Schwaben lateinische Lehnwörter sind, die lediglich deutsch aussehen.
CAPUT XII
Im nächtlichen Wald bricht ein Rad der Kutsche. Heine unterhält sich mit den Wölfen.
CAPUT XIII
Bei Paderborn denkt Heine angesichts eines Wegkreuzes über Christus nach:
Mit Wehmut erfüllt mich jedesmal
Dein Anblick, mein armer Vetter,
Der du die Welt erlösen gewollt,
Du Narr, du Menschheitsretter!
Sie haben dir übel mitgespielt,
Die Herren vom hohen Rate.
Wer hieß dich auch reden so rücksichtslos
Von der Kirche und vom Staate!
Zu deinem Malheur war die Buchdruckerei
Noch nicht in jenen Tagen
Erfunden; du hättest geschrieben ein Buch
Über die Himmelsfragen.
Der Zensor hätte gestrichen darin,
Was etwa anzüglich auf Erden,
Und liebend bewahrte dich die Zensur
Vor dem Gekreuzigtwerden.
Ach! hättest du nur einen andern Text
Zu deiner Bergpredigt genommen,
[...]
Unglücklicher Schwärmer, jetzt hängst du am Kreuz
Als warnendes Exempel!
CAPUT XIV bis CAPUT XV
Die Sonne lenkt Heines Gedanken auf die Kyffhäusersage, und er entlarvt die Barbarossasehnsucht als Ammenmärchen. Er spricht im Traum mit dem Kaiser und erzählt die Geschichte der Revolution. Das Gespräch gipfelt in folgenden Worten:
Der Kaiser fiel mir in die Red':
"Schweig still, von deiner Maschine
Will ich nichts wissen, Gott bewahr',
Daß ich mich ihrer bediene!
Der König und die Königin!
Geschnallt! an einem Brette!
Das ist ja gegen allen Respekt
Und alle Etikette!
Und du, wer bist du, daß du es wagst,
Mich so vertraulich zu duzen?
Warte, du Bürschchen, ich werde dir schon
Die kecken Flügel stutzen!
Es regt mir die innerste Galle auf,
Wenn ich dich höre sprechen,
Dein Odem schon ist Hochverrat
Und Majestätsverbrechen!"
Als solchermaßen in Eifer geriet
Der Alte und sonder Schranken
Und Schonung mich anschnob, da platzten heraus
Auch mir die geheimsten Gedanken.
"Herr Rotbart" - rief ich laut -, "du bist
Ein altes Fabelwesen,
Geh, leg dich schlafen, wir werden uns
Auch ohne dich erlösen.
Die Republikaner lachen uns aus,
Sehn sie an unserer Spitze
So ein Gespenst mit Zepter und Kron';
Sie rissen schlechte Witze.
Auch deine Fahne gefällt mir nicht mehr,
Die altdeutschen Narren verdarben
Mir schon in der Burschenschaft die Lust
An den schwarzrotgoldnen Farben.
Das beste wäre, du bliebest zu Haus,
Hier in dem alten Kyffhäuser -
Bedenk ich die Sache ganz genau,
So brauchen wir gar keinen Kaiser."
CAPUT XVII
Heine nimmt - aufgewacht - sein Worte zurück, um damit umso mehr die Zustände der Gegenwart zu geißeln:
Das Mittelalter, immerhin,
Das wahre, wie es gewesen,
Ich will es ertragen - erlöse uns nur
Von jenem Zwitterwesen,
Von jenem Kamaschenrittertum,
Das ekelhaft ein Gemisch ist
Von gotischem Wahn und modernem Lug,
Das weder Fleisch noch Fisch ist.
Jag fort das Komödiantenpack,
Und schließe die Schauspielhäuser,
Wo man die Vorzeit parodiert -
Komme du bald, o Kaiser!
CAPUT XVIII
In Minden wird übernachtet, wo Heine wieder einen Albtraum hat.
CAPUT XIX
Über Bückeburg geht es weiter nach Hannover.
CAPUT XX
In Hamburg schließlich besucht Heine seine Mutter. Er weicht klaren Antworten nach seiner Frau aus, wobei das eher den Vergleich von Deutschland mit Frankreich betrifft:
"Mein liebes Kind! in welchem Land
Läßt sich am besten leben?
Hier oder in Frankreich? und welchem Volk
Wirst du den Vorzug geben?"
"Die deutsche Gans, lieb Mütterlein,
Ist gut, jedoch die Franzosen,
Sie stopfen die Gänse besser als wir,
Auch haben sie bessere Saucen." -
Auch die Politik ist Thema:
"Mein liebes Kind! Wie denkst du jetzt?
Treibst du noch immer aus Neigung
Die Politik? Zu welcher Partei
Gehörst du mit Überzeugung?"
"Die Apfelsinen, lieb Mütterlein,
Sind gut, und mit wahrem Vergnügen
Verschlucke ich den süßen Saft,
Und ich lasse die Schalen liegen."
CAPUT XXI und CAPUT XXII
In diesen Kapiteln geht es um die Zerstörung der Stadt Hamburg durch Brand, noch mehr aber um die Verwüstung ihrer Bewohner.
CAPUT XXIII bis XXVI
Heine begegnet Hammonia, Hamburgs Schutzgöttin, die ihn führt. Man gerät ins Politisieren. Die Verbindung zu Karl dem Großen stellt sich her. Die Göttin zeigt ihm Deutschlands Zukunft:
"Die Zukunft Deutschlands erblickst du hier,
Gleich wogenden Phantasmen,
Doch schaudre nicht, wenn aus dem Wust
Aufsteigen die Miasmen!"
Sie sprach's und lachte sonderbar,
Ich aber ließ mich nicht schrecken,
Neugierig eilte ich, den Kopf
In die furchtbare Ründung zu stecken.
Was ich gesehn, verrate ich nicht,
Ich habe zu schweigen versprochen,
Erlaubt ist mir zu sagen kaum,
O Gott! was ich gerochen! - - -
[...]
Entsetzlich waren die Düfte, o Gott!
Die sich nachher erhuben;
Es war, als fegte man den Mist
Aus sechsunddreißig Gruben. - - -
[...]
Doch dieser deutsche Zukunftsduft
Mocht alles überragen,
Was meine Nase je geahnt -
Ich konnt es nicht länger ertragen - - -
CAPUT XXVII
Mit diesem Kapitel schließt das "Wintermärchen". Es endet in Hoffnung und einem Appell:
Es wächst heran ein neues Geschlecht,
Ganz ohne Schminke und Sünden,
Mit freien Gedanken, mit freier Lust -
Dem werde ich alles verkünden.
Schon knospet die Jugend, welche versteht
Des Dichters Stolz und Güte,
Und sich an seinem Herzen wärmt,
An seinem Sonnengemüte.
[...]
O König! Ich meine es gut mit dir,
Und will einen Rat dir geben:
Die toten Dichter, verehre sie nur,
Doch schone, die da leben.
Beleid'ge lebendige Dichter nicht,
Sie haben Flammen und Waffen,
Die furchtbarer sind als Jovis Blitz,
Den ja der Poet erschaffen.
Beleid'ge die Götter, die alten und neu'n,
Des ganzen Olymps Gelichter,
Und den höchsten Jehova obendrein -
Beleid'ge nur nicht den Dichter!
Die Götter bestrafen freilich sehr hart
Des Menschen Missetaten,
Das Höllenfeuer ist ziemlich heiß,
Dort muß man schmoren und braten -
Doch Heilige gibt es, die aus der Glut
Losbeten den Sünder; durch Spenden
An Kirchen und Seelenmessen wird
Erworben ein hohes Verwenden.
[...]
Doch gibt es Höllen, aus deren Haft
Unmöglich jede Befreiung;
Hier hilft kein Beten, ohnmächtig ist hier
Des Welterlösers Verzeihung.
Kennst du die Hölle des Dante nicht,
Die schrecklichen Terzetten?
Wen da der Dichter hineingesperrt,
Den kann kein Gott mehr retten -
Kein Gott, kein Heiland erlöst ihn je
Aus diesen singenden Flammen!
Nimm dich in acht, daß wir dich nicht
Zu solcher Hölle verdammen.
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4. Bewertung:
Das Epos gehört zu den großen Werken der deutschen Literatur und ist eines meiner Lieblingsstücke. In ihm sind viele Themen aufgegriffen: Religion, Zensur, Geschichte, Heimat ... Über Deutschland zu schreiben, hieß für viele Dichter auch an Deutschland verzweifeln. Ich hoffe, dass es für diese Verzweiflung keinen Anlass mehr geben wird, aber das ist ein "weites Feld" ...
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"Deutschland. Ein Wintermärchen" ist in vielen Ausgaben erhältlich. Wer nur den Text lesen will, der ist mit der Sammlung Gutenberg im Internet ("http://gutenberg.spiegel.de/heine/wintmaer") gut bedient. Alle anderen Möglichkeiten reichen von Reclams Universalbibliothek bis zu bibliophilen Ausgaben. Auf jeden Fall sollte es aber in jedem Bücherregal seinen Platz finden, noch mehr aber in jedem Herzen.
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-04-21 19:45:38 mit dem Titel Thomas Mann: Der Tod in Venedig
So manches ist schon über Thomas Mann und seine Novelle "Der Tod in Venedig" geschrieben worden, denn das Werk ist schier unerschöpflich: da gibt es die Homosexuellenproblematik und eine philosophische Deutung - Gegensatz des Apollinischen und des Dionysischen. Zu ergänzen wären biographische Aspekte und die Bedeutung der Ironie, vor allem aber die Traumdeutung. Diese Aspekte möchte ich hier ansprechen.
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1. Thomas Manns Biographie zur Entstehungszeit der Novelle
2. Knappe Inhaltszusammenfassung
3. Aschenbach als ironische Selbstdarstellung Thomas Manns
4. Ironie als Kennzeichen von Thomas Manns Schreibstil
5. Die Bedeutung der Träume in der Novelle
6. Fazit
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1. Thomas Manns Biographie zur Entstehungszeit der Novelle:
Der am 6. Juni 1875 in Lübeck geborene Schriftsteller lebte seit 1894 in München, wobei er allerdings von 1896 bis 1898 in Italien weilte. Die "Buddenbrooks" (1901) brachten den endgültigen literarischen Durchbruch. 1903 erschien die Novellensammlung "Tristan", die u.a. den "Tonio Kröger" enthält. Die Themen in Thomas Manns Frühwerk sind der Gegensatz von Leben und Kunst sowie der Verfall. 1905 heiratete er Katia Pringsheim und richtete sich im großbürgerlichen Leben ein. Er schrieb ein Drama, "Fiorenza" (1907), das den meisten nicht bekannt ist, und seinen zweiten Roman "Königliche Hoheit" (1909). "Der Tod in Venedig" (1912) schließt Manns Frühwerk ab. Allerdings geriet er dann in eine Schaffenskrise.
2. Knappe Inhaltszusammenfassung:
Eine Schaffenskrise des Schriftstellers Gustav von Aschenbach bildet den Ausgangspunkt der Novelle. Im 1. Kapitel wird Aschenbachs nachlassende Energie beschrieben, die bisher von seinem Willen bestimmt war. Ein Tagtraum bringt ihn dazu zu verreisen, wobei diese Reise eine "hygienische Maßregel" (S. 10) sein soll.
Im 2. Kapitel werden Aschenbachs Biographie und seine Kunst beschrieben. Seine schwache Konstitution prägen auch seine Kunstauffassung: außerordentliche Leistung lassen sich für ihn durch eisernen Willen, Strenge und Zucht erzielen. Er verbannt alles Nichtrationale aus Leben und Werk und stilisiert es ins Mustergültige, aber: "Blickte man hinein in diese erzählte Welt, sah man die elegante Selbstbeherrschung, die bis zum letzten Augenblick eine innere Unterhöhlung, den biologischen Verfall vor den Augen der Welt verbirgt [...]" (S. 16).
Das 3. Kapitel bringt die Reise nach Venedig, wo er dem Knaben Tadzio begegnet. In Aschenbachs Leben bricht die bisher vom Willen verdrängte Sinnlichkeit - zunächst unbewußt - ein. Ein halbherzig vorgenommener Fluchtversuch scheitert.
Vorübergehend gelingt Aschenbach im 4. Kapitel die Überwindung seiner Schaffenskrise. Grund dafür ist Tadzio, in dem Aschenbach das erste Mal das vollkommen Schöne zu erblicken meint. Ihm gelingen "anderthalb Seiten erlesener Prosa" (S. 55). Was als ästhetische Leidenschaft das Werk befruchtet ("Glück des Schriftstellers ist der Gedanke, der ganz Gefühl, ist das Gefühl, das ganz Gedanke zu werden vermag."; S. 55), steigert sich jedoch zu einem offenen Liebesbekenntnis.
Das 5. Kapitel bringt den völligen Verfall Aschenbachs. Seine Leidenschaft schlägt um in rauschhafte und würdelose Zügellosigkeit. Äußeres Kennzeichen davon ist eine kosmetische Behandlung, die ihn jünger und für Tadzio attraktiver machen soll. Am Ende stirbt er an der - äußerlich zumindest - Cholera.
3. Aschenbach als ironische Selbstdarstellung Thomas Manns:
Im "Tod in Venedig" greift Thomas Mann Themen seiner frühen Novellen auf, mit ihm verabschiedet er sich aber auch von einigen seiner Pläne. Er schreibt sie als Titel Gustav Aschenbachs Biographie zu:
"Der Autor der klaren und mächtigen Prosa-Epopöe vom Leben Friedrichs von Preußen; der geduldige Künstler, der in langem Fleiß den figurenreichen, so vielerlei Menschenschicksal im Schatten einer Idee versammelnden Romateppich, 'Maja' mit Namen wob; der Schöpfer jener starken Erzählung, die 'Ein Elender' überschrieben ist [...]; der Verfasser endlich [...] der leidenschaftlichen Abhandlung über 'Geist und Kunst' [...]" (S. 13)
Alle diese Werke wurden von Mann konzipiert, es liegen sogar Entwürfe vor, aber nicht vollendet. Mit der Übertragung an Aschenbach entledigt er sich ihrer weitgehend.
Aschenbachs Biographie weist jedoch auch nicht fiktivie Parallelen zu der von Thomas Mann auf. So entspringt er einer "Blutmischung" von pflichttreuen preußischen Beamten väterlicherseits, während die Mutter Tochter eines böhmischen Kapellmeisters ist und feurige Impulse setzt. Thomas Mann selbst bekommt vom Vater hanseatische Nüchternheit, die Mutter bringt südamerikanisches Temperament in die Familie. Auch die Adelung Aschenbachs ("Gustav Aschenbach oder von Aschenbach, wie seit seinem fünfzigsten Geburtstag amtlich sein Name lautete"; S. 7) findet ihre Entsprechung in der 1909 erfolgten Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn, eine Art bürgerlicher Adelung also.
Auch die Schauplätze der Handlung sind Thomas Mann nicht nur vertraut, er lebte ja in München und bewunderte Venedig, auch der äußere Kern der Handlung, die Begegnung mit einem polnischen Jungen in Venedig - "Tadzio" - hat es wirklich gegeben.
Nun ist das für Manns Werk durchaus nichts Ungewöhnliches. Er greift schon von Anfang an auf Autobiographisches zurück, ganz deutlich ist das ja in seinen "Buddenbrooks". Die Ironie der Selbstdarstellung ist hier aber u.a. dadurch gegeben, daß er selbst ja weder negativ auffällt in Venedig noch stirbt. Gleichwohl erscheint seine "würdige" Stellung innerhalb der Gesellschaft ironisch gebrochen. Das betrifft letztlich auch Manns Kunst- und Künstlerverständnis.
4. Ironie als Kennzeichen von Thomas Manns Schreibstil:
Ironie zu erkennen, fällt schwer. Noch schwerer ist das, wenn sie ihre Wirkung nicht etwa aus der Wortwahl gewinnt, sondern aus der Komposition des gesamten Textes - und genau das ist hier der Fall, denn vergleichbare Situationen treten auf und werden als Entsprechung und Spiegelung gestaltet. Damit verändern sie rückwirkend die Sicht auf das erste Auftreten. Aschenbachs Verachtung eines alternden Gecks (3. Kapitel) schlägt auf ihn zurück (5. Kapitel). Seine Kunstprinzipien (2. Kapitel) tauchen später wieder auf (5. Kapitel), diesmal jedoch in veränderter Situation, was eine ironische Färbung dieser Begriffe, die Aschenbachs Leben prägen, hervorbringt. Gleiches gilt für die Darstellung Venedigs, bei der äußerer Schein und inneres Sein sich nicht entsprechen.
5. Die Bedeutung der Träume in der Novelle:
Träume sind in literarischen Werken immer Hinweise für den Leser, während die Figuren sie meist nicht oder nur eingeschränkt zu deuten wissen. Das gilt auch für Thomas Manns Novelle, und dies umso mehr als Mann Siegmund Freud intensiv rezipiert hat. Danach zeigt sich in jedem manifesten Traum ein latenter Traumgedanke. Ich will die Deutung hier am ersten Traum Aschenbachs in München exemplarisch zeigen und dies mit einer ausführlichen sprachlichen Analyse vertiefen:
Was bringt Aschenbach dazu, sein wohlgeordnetes Leben zu verlassen? Schon auf den ersten Seiten des Buches wird deutlich, daß er sich in einer Krise befindet, er ist "überreizt" (S. 7). Um sich zu entspannen, unternimmt er einen Spaziergang durch den Englischen Garten; auf dem Rückweg begegnet ihm auf einem Friedhof eine fremdländische Erscheinung, ein Wanderer, der ihm wild entgegensieht, so daß er sich abwendet. Durch diese Begegnung wird Aschenbach aber angeregt, etwas zu empfinden, das er als "Reiselust, nichts weiter" (S. 9) definiert. Diese erscheint aber so "ins Leidenschaftliche, ja bis zur Sinnestäuschung, gesteigert" (S. 10), daß der Schriftsteller eine Vision "wie mit leiblichem Auge" vor sich sieht. Ihm steht eine "ungeheure Landschaft, ein tropisches Sumpfgebiet [...] eine [...] Urweltwildnis" vor Augen, die wild wuchert und von exotischen Tieren, "Vögel von fremder Art" und einem Tiger, nicht aber von Menschen bewohnt wird, ihn scheint sogar der "mephitische Odem" dieser Welt anzuhauchen, so daß er "sein Herz [...] vor Entsetzen und rätselhaftem Verlangen [pochen] [fühlt]". Aus dieser Vision in die Realität zurückgekehrt, nimmt Aschenbach dann aber seinen Spaziergang - wenn auch unter "Kopfschütteln" - wieder auf, denn Reisen ist ihm sonst keine Lust. Die Erscheinung zeitigt trotz dieser Distanzierung Folgen, denn noch auf dem Heimweg entschließt sich Gustav v. Aschenbach zu verreisen.
Der tiefe Eindruck, den die Vision auf Aschenbach macht, wird auch durch erzähltechnische Mittel verdeutlicht. Gibt im vorhergehenden Abschnitt der Novelle ein auktorialer Erzähler daß Geschehen wieder ("Wohl möglich, daß Aschenbach es [...] an Rücksicht hatte fehlen lassen;" S. 9), so ist die Erzählsituation nun personal. Die Vision wird ohne Erzählerkommentar aus Innensicht dargestellt: Aschenbach "sah [...] eine ungeheure Landschaft [...] Dem Schauenden war es, als hauchte der laue, mephitische Odem [...] ihn an" (S. 10). Dies demonstriert in der fehlenden Erzähldistanz den starken Sinneseindruck auf Aschenbach. Auch die erlebte Rede ("Es war Reiselust, nichts weiter;" S. 9), die Aschenbachs Versuch einer Selbstberuhigung zeigt, hat diese Funktion der Eindringlichkeitssteigerung. Der Schriftsteller kann sich der "Sinnestäuschung" (S. 10) nicht entziehen, nicht seine Rationalität, sondern seine "Begierde" (S. 10) zwingt ihn, sich ihr auszusetzen. Er findet auch nicht aus freien Stücken aus der Vision heraus, sie "wich" (S. 10). Aschenbach wird also als passiv dargestellt, er ist der "Schauende" (S. 10). Erst danach kann er wieder selbständig handeln, er schüttelt den Kopf und nimmt seine Promenade wieder auf. Im folgenden Abschnitt informiert nun auch wieder die auktoriale Erzählinstanz, daß Aschenbach sonst nie aus Neigung reist. Der Konjunktiv II ("[...], zum mindesten seit ihm die Mittel zu Gebote gewesen wären", S. 10) demonstriert das Gleiche. Auch der Satzbau zeigt sich als erzählerisches Mittel. So herrscht vor der Vision ein eher einfacher Stil, der sich auch danach wieder einstellt. Die Vision selbst folgt einem verschachtelten Satzbau. Hier spiegeln sich sowohl die Urwaldwildnis selbst als auch Aschenbachs Gefühlsverwirrung wider. Die Sinneseindrücke sind dicht, so intensiv, daß sie nicht gereiht, sondern nur gehäuft wiedergegeben werden können. Diese Eindrücke werden auch in der Wortwahl deutlich. Der Erzähler verwendet aussagekräftige, schildernde und eindrucksstarke Adjektive ("dickdunstig","feucht", "üppig", "haarig", "wunderlich ungestalt") und Substantive ("Urweltwildnis", "Schilffelder"). Er benutzt Vergleiche ("so dick wie Hände") sowie Metaphern ("Pflanzenwerk"). Die Natur erscheint personifiziert, so "haucht" etwa Aschenbach der "Odem dieser geilen und untauglichen Öde" an (S. 10). Diese intensive Schilderung der Natur, die eindrucksverstärkend wirkt, geht in eine bestimmte Richtung, die sich in Aschenbachs Herzklopfen vor "Entsetzen und rätselhaftem Verlangen" (S. 10) äußert. Die Vision ist exotisch, ein "tropisches Sumpfgebiet" mit "Vögeln von fremder Art" und einem Tiger. Aschenbachs Verlangen könnte sich daraus erklären lassen, daß er als Schriftsteller schöpferisch tätig ist, ihm das "Werden" also nahe steht. Gleichzeitig ist in seinem Erschrecken die andere Seite, daß diese Vision vom Gegenpol des Erschaffens, dem "Vergehen", durchdrungen ist, wirksam. Dies zeigt eine Analyse der Wortfelder, denen die Adjektive und Substantive der Vision entstammen. Krankheit ("ungesund", "gequollen", "mephitisch"), Gefahr (Tiger, Sumpf, "Heere von Geharnischten") und Chaos ("Urweltwildnis", "überwuchert", "verworren", "unförmig") sowie Tod (Öde, "Vergehen") prägen sie. Verstärkt wird dieser Eindruck auch vom Vokalismus. Dumpfe und geschlossene Selbstlaute (o, u) dominieren. In der Wortbildung finden sich vor allem bei den Adjektiven negierende (un-geheuer,-förmig, -beweglich) Präfixe, was ebenfalls die Lebensfeindlichkeit dieser Welt zeigt.
Wie ist der Traum nun sowohl erzähltechnisch als auch in verdeckten Hinweisen auf das spätere Geschehen der Novelle zu deuten? Aschenbach befindet sich in einer Krise, er is verwirrt. Diese für ihn untypische Situation ermöglicht es, daß ihn eine ihm sonst fremde Reiselust überfällt, der er sich genausowenig entziehen kann wie der Vision. Diese lockt in in die Ferne, gleichzeitig scheint Gefahr auf. Die Atmosphäre der Urwelt ist ungesund, genauso ungesund wie Venedig. Die Seuche, der Aschenbach zum Opfer fallen wird, stammt aus dem Ganges-Delta (Tiger). Werden somit Krankhelt und Venedig verbunden, so ähnelt auch die Topographie der Wildnis jener Venedigs: Wasseradern, Wirrwarr van Gassen und Inseln. Die todesgeschwängerte Darstellung läßt den schon im Titel der Novelle genannten Ausgang der Handlung erwarten. In der Maße, wie Aschenbach den Boden der Realität unter den Füßen verliert und nicht mehr seiner Vernunft folgt, wie sein Gefühlsleben über ihn Macht gewinnt, kommt er seinem Verderben näher. Sollte er der Vision folgen, also seiner Reiselust, so geht er den Weg in seinen Untergang. Die Gefährdung Aschenbachs wird somit in dem Tagtraum deutlich. Die gefährliche Natur des Traums ist das genaue Gegenteil der eingehegten Natur, in der Aschenbach in übertragenem Sinn lebt. Aschenbachs Reaktion auf diese Vision besteht jedoch im Versuch, sie zu rationalisieren und zu bagatellisieren. Er versteht den Traum nicht als Warnung, der geübte Leser aber sehr wohl.
6. Fazit:
Thomas Manns Novelle ist mit diesen wenigen Zeilen nicht annähernd ausgedeutet. Das sollte hier auch nicht geschehen, vielmehr sollte der Appetit auf mehr geweckt werden, Appetit auf eines der Hauptwerke Thomas Manns, und da der Hunger beim Essen kommt, auch Appetit auf Manns andere Erzählungen in diesem Band (besonders gelungen ist "Das Gesetz", das uns einen "anderen" Moses als die Bibel vorstellt) und seine Romane. Als "Einstieg" dazu eignet sich "Der Tod in Venedig" genauso wie als eigenständige Lektüre. Und wer sich auf die Traumdeutung in dieser Novelle einläßt, der läßt sich auch auf Thomas Manns Sprachkunst ein, und in diese zu versinken ist nicht bedrohlich, sondern höchst genußvoll.
Anmerkung: Zitiert wird hier nach: Mann, Thomas: Der Tod in Venedig und andere Erzählungen. Frankfurt am Main 1992; Taschenbuch, 328 Seiten, Fischer-Taschenbuch-Verlag; ISBN: 3-596-20054-7; 7,90 Euro
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-04-22 11:09:51 mit dem Titel Franz Kafka: Brief an den Vater
Franz Kafkas "Brief an den Vater" ist für mich eines der ergreifendsten Dokumente der Weltliteratur. Man kann ihn lesen als Ausdruck einer ganz persönlichen Auseinandersetzung zwischen Sohn und übermächtigem Vater, als Generalisierung des Generationenkonflikt, als Anklageschrift oder als Selbstzerfleischung eines psychisch Labilen. Darüber hinaus ist er "der" Schlüsseltext, will man Kafkas Werke biographisch deuten.
Um den Brief sinnvoll deuten zu können, bedarf es freilich einiger Überlegungen zu Kafkas Leben und zur Gestaltung des Briefs selbst. Daher gliedere ich die Ausführungen wie folgt:
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1. Franz Kafkas Leben
2. Franz Kafkas Lebensprobleme
3. Der Vater Hermann Kafka
4. Der Vater in Franz Kafkas Werk am Beispiel von "Die Verwandlung"
5. Analyse des Briefs - Hauptlinien
6. Wertung
7. Auszüge aus dem "Brief an den Vater"
8. Quellenangabe
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1. Franz Kafkas Leben:
Frühe Kindheit: Franz Kafka wird am 3. Juli 1883 als ältester Sohn von Hermann Kafka und seiner Frau Julie, geb. Löwy, in Prag geboren. Als Jude wird er eine Woche nach seiner Geburt in der elterlichen Wohnung beschnitten. Seine frühe Kindheit verläuft unruhig: fünf Umzüge bis zur Einschulung, Existenzsorgen der Eltern wegen ihrer Geschäftsgründung, die ein Jahr vor Kafkas Geburt erfolgte. Da die Mutter arbeiten muß, wird der Sohn von einer Amme großgezogen. So erlebt er seine Mutter kaum, seinen Vater aber als unerbittlicher Tyrann.
Schulzeit und Studium: Franz Kafkas Schulzeit setzt diese Situation fort. 1889 in der Deutschen Knabenschule am Fleischmarkt eingeschult, bringt ihn die Köchin der Eltern zur Schule, die ihm bedrohlich erscheint. 1893 erfolgt der Wechsel auf das Altstädter Deutsche Gymnasium. In seinen letzten Gymnasialjahren macht Kafka seine ersten Schreibversuche. Da Kafkas Eltern keine gläubigen Juden sind, wird er wenig religiös erzogen.
Ab 1901 nimmt Franz Kafka ein Studium der Rechtswissenschaft an der Deutschen Universität (Ferdinand-Karls-Universität) in Prag auf, das er 1903 "mit gutem Erfolg" abschließt. Nebenher besucht er germanistische Veranstaltungen. 1902 lernt Kafka Max Brod kennen, der ihm zeit seines Lebens begleitet und posthum seine Werke veröffentlicht. Schon während seiner Studienzeit ist seine Gesundheit angegriffen, so daß er nach dem Examen zur Erholung in ein Sanatorium fährt. Das wiederholt sich ein Jahr später. Dennoch beginnt er seine Promotion zum Doktor der Rechte, die 1906 abgeschlossen ist. Nach einer kurzen Überbrückungszeit in einer Kanzlei absolviert er seine Rechtspraxis am Prager Landgericht.
Schon während seiner Ausbildung ist er schriftstellerisch tätig. Er beginnt 1904 mit der ersten Fassung der "Beschreibung eines Kampfes" und verfaßt einige Skizzen, 1907 dann das Romanfragment "Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande".
Die ersten Berufserfahrungen sammelt er ab Oktober 1907 als Angestellter bei der Triester Versicherungsgesellschaft "Assicurazione Generali", wo es ihm aber nicht gefällt, so daß er 1908 schließlich zur halbstaatlichen "Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag" wechselt. Die gesundheitlichen Schwierigkeiten dauern an, trotzdem wird er befördert. Dadurch wächst jedoch die berufliche Belastung, so daß Kafka in dem Dilemma steht, Arbeit und Schreiben miteinander zu verbinden, für ihn ein "schreckliches Doppelleben". Er leidet an dieser so von ihm empfundenen Unverträglichkeit. So erscheinen seine Krankheitsschübe auch als Flucht. Immerhin gelingen ihm in seinen ersten Berufsjahre auch einige Veröffentlichungen in Zeitschriften.
Prägend für sein weiteres Leben ist die Begegnung mit Felice Bauer am 13. August 1912, einer fünfundzwanzigjährigen Angestellten aus Berlin. Er ist von ihr fasziniert, und eine intensive Korrespondenz entwickelt sich, die einen fast fünf Jahre währenden Kampf zwischen der Sehnsucht nach Nähe und der Flucht vor zuviel Nähe bei Kafka zeigt. Das ständige Hin und Her gipfelt in zwei aufgelösten Verlobungen. Allerdings gehört die Bekanntschaft mit Felice zu den entscheidenden Auslösern für Kafkas literarischen Durchbruch. Er schreibt in einem Zug "Das Urteil" und beginnt den Roman "Der Verschollene" (1927 unter dem Titel "Amerika" veröffentlicht). "Die Verwandlung" entsteht. Eine 1914 erfolgte Aussprache mit Felice wird von Kafka als "Gericht" wahrgenommen und dürfte das auslösende Moment für den Beginn der Niederschrift des "Prozeß"-Romans gewesen sein. Neben der Arbeit am "Prozeß" bringt das Jahr die Niederschrift des letzten Kapitels des Romans "Der Verschollene", daneben die Werke "In der Strafkolonie" und "Vor dem Gesetz". 1915 schreibt er mehrere Erzählungen und "Vor dem Gesetz" und "Die Verwandlung" erscheinen. 1916 verfaßt Kafka u.a. "Der Gruftwächter" und die Fragmente des "Jäger Gracchus"; im Winter 1916/17 entstehen zudem zahlreiche Erzählungen wie "Ein Landarzt", "Auf der Galerie" und "Der Kübelreiter". Kafkas Produktivität hält auch im Frühjahr 1917 an, so schreibt er etwa "Beim Bau der chinesischen Mauer" und "Ein Bericht für eine Akademie".
Im August 1917 erleidet Kafka einen Lungenblutsturz, der zunächst als Bronchialkatarrh, später als Lungenspitzkatarrh diagnostiziert wird. Die akute Tuberkulosegefahr führt zu einen dreimonatigen Urlaub, den Kafka bei seiner Schwester Ottla in Zürau verbringt. 1918 - nach kurzer Wiederaufnahme seiner Arbeit - erkrankt er schwer an der Spanischen Grippe, im selben Jahr dann erneut. Zur Erholung in Schelesen, lernt er 1919 die dreißigjährige Tschechin Julie Wohryzek kennen und beginnt mit ihr eine Beziehung. Im Sommer verlobt sich Kafka mit ihr, was seinem Vater nicht gefällt. Das ist wohl auch der Ausgangspunkt für die Niederschrift des "Briefes an den Vater". Die geplante Hochzeit scheitert jedoch. Nun folgt eine Zeit ständigen Wechsels zwischen Sanatorium und Arbeit, wobei er 1920 den Roman "Das Schloß" beginnt. Ende September 1921 verfaßt er dann den sogenannten "Tintenzettel", sein erstes erhaltenes Testament, in dem er Max Brod drum bittet, alles Geschriebene aus seinem Nachlaß zu verbrennen. Brod erklärt jedoch, er werde die Bitte nicht erfüllen. 1922 verfaßt er verschiedene Texte, u.a. "Ein Hungerkünstler".
1922 beantragt Kafka schließlich seine vorzeitige Pensionierung, die bewilligt wird. Er zieht nach Planá an der Luschnitz (Böhmerwald), wo er bei seiner Schwester Ottla wohnt. Im Herbst verfaßt er sein zweites Testament an Brod, den sogenannten "Bleistiftzettel". Er bittet um die Vernichtung alles von ihm schriftlich Überlieferten mit Ausnahme der "Bücher: Urteil, Heizer, Verwandlung, Strafkolonie, Landarzt", der "Betrachtung" und der im Oktober erschienenen Erzählung "Ein Hungerkünstler". 1923 fährt er nach Berlin zu der 19jährigen Dora Diamant, die er bei einem Urlaub kennengelernt hat, und zieht er mit ihr zusammen. Dort entsteht "Der Bau". Kafka will durch Vernichtung alter Manuskripte neue schriftstellerische Freiheit gewinnen, und so muß Dora vor seinen Augen zahlreiche seiner Texte verbrennen. Aber Kafkas Gesundheitszustand verschlechtert sich, so daß er 1923 nach Prag in die Wohnung seiner Eltern zurückkehrt, wo er seinen letzten literarischen Text, "Josefine die Sängerin", verfaßt. Im April wird er in das Sanatorium "Wiener Wald" in Ortmann (Niederösterreich) gebracht, wo Kehlkopftuberkulose diagnostiziert wird. Sein weiterer Leidensweg führt über die Universitätsklinik in Wien in das Sanatorium Kierling bei Klosterneuburg, wo er am 3. Juni 1924 stirbt. Er wird nach Prag überführt und am 11. Juni auf dem jüdischen Friedhof in Prag-Straschnitz begraben.
Obwohl Kafka verfügt hatte, seine literarische Hinterlassenschaft "restlos und ungelesen zu verbrennen", veröffentlicht Brod postum den Roman "Der Prozeß" und in den kommenden Jahren das "Schloß", "Amerika" sowie weitere Fragmente, Briefe und die Tagebücher seines Freundes.
Diese Kurzbiographie folgt der hilfreichen Online-Biographie bei http://www.literon.de/literatur/kafka/bio/lbio.htm (Kafka-Biographie)
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2. Franz Kafkas Lebensprobleme:
Franz Kafkas Leben war problembeladen.
Das beginnt bei dem Verhältnis zu seinem Vater (s.u.; "Brief an den Vater") und setzt sich fort in seiner Unfähigkeit, Beziehungen einzugehen beziehungsweise auf Dauer zu stellen. So hatte Kafka in seinem Lebens nur wenige Freunde. Er war zwar dreimal verlobt, eine Heirat scheiterte jedoch immer an dem Grundkonflikt zwischen Bindung an einen anderen Menschen mit den entsprechenden Konsequenzen und Freiheit fürs Schreiben. Erst kurz vor seinem Tod war im ein kurzes Glück mit Dora Diamant beschieden, deren Vater jedoch eine Eheschließung ablehnte.
Es mangelte Kafka an Selbstwertgefühl, was durch seinen Vaters erzeugt und bestärkt wurde (s.u.).
Er war darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht ein Außenseiter: als Deutscher unter den Tschechen in Prag, als Jude unter den Deutschen. Aber auch mit dem Judentum kam er nicht zurecht, was ihn wiederum heimatlos machte. So war er als Jude unter Juden auch ein Fremder.
Dazu kommt, daß ihn ein Ohnmachtsgefühl gegenüber Institutionen beherrschte, wie an den Romanen "Der Prozeß" und "Das Schloß" überdeutlich wird. So steht das Wort "kafkaesk" für seine Welterfahrung: Menschen sind machtlos einer Organisation/Institution - kurz: der Welt - ausgeliefert, die sie nicht zu durchschauen vermögen.
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3. Der Vater Hermann Kafka:
Daß der Vater maßgeblich an Kafkas Lebensproblemen beteiligt war, ergibt sich aus dem "Brief an den Vater". Doch muß man zugestehen, daß der Brief natürlich Franz Kafkas Sicht enthält. Andere empfinden nicht so wie er, auf sie wirkt Hermann Kafka völlig normal. Wer war also jener Hermann Kafka?
Er wurde 1852 als Sohn eines Fleischhauers und Schächters in Wossek in Südböhmen als viertältestes von sechs Kindern geboren. Mit seiner Familie wuchs er in großer Armut auf, weshalb auch die Kinder schon früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen mußten. Als Vierzehnjähriger verließ er sein Zuhause, um seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Als Zwanzigjähriger trat er in die Armee ein und brachte es bis zum Zugführer. Mit 30 heiratete er die wohlhabende Brauerstochter Julie Löwy und eröffnete wenig später einen Galanterieladen, ein Geschäft für Kurzwaren und Gebrauchsartikel. Später erweiterte er das Geschäft zu einer Großhandlung. Sein oberstes Ziel war das Erlangen und Erhalten einer sicheren sozialen Stellung, Reichtum und Status, was durch die Armut seiner Kindheit erklärlich ist. Dieses Ziel erreichte er jedoch nur mittels Ellenbogenmentalität und Konzentration, was auch seinen Erziehungsstil prägte, der den gesellschaftlichen Normen der Zeit entsprach. Dabei war er nicht dumm, sondern redebegabt und geistesgegenwärtig. Aber er machte gerade den relativen Wohlstand, den er erreicht hatte, seinen Kindern zum Vorwurf oder sprach ihnen die Fähigkeit ab, seine eigene Jugend nachvollziehen zu können. Er wollte Mitgefühl für das, was er erduldet hatte, und Anerkennung für seine Lebensleistung. Leitbild seines Handels waren letztlich eine gesicherte Existenz, ein geregeltes Leben und ein festes Einkommen. Deshalb drängte er auch seinen Sohn Franz zum Jurastudium. Alle Mitglieder der Familie hatten sich dem Lebensstil und den Prinzipien Hermann Kafkas unterzuordnen, so auch seine Frau. Lediglich Franz und seine Schwester Ottilie, die jüngste Tochter, gehorchten nicht seinen Vorstellungen. Während aber Franz sich immer weiter bemühte, ihnen zu entsprechen, aber nicht die Anerkennung fand - schon gar nicht als Schriftsteller -, gelang es Ottilie, sich davon zu emanzipieren.
Eine auführliche Darstellung des Vaters findet sich bei http://www.geo.uni-bonn.de/cgi-bin/kafka?Rubrik=vater&Punkt=kurzbiographie .
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4. Der Vater in Franz Kafkas Werk am Beispiel von "Die Verwandlung":
Neben dem "Brief an den Vater" finden sich auch andere Belege für das Hineinwirken Hermann Kafkas in Franz Kafkas literarische Welt - besonders deutlich ist das in "Die Verwandlung" (Text hier zitiert nach: http://gutenberg.spiegel.de/autoren/kafka.htm). Ich leite in eckigen Klammern von Abschnitt zu Abschnitt über, damit der Sinnzusammenhang erhalten bleibt:
[Gregor Samsa wacht eines Tages auf und findet sich in einen Käfer verwandelt. Zunächst verbirgt er sich. Sein Vater mahnt ihn - man beachte die "Faust"!]
Infolge der Holztür war die Veränderung in Gregors Stimme draußen wohl nicht zu merken, denn die Mutter beruhigte sich mit dieser Erklärung und schlürfte davon. Aber durch das kleine Gespräch waren die anderen Familienmitglieder darauf aufmerksam geworden, daß Gregor wider Erwarten noch zu Hause war, und schon klopfte an der einen Seitentür der Vater, schwach, aber mit der Faust. »Gregor, Gregor«, rief er, »was ist denn?« Und nach einer kleinen Weile mahnte er nochmals mit tieferer Stimme: »Gregor! Gregor!« Das war für Gregor eine große Aufmunterung; aber alle hätten ihm zurufen sollen, auch der Vater und die Mutter: ?Frisch Gregor", hätten sie rufen sollen.
[Weil Gregor nicht zur Arbeit geht, kommt der Prokurist seiner Firma zu ihm nach Hause. Gregors Vater will den Schein wahren:]
»Gregor«, sagte nun der Vater aus dem Nebenzimmer links, »der Herr Prokurist ist gekommen und erkundigt sich, warum du nicht mit dem Frühzug weggefahren bist. Wir wissen nicht, was wir ihm sagen sollen. Übrigens will er auch mit dir persönlich sprechen. Also bitte mach die Tür auf. Er wird die Unordnung im Zimmer zu entschuldigen schon die Güte haben.«
[Der Vater will das Zimmer, in dem Gregor sich verschanzt hat, aufbrechen lassen:]
»Anna! Anna!« rief der Vater durch das Vorzimmer in die Küche und klatschte in die Hände, »sofort einen Schlosser holen!«
[Gregor vermiß Anteilnahme bei den Eltern:]
»Hören Sie nur«, sagte der Prokurist im Nebenzimmer, »er dreht den Schlüssel um.« Das war für Gregor eine große Aufmunterung; aber alle hätten ihm zurufen sollen, auch der Vater und die Mutter: »Frisch, Gregor«, hätten sie rufen sollen, »immer nur heran, fest an das Schloß heran!«
[Als es gelingt, die Tür zu Gregors Zimmer zu öffnen, ist die Reaktion des Vaters bezeichnend:]
Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck die Faust, als wolle er Gregor in sein Zimmer zurückstoßen, sah sich dann unsicher im Wohnzimmer um, beschattete dann mit den Händen die Augen und weinte, daß sich seine mächtige Brust schüttelte.
[Statt seinem Sohn zu helfen, scheucht er ihn später in sein Zimmer zurück:]
Leider schien nun auch diese Flucht des Prokuristen den Vater, der bisher verhältnismäßig gefaßt gewesen war, völlig zu verwirren, denn statt selbst dem Prokuristen nachzulaufen oder wenigstens Gregor in der Verfolgung nicht zu hindern, packte er mit der Rechten den Stock des Prokuristen, den dieser mit Hut und Überzieher auf einem Sessel zurückgelassen hatte, holte mit der Linken eine große Zeitung vom Tisch und machte sich unter Füßestampfen daran, Gregor durch Schwenken des Stockes und der Zeitung in sein Zimmer zurückzutreiben. Kein B weiterlesen schließen -
Die Schachnovelle, Stefan Zweig
Pro:
Weltliteratur, teilweise genial
Kontra:
teilweise Zweifel am Sinn
Empfehlung:
Ja
Hallo! Hier eine der meiner Meinung nach besten Novellen die die Literatur uns je geboten hat:
Der Autor: „Ich bin 1881 in einem großen und mächtigen Kaiserreiche geboren, in der Monarchie der Habsburger. Aber man such sie nicht auf der Karte, sie ist weggewaschen ohne Spur. Ich bin aufgewachsen in Wien, der zweitausend- jährigen übernationalen Metropole, und habe sie wie ein Verbrecher verlassen müssen, ehe sie degradiert wurde zu einer deutschen Provinzstadt. Mein literarisches Werk ist zu Asche gebrannt worden. So gehöre ich nirgends mehr hin, überall Fremder und bestenfalls Gast“.
Diese bitteren Worte finden sich in den Erinnerungen Stefan Zweigs, der am 28. November 1981 hundert Jahre alt geworden wäre. Dabei lag das Leben in seiner Jugend so vielversprechend vor ihm. Als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Industriellen hatte er nie mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Auch war es ihm möglich, die Gebiete zu studieren, die ihn interessierten, Philo- sophie, Germanistik und Romantistik. Er konnte reisen, wohin er wollte, durch Europa, Indien, Nordafrika, Nord- und Mittelamerika. Dann wandte sich Zweig der Schriftstellerei zu. Unter dem Eindruck des ersten Weltkrieges wurde er zum radikalen Parzifisten, eine Wandlung die er in Jeremias (1917) leidenschaftlich zum Ausdruck brachte. Schon bald zählte man ihn zu den erfolgreichen Autoren.
Nach dem Krieg ließ er sich in Salzburg nieder und schrieb Biographien und von der Psychoanalyse beeinflusste Novellen, darunter Der Amokläufer (1922), Angst (1925) und Verwirrung der Gefühle (1927). Außerdem entstanden zahlreiche Essays, z.B. Drei Meister (1920, über Honoré de Balzac, Charles Dickens und Fjodor Dostojewskij) sowie Heilung durch den Geist (1931, über Franz Anton Mesmer, Sigmund Freud und Mary Baker Eddy). In seiner Novelle Sternstunden der Menschheit (1927), die bei seinen Lesern sehr beliebt war, beschrieb Zweig pathetisch den Menschen in historischen Umschwungphasen. 1932 erschien seine Biographie Marie Antoinette. Auch entstand die Biographie Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam (1934) und im Folgejahr Maria Stuart.
Dann aber kamen die Nazis und machten dem überzeugten Parzifisten das Leben dort unmöglich, wo seine Bücher „Millionen Leser sich zu Freunden ge-macht“. Und nicht nur in Deutschland, sondern „auch die eigentlichte Heimat, die mein Herz sich erwählt, Europa, ist mir verloren“.
1935 hielt Zweig es in Deutschland nicht mehr aus und versuchte, sich in England eine neue Heimat aufzubauen. Hier traf er mit anderen jüdischen Emi-granten zusammen, darunter mit dem schwerkranken Sigmund Freud, um den sich - wie Zweig in seinen Erinnerungen schreibt - „nur ein kleiner Kreis von Getreuen zu allwöchentlichen Diskussionsabenden sammelte, in denen die neue Wissen-schaft der Psychoanalyse ihre erste Formung erhielt“. 1938 schrieb er seinen Roman Ungeduld des Herzens.
In Freud fand Stefan Zweig einen Gesprächspartner, mit dem er oft über das Grauen, das Hitler in die Welt gebracht hatte, sprechen konnte. Als Sigmund Freud im September 1939 starb verlor Zweig nicht nur einen Freund, sondern auch ein lebensnotwendiges Verbindungsglied zur unvergessenen Heimat.
Bald hielt ihn nichts mehr in London. Er übersiedelte während des zweiten Weltkrieges 1940 in die U.S.A. und von dort aus 1941 ins brasilianische Petropolis. Doch nirgens gelang es ihm, heimisch zu werden und zur Ruhe zu kommen.
Am 23. Februar 1942 ging der Autor, dem seine Freunde und seine Bücher in der Fremde zum Leben fehlten, mit seiner zweiten Frau Lotte freiwillig in den Tod. Seine Autobiographie Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers wurde 1942 posthum herausgegeben. Seinem letzten Brief an den Verleger Ber-mann Fischer legte er das Manuskript der Schachnovelle, Zweigs wohl bekanntestes Werk, bei.
Die Novelle spielt in der Zeit des 2. Weltkriegs auf einem Passergierschiff Richtung Brasilien. Bevor der Erzähler an Bord geht, erfährt er von einem Freund, dass der Schachweltmeister Mirko Czentovic an Bord ist. Mirko Czentovic war der Sohn eines armen südslawischen Donauschiffers. Nach dem Tod seines Vaters wurde der damals Zwölfjährige von einem Pfarrer eines abgelegenen Dorfes aufgenommen. Dieser entdeckte durch Zufall die Schachkünste des Kindes, und bringt es an die Öffentlichkeit. Mirko ist ein verschwiegener Typ, und geht, wenn möglich, allen Personen aus dem Weg. Der Erzähler will es auf eine Konfrontation mit dem Schachweltmeister anlegen, und versucht, dass dieser irgendwie auf ihn aufmerksam wird. Darum setzt er sich mit seiner Frau in den Rauchsalon und beginnt eine Partie mit ihr, in der Hoffnung, dass Czentovic dadurch angelockt wird und dabei zusehen will. Nicht Czentovic wird dadurch angelockt, sondern vielmehr einige Hobbyschachspieler, die sich nach einiger Zeit um das Brett scharen um das Spiel zu beobachten. Darunter auch ein Herr, namens McConnor, ein reicher schottischer Geschäftsmann. Er fordert den Erzähler zu einigen Schachpartien auf, doch verliert er jede davon. Die Spiele zwischen McConnor und dem Erzähler wiederholen sich drei Tage lang und am dritten ist es dann soweit. McConnor erfährt, dass Czentovic, der Schachweltmeister, an Bord ist und will diesen unbedingt zu einer Simultanpartie herausfordern. Czentovic spielt aber nur gegen Geld, was McConnor jedoch nichts ausmacht. (eine Simultanpartie bedeutet, dass ein Schachspieler gegen eine Vielzahl anderer, an einem Brett, spielt) Nach bereits 24 Zügen wird der Schotte "Schach Matt" gesetzt. Die Hobbyschachspieler, angeführt von McConnor, fordern den Schachweltmeister zu einer weiteren Simultanpartie heraus. Am Anfang scheint alles wie bei der vorhergehenden Runde zu laufen, bis eine unbekannte Person auftaucht, ein Mann. Er kann die Partie noch retten und holt schließlich ein Remis, also ein Unentschieden, für beide Parteien heraus. Alle Anwesenden sind von den Schachkünsten des Mannes beeindruckt, und drängen ihn zu einer Partie alleine gegen Czentovic. Der Fremde will das auf keinen Fall, doch der Erzähler möchte ihn vom Gegenteil überzeugen.
Der unbekannte Mann stellt sich als Dr. B. vor, und erzählt den Grund, warum er nicht spielen will. Er hatte aktiv, beim Verstecken kirchlicher Reichtümer Österreichs, welche in Gefahr waren, von den Nazis beschlagnahmt zu werden, mitgeholfen. Ein Mitarbeiter aus seiner Kanzlei verriet ihn jedoch, sodaß er von der GESTAPO verhaftet wurde. Er glaubte, dass er, wie alle anderen Opfer des 2.Weltkrieges, in ein Konzentrationslager kommt, doch dem war nicht so. Um Informationen über die Kirchenreichtümer zu erlangen, wurde Dr. B. von den Nationalsozialisten einer intensiven "Therapie" unterzogen. Man sperrte ihn in ein Zimmer eines Hotels, welches zugleich ein Hauptquartier der Nazis war, wo es nichts gab, womit er sich hätte beschäftigen können. Jede Art von Kommunikation, jede Art von Vergnügen wurde ihm verwehrt. Er hatte niemanden, mit dem er reden konnte. Seine Welt bestand nur aus dem Bett, der Tür, dem Tisch und der Waschschüssel. Die Dinge, die allesamt Bestandteil seines Zimmers waren. Eines Tages fingen dann die Verhöre an, und Dr. B. drohte, unter ihnen zusammenzubrechen. Tag für Tag wurde er schwächer, Tag für Tag sehnte er sich mehr nach Abwechslung. Bei einem erneuten Verhör gelang es ihm, aus einem Mantel eines Militäroffiziers ein Buch zu stehlen. Es handelte sich um ein Werk mit den bekanntesten Eröffnungspartien des Schachspiels. Dr. B. beschäftigte sich damit so lange, bis er, alle im Buch beschriebenen Schachpartien, 150 an der Zahl, auswendig konnte. Das war ihm aber nicht genug, denn von nun an spielte er gegen sich selbst im Kopf Schach, und wurde dabei, weil er sich mehr und mehr hineinsteigerte, allmählich verrückt. Er ging auf einen Wachposten los und wollte sich aus dem Fenster stürzen. Bei seinem Rettungsversuch verletzte er sich an der Hand und kam deswegen in ein Hospital. Der dortige Arzt hatte Mitleid mit dem Gefangenen und verhalf ihm zu seiner Entlassung. Er riet Dr. B. jedoch, nie wieder Schach zu spielen, damit es zu keinem Rückfall kommt.
Nach dieser Erzählung lässt sich Dr. B dennoch zu einer Partie überreden, um herauszufinden, ob er auch in der Realität Schachspielen kann. Mit einem richtigen Schachbrett, mit realen Figuren. Am nächsten Tag ist es dann soweit und Dr. B. tritt gegen Czentovic an. Die zwei Spieler setzen sich im Rauchsalon des Passagierschiffes, umringt von einer Vielzahl Schaulustiger, zum Schachbrett und beginnen die Partie. Dr. B. wird es nach einiger Zeit aber zu langweilig, denn er weiß jeden Zug von Czentovic schon im voraus. Zum Schluss ereignet sich das Unwahrscheinliche: Der Weltmeister, der Champion verliert das Spiel gegen einen Unbekannten. Natürlich will er diese Blamage nicht auf sich sitzen lassen und darum bittet er Dr. B. um eine Revanche. Czentovic spielt absichtlich sehr langsam und darum verfällt Dr. B. inzwischen wieder seinem Wahn. Zug für Zug nützt der Schachweltmeister die Zugzeit voll aus, währenddessen Dr. B. gegen sich selbst im Kopf, in einer völlig anderen Partie, spielt. Als er wieder an der Reihe ist, macht er geistesabwesend einen unmöglichen Zug und schreit: "Schach! Schach dem König!". Erst jetzt bemerkt Dr. B., dass er in einem völlig anderen Spiel, und somit seinem Wahn wieder verfallen ist. Er entschuldigt bei allen Anwesenden höflich, entfernt sich und rührt ab diesem Zeitpunkt nie wieder ein Schachbrett an.
Ich kann dieses Buch nur weiterempfehlen bzw. jedem der es noch nicht gelesen hat dringend empfehlen zu lesen- WELTLITERATUR
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Goethes Welterfolg: Die Leiden des jungen Werthers
26.03.2003, 21:37 Uhr von
Juliane18
Salut!Ich bin Juliane und ich spiele Theater aus Leidenschaft. Außerdem interessiere ich mich für...Pro:
auch heute noch aktuell
Kontra:
die Sprache
Empfehlung:
Ja
Goethe ist jedem ein Begriff und ich möchte hiermit meine Meinung über seinen Welterfolg "Die Leiden des jungen Werthers" geben. Dabei werde ich versuchen den Werther selbst etwas näher zu charakterisiern:
Da der Roman zur Hauptsache aus Werthers Briefen an Wilhelm besteht, fehlen dem Leser Vorkenntnisse: Man erfährt nichts genaues über Werthers Aussehen, sein Alter oder seinem Werdegang. Vermutlich ist er jünger als zwanzig und sieht gut aus, denn er gefällt nicht nur Lotte (S. 5). Von seiner Familie werden nur Mutter und Tante erwähnt. Werther bleibt ohne soziales Umfeld, er ist auf sich gestellt und einer neuen Lebenssituation ausgesetzt.
Werther besitzt weitläufige Kenntnisse- er hat Griechisch gelernt und kennt berühmte Kunsttheoretiker (S.11). Er neigt dazu in seine Gedanken zu versinken, wie seine Vorliebe Bücher bestätigt (S.12, 34, 76, 90). Allerdings steht er der Wissenschaft skeptisch gegenüber und setzt eher auf sein Gefühl als auf den Verstand.
Seine künstlerische Begabung zeigt sich darin, dass er zeichnet und die Literatur liebt, zumal er Homer und Ossian auch übersetzt (S. 130).
Um sein finanzielles Auskommen braucht Werther sich nicht zu sorgen, er stammt aus einer Familie des gehobenen Bürgertums. Er tritt auch nur in die Dienste des Gesandten, um von Lotte wegzukommen.
Er kritisiert die Menschen, wenn er sieht “wie alle Wirksamkeit dahinaus läuft, sich die Befriedigung von Bedürfnissen zu verschaffen, die wieder keinen Zweck haben, als unsere arme Existenz zu verlängern [...]“. (S. 12). Sein Leben ist ihm für Arbeit zu schade.
Werther nennt sich selbst unruhig (S. 9, 48). Er ist auch gewohnt Wünschen und Launen nachzugeben: "Auch halte ich mein Herzchen wie ein krankes Kind; jeder Wille wird ihm gestattet“ (S. 9).
Werthers Kennzeichen ist seine Sensibilität, die soweit geht, dass er auf heutige Leser rührselig wirkt.Er weint einem Toten nach, den er kaum gekannt hat (S. 6).
Er entzündet sich am Gefühl des Bauernburschen (S.19) und bricht in Tränen aus, als Lotte Klopstock erwähnt (S.30). Nach seiner Rede gegen die üble Laune verläßt er weinend die Gesellschaft, so dass Lotte ihm vorwirft, an allem "zu warmen Anteil" (S.39) zu nehmen.
Oft beeindrucken ihn Erlebnisse so stark, dass er nur unzusammenhängend berichtet (S.19, 21)
Werther weiß, das sein Selbstmitleid auf andere anstößig wirkt. Er glaubt aber, bedeutende Menschen habe man immer als “Trunkene und Wahnsinnige“ (S.54) angesehen. Diese Äußerung verrät Selbstbewußt sein
Die Sympathie für Kinder und das Volk, das Mitgefühl mit allen Unglücklichen, die Freude an der Natur: alles zeigt, dass Werthers Innenleben nicht auf die eigene Person beschränkt ist.
Es fällt auch auf, dass es dem Werthere an Selbstbeherrschung fehlt. Trotz guter Vorsätze kann er den Lüsten nicht widerstehen. Er gerät immer wieder in Lottes Bann (S.58)
Sein Selbstmord wird von Goethe mehrfach psychologisch motiviert.: vor allen Dingen spielen die tragische Liebe zu Lotte und der Mißerfolg bei Hof eine entscheidende Rolle. Diese Selbstmordgedanken nehmen immer mehr zu, diese erwähnt er schon vor der Ankunft von Albert. Ihm wird immer klarer, dass er Lotte nícht gewinnen kann und bereits am Ende des 1. Buches ersehnt er das Grab.
Persönlich halten wir Werther, für einen Menschen, der nicht über seinen eigenen Schatten springen kann. Er ist gefesselt in seinem Selbstmitleid. Er schafft es, trotz aller Bemühungen, nicht sich von Lotte loszureißen und fällt immer wieder in ihren Bann. Dieses Verhalten beweist, das er auch Minderwertigkeitskomplexe hat.
So, ich hoffe der Beitrag hilft euch etwas weiter!
Viel Spaß beim lesen noch weiterhin!
Eure Juliane
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-01-13 20:57:24 mit dem Titel Friederich Dürrenmatt: Die Physiker
Die Physiker ist unser neustes Stück im Theater. Anfangs war ich nicht so damit einverstanden, dass wir es spielen aber jetzt, da ich das Stück kenne macht, es mir Spaß. Für diejenigen, die das Stück nicht kennen, gebe ich erstmal eine Inhaltsangabe:
Es handelt von drei geisteskranken Menschen, die sich für Physiker halten und dementsprechend nennen sie sich Newton, Einstein und Möbius.
Das Stück beginnt damit, dass Newton und Einstein jeweils eine Krankenschwester umgebracht haben. Ein Inspektor kümmert sich um diesen Fall und versucht Einstein bzw. Newton zu verhören. Doch was bekommt man schon aus einem Geisteskranken heraus?
Die bucklige Chefärztin beschließt auf Verlangen des Staatsanwalts jetzt nur noch Krankenpfleger einzustellen damit es keine toten Schwestern mehr gibt.
Natürlich bekommt man das leben der Geisteskranken genau mit, so kommt Lina Rose, die Ex-Frau von Möbius zu Besuch. Sie ist wieder neu verheiratet und möchte ihrem Ex-Mann noch einmal seine Kinder zeigen. Doch der anfänglich nette Besuch eskaliert.
Möbius verliert den Verstand und wirft seine Familie durch Beleidigungen heraus.
Schwester Monika soll sich nun um den durchgedrehten Mann kümmern. Sie hat ein ganz besonders Verhältnis zu ihm, denn sie ist in ihn verliebt und hat ihn durchschaut. Es stellt sich heraus, dass Möbius gar nicht verrückt ist, sondern nur so tut, um seine physikalischen Theorien vor der Welt zu verstecken.
Weil Schwester Monika dahinter gekommen ist, bringt Möbius sie um, bevor sie jemanden davon etwas erzählen kann. Nun hält jeder Möbius für total durchgedreht.
Am nächsten gab übernehmen nun Pfleger die Bewachung der Patienten. Die 3 Physiker sind davon gar nicht begeistert und fangen an sich zu unterhalten. Jetzt kommt heraus, dass keiner der Physiker krank ist, sonder Newton und Einstein lediglich Agenten sind, die die Theorien von Möbius haben wollen. Sie mußten die Schwestern umbringen, weil diese hinter ihr Geheimnis gekommen sind.
Die wirklich Verrückte der Geschichte ist die Chefärztin, sie wusste von Anfang an, dass die Physiker nicht verrückt sind und hält sie jetzt gefangen. Es war ihr Plan, dass die Physiker alle ihre geliebten Schwestern umbringen, weil ihnen jetzt kein normaler Mensch mehr glaubt.
Die Chefärztin hat sich schon längst Möbius Theorien angeeignet und wir jetzt die Welt beherrschen. Die Menschheit ist also am Ende einer alten, buckligen, verrückten Jungfrau in die Hände gefallen.
Ich spiele in diesem Stück Schwester Monika, eine recht anspruchsvolle Rolle, weil sie das Geheimnis von Möbius aufdeckt und alles dafür geben würde mit ihm zusammen zu sein.
Die Physiker gehört natürlich zu den bekanntesten Büchern überhaupt und Dürrenmatt ist jedem ein Begriff.
Ich finde es ist ein interessantes Buch und ich rate auch dazu es mal zu lesen. Es hat auch nicht viele Seiten und ist wie ein Dialog aufgebaut, man kommt also recht schnell durchs Buch.
Viel Spaß beim Lesen!
Eure Juliane
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-01-14 18:56:42 mit dem Titel Theodor Fontane: Effi Briest
Im Moment lese ich das Buch Effi Briest von Theodor Fontane. Es gefällt mir eigentlich sehr gut. Damit ihr meine Meinung über das Buch versteht gebe ich erstmal eine Inhaltsangabe:
Inhalt:
Die junge Effi (17) , Tochter des Ehepaares von Briest, heiratet auf den Wunsch ihrer Eltern hin, den fast doppelt so alten Landrat Baron von Innstetten und folgt ihm in sein Haus im hinterpommerschen Kessin.
Der Ehe des unerfahrenen und lebensfrohen Mädchens mit dem prinzipientreuen und korrekten, Innstetten fehlt die Liebe. Die neue Umgebung macht der phantasiebegabten Effi Angst.
Sie entwickelt daraufhin Spukgeschichten, doch Innstetten probiert sie ihr auszureden.
Er will Effi noch fester an sich binden, denn er liebt sie.
Das gesellschaftliche Leben in Kessin ist Effi langweilig, nur der Apotheker Alonzo Gieshübler, ein schüchterner Typ, schafft es ab und zu ihr Leben zu erheitern.
Selbst die Geburt der Tochter Annie beseitigt nicht Effis Gefühl der Einsamkeit an der Seite ihres wenig verständnisvollen Mannes.
Beinahe ohne eigenes Zutun geht sie eine Liebesbeziehung zu dem verheirateten Major Crampas ein, einem leichtsinnigen und gewandten "Damenmann" und Prinzipienverächter.
Effis Schuldgefühle lassen jedoch keine Leidenschaft aufkommen, und sie folgt bald darauf geradezu erleichtert ihrem Mann nach Berlin, der ins Ministerium berufen wurde.
Nach sechs Jahren ruhigen gemeinsamen Ehelebens findet Baron von Innstetten durch Zufall Crampas alte Briefe an Effi. Für ihn ist sein Lebensglück zerstört - nicht aufgrund verletzter Gefühle, sondern wegen seines vermeintlichen Ehrverlusts.
Die Pflicht, der Moral zwingt ihn Effi zu verstoßen.
Ansonsten wäre er nicht mehr in der Gesellschaft und Familie angesehen, schlimmer noch seine Familie wäre ruiniert, wenn er Effi nicht verstößte.
Der von Innstetten geforderte Crampas fällt im Duell, und Effi muß Mann und Kind verlassen. Auch das elterliche Haus bleibt ihr verschlossen, denn auch ihre Eltern haben nicht den Mut sich gegen die Gesellschaft zu stellen. So lebt sie zurückgezogen mit ihrer Bediensteten Roswitha in Berlin. Eine Begegnung mit ihrer Tochter Annie, die ihr auf Innstettens Betreiben hin fremd geworden ist, führt zum Zusammenbruch Effis.
Die Todkranke darf, auf Bitten ihres Arztes hin, wieder nach Hohen-Cremmen heimkehren, und innerlich versöhnt, auch mit dem vereinsamten und verbitterten Innstetten, stirbt sie.
In der ohne Leidenschaft und Pathos erzählten Geschichte deutet Fontane mehr an, als er ausspricht. Das vermeintliche schicksalhafte Dilemma, in das Effi und Innstetten geraten, ist in ihren Charakteren und in den gesellschaftlichen Verhältnissen begründet. Die Frage nach Schuld bleibt offen.
Zur Zeit behandeln wir auch in dem Schulfach „Werte und Normen“ einige Texte bzw. Bücher, die etwas mit Normen, Moral, Glauben und Sinn des Lebens zu tun haben.
Wir mußten uns in Gruppen aufteilen.
Meine Gruppe befasst sich mit dem Thema „Effi Briest“ (ich habe die anderen in meiner Gruppe dazu überredet).
Wir müssen uns überlegen, wie wir an Effis Stelle gehandelt hätten.
Es stellt sich nur die Frage, kann man das Schicksal Effis auf unsere heutige Zeit übertragen? Denn das Buch bezieht sich auf die Werte und Normen des 19.Jahunderts und diese gelten bei uns schon lange nicht mehr, aber zu diesem Thema ein anderes mal mehr!
Ich finde das Buch sehr interessant und auch herzergreifend, weil man doch irgendwo mit der armen Effi Mitleid hat. Obwohl Innstetten Effi nicht verstoßen will, tut er es trotzdem, weil Moral und Ehre es ihm vorschreiben. Wegen der Moral muß Effi, die schon durch ihre Schuldgefühle geplagt ist nun ein ärmliches und sehr einsames Leben ohne Familie führen. Man fragt sich doch „Warum Effi, das lebenslustige, kindliche Mädchen?“ Man will oft sagen: „Komm Effi, wehr dich!“
Fontane stellt Effis Position in der Gesellschaft deutlich in den Vordergrund und lässt Effi Symbol für Frauen ihrer Zeit sein, die nicht solche Rechte hatten, wie wir heute.
Dieser Roman zählt zu den bekanntesten und berühmtesten Büchern von Fontane und ist lesenswert!
Eure Juliane
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-01-15 20:48:57 mit dem Titel Max Frisch: Homo Faber
Seit der 12. Klasse habe ich Deutsch-Leistungskurs und dort lesen wir einen Roman nach dem anderen. Unser erster war „Homo Faber“ von Max Frisch.
Dieses Buch war gar nicht so einfach zu lesen, da es überwiegend in der Montagetechnik geschrieben wurde. Montagetechnik bedeutet, dass es immer wieder Rückblenden gibt und sich der Leser die Geschichte wie ein Puzzel zusammensetzen muß. Der Leser wir also zum Nachdenken angeregt..... und das bereitet manchmal Kopfschmerzen.
Wie auch immer gebe ich euch erst mal eine Inhaltsangabe, in der ich mich besonders auf Walters Verhältnis zu Frauen eingehe.
Der Roman „Homo Faber“ von Max Frisch ist 1957 erschienen, und schon der Titel deutet auf die Schlüsselfigur und den Ich-Erzähler hin.
Walter Faber ist ein rationalitätsgläubiger Mensch, dessen technologisch-mathematisches Weltverständnis ihn blind vor dem Leben macht. Er glaubt nicht an Unwägbarkeiten und schicksalhafte Zufälle, die sich der Logik entziehen. Er ist also die Logik und Technik in Person.
Diese Haltung ist Ursache für die tragischen Ereignisse in seinem Leben.
In deom Roman berichtet der fünfzigjährige UNESCO-Ingenieur Walter Faber über sein Leben, das durch eine Liebesbeziehung zu seiner Tochter und an seiner Schuld an deren Tod zerbricht.
Dies geschieht im Jahre 1957, als er auf einer Schiffsreise einem Mädchen, seiner eigenen Tochter, die er aber nicht erkennt, begegnet. Er baut zu diesem Mädchen eine Liebesbeziehung auf, reist mit ihr durch Italien und Griechenland, schläft mit ihr, obwohl er mittlerweile ahnt, dass sie seine eigene Tochter ist, was er auch später in Griechenland von deren Mutter und seiner ehemaligen Jugendliebe Hanna erfährt.
Zu seinem begangenen Inzest kommt hinzu, dass seine Tochter durch eine Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände, an denen Walter Faber aber nicht ganz unschuldig ist, ums Leben kommt.
Kurz vor seiner Operation, die wahrscheinlich seinen tödlichen Magenkrebs aufdecken wird, erkennt Homo Faber, dass er sowohl sein eigenes Leben, als auch das seiner Freundin und das seiner Tochter zerstört hat.
Faber ist ein Einzelgänger, für den es am Anfang seines Berichts unerträglich ist, mit jemandem zusammen zu wohnen, schon gar nicht mit einer Frau. Ein Zusammenleben mit einer Frau wäre für ihn das Schlimmste.
Er lebt in seiner Arbeit und schätzt sich glücklich, alleine zu wohnen. Ihn stört das Interesse der Frau an seinen Empfindungen und Erlebnissen.
Gefühle haben keinen Platz in seinem Leben. So ist es verständlich, dass für ihn Frauen lediglich ein Lustobjekt sind, vergleichbar einem Steuerrad eines Studebakers, und er keine echte Beziehung aufbauen kann. Er sagt von sich selbst, dass er sachlich ist, und das das die Frauen eben nicht vertragen. Es ist aber im Leben nicht möglich, eine vollkommen emotionslose Beziehung aufzubauen. Die verständliche Konsequenz daraus ist, dass er grundsätzlich nicht heiratet.
Nun könnte man auf die Idee kommen, dass sich Faber durch hinzugewonnene Lebenserfahrung gewandelt und sein Bild in bezug auf die Frau geändert hat. Dies trifft aber nur zum Teil zu.
Denn selbst noch nach dem Tod seiner Tochter ist er davon überzeugt, dass es für ihn unmöglich wäre, mit einer Frau zusammen zu leben, da er nicht so viel Verständnis für die Bedürfnisse einer Frau aufbringen kann und er sie nur unglücklich machen würde.
Ein Zusammenleben mit Hanna kann er sich jedoch am Ende vorstellen, so dass man davon ausgehen kann, dass sich seine Haltung gegenüber Frauen gewandelt hat.
Ob, und wie sich sein leben verändert, könnt ihr am besten selbst rausfinden, in dem ihr das Buch lest.
Ich finde das Buch sehr anspruchsvoll, aber irgendwo auch sehr interessant.
Also, viel Spaß
Eure Juliane
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-03-26 20:37:45 mit dem Titel Friedrich Schiller Kabale und Liebe - ein typisches Drama der Literaturepoche Sturm und Drang
An dieser Stelle möcht ich meine Facharbeit vorstellen, ich denke in ihr kommt meine Meinung deutlich rüber!
1 Einleitung
In meiner Facharbeit werde ich das Thema „Friedrich Schillers >Kabale und Liebe< – ein typisches Drama der Literaturepoche >Sturm und Drang<“ behandeln.
Zu meinem Thema habe ich schon dadurch eine Beziehung, dass ich schon einmal eine Gruppenarbeit zum Thema „Sturm und Drang“ in der 10. Klasse verfasst habe. Bereits damals hat mich diese Literaturepoche interessiert, denn ich finde, schon der Name „Sturm und Drang“ hat etwas Interessantes und Spannendes an sich.
Natürlich habe ich die Epoche damals nicht so ausführlich behandelt, wie ich sie jetzt, im Rahmen einer Facharbeit, behandeln werde.
Im ersten Teil meiner Facharbeit werde ich mich auf die Epoche konzentrieren. Da ich mit „Kabale und Liebe“ ein Drama gelesen habe, beziehe ich mich auch speziell auf die Dramatik innerhalb dieser Bewegung. Zunächst möchte ich die Entstehung der Literaturepoche darstellen. Ich untersuche dafür auch die geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergründe bzw. Probleme der Epoche Sturm und Drang, denn diese Probleme spiegeln sich in den Texten der Vertreter dieser Epoche wieder.
Im zweiten Teil meiner Facharbeit werde ich das Stück „Kabale und Liebe“ behandeln.
Um die Sprache des 18. Jahrhunderts und demnach auch das Buch besser zu verstehen, habe ich mir, nach der Lektüre des Textes, zusätzlich, eine Verfilmung angeguckt. Den Inhalt des Dramas werde ich auch in Form einer Inhaltsangabe wiedergeben. Des Weiteren beschäftige ich mich mit der Frage, wie und warum das Drama „Kabale und Liebe“ entstanden ist. Dabei beziehe ich mich auch auf das Leben und vor allem auf die Jugend von Friedrich Schiller.
Mein Ziel in der Facharbeit ist es, herauszufinden, inwieweit und warum „Kabale und Liebe“ ein typisches Sturm- und Drangdrama ist. Dazu werde ich erklären, was „Sturm und Drang“ ausmachte, wollte und tat. Danach möchte ich beweisen, dass bzw. ob „Kabale und Liebe“ all diese Merkmale erfüllt, also typisch für die Epoche ist.
Um „Kabale und Liebe“ mit anderen Sturm- und Drangdramen vergleichen zu können, habe ich mir die Inhaltsangaben zu anderen Stücken, wie „Götz von Berlichingen“, „Die Soldaten“ und „Die Räuber“, durchgelesen.
Ich möchte untersuchen, welche zentralen Probleme des Sturm und Drangs und speziell Schillers Probleme die Figuren verkörpern. Dazu werde ich die Figuren und Probleme vergleichen und Parallelen ziehen.
2 Die Literaturepoche „Sturm und Drang“
2.1 Die geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergründe
Im Sturm und Drang wurde schon vorbereitet und durchdacht, was die Französische Revolution (1789) dann umsetzte, nämlich Auflehnung, Umsturz, Gleichheit und Freiheit.
Die Umstände in Deutschland und Frankreich waren ähnlich. Allerdings kam es in Deutschland nicht zu einer Revolution wie im Nachbarstaat. In Deutschland herrschte die Revolution eher auf dem Papier (vgl. Biedermann 1999, S. 206). „Obwohl es in Deutschland keine politische und soziale Freiheitsbewegung gab, waren die intellektuellen doch über das englische und französische Denken gut im Bilde.“ (Pascal 1963, S.57).
Deutschland war in viele kleine Fürstentümer unterteilt und diese hatten unterschiedliche Sitten, Gebräuche und Religionen. „Diese Situation bedingte ein starkes Gefälle in kultureller, ökonomischer und politischer Hinsicht zwischen den deutschen Teilstaaten." (Karthaus 1976, S.10).
Weitgehend bestanden zur Zeit des Sturm und Drangs die gleichen gesellschaftlichen und politischen Zustände wie zur Zeit der Aufklärung. Es herrschte der Absolutismus und das Bürgertum stand im Dienst der Fürsten. Die Fürsten hatten fast uneingeschränkte Macht. Sie herrschten über ihre Untertanen, verbrauchten ihr Geld, das sie im Handwerk verdienten und verkauften die Untertanen, womöglich sogar wie Sklaven, in Kriegsgebiete. Zwar wurde den Bürgern erlaubt selbstständig zu denken und zu dichten, doch in die Politik durften sie nicht mit eingreifen. (vgl. Nordmann 2003, S. 15)
Außerdem war für die Bürger ihre Moral und ihr Glaube sehr wichtig.
1775, als der Sturm und Drang seinen Höhepunkt hatte, brach in Amerika der Unabhängigkeitskrieg aus. Deshalb wurden mehrere Untertanen der Fürsten nach England verbannt (vgl. Pascal 1963, S.67).
2.1.1 Grobe zeitliche Einordnung der Epoche
Die Epoche Sturm und Drang begann ungefähr im Jahre 1765 und endete 1785 (vgl. Biermann 1999, S.232). “Als Sturm und Drang wird im allgemeinen die Zeit vom Erscheinen der Herderschen Fragmente (1767) bis zur Wandlung Goethes und Schillers (1785) angesehen.“ (Frenzel 1991, S.201).
Die Bezeichnung „Sturm und Drang“ stammt aus dem gleichnamigen Drama von Friedrich Maximilian Klinger und verhalf einer jungen, gefühlvollen Generation zum Durchbruch (vgl. Kinzle 1996, S. 18).
Der Ausgangspunkt des "Sturm und Drang" ist umstritten. Oft wird das Treffen zwischen Herder und Goethe in Straßburg im Oktober 1770 als Ausgangspunkt angesehen. (vgl. Karthaus 1967, S.11).
Der Sturm und Drang war eine relativ kurze Epoche, dennoch hatte sie große Auswirkungen auf die spätere Literatur. Das kann man schon allein daran erkennen, dass Goethe und Schiller in dieser Zeit Texte geschrieben haben, die noch heute oft gelesen und auf der Bühne aufgeführt werden.
2.2 Die wichtigsten Vertreter und Werke der Epoche
Die wichtigsten Vertreter der Epoche waren Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792) mit seinen Theaterstücken "Der Hofmeister" und "Die Soldaten", Johann Wolfgang von Goethe (1749-1770) mit seinem Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ und seinem Drama „Götz von Berlichingen“ sowie Friedrich Schiller (1759-1805) mit "Die Räuber" und "Kabale und Liebe".
Außerdem gehörte Johann Anton Leisewitz (1752-1806) mit "Julius von Tarent", Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831) mit „Sturm und Drang“ und Heinrich Leopold Wagner (1747-1779) mit seinem Drama "Die Kindermörderin" dazu (vgl. Kinzle 1996, S.18).
Alle diese bedeutsamen Dichter weisen ähnliche Charakterzüge auf, zum Beispiel waren sie alle sensibel und phantasiebegabt (vgl. Pascal 1963, S.54).
2.3 Die Stürmer und Dränger als Genies
Sturm und Drang wurde auch die „Geniezeit“ genannt, denn die sehr jungen Autoren hielten sich für Genies und im Zentrum ihres Genies stand das Herz (vgl. Nordmann 2003, S.16).
Die Autoren hatten Kraft und Stärke wie ein Sturm und hielten sich sogar für göttergleich. Sie empfanden die Merkmale der Aufklärung also als langweilig. Für die jungen Dichter stand jetzt nicht mehr die Vernunft und der Verstand im Vordergrund, sondern die Gefühle, die Kunst und die Natur. „Mit dem Glauben an den kulturellen Fortschritt und mit der Tradition wurde gebrochen. Das neue Weltgefühl vergötterte die Natur [...].“ (Frenzel 1991, S. 201).
Emotion und Leidenschaft bekam einen ganz neuen Stellenwert, und auch die Natürlichkeit wurde von den Genies hoch bewertet. Sie wollten schreiben, was sie fühlten, und zeigen, dass jeder Mensch eine individuelle Persönlichkeit hat. „Zum ersten Mal wird in der deutschen Literatur der Mensch als Ganzes gesehen, als denkende, empfindende und sich frei von politisch-sozialen Beschränkungen entwickelte Persönlichkeit aufgefasst.“ (Nordmann 2003, S.15-16). Das heißt, die Stürmer und Dränger wollten rebellieren und die Politik in Frage stellen.
Sie wollten sich demnach in ihren Texten gegen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft auflehnen. Auch wenn die jungen Autoren radikaler als die Aufklärer waren, blieb es doch vorwiegend bei literarischen Protesten. „Der Sturm und Drang war ein heftiges Gewitter. Es ging rasch vorüber, doch sein Nachhall ist bis ins 20. Jahrhundert hinein zu vernehmen.“ (www.xlibris.de a).
2.4 Die Sturm und Drang Literatur
Die Literatur des Sturm und Drangs beherrschten die jungen Autoren aus der Bürgerschicht. Diese waren entschlossen ihre Gefühle zu zeigen.
Sie kritisierten überwiegend in ihren Texten den Absolutismus und wollten sich gegen den Adel auflehnen. Sie waren mit ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht zufrieden und wollten immer wieder aus der Gesellschaft fliehen (vgl. Pascal 1963, S.66).
Die Autoren mochten das bürgerliche Berufsleben und die bürgerliche Moralvorstellung nicht. Außerdem wollten sich die Rebellen nicht mehr an die alte Tradition und Kunst der Literatur halten (vgl. Pohl 2003).
In den Texten des Sturm und Drangs kann man erkennen, dass die Autoren unter ihrem Alltag gelitten haben, nicht weil sie zu viel Arbeit hatten, sondern weil sie sich der Gesellschaftsmoral unterwerfen mussten. Ihre Texte sind oft ein „Niederschlag ihres Gefühlslebens“ (Pascal 1963, S.54).
Das heißt, sie drücken Protest, Unzufriedenheit, Kritik, Auflehnung gegen bestehende Normen aus.
2.4.1 Die Dramatik
Die Stürmer und Dränger bevorzugten Dramen zu schreiben. So waren die meisten Texte des Sturm und Drangs Dramen. Die Autoren wollten demnach ihre Proteste auf die Bühne bringen.
Das lag vor allem daran, dass die jungen Dramatiker sehr extrovertiert waren und ihre Ideen am besten auf der Bühne zur Geltung kamen (vgl. Struck 1994, S. 74).
Wie in der Lyrik und Epik, setzte man sich auch in der Dramatik mit den zentralen Problemen der Gesellschaft auseinander. Man war für die Emanzipation des Bürgertums, gegen die Ständegesellschaft und gegen den Absolutismus. Diese Themen waren auch schon Kritikpunkte in der Aufklärung. Doch die Dramen des Sturm und Drangs unterschieden sich wesentlich von denen der Aufklärung. Sie hielten sich mehr an die Wirklichkeit und stellten realistisch, fast natürlich, die kleinbürgerliche Lebensweise dar (vgl. Struck 1994, s.74).
Außerdem war die Kritik der Stürmer und Dränger nicht nur gegen den Adel, sondern sogar zum Teil gegen die Moral der Bürger gerichtet. Die Autoren wollten außerdem in ihren Stücken noch zeigen, dass die Gesellschaftsklassen bei der Liebe keine Rollen spielen dürften.
Im Sturm und Drang trennte man nicht mehr streng nach Tragödie oder Komödie. Man warf sprichwörtlich alle Regeln über den Haufen. Ein Stück enthielt meistens sowohl tragische als auch komische Elemente (vgl. Pohl 2003). Es gab aber auch noch die klassischen Tragödien und Komödien. Die Tragödien waren vorwiegend für den Adel gedacht. Die Sprache war erhaben und hatte ein gewisses Niveau. Das Ende war, wie schon das Wort Tragödie sagt, traurig.
Dagegen wurden die Komödien für die Bürger und Handwerker geschrieben. Komödien wurden umgangssprachlich geschrieben und endeten komisch (vgl. Nordmann 2003, S. 29).
Die Helden der Dramen waren meistens Genies und Liebende und vor allem besaßen sie Kraft und Mut. Diese Kraft und diesen Mut brauchten sie auch, denn schließlich mussten sich die Helden immer gegen die Normen und Werte der Gesellschaft und sogar gegen die eigene Familie stellen. Das taten die Helden auch kompromisslos, denn sie folgten immer ihren Gefühlen.
Obwohl der Sturm und Drang auch sehr die Kunst verehrte, so waren die Helden keine Künstler, sondern „Naturmenschen“, „große Kerle“ und „Machtweiber“ (vgl. Struck 1994, S.75)
Für die jungen Töchter des Kleinbürgertums zeigten die Stürmer und Dränger außergewöhnliches Mitleid. So gehören auch die Heldinnen vorwiegend der niedrigen Gesellschaftsschicht an. Sie waren genauso wie die Heldinnen der Aufklärung pflichtbewusst und hörten auf ihre Eltern. Doch der wesentliche Unterschied zwischen ihnen war, dass die Sturm und Drang Heldinnen viel mehr Gefühl und eine seelische Vitalität hatten (vgl. Pascal 1963, S.83-84).
Das große Vorbild der Dramatiker war Shakespeare, denn er wechselt in seinen Stücken oft den Schauplatz oder überspringt mal ein Jahr. Dieser Wechsel der Schauplätze ist auch für die Dramen des Sturm und Drangs sehr typisch. Auch das erste Sturm- und Drangdrama „Ugolino“ von Wilhelm Heinrich Gerstenberg ahmt bereits Shakespeare nach (vgl. Kinzle 1996, S.18). Auch bei Shakespeare standen die Gefühle an erster Stelle, deshalb verehrten ihn die Stürmer und Dränger.
Das Jahr 1776 gilt als das Dramenjahr, weil eine Reihe von wichtigen Dramen erschienen sind. Schillers Jugenddramen „Die Räuber“ und „Kabale und Liebe“ führten dann in den frühen 80jahren noch mal zu einem Sturm- und Drang Höhepunkt in der Dramatik (vgl. Struck 1994, S.73).
3 Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“
3.1 Schillers Jugend und die Entstehung von „Kabale und Liebe“
Johann Christoph Friedrich Schiller wurde am 10. November 1759 in Marbach am Neckar geboren. Er stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater, Johann Kaspar Schiller, war Wundarzt und später diente er einem Fürsten als Offizier.
1767 wurde sein Vater nach Ludwigshafen versetzt. Dort ging Schiller in die Lateinschule, um später Geistlicher zu werden. (vgl. Nordmann 2003, S.5)
Doch der Herzog Karl Eugen von Württemberg, der den Absolutismus verehrte, gründet eine „Pflanzschule“ bei Stuttgart. Auf diese Schule sollten alle Offiziers- und Beamtensöhne, die begabt waren, gehen und im Sinne von Karl Eugen erzogen werden. Auch der 14jährige Schiller musste auf diese Schule gehen. Dort fühlte er sich aber alles andere als wohl, denn es gab weder Ferien noch freie Stunden. (vgl. www.xlibris.de b)
Er fing an, sich immer mehr für Literatur zu interessieren. Er las die Werke von Lessing, Shakespeare und Goethe. Mit 16 Jahren musste Schiller auf die Fakultät für Medizin nach Stuttgart.
Ein sehr wichtiges Ereignis für Schiller geschah 1776. Der Journalist Christian Friedrich Daniel Schubart kritisierte öffentlich den Soldatenhandel der deutschen Fürsten, insbesondere den von Herzog Karl Eugen. Daraufhin lockte der Herzog Schubart nach Württemberg, ließ ihn verhaften und ohne Gerichtsverfahren 10 Jahre einsperren.
Dieses Ereignis beeinflusste Schillers erste Dramen „Die Räuber“ und „Kabale und Liebe“. (vgl. Nordmann 2003, S.6-7)
1780 schrieb Schiller anlässlich des Geburtstages der Mätresse des Herzogs, Franziska von Hohenheim, eine Festrede. Die Mätresse war für ihn das Vorbild für Lady Milford in „Kabale und Liebe“.
Aus dem Hass gegenüber dem machtsüchtigen Herzog entstand, zuerst anonym, 1781 „Die Räuber“, das am Mannheimer Theater uraufgeführt wurde. Schiller war mit einem Schlag berühmt. Der Herzog war davon aber nicht begeistert. Er steckte Schiller in Arrest und gab ihm ein Schreibverbot. Während des Arrestes entstanden die ersten Pläne für „Luise Millerin“, später, auf Rat von Schauspieler August Wilhelm Iffland, „Kabale und Liebe“. Doch Schiller floh mit seinem Freund Andreas Streicher, von dessen Geld er lebte, über Mannheim und Frankfurt nach Oggersheim und dann nach Bauerbach in Thüringen. Dort lebte er unter dem Namen Dr. Ritter und schrieb das bürgerliche Trauerspiel „Luise Millerin“. Außerdem entstanden die ersten Pläne für „Don Carlos“ und „Maria Stuart“. Die Uraufführung von „Luise Millerin“ war 1784 in Frankfurt a. M. (vgl. www.xlibris.de b)
1783 kehrte Schiller wieder nach Mannheim zurück, wo er von Dahlberg als Theaterdichter eingestellt wurde. Doch er verdiente wenig Geld und es dauerte nicht lange bis er mit Schulden überhäuft war. Auch gesundheitlich ging es ihm nicht gut. Er erkrankte an Malaria. Weil auch die Schauspieler mit seiner Arbeit nicht zufrieden waren, zog Schiller nach Leipzig und später zu Freunden nach Dresden. (vgl. www.xlibris.de b)
In Rudolstadt begegnete Schiller dann 1788 zum ersten Mal Goethe. Dieser half Schiller und verschaffte ihm eine Anstellung als Professor für Geschichte in Jena. Nun hatte Schiller wieder Geld und heiratete Charlotte von Leyfeld. Doch seine Gesundheit machte ihm noch Probleme. Er erkrankte immer wieder und die Folgen einer Bauchfellentzündung bereiteten ihm lebenslang heftige Schmerzen. In den folgenden Jahren entwickelte sich die Freundschaft mit Goethe und die Stücke wie „Wallensteins Lager“ und „Jungfrau von Orleans“ entstanden
Schiller hatte große Erfolge und wurde in den Adelsstand erhoben. Am 9.Mai 1805 starb er dann an einem erneuten Fieberanfall. (vgl. Nordmann 2003, S.10-12)
Schiller war einer der jüngsten Stürmer und Dränger und hatte auf Grund des Altersunterschieds nicht soviel mit den anderen Dichtern zu tun. Man zählt auch nur seine ersten Werke, wie „die Räuber“ und „Kabale und Liebe“ zu seinen typischen Sturm- und Drangdramen.
3.2 Inhaltsangabe des Stückes „Kabale und Liebe“
Das bürgerliche Trauerspiel „Kabale und Liebe“ wurde 1783 von Friedrich Schiller vollendet. Es umfasst 5 Akte. Schiller verteilte die Rollen nach den Vorbildern aus Lessings „Emilia Galotti“ (vgl. Binder 1964, S.253).
„Kabale und Liebe“ handelt von der Liebe einer Bürgerlichen und eines Adligen zueinander, deren Liebe jedoch durch Intrigen zerstört wird.
Ferdinand, Sohn des Präsidenten von Walter, und Luise, die Tochter des Stadtmusikanten Miller, lieben sich. Miller, der alles für seine Tochter tut, ist gegen den Entschluss seiner Tochter und auch der Präsident kann die Liebe seines Sohnes zu einer Bürgerlichen nicht unterstützen. Er möchte ihn mit Lady Milford, der Mätresse des Herzogs, verheiratet sehen. Damit könnte der Präsident noch mehr Ansehen gewinnen. Ferdinand lehnt diese Verbindung allerdings ab. Auf Wunsch seines Vaters stattet er ihr dennoch einen Besuch ab, und lernt Lady Milford als eine zwar erfolgreiche, dennoch unglückliche Frau kennen. Ferdinand gesteht ihr seine Liebe zu Luise.
Im Hause Miller wird Ferdinand dann von seinem Vater überrascht. Dieser will Miller ins Gefängnis werfen und Luise und ihre Mutter an den Pranger stellen lassen. Ferdinand lässt dieses aber nicht geschehen und droht seinem Vater, seinen verbrecherischen Weg zum Präsidenten zu veröffentlichen.
Um die Verbindung zwischen Luise und Ferdinand nun endgültig zu trennen, lässt sich der Präsident von seinem Haussekretär Wurm beraten. Wurm, der vergeblich um Luise geworben hat, schlägt vor, Luise zu erpressen. Miller wird in den Turm geworfen und wenn Luise ihn wiedersehen will, dann soll sie einen Liebesbrief an den Hofmarschall von Kalb schreiben. Ferdinand soll diesen Brief dann finden und glauben, dass Luise untreu war. Damit die Intrige aufgeht, müssen Miller und seine Tochter einen Schwur leisten, nichts von der Erpressung zu verraten.
Währenddessen hat Lady Milford Luise zu sich gebeten. Sie ist von Luises freundlich unschuldigem Auftreten so beschämt, dass sie über ihr eigenes Leben nachdenkt und beschließt fortzugehen.
Ferdinand, der den Liebesbrief für echt hält, ist auf Rache aus. Er besucht Luise und stellt sie zur Rede. Auf Grund des Schwurs gesteht Luise, den Brief geschrieben zu haben. Ferdinand beschließt Luise und sich zu vergiften. Heimlich schüttet er das Gift in ihre Limonadengläser. Kurz vor ihrem Tod gesteht Luise, den Brief auf Verlangen Wurms geschrieben zu haben. Ferdinand, der seinen Vater an Luises Leiche geführt hat, vergibt ihm kurz vor seinem eigenen Tode.
4 Inwieweit ist „Kabale und Liebe“ ein typisches Sturm- und Drangdrama?
„Kabale und Liebe“ gilt als das bedeutendste Sturm- und Drangdrama, weil es sich mit den zentralen Problemen des Sturm und Drangs auseinander setzt. Es behandelt die Standesproblematik, den Absolutismus und den Familienkonflikt (vgl. Binder 1964, S.270).
Moral, Gesetze, Mut und Menschlichkeit sind Aspekte, die Schiller dem Theaterpublikum näher bringen will. Wie in anderen Dramen, sind auch in „Kabale und Liebe“ zwei verschiedene Handlungen mit einander verflochten. Die eine Handlung ist die Kabale , die mit Anfang des zweiten Akts beginnt und mit Ende des
vierten endet. Die andere Handlung ist die Liebe zwischen Luise und Ferdinand. Diese Handlung bleibt das ganze Drama über erhalten.
4.1 Die Bedeutung des Untertitels „ein bürgerliches Trauerspiel“
Schiller hat bewusst den Untertitel „ein bürgerliches Trauerspiel“ gewählt, denn schon allein der Name zeigt, dass er sich gegen die allgemeinen Regeln stellen will. In der Dramatik waren Trauerspiele, also Tragödien für den Adel gedacht. Das heißt, dass man nur den Adel für geeignet hielt, die gehobene Sprache in einer Tragödie zu verstehen. Schiller aber schreibt nun „ein bürgerliches Trauerspiel“.
Er schreibt also eine Tragödie für die Bürger. Aber nicht nur für die Bürger, sondern auch von und über die Bürger. Schiller zeigt, dass nicht nur Adlige, sondern auch Bürger edle wichtige Gefühle und Gedanken haben.
Doch laut der Gesellschaft galt: „Bürgerliche und auch Konflikte bürgerlicher, privater Thematik waren nicht tragödienfähig“ (Nordmann 2003, S.29). Schiller durchbricht mit seinem bürgerlichen Trauerspiel aber jetzt diese Vorstellung. Er befasst sich in einer Tragödie mit bürgerlichen Problemen. Schiller stellt in „Kabale und Liebe“ bewusst das tragische Schicksal von Luise Millerin und ihrem Vater in den Vordergrund.
Ein bürgerliches Trauerspiel ist also Teil der Emanzipation der Bürger und dieses wollten Schiller sowie die Stürmer und Dränger in ihren Dramen erreichen.
4.2 Die Figuren und Thematik
Jede Figur in „Kabale und Liebe“ steht stellvertretend für eine bestimmte Menschengruppe. So, steht der Präsident für den Adel. Das heißt, der Adel wird durch die Figur des Präsidenten kritisiert. Ferdinand und Luise verkörpern dagegen die typischen Helden, die sich gegen die Werte der Gesellschaft stellten.
Die Thematik in Kabale und Liebe behandelt die zentralen Probleme des Sturm und Drangs. Zum Beispiel kritisiert Schiller den Absolutismus und die Ständegesellschaft.
4.2.1 Miller zwischen Vaterliebe und Standesbewusstsein
In den Sturm- und Drangdramen setzte man sich, außer mit Problemen der absolutistischen Herrschaft, auch mit den bürgerlichen Problemen auseinander. In „Kabale und Liebe“ stellt nun die Figur des Millers den selbstbewussten und repräsentanten Vater und Bürger dar. Durch Miller zeigt Schiller aber auch die Machtlosigkeit und Unterdrückung des damaligen Bürgertums. Diese politische Kritik soll das Bürgertum stärken und auffordern etwas zu tun.
Schiller zeigt Miller als Familienvater einer kleinen bürgerlichen Familie mit einer Frau und einer Tochter. Miller scheint ein sehr liebevoller Vater zu sein, denn Luise vergöttert ihn schon fast. „Ich habe einen Vater, der kein Vermögen hat, als diese einzige Tochter.“(Schiller 2001, S.64). Miller ist um Luise sehr besorgt. Er lässt ihr aber ihren freien Willen, denn als Wurm um ihre Hand anhält, gibt ihm Miller zu verstehen, dass er seine Tochter nicht zu etwas zwingt. „Es bleibt beim Alten. [...] Ich zwinge meine Tochter nicht“ (Schiller 2001, S.10).
Dass ein Vater seiner Tochter eine eigene Entscheidung treffen lässt, war zur Zeit des 18.Jahunderts nicht üblich. Hier wird wieder die Emanzipation deutlich.
Ein weiterer wichtiger Lebensinhalt ist für die Bürger die Religion. Auch Miller ist sehr religiös und er freut sich darüber, dass auch seine Tochter so fromm ist (vgl. Schiller 2001, S.12). Als Vater unterstützt er Luise in allem, weil er sie sehr liebt. Aber er ist auch sehr besorgt um sie, denn er möchte, dass Luise Ferdinand vergisst. Er ist der Meinung, er sei nicht der Richtige für sie. „Ich dachte, meine Luise hätte den Namen in der Kirche gelassen?“ (Schiller 2001, S.12).
An dieser Stelle kommt Millers Standesbewusstsein zum Vorschein. Er weiß, dass Ferdinand ein Adliger ist und sieht deshalb Probleme auf seine Tochter zukommen, weil sie bürgerlich ist. Miller versucht nicht, die Liebe seiner Tochter zu unterstützen. Er ist sich seines und ihres Standes bewusst und akzeptiert diese. Außerdem will er mit dem höheren Stand nichts zu tun haben. Obwohl er seiner Luise alles geben will, kann er ihr Ferdinand nicht geben, weil es die verschiedenen Stände verbieten. Dieses Verbot ist ein großer Vorwurf und Kritik am Adel (vgl. Schiller 2001, S.14).
4.2.2 Der Präsident als Stellvertreter für den Adel
Auch wenn Schiller die bürgerliche Moral anzweifelt, so kritisiert er in „Kabale und Liebe“ doch überwiegend den Adel. Die Figur des Präsidenten steht nun stellvertretend für den Adel. Der Präsident ist nicht ganz so hinterlistig wie Wurm. Er versucht aber, durch Heiratspolitik mehr Macht am Hof zu bekommen. „Ich habe der Lady Milford in deinem Namen eine Karte geschickt. Du wirst dich ohne Aufschub bequemen, dahin zu gehen, und ihr zu sagen, dass du ihr Bräutigam bist.“ (Schiller 2001, S.25). An dieser Heiratspolitik kann man erkennen, dass der Präsident nicht auf Ferdinands Gefühle Rücksicht nimmt, sondern allein seinen Vorteil sieht. Der Adel nahm also keine Rücksicht auf die Gefühle, die doch im Sturm und Drang so wichtig gewesen sind.
Auch wenn Wurm dem Präsidenten die Intrige vorgeschlagen hat, so findet der Präsident gleich Gefallen an ihr und spannt den Hofmarschall in seine Pläne mit ein. „Toller Einfall! Als ob sie sich geschwind hin bequem würde, ihr eigenes Todesurteil zu schreiben.“ (Schiller 2001, S. 55). Somit macht sich der Präsident an dem Tod von Luise und Ferdinand mit schuldig.
Ehrlichkeit spielt aber für ihn keine Rolle, denn der Präsident versucht die ganze Schuld auf Wurm zu lenken. „Verfluchter, von dir! Von dir, Satan! – Du, du gabst den Schlangenrat[...].“(Schiller 2001, S.121)
Schiller zeigt durch den Präsidenten, wie die Adligen an ihre Ämter gekommen sind und wie sie mit ihren Untertanen umgegangen sind.
4.2.3 Ferdinand als „typischer Held“ und Kontrastfigur zu Wurm
Wie schon erwähnt, waren die typischen Dramenhelden meistens Genies und Liebende, die sich gegen die Normen der Gesellschaft stellten. In „Kabale und Liebe“ verkörpert Ferdinand diesen Helden. Ferdinand ist ein schwärmerischer Idealist. „Er liebt sein Ideal von der Liebe, Gleichklang der Herzen über Standesgrenzen hinweg“ (Nordmann 2003, S.75). Das heißt, dass für Ferdinand die Liebe wichtiger ist als sein adliger Stand oder seine Karriere. Er weiß, wenn er zu Luise steht und sich gegen seinen Vater stellt, so würde ihn das gesellschaftlich ruinieren. Er verkörpert den Rebellen. „O, immer noch besser, Vater, als ich kröch um den Thron herum“ (Schiller 2001, S.24). Jedes Stück hatte so einen Rebellen, zum Beispiel in den „Räubern“ war es Karl Moor und in „Götz von Berlichingen“ war es der Götz (vgl. Frenzel 2001, S.212 und S.224). Schon in Shakespeares „Romeo und Julia“, verkörperte Romeo den Rebellen. Ferdinand und Romeo weisen Parallelen auf.
Außerdem ist Ferdinand ein ehrlicher Held und er will, dass auch Luises Liebe ehrlich ist. Deshalb ist Ferdinand auch die Kontrastfigur zu Wurm. Wurm will mit seinen Intrigen alles bekommen. Er will mehr Anerkennung am Hof und auch Luises Liebe durch eine Intrige erwerben. Er ist egoistisch, denn er „möchte die Pläne des Präsidenten so nutzen, dass für ihn dabei Luise als Ehefrau abfällt“ (Nordmann 2003, S.77). Letztendlich geht seine eigene Intrige nicht auf, denn Wurm rechnet nicht damit, dass Ferdinand selbst sein Leben für seine Liebe und Ideale aufgibt. Doch dieses Verhalten ist typisch für die Sturm- und Dranghelden. Ferdinand sah seine Liebe in Gefahr und versuchte durch Selbstmord aus seiner Verzweiflung zu kommen. Auch der Werther in Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ brachte sich wegen seiner verzweifelten Liebe um.
Ferdinand ist ein Held der Worte und nicht der Taten. Er droht immer wieder seinen Vater zu verraten, aber er macht es letztendlich nicht (vgl. Nordmann, S.74).
Ferdinand lässt sich nichts sagen. Er bricht die Regeln seiner Elterngeneration und wird so zu einem Individuum mit einem eigenen Willen.
4.2.4 Die Liebe zwischen Ferdinand und Luise
Die Liebe zwischen Luise und Ferdinand ist eines der Hauptthemen in „Kabale und Liebe“.
Auch mit der Figur Luises kritisiert Schiller die Ständegesellschaft. Denn Luise, als gut erzogene Bürgerin, weiß, dass es sich nicht schickt, mit einem Adligen eine Beziehung einzugehen. Eine Beziehung zwischen Adel und Bürgertum galt damals sogar als Schande und wurde eigentlich auch vermieden. Dennoch widersetzt sie sich dieser Regel. Für sie ist nichts wichtiger als ihr Ferdinand. „Ah! ich vergaß, dass es noch außer ihm Menschen gibt.“( Schiller 2001, S.12). Auch an dieser Stelle kann man wieder erkennen, dass im Sturm und Drang die Gefühle wichtiger als die Regeln waren. Luise ist auch eine Heldin des Stückes. Sie bricht wie Ferdinand die Regeln der Ständegesellschaft und will mit ihrem Geliebten frei sein. Dafür verzichtet sie auf alles und will sich umbringen. Da Luise aber sehr gläubig ist, begeht sie diese Sünde aber doch nicht.
Die Liebe zwischen Luise und Ferdinand scheitert nicht nur an der Gesellschaft, sondern auch an den beiden selbst. Ferdinand fordert bedingungslose Unterwerfung und wertet deshalb Luises Bedenken als Verrat. „Schlange du lügst. Dich fesselt was anderes hier [...] Kalte Pflicht gegen feurige Liebe! – Und mich soll das Mädchen blenden?“ (Schiller 2001, S.66). Dass aber Luise eine innere Auseinandersetzung auf Grund ihrer Moraleinstellungen führt, nimmt Ferdinand nicht wahr. Wegen Luises bzw. den bürgerlichen Moralvorstellungen und Ferdinands Misstrauen konnte die Kabale auch nur gelingen. Da Luise so fromm ist und auch noch fest an Schwüre glaubt, muss sie der Kabale unterliegen.
Das ist auch ein weiterer Kritikpunkt Schillers, denn die Stürmer und Dränger wollten nicht nur den Adel kritisieren, sondern auch die bürgerlichen Werte und Normen. Schiller wollte demnach durch Luise zeigen, in was für einen Konflikt man gerät, wenn man eisern an seinen Werten festhält.
4.3 Schiller als Absolutismuskritiker gegen Herzog Karl Eugen
Die Figuren der Lady Milford, Ferdinand und Luise spiegeln deutlich Schillers Absolutismuskritik wieder, um die es auch in den anderen Sturm- und Drangdramen ging. Luise und Ferdinand üben Kritik aus, indem sie sich gegen den Präsidenten und die Werte der Gesellschaft stellen.
Lady Milford hat durch ihren Platz am Hof einen guten Stand, ist aber nicht vom Herrschaftssystem überzeugt. Sie hat immer noch ein Gefühl für Gerechtigkeit. Das wird besonders in der Kammerdienerszene, im 2. Akt, (vgl. Schiller 2001, S.31-34) deutlich. Die Landeskinder sollen als Soldaten nach Amerika geschickt werden. Lady Milford ist schockiert über soviel Ungerechtigkeit und versucht zu helfen. „Weg mit diesen Steinen – sie blitzen Höllenflammen in mein Herz. [...] Sie werden wiederkommen. Sie werden ihr Vaterland wiedersehen!“ (Schiller 2001, S.33).
In der Kammerdienerzene will Schiller auch zeigen, wie der Herzog mit seinen Untertanen umgegangen ist. Schiller spricht sich in dieser Szene ganz klar gegen den Soldatenhandel und das Vorgehen des Herzogs aus.
In dieser Szene merkt man auch deutlich, wie sehr Schiller die Herrschaft von Herzog Karl Eugen von Württemberg kritisiert. Denn er will durch die Figur des Herzogs immer wieder auf Herzog Karl Eugen anspielen.
Obwohl der Herzog nie in persona auftritt, so ist er trotzdem immer gegenwärtig. „Legt Hand an im Namen des Herzogs [...].“ (Schiller 2001, S.50).
Der Herzog verleiht seinen Vertretern große Macht, so dass sie mit den Bürgern umspringen können wie sie wollen. „Auf Befehl des Herzogs. Des Herzogs? Der die Verletzung der Majestät in der Person seines Stellvertreters –“ (Schiller 2001, S.67). Auch über Lady Milford hat der Herzog Macht, doch sie, als aufrichtiger Mensch, will sich gegen ihn stellen.
Wie auch Ferdinand ist Lady Milford gesellschaftlich sehr geachtet und lebt im Luxus. Sie weiß auch, wenn sie den Herzog verlässt, so wird sie diesen Luxus nicht mehr haben. Doch sie kann die ganzen Missetaten, die durch den Absolutismus entstehen nicht mit ihrem Gewissen vereinen (vgl. Struck 1994, S.24-25).
Auch Schiller fühlt so wie Lady Milford und hätte vielleicht in manchen Situationen auch gerne so gehandelt wie die Lady oder Ferdinand. Er hätte sich zum Beispiel auch gerne geweigert, auf die Pflanzschule zu gehen.
4.4 Die Sprache und äußere Form des Dramas
Der Ausdruck und die Sprache der Figuren unterscheiden sich sehr.
Die Bürger reden nicht so erhaben wie der Adel. Miller zum Beispiel spricht direkt und offen. „Hab ihn nicht ich mein Haus geschwatzt – hab ihm’s Mädel nicht nachgeworfen.“ (Schiller 2001, S.5). Der Hofmarschall dagegen drückt sich vornehm aus, in dem er auch ein paar französische Vokabeln benutzt. „Nur en passant, mein Bester – Wie leben Sie? Wie befinden Sie sich?“ (Schiller 2001, S.58). An den beiden Zitaten kann man erkennen, dass die Sprache ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Abstammung ist.
Ausnahmen davon sind Luise, Ferdinand und Lady Milford, denn sie sprechen die Sprache ihres Herzens. (vgl. Struck 1994, S. 78). Sprachlich gesehen sind dann die Drei auf einer Ebene, was gesellschaftlich nicht der Fall war. Doch im Sturm und Drang wollte man erreichen, dass es bei der Liebe keine Trennung zwischen Adel und Bürgertum gab.
Bei der äußeren Form von Kabale und Liebe hält sich Schiller eher an den Dramenaufbau, den es auch schon in der Aufklärung gab. Er wechselt nicht ständig zwischen den Schauplätzen oder den Jahren. Es gibt drei Schauplätze, in denen sich das Geschehen abspielt, in Millers Haus, im Haus des Präsidenten und im Haus der Lady Milford. Das gesamte Stück handelt sich mehr oder weniger in zwei Tagen ab. Der Aufbau von Kabale und Liebe ist also kein typisches Merkmal für den Sturm und Drang. „Schiller [fand] in seinen Überarbeitungen von Kabale und Liebe, stärker als Goethe und Lenz, zurück zur Geschlossenheit der Form [...].“ (Struck, 1994, S. 80)
5 Resümee
Nun, am Ende dieser Facharbeit kann ich sagen, dass ich um einige Erfahrungen reicher geworden bin.
Als ich am Anfang gesehen habe, wie viele verschiedene Bücher und Internetseiten es über mein Thema gibt, habe ich gedacht, es würde ewig dauern, bis ich die „richtigen“ Bücher gefunden habe. Doch Dank guter Beratung von Buchhändlern und Bibliothekaren, habe ich letztendlich treffende Bücher gefunden.
Doch dann hatte ich viele Informationen, die erst einmal irgendwie sortiert werden mussten. Ich habe mir eine sehr grobe Gliederung erstellt und einfach angefangen zu schreiben. Beim Schreiben wurde mir dann immer klarer, wie meine Facharbeit aussehen sollte.
Was nun mein Thema „Friedrich Schillers >Kabale und Liebe< – ein typisches Drama der Literaturepoche >Sturm und Drang<“ angeht, kann ich sagen, dass Kabale und Liebe sehr wohl ein typisches Drama der Epoche ist.
„Kabale und Liebe“ ist eines der letzten Sturm und Drangdramen und wird oft als ein Drama der Literatuepoche „Klassik“ angesehen, da man auch Schiller in erster Linie für einen Klassikautor hält.
Beim Schreiben meiner Facharbeit, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass dieses so nicht ganz stimmt. Denn Goethe und Schiller waren in ihrer Jugend Sturm- und Drangautoren und alle Merkmale des Sturm und Drangs werden auch in „Kabale und Liebe“ behandelt. In der Epoche standen die Gefühle an erster Stelle, dieses ist auch in „Kabale und Liebe“ der Fall.
Auch das Denken, Fühlen und Verhalten der Figuren ist typisch für den Sturm und Drang. Luise verkörpert die liebe, kleinbürgerliche Tochter und Ferdinand den gefühlvollen, rebellischen Helden, der selbst seinen Stand für die Liebe aufgibt.
Im Sturm und Drang wurde der Absolutismus und die Ständegesellschaft kritisiert, auch diese Zustände werden von Schiller deutlich behandelt und an den Pranger gestellt.
Auch heute ist das Thema der Ständegesellschaft noch aktuell. Jeden interessiert und lockt es vor den Fernseher, wenn sich ein Angehöriger aus einem Königshaus mit einem Bürgerlichen vermählt. Beispiele hierfür finden sich fast in jedem europäischen Königshaus. Die letzte Heirat war die zwischen dem niederländischen Kronprinzen Willem-Alexander mit der Brasilianerin Maxima. Aber auch in den Königshäusern von Dänemark, Schweden, Norwegen und Belgien gibt es mittlerweile solche Verbindungen. Noch nicht immer wird diese Heirat von allen Bürgern toleriert, aber die Beispiele zeigen, dass die Grenzen zwar noch nicht völlig verschwunden, aber doch schon zumindest in der Liebe sehr ins Wanken geraten sind. Und ich meine dies ist eine Folge der Sturm- und Drangzeit.
Die Stürmer und Dränger wollten ja schon damals, dass es bei der Liebe keinen Unterschied zwischen den Ständen geben darf. Aber selbst unsere Gesellschaft heute hält sich noch nicht immer an diesen Wert und muss Widerstände überwinden.
Auch in Filmen geht es um diese Thematik. Sei es in „Pretty Woman“ vor einigen Jahren, oder im aktuellen Film „Manhatten Love Story“. Immer wieder verliebt sich ein Adliger bzw. Reicher in eine Bürgerliche und würde für sie alles aufgeben. Die Filme sind ein Kassenmagnet und die Thematik bewegt die Menschen auch heute noch. Jeder Bürgerliche träumt vom gesellschaftlichen Aufstieg und erhofft, sie durch eine Heirat zu realisieren.
Wie schon damals die Helden in den Sturm- und Drangdramen, müssen auch die heutigen Helden sich oft gegen Widerstände behaupten.
Das zeigt, dass die Thematik von „Kabale und Liebe“ auch heute noch aktuell ist und in der heutigen Literatur immer noch seine Berechtigung findet. weiterlesen schließen -
Die Welt von gestern
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
Dieses Buch kann guten Gewissens zur Weltliteratur gezählt werden, Stefan Zweig gehört zu
den ganz großen deutschsprachigen Schriftstellern, eine Zeitlang war er der meistgelesene
deutschsprachige Autor. Seine Bücher wurden in unzählige Sprachen übersetzt.
Bei diesem Buch handelt es sich um mein Lieblingswerk des österreichischen Juden, der
zeitlebens immer für eine humanistische Weltanschauung gekämpft hat. Dieses Wollen
zieht sich durch sein gesamtes Werk. Daneben haben ihn immer die etwas skurilen
Charaktere fasziniert, die vom Durchschnitt abwichen und deren Psychologie er mit
einer einzigartigen Wortgewalt darzustellen vermochte.
Bei "Die Welt von gestern" handelt es sich eigentlich um eine Biographie Zweigs, bei
der er sich allerdings sehr zurücknimmt und eher wenig Einblicke in sein persönliches
Leben zulässt als vielmehr die Zeit, in der er lebte aus seiner persönlichen Sicht
schildert.
Zweig wurde 1881 in Wien als Sohn reicher Geschäftsleute geboren. Das Leben während
Seiner Jugendzeit war bestimmt von der Hingabe zur Kunst, er und seine Klassenkameraden
schrieben Gedichte, musizierten oder spielten Theater.
Herrlich wie Zweig das Leben in Wien um die Jahrhundertwende beleuchtet, die verpönte
Sexualität dieser Zeit anprangert, deren wahre Ausmaße Zweig mühelos schildert und
Einen schockierten Leser zurücklässt. Geschichtsunterricht vermag nicht annähernd solch
Detaillierten Einblicke zu geben, wie Zweig die hier schafft. Immer wieder baut Zweig
Metapher ein, die dem Leser ein perfektes Gefühl für diese Zeit gibt
Zweig trifft mit vielen berühmten Persönlichkeiten wie z.b. Freud oder Rilke zusammen und gibt
Dem Leser auch hier sehr intime Einblicke.
Zweig lebt anschließend in Salzburg, Paris, Berlin und stellt die Eigenheiten seiner temporären
Heimaten bildgewaltig dar.
In dem Kapitel über Paris beschreibt, wie es zu dieser Zeit (vor dem 1.Weltkrieg) keine
Standesunterschiede gab, die Kellner grüßten die Generäle per Handschlag, die Kinder
Auf der Strasse schenkten den Prostituierten Blumen, Menschen tanzten auf der Strasse
Und der Polizist lachte dazu, die Strasse gehörte doch schließlich jedem. Jeder war akzeptiert,
egal, wie er aussah, was er machte, welche Sprache er sprach. Paris führte alle Menschen
zusammen und vereinigte sie in sich. Die Anziehungskraft, die Paris in dieser Zeit
auf die Menschen ausübte speiste sich genau aus dieser Toleranz und dem Nichtvorhandensein
von Konventionen. Die Künstler liebten das inspirative Leben in Frankreichs Hauptstadt.
Als der Krieg ausbrach arbeitete Zweig dann im Archiv und musste zu Zwecken der
Berichterstattung auch an die Front. Auch dieser Teil ist des Buches ist hochgradig
Interessant. An einer Stelle schildert er, wie er auch russische Kriegsgefange traf, die
Von bayrischen Soldaten bewacht wurden. Die Bewachung erschien ihm ein wenig lax,
jedoch dachten die Gefangenen nicht im Traum dran, zu fliehen. Ein Bayer näherte
sich den Gefangenen und zeigte den Russen stolz die Bilder seine Familie, die von diesen
interessiert und mit Lachen betrachtet werden. Die "Gegner" schwatzen und tauschen Zigaretten,
den Krieg wollten sie alle nicht.
Zweig prangert die Regierungen dieser Welt an, die Kriege beginnen und Interessen verfolgen, die denen der meisten Menschen entgegengesetzt sind. Vergleiche zur heutigen Zeit kommen dem Leser dabei sofort.
Zweig tritt für die Überwindung künstlich erstellter Grenzen ein, da er sich und seine Freunde in aller
Welt zuerst als Mensch und nicht als Österreicher, Jude, Deutsche, Spanier etc. sieht.
Dieses Buch stellt für mich das größte Buch Zweigs dar, seine humanistischen Überzeugungen
Werden wunderbar und wortgewaltig geschildert. Ein wahrer Genuß, dieses Buch zu lesen, ich
Habe es innerhalb kürzester Zeit verschlungen und es zu meinen absoluten Lieblingsbuch erkoren.
Absolut empfehlenswert für historisch und humanistisch interessierte Menschen...
Viel Spass beim Lesen
paksekk weiterlesen schließen
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