Pro:
Arbeit ist Arbeit.
Kontra:
Schwere Tätigkeit, die allzu wenig Beachtung findet.
Empfehlung:
Ja
Von einer Geprüfte Sekretärin zur Reinigungskraft
Mein Nebenjob
Von der Chefsekretärin zur Reinigungskraft. Ein Abstieg?
Ausgestattet mit einem sehr guten Zeugnis, verließ ich im Dezember 2002 den Baubetrieb, der fast 25 Jahre die meiste Zeit meines Lebens in Anspruch genommen hatte. Zehn Jahre davon war ich als Sekretärin des Geschäftsführenden Gesellschafters tätig.
Bei meinem Ausstieg trug ich 44 Lebensjahre auf dem Buckel und war der Meinung, dass an meinem Zeugnis kein Arbeitgeber vorbei gehen kann.
Nach 1 ½ Jahren Arbeitslosigkeit stand mir dann das Wasser bis zum Hals und höher. Irgendetwas musste her und so nahm ich Kontakt zu einer Reinigungsfirma auf, die mich dann auch einstellte.
Arbeitszeit:
Von Montag bis Samstag (6.00 bis 7.10 Uhr)
Arbeitsort:
Ein Einkaufsmarkt 4-5 mal so groß wie ein Aldimarkt.
Tätigkeiten allgemein:
Zu dritt warten wir jeden Morgen vor dem Hintereingang auf Einlass. Wir sind zwei Frauen und ein Mann. Der Mann fährt die Reinigungsmaschine, meine Kollegin und Chefin reinigt die Flächen, wo die Maschine nicht hin kommt. Ich wurde ausgestattet mit einem Riesenbesen und fege die freien Flächen ab. Außerdem unterstehen mir die Sanitär- und Aufenthaltsräume. Bis auf den Samstag. An diesem Tag tausche ich die Aufenthaltsräume mit dem Staubsauger und sauge die Teppichflächen ab.
Mein Dienstplan:
Ich begann mit dem Wischsystem. Nach einem Monat wechselt ich dann zum Riesenbesen und den Sanitär- und Aufenthaltsräumen.
Montag
Fegen, Sanitärräume reinigen, Papierkörbe leeren und Treppe wischen
Dienstag
Fegen, Sanitärräume reinigen, Papierkörbe leeren, Aufenthaltsräume wischen
Mittwoch
Fegen, Sanitärräume reinigen, Papierkörbe leeren, Umkleideräume wischen
Donnerstag
Fegen, Sanitärräume reinigen, Papierkörbe leeren, Aufenthaltsräume wischen
Freitag
Fegen, Sanitärräume reinigen, Papierkörbe leeren, Umkleideräume wischen
Samstag
Fegen, Sanitärräume reinigen, Papierkörbe leeren, Teppich absaugen
Sonntag
FREI HURRA. ICH DARF ENDLICH AUSSCHLAFEN.
Zeitvorgabe:
Vielleicht wissen ja einige Leser, das in Reinigungsfirma streng nach Zeitplan gearbeitet wird.
Am Anfang fehlte mir noch das Geschick und die Schnelligkeit. Ich lag ständig 10 Minuten über der Zeitvorgabe. Damit hat aber kein Mensch ein Problem, denn diese Zeit wird nicht bezahlt. Was nicht passieren darf ist, die Zeitvorgabe zu unterbieten. Das ist mir in den letzten Monaten aber doch passiert. Ein Grund dafür war die stupide, langweilige Arbeit. Ich führte einen Wettbewerb mit mir selbst und vergaß dabei, dass eine Stunde und zehn Minuten bezahlt werden und nicht 45 Minuten. Schnell und trotzdem sauber sollte es sein. Ist auch eigentlich kein Problem. Wenn erst Grund reingebracht wurde, läuft die Arbeit wie von selbst. Aber eines Tages pfiff mich meine Chefin zurück. Also wieder langsamer werden und entspannen, aber ja nicht einschlafen dabei.
Ehrgeiz:
Mein Kopf sagt ständig zu mir, Sauberkeit steht an erster Stelle. Nach einem halben Jahr war es so weit. Die Sanitäreinrichtungen blitzten wieder, soweit es möglich war. Aufgrund ihres Alters gab es manche Problemzonen, die nicht mehr auszumerzen waren. Ich muss aber dazu schreiben, dass ich sicherlich mehr geputzt habe, als laut Vertrag vorgesehen war. Mir war es egal, solange die Zeit stimmte. Die Hausfrau in mir war einfach stärker.
Reinigungsutensilien:
Die Reinigungsmittel und -tücher werden von der Firma gesponsort, ebenso das Wischsystem und die Reinigungsmaschine. Die Müllbeutel kauft der Markt. Ich selbst habe immer darauf zu achten, dass saubere Tücher und ausreichend Putzmittel zur Verfügung stehen. Sie werden von mir bei meiner Chefin bestellt. Dreckige Tücher mit Löchern versehen, gibt es bei mir nicht. Das Wischsystem, welches auch ich zum Wischen benutze, bekommt täglich einen neuen Überzug. Ich weigere mich einfach, ihn mehrere Tage zu benutzen, auch wenn er nicht vor Schmutz steht.
Was mir gegen den Strich ging und geht:
Natürlich gab es auch Problemchen. Am Anfang verschwanden meine Putztücher. Nicht jeden Tag, aber fast jede Woche und immer waren es die Toilettentücher. Ich weiß bis heute nicht, was die Angestellten damit geputzt haben. In Gedanken wurde mir nur manchmal übel, wenn ich daran dachte, dass sie eventuell einen Schreibtisch damit abgewischt haben.
Nach einem klärenden lauten Gespräch bekam ich eine Ecke im Hausmeisterraum. Jetzt ärgerten mich nicht mehr die Angestellten, sondern der Hausmeister. Da er zu faul war, sich einen Eimer aus dem Lager zu holen, benutzte er einfach mein Exemplar für das Anrühren von Wandfarbe. Wäre ja auch weiter nicht schlimm, wenn er ihn wieder gesäubert hätte. Tja und dann gab es da noch die Sache mit dem Papierkorb. Er ist aus Metall und geht mir bis zum Po. Sein Innenleben ist mit einem großen Plastikmüllbeutel dekoriert. Manchmal glaube ich, man verwechselt die Reinigungskraft mit einem Lastkran, denn sie wurden bis oben hin mit Schreibpapierpaketen gefüllt. Doch ich bin nun mal nur 1,57 groß und kein Muskelpaket. Mir gelang es einfach nicht, den gefüllten Müllsack aus dem Papierkorb zu hieven und so ließ ich ihn drin, legte einen leeren Müllsack daneben und wurde dann irgendwann zusammen gestaucht. Warum? Ist doch ganz klar, ich habe den Papierkorb zu leeren, egal wie. Am besten auf den Kopf stellen und alles ausschütten. Nein! Ich sollte mir einen männlichen Lehrling organisieren., die meistens bereits in der Gemüseabteilung einräumen. Was aber, wenn kein Lehrling vor Ort ist? Ich griff mir so einfach den erst besten Mann, der mir über den Weg lief. Den Hausmeister oder den Marktleiter. Große Tiere können auch mal zupacken.
Ich verteile hier mal eine geschriebene Backpfeife an meine Chefin, die nicht in der Lage war, dieses Problem zu meinen Gunsten zu lösen.
Lohn:
Ich habe lange überlegt, ob ich den Monatslohn hier veröffentlichen soll oder darf. Die Überlegungen sind zu Ende. Für einen normalen Monat von 30 bzw. 31 Tage ohne Feiertage, erscheint auf meinem Konto der Betrag von 183,00 €. Der Lohn wird immer einen Monat verspätet gezahlt. Das heißt, der Lohn für Januar kommt am 25. Februar. Soll er kommen, aber unser großer Arbeitgeber zögert das ständig, manchmal bis zu drei Wochen, hinaus. Die Gründe dafür kenne ich nicht.
Körperliche Probleme:
Damit hatte ich am Anfang sehr zu kämpfen. Es ist ja auch kein Wunder nach 25 Jahren Bürotätigkeit. Oftmals schmerzten meine Arme und die Finger waren angeschwollen. Jetzt nach zwei Jahren gibt es dies nicht mehr.
Urlaub:
Auch der Urlaub gehört zu einem Nebenjob. Ich habe einen Anspruch von jährlich 24 Tagen, die aber nicht bezahlt werden.
Warum ich den Nebenjob so ausführlich beschreibe?
Ich will keine Lanze brechen. Nur denke ich, dass manche gar nichts bzw. sehr wenig über diese Arbeit wissen.
Als ehemalige Chefsekretärin habe ich mich jahrelang auch mit den Reinigungskräften auseinandergesetzt. Es gibt gute und schlechte. Die guten sind rar und die schlechten haben keine Lust. Doch erst jetzt habe ich am eigenen Leib gespürt, wie schwer der Job ist und es warfen sich viele Fragen auf.
Warum werden die Toiletten vom Benutzer nicht so sauber gemacht wie bei ihnen zu Hause? Warum betätigen die Herren der Schöpfung die Spülung des P-Beckens nicht immer? Warum wird der abgewaschene Dreck im Waschbecken so belassen? Warum sind die Spiegel über den Waschbecken täglich schmutzig? Warum findet die Reinigungskraft im Papierkorb halb volle Getränkekartons?
Die Antwort ist. Es gibt doch eine Putze. Soll sie sich doch die Finger schmutzig machen. Dafür bekommt sie auch noch bezahlt! Ich kann nur schreiben, schämt euch in Grund und Boden.
Warum arbeitet die Reinigungskraft manchmal nicht so gründlich? Weil die Zeitvorgabe zu gering ist! Warum ist der Wischeimer nur halb voll? Weil er ansonsten auf Dauer zu schwer wird beim hin und her Tragen! Warum benutzt sie so löchrige Putztücher? Entweder ist der Arbeitgeber zu geizig oder sie zu faul und bequem! Noch mehr Fragen? Stellt sie!
Ich möchte einfach mal die Gelegenheit nutzen, für so manche gute Reinigungskraft ein gutes Wort einzulegen, denn ich kenne mittlerweile zwei Sichtweisen und kann heute um einiges besser verstehen, warum so oder so gehandelt wird.
Die Reinigungskraft ist dazu da, um für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen, aber nicht dafür, die Faulheit der Menschen von der Treppe zu fegen.
Aber auch die Reinigungskraft sollte immer dafür Sorge tragen, dass ihre Utensilien ordentlich und brauchbar sind.
Leider ist die heutige Arbeitssituation so, dass sich die wenigsten trauen, auch mal ein ernsthaftes Gespräch mit ihrem Chef zu führen.
Eventuell liest diesen Bericht auch mal ein Reinigungsboss. Also Sehr geehrter Herr Chef, ab und an kann man sich auch für seine Leute gerade machen. Sie verdienen schon nicht viel, aber man erwartet von ihnen meist die doppelte Leistung.
Ein Abstieg?
Diese Frage steht noch im Raum. Am Anfang habe ich immer gedacht, was ist bloß aus dir geworden; von einer gepflegten Sekretärin zu einer Reinigungskraft. Nach meinen ersten Putzeinsätzen hatte ich immer das Gefühl, ich müsste mich ständig waschen. Ich kam mir immer etwas schmuddelig vor. Keine schönen Klamotten, keine Schminke und keine langen lackierten Fingernägel.
Doch damit habe ich mich mittlerweile auseinandergesetzt und stehe zum meinem Nebenjob. Ich besitze genügend eigene Stärke, um damit umgehen zu können und wenn ich ausgehe, verwandle ich mich einfach und auch gerne. Man kann schreiben, ich gehe bewusster mit mir selbst um. Nach meiner Arbeit genieße ich einfach die Zeit mit meinem Mann oder mit meinen Hobbys.
Danke für die Zeit, die Du Dir zum Lesen genommen hast.
Es grüßt die Leseratee.
Veröffentlicht auch bei Ciao unter Meerfrau. weiterlesen schließen
Bewerten / Kommentar schreiben